Die Bildungsurlaubsgesetze sehen überwiegend die Freistellung für berufliche und (gesellschafts)politische Weiterbildung vor. Manche Bundesländer gehen aber weiter: In Bremen[1] und Schleswig-Holstein[2] kann die Freistellung auch zum Zweck der allgemeinen Weiterbildung erfolgen, in Niedersachsen darüber hinaus zum Zweck der kulturellen Bildung.[3] Auch in Brandenburg darf der Bildungsurlaub nicht nur für die berufliche Qualifikation, sondern auch für die kulturelle Weiterbildung in Anspruch genommen werden.[4]

In einigen Bundesländern wie z. B. in Baden-Württemberg, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern kann die Freistellung auch zur Weiterbildung für die Wahrnehmung eines Ehrenamts bzw. ehrenamtlicher Tätigkeiten erfolgen. Eine solche Bildungszeit muss nicht davon abhängig sein, dass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits eine einschlägige ehrenamtliche Tätigkeit ausübt. Wenn der Gesetzgeber die Formulierung „Qualifizierung zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten“ verwendet, wie z. B. in § 1 Abs. 2 BzG BW, kann dies zu dem Auslegungsergebnis führen, dass nicht nur bereits aktiv im Ehrenamt tätige Personen, sondern auch solche, die die Übernahme eines Ehrenamts erst noch beabsichtigen, Bildungszeit für eine Bildungsmaßnahme, die die abstrakte Eignung aufweist, den Teilnehmer zu befähigen, ein Ehrenamt auszuüben, beanspruchen können.[5]

Auszubildende können sich dagegen zumeist nur für politische Bildungsveranstaltungen freistellen lassen. Allerdings zeichnet sich hier ein Wandel ab, denn in Hessen können Auszubildende mittlerweile ihren Anspruch auf Freistellung auch für Schulungen zur Wahrnehmung eines Ehrenamts geltend machen (vgl. Ziffer 11.6.1) und nach dem neuen Berliner Bildungszeitgesetz werden Auszubildende den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gleichgestellt.

[3] § 1 NBildUG i. V. m. § 1 Abs. 1 Niedersächsisches Erwachsenenbildungsgesetz.
[5] BAG, Urteil v. 12.10.2021, 9 AZR 133/21.

3.2.1 Inhaltliche Geeignetheit der Weiterbildungsveranstaltung

Ob die vom Arbeitnehmer ausgewählte Weiterbildungsveranstaltung den jeweiligen gesetzlichen Leitvorgaben entspricht und damit für eine Bildungsfreistellung in Betracht kommt, ist vielfach Gegenstand von arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen, da es sich bei Zielen wie "berufliche Weiterbildung" oder "politische Weiterbildung" (vgl. § 1 Abs. 2 AWBG) um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt[1], die nicht durch einen fest umrissenen Sachverhalt ausgefüllt werden, sondern der Rechtsanwendung im Einzelfall bedürfen. Die behördliche Anerkennung der vom Arbeitnehmer ausgewählten Weiterbildungsveranstaltung als Bildungsfreistellungsmaßnahme schließt es nicht aus, dass vom Arbeitgeber in einem gerichtlichen Verfahren die thematisch umstrittene Bildungsveranstaltung hinsichtlich ihrer inhaltlichen Geeignetheit überprüft werden kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Anerkennungsbescheiden nach den Bildungsurlaubsgesetzen der Länder Nordrhein-Westfalen[2], Hessen[3] und der Freien und Hansestadt Hamburg[4] ist die Anerkennung einer Bildungsveranstaltung durch die zuständige Behörde nur ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal. Sie ersetzt nicht die verfassungsrechtlich gebotene Rechtskontrolle des Inhalts der Bildungsveranstaltung durch ein Gericht.[5] Die Anerkennung begründet deshalb keine tatsächliche Vermutung, dass die Bildungsveranstaltung den im jeweiligen Landesgesetz genannten Zwecken der Weiterbildung dient.[6]

In der Praxis sorgen vor allem Sprachkurse für Streit. So diente ein Schwedisch-Sprachkurs, für den ein als Ingenieur beschäftigter Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Bildungsurlaub nach dem AWBG geltend gemacht hatte, nach Auffassung des BAG nicht der beruflichen Weiterbildung i. S. d. § 1 Abs. 2 Satz 1 AWBG, da ein hinreichender Bezug der vermittelten Kenntnisse über schwedische Sprache, Gesellschaft und Kultur zur Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht erkennbar war.[7] Das BAG hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass ein hinreichender Bezug zur beruflichen Tätigkeit eine Kontinuität in der Verwendung der Sprache in der beruflichen Tätigkeit erfordert. In einer weiteren Entscheidung zum AWBG hat das BAG verlangt, dass bei dem Erwerb von Sprachkenntnissen als berufliche Weiterbildung die Sprachkenntnisse für den ausgeübten Beruf einen objektiv nachvollziehbaren oder fördernden Bezug ausweisen müssen. Dagegen genüge es nicht, dass Sprachkenntnisse allgemein als sogenannte Schlüsselqualifikation angesehen würden.[8]

In einem Urteil zum Hamburgischen Bildungsurlaubsgesetz[9], welches im Gegensatz zu § 1 Abs. 2 AWBG NW a. F. als Zweck der beruflichen Weiterbildung ausdrücklich auch die Förderung der beruflichen Mobilität der Arbeitnehmer anerkennt, hat das BAG darauf hingewiesen, dass ein Sprachkurs die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, wenn der Arbeitnehmer die vermittelten Kenntnisse zwar nicht für seine gegenwärtige Arbeitsaufgabe benötige, der Arbeitgeber aber grundsätzlich Wert auf Arbeitnehmer mit Sprachkenntn...

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