Allein daraus, dass der Arbeitgeber einmalig die durch betriebliche Übung begründeten Ansprüche nicht erfüllt, lässt sich keine Aufgabe der betrieblichen Übung herleiten.[1]

Wenn der Arbeitgeber jedoch über einen Zeitraum von drei Jahren zu erkennen gibt, dass er eine betriebliche Übung anders zu handhaben gedenkt als bisher, so wird die alte betriebliche Übung einvernehmlich geändert, wenn die Arbeitnehmer der neuen Handhabung während des dreijährigen Zeitraums nicht widersprechen.[2]

Es wird von dem Grundsatz abgewichen, dass Schweigen keinen Erklärungswert hat und regelmäßig keine Willenserklärung beinhaltet. Wer auf ein Angebot nicht reagiert, stimmt ausweislich § 147 BGB nicht zu. Schweigen kann grundsätzlich nur als Zustimmung gewertet werden, wenn der Erklärende nach Treu und Glauben annehmen durfte, der andere Vertragsteil würde der angebotenen Vertragsänderung widersprechen, wenn er ihr nicht zustimmt.[3] Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat das Schweigen des Arbeitnehmers bei mindestens dreimaliger Wiederholung eines Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalts seitens des Arbeitgebers einen Erklärungswert. Spiegelbildlich der Entstehung einer betrieblichen Übung kann daher auch eine betriebliche Übung zuungunsten der Arbeitnehmer wieder verändert werden.

Hat ein Arbeitnehmer, der einen Rechtsanspruch auf eine jährliche Gratifikation erworben hat, vor der Veröffentlichung des eben besprochenen Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 26.3.1997 der Einführung eines Freiwilligkeitsvorbehalts bei dieser Gratifikation nicht widersprochen, durfte der Arbeitgeber sein Schweigen nicht als Einverständnis mit dem Vorbehalt werten.[4]

 
Praxis-Tipp

Zur Beseitigung einer betrieblichen Übung kann der Arbeitgeber die Leistung für weitere drei Jahre mit einem Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt erbringen. Danach ist die bisherige betriebliche Übung durch die neue mit Freiwilligkeitsvorbehalt ersetzt worden. Der Arbeitgeber kann nun jederzeit die Höhe der Leistung ändern bzw. die Zahlung ganz einstellen. Widerspricht ein oder mehrere Arbeitnehmer, so steht sich der Arbeitgeber hinsichtlich dieses/dieser Arbeitgeber nicht schlechter als vorher.

Im Falle eines Widerspruchs müsste der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aussprechen, d. h., das bisherige Arbeitsverhältnis kündigen und ein neues, ohne z. B. einen Gratifikationsanspruch, anbieten (Näheres zur Änderungskündigung hier) oder versuchen, eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages zu erreichen, wenn er nicht zukünftig die Leistung weiter gewähren will.

Ist eine Änderungskündigung aufgrund der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage eines Betriebes gewollt, so hat der Arbeitgeber substantiiert unter Beweisantritt darzulegen, dass die Änderungskündigung zur Lohnsenkung durch dringende betriebliche Belange sozial gerechtfertigt ist, dass andernfalls der Arbeitsplatz des Klägers bzw. die Arbeitsplätze aller Arbeitnehmer insgesamt gefährdet wären.[5] Die Änderungskündigung kann auch gegenüber allen Arbeitnehmern im Rahmen einer Massenänderungskündigung erfolgen.[6]

[3] BAG, Urt. v. 14.08.1996 – 10 AZR 69/95, DB 1996, 2547.
[6] ArbG Celle, Teilurt. v. 30.07.1998 – 1 Ca 356/98, NZA-RR 1998, 490.

8.1 Neueinstellungen

Der Arbeitgeber kann hinsichtlich der neu eingestellten Arbeitnehmer eine betriebliche Übung beseitigen, indem er die entsprechende Leistung im Arbeitsvertrag ausdrücklich ausschließt.[1]

 
Praxis-Tipp

Nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot haben grundsätzlich alle Arbeitnehmer Anspruch auf die gleichen Leistungen. Der Ausschluss einzelner Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund ist nicht zulässig. Es muss somit einen sachlichen Grund dafür geben, wenn Sie Arbeitnehmer unterschiedlich behandeln.[2] Anspruch auf die aus einer betrieblichen Übung erwachsenen Leistungen haben grundsätzlich alle Arbeitnehmer, mit denen während der Geltung dieser betrieblichen Übung ein Arbeitsverhältnis begründet wird.

8.2 Freiwilligkeit- und Widerrufsvorbehalte

Hat ein Arbeitgeber unter dem Hinweis der Freiwilligkeit oder der Widerruflichkeit Leistungen erbracht, so kann er die zukünftige Leistungsgewährung grundsätzlich jederzeit widerrufen.

Wird im Arbeitsvertrag eine Weihnachtsgratifikation als freiwillige Leistung bezeichnet, die ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gewährt wird, so kann der Arbeitgeber in jedem Jahr erneut eine Entscheidung darüber treffen, ob, unter welchen Voraussetzungen und an welche Arbeitnehmer eine Gratifikation gezahlt werden soll. Ein Verpflichtungswille des Arbeitgebers zur dauerhaften Erbringung einer übertariflichen Leistung fehlt in diesem Fall. Ein Anspruch kann nicht entstehen, ...

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