BAG, Urteil v. 14.10.2020, 4 AZR 252/19

Die "besonders schwierige fachliche Tätigkeit" i. S. d. der Protokollerklärung Nr. 6 b der EG S 8b TVöD setzt voraus, dass die Gruppe ausschließlich aus Menschen mit Behinderung oder Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten besteht.

Sachverhalt

Die Klägerin ist als Erzieherin in einer offenen Ganztagsschule beschäftigt. Neben dem Mittagessen und der Hausaufgabenbetreuung werden dort auch verschiedene Möglichkeiten der Freizeitgestaltung angeboten.

Die Klägerin, die Entgelt aus der EG S 8a TVöD erhält, stellte einen Antrag auf Höhergruppierung in die EG S 8b TVöD, da sie der Auffassung war, dass sie besonders schwierige fachliche Tätigkeiten i. S. d. Entgeltgruppe S 8b Fallgruppe 1 TVöD ausübe, da die Anforderungen der Protokollerklärung (PE) Nr. 6 Buchstabe b erfüllt seien. Nach dieser PE sind besonders schwierige fachliche Tätigkeiten z. B. die a) Tätigkeiten in Integrationsgruppen (Erziehungsgruppen, denen besondere Aufgaben in der gemeinsamen Förderung behinderter und nichtbehinderter Kinder zugewiesen sind) mit einem Anteil von mindestens einem Drittel von behinderten Menschen i. S. d. § 2 SGB IX in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung, b) Tätigkeiten in Gruppen von behinderten Menschen i. S. d. § 2 SGB IX oder von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten. Die Klägerin brachte hierzu vor, dass es für die PE Nr. 6 b ausreichend sei, wenn der zu betreuenden Gruppe auch nur ein Kind mit einer Behinderung oder wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten angehöre; entscheidend sei bloß, dass die Gruppe für diesen Personenkreis vorgesehen sei. Und dies sei im vorliegenden Fall erfüllt, da auch Inklusionsschüler in die Gruppen aufgenommen worden seien und 3 Kinder an einer Maßnahme nach § 32 des SGB VIII teilnehmen würden und folglich wesentliche Erziehungsschwierigkeiten aufwiesen. Sie habe im Schuljahr 2015/2016 6 solcher Kinder betreut, im nächsten Schuljahr 5, dann 4 und aktuell seien es 2 Kinder, wovon eines zugleich körperbehindert sei und ein weiteres an Epilepsie leide. Somit müsse sie in Gruppen von etwa 30 Kindern deren individuelle Fähigkeiten und Entwicklungspotenziale intensiv beobachten, dokumentieren und reflektieren. Hierzu sei sie in ein Team aus Lehrern und Sozialpädagogen einbezogen. Des Weiteren steige auch der Anteil an Kindern aus Familien mit Fluchthintergrund und mit Deutsch als Zweitsprache, was zu großen Schwierigkeiten im sozial-emotionalen Bereich führe.

Die Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Zunächst führte das BAG aus, dass es sich bei der Betreuung von Gruppen durch Erzieherinnen und Erzieher um einen Arbeitsvorgang handele.

Das Gericht folgte jedoch nicht der Ansicht der Klägerin, die davon ausging, dass es für die Erfüllung der PE Nr. 6 b ausreichend sei, dass die zu betreuende Gruppe gerade für diesen Personenkreis vorgesehen sei und sich in dieser Gruppe regelmäßig auch Kinder mit Behinderung oder wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten befänden; denn dies lasse sich nicht aus dem Wortlaut der Regelung entnehmen. Stattdessen lege dieser nahe, dass es gerade erforderlich sei, dass die Gruppe ausschließlich aus Menschen mit Behinderung oder Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten besteht; denn die Verwendung des Wortes "von" zeige, dass jedes Mitglied der Gruppe die jeweilige in der Protokoll­erklärung genannte Eigenschaft aufweisen müsse. Andernfalls hätten die Tarifvertragsparteien die Formulierung "mit" gewählt. Dies ergebe sich u. a. aus dem Vergleich zur PE Nr. 6 a, da dort die Regelung zur Bestimmung des Mindestanteils der betreffenden Gruppenmitglieder mit dem Wort "mit" eingeleitet werde.

Auch konnte nach Auffassung des BAG im vorliegenden Fall die Tätigkeit der Klägerin auch nicht aufgrund der Gesamtwürdigung als "besonders schwierig" i. S. d. EG S 8b angesehen werden; denn hierfür hätte sie Tatsachen darlegen müssen, die einen wertenden Vergleich ermöglichten. Die Tätigkeit i. S. d. EG S 8b TVöD müsse sich von der "Normaltätigkeit" einer Erzieherin "sehr deutlich" abheben. Es sei, so das Gericht weiter, ein Vorbringen erforderlich, das erkennen lasse, wodurch sich eine bestimmte Tätigkeit von der in der Ausgangsfallgruppe bewerteten "Normaltätigkeit" unterscheide, sodass ein Vergleich zwischen der Tätigkeit in der Ausgangsentgeltgruppe und der unter das höher bewertete Tarifmerkmal fallenden Tätigkeit möglich sei.

Dies war der Klägerin jedoch vorliegend nicht gelungen. Selbst wenn man ihr zugunsten unterstelle, dass bei den von ihr genannten Kindern tatsächlich wesentliche Erziehungsschwierigkeiten vorlägen, hatte sie nicht hinreichend deutlich vorgetragen, welche Aufgaben ihr hinsichtlich dieses Personenkreises übertragen worden seien. Auch die Hinweise auf einen "Migrationshintergrund" oder Deutsch als Zweitsprache ließen nach Ansicht des BAG vorliegend keine Anhaltspunkte für eine besonders schwierige fachliche Tätigkeit erkennen.

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