BAG, Urteil v. 17.1.2019, 6 AZR 17/18

Leitsatz (amtlich)

Bereitschaftsdienst nach § 7 Abs. 3 TVöD-B ist zusätzlich zur regelmäßigen Arbeitszeit zu leisten.

Sachverhalt

Der Kläger ist bei dem Beklagten, der eine Betreuungseinrichtung betreibt, als Altenpfleger beschäftigt. Der TVöD-B findet kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung.

Der Kläger wird in einem Schichtmodell eingesetzt. Dieses sieht einen Schichtturnus von 12 Arbeitstagen vor. In der 1. Woche arbeitet er grundsätzlich in jeder Schicht 6,42 Stunden, außer Donnerstag; hier hat er eine Arbeitszeit von 7,38 Stunden. Durch diesen Einsatz arbeitet der Kläger 39 Stunden wöchentlich (39,48 Stunden). In der 2. Woche hat er eine Schichtdauer von 20:15 Uhr bis 8:05 Uhr des Folgetags. Während der Nachtschicht hängt die zu erbringende Arbeitsleistung von den Bedürfnissen der zu betreuenden Bewohner ab. Der Kläger hält sich während der Zeit, in der er nicht in Anspruch genommen wird, im Dienstzimmer der von ihm betreuten Station auf, um die Arbeit bei Bedarf aufzunehmen. Der Beklagte betrachtet die Zeit zwischen 23 Uhr und 6 Uhr als Bereitschaftsdienst i. S. d. § 7 Abs. 3 TVöD-B und bewertet sie zu 25 % als Arbeitszeit (sog. Faktorisierung). Dies hat zur Folge, dass der Kläger in der 2. Woche bei einer tatsächlichen Anwesenheitszeit von 71 Stunden aus Sicht des Beklagten eine zu vergütende Arbeitszeit von 39,5 Stunden erbringt (nach der Berechnung des Beklagten ergibt sich für jede Schicht ein Volumen von 6 Stunden und 35 Minuten: 20:15 Uhr bis 23 Uhr: 2 Stunden und 45 Minuten; 23 Uhr bis 6 Uhr Bereitschaftsdienst zu 25 %: 1 Stunde 45 Minuten; 6 Uhr bis 8:05 Uhr: 2 Stunden und 5 Minuten).

Der Kläger vertritt jedoch die Auffassung, dass es sich bei der Nachtschicht zwischen 23 Uhr und 6 Uhr nicht um Bereitschaftsdienst, sondern um regelmäßige Arbeitszeit handele, da die Einordnung als Bereitschaftsdienst nach § 7 Abs. 3 TVöD-B voraussetze, dass der Dienst "außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit", also zusätzlich, geleistet werde. Dies sei hier nicht der Fall. Zudem bestehe in der Nachtzeit mitunter eine dem Tagdienst vergleichbare Belastungssituation.

Die Entscheidung

Die Klage hatte vor dem BAG keinen Erfolg, da der vom Kläger gestellte Antrag auch Fallgestaltungen erfasste, die erfolglos wären. Der Antrag war deshalb als sog. Globalantrag unbegründet.

In seinen Urteilsgründen führte das BAG jedoch zu den aufgeworfenen Fragen aus, dass jedenfalls ein Teil der streitgegenständlichen Nachtarbeit im Rahmen von Bereitschaftsdienst nach § 7 Abs. 3 TVöD-B geleistet werden könne. Gemäß § 7 Abs. 3 TVöD-B setze Bereitschaftsdienst voraus, dass sich der betroffene Beschäftigte auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhält, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. Hierzu erläuterte das BAG, dass das Merkmal "außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit" bereits zu Zeiten des BAT verwendet wurde und auf das frühere Verständnis des Bereitschaftsdienstes als Ruhezeit zurückgehe. Der Bereitschaftsdienst wurde damit von der regelmäßigen Arbeitszeit abgegrenzt. Allerdings sei bereits vor Abschluss des TVöD-B am 1.8.2006 anerkannt gewesen, dass der Bereitschaftsdienst nunmehr auch während seiner inaktiven Zeiten als Arbeitszeit i. S. d. Arbeitszeitrechts anzusehen ist (vgl. BAG, Urteil v. 20.1.2016, 6 AZR 742/14; 18.2.2003, 1 ABR 2/02). Durch die dennoch verwendete Formulierung "außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit" hätten die Tarifvertragsparteien deutlich gemacht, dass der Bereitschaftsdienst unabhängig von der arbeitszeitrechtlichen Betrachtung von der regelmäßigen Arbeitszeit zu unterscheiden und zusätzlich dazu zu erbringen sei. Somit sei der Bereitschaftsdienst eine zusätzliche Leistung, der nicht anstatt der regelmäßigen Arbeitszeit angeordnet werden könne. Er sei insoweit auch von Bereitschaftszeiten i. S. v. § 9 TVöD-B zu unterscheiden, die innerhalb der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit liegen.

Nach Auffassung des Gerichts war der Ansatz des Klägers insoweit zutreffend, dass die vom Beklagten einseitig vorgenommene Anrechnung der von 23 Uhr bis 6 Uhr geleisteten Nachtarbeit auf die regelmäßige Arbeitszeit nicht den tariflichen Vorgaben entspreche; denn der TVöD-B lasse nicht zu, dass der Arbeitgeber einseitig die regelmäßige Arbeitszeit durch faktorisierte Zeiten des Bereitschaftsdienstes auffüllt. Ihm komme auch kein Wahlrecht zu, ob er Bereitschaftsdienst durch Freizeit ausgleichen möchte, da hierfür gem. § 8.1 Abs. 6 i. V. m. § 10 Abs. 3 TVöD-B eine Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung erforderlich sei. Die in § 8.1 Abs. 1 und Abs. 3 TVöD-B vorgesehene Faktorisierung der Zeit des Bereitschaftsdienstes diene nach § 8.1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 TVöD-B nur dem Zweck der Entgeltberechnung.

Der TVöD-B beinhalte, so das Gericht weiter, mit § 7 Abs. 3, § 7.1 und § 8.1 ein in sich geschlossenes Regelungssystem bezüglich der Voraussetzungen und der Behandlung von Bereitschaftsdienst in arbeitszeitrechtlich...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge