BAG, Urteil v. 12.4.2017, 7 AZR 436/15

Die vorübergehende Reduzierung der Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers und die darauf beruhende Abordnung in einen anderen Arbeitsbereich für die Dauer der Teilzeitbeschäftigung kann die Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG rechtfertigen. Teil des Sachgrunds ist hierbei eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs nach Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters. Erforderlich ist, dass der Arbeitgeber bei Vertragsschluss berechtigterweise mit der Rückkehr der Stammkraft rechnen durfte, wobei bei einer „Abordnungsvertretung” der Arbeitgeber bei der von ihm anzustellenden Prognose alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen muss. Dazu gehören nicht nur etwaige Erklärungen der abgeordneten Stammkraft über ihre Rückkehrabsichten, sondern insbesondere auch die Planungs- und Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers.

Sachverhalt

Der Kläger, Briefzusteller, war vom 2.2.2009 bis zum 28.12.2013 auf der Basis von 9 befristeten Verträgen bei der Beklagten beschäftigt. Im vorletzten (für den Zeitraum vom 13.1.2013 bis zum 30.9.2013) sowie im letzten (vom 1.10.2013 bis zum 28.12.2013) befristeten Arbeitsvertrag war als Sachgrund angegeben: "Vertretung wegen vorübergehender Abwesenheit des Mitarbeiters K." Im Zustellstützpunkt ist die Beamtin K im einfachen Dienst im Rahmen einer 38,5-Stunden-Woche tätig. Auf deren Antrag gewährte der Arbeitgeber ihr vom 1.10.2012 bis zum 30.9.2013 eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 51,95 % der regelmäßigen Wochenarbeitszeit, also auf 20 Wochenstunden. Mit Schreiben vom 17.7.2013 verlängerte der Arbeitgeber die Arbeitszeitreduzierung bis zum 30.9.2014. Im Rahmen der Teilzeitbeschäftigung wurde Frau K nicht wie zuvor in der Briefzustellung, sondern in der Postfachverteilung eingesetzt.

Der Kläger erhob Entfristungsklage.

Die Entscheidung

Die Klage hatte vor dem BAG Erfolg, allerdings wurde der Rechtsstreit an das LAG Hessen zurückverwiesen.

Das Gericht führte in seiner Entscheidung aus, dass der Grund für die Befristung in Vertretungsfällen darin liege, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis stehe und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechne, sodass für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis bestehe. Teil des Sachgrunds sei somit eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs nach Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters. Dies gelte auch in Fällen, in denen der Vertretungsbedarf für den Arbeitgeber "fremdbestimmt" entstehe, weil der Ausfall der Stammkraft – z. B. durch Krankheit, Urlaub oder Freistellung – nicht in erster Linie auf seiner Entscheidung beruhe; hier könne der Arbeitgeber nach der ständigen Rechtsprechung des BAG regelmäßig damit rechnen, dass der Vertretene seine arbeitsvertraglichen Pflichten wieder erfüllen wird. Nur dann, wenn der Arbeitgeber aufgrund ihm vorliegender Informationen erhebliche Zweifel daran haben muss, dass der zu vertretende Arbeitnehmer überhaupt wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird, kann der Sachgrund der Vertretung ggf. nur vorgeschoben sein, sodass dann die Befristung unwirksam wäre. Dies setze jedoch grds. voraus, dass der zu vertretende Arbeitnehmer dem Arbeitgeber bereits vor dem Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit dem Vertreter verbindlich erklärt hat, er werde die Arbeit nicht wieder aufnehmen (vgl. BAG, Urteil vom 11.2.2015, 7 AZR 113/13).

Anders seien jedoch die – wie auch hier vorliegenden – Fälle der Abordnungsvertretung zu bewerten; zwar könne auch durch die vorübergehende Abordnung der Stammkraft ein Vertretungsbedarf i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG entstehen. Nach den vom BAG für die "Abordnungsvertretung" entwickelten Grundsätze (vgl. BAG, Urteil vom 10.7.2013, 7 AZR 761/11) könne der Arbeitgeber jedoch bei der Abordnung einer Stammkraft i. d. R. nicht schon dann mit der Rückkehr der Stammkraft rechnen, wenn diese einen Anspruch auf Wiederaufnahme ihrer bisherigen Tätigkeit habe; denn es handelt sich hier nicht um einen für den Arbeitgeber "fremdbestimmten" Ausfall der Stammkraft, sondern die voraussichtliche Rückkehr der Stammkraft hänge auch ganz maßgeblich von Umständen und Entscheidungen ab, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen. Dieser strukturelle Unterschied zu den Fällen der für den Arbeitgeber "fremdbestimmten" Abwesenheit der Stammkraft sei, so das Gericht, bei der vom Arbeitgeber anzustellenden Rückkehrprognose zu berücksichtigen. Somit müsse hier der Arbeitgeber bei der Prognose über die voraussichtliche Rückkehr der abgeordneten Stammkraft sämtliche Umstände des Einzelfalls würdigen, wozu nicht nur etwaige Erklärungen der abgeordneten Stammkraft über ihre Rückkehrabsichten zählen, sondern auch die Planungs- und Organisationsentscheidu...

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