Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse. Anwendbarkeit auf anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakte. anfängliche Rechtswidrigkeit wegen Nichtberücksichtigung von Vermögen. Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Berücksichtigung eines Vermögensverbrauchs nach § 44 Abs 1 S 2 SGB 12 abhängig vom Zeitpunkt der Mitteilung. erneute Vermögenserzielung. Abgrenzung von Einkommen und Vermögen. Vermögenseinsatz. Freibeträge. Härte. Einsatz angesparten Vermögens. Verfahrensfehler. fälschliche Bezeichnung als "Rücknahme". Hilfebedürftigkeit. Besondere Notlage. Sozialhilferechtlicher Bedarf. Eckregelsatz. Anhörung. Begründung des Verwaltungsaktes. Beginn der Jahresfrist. Erstattung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Änderungen zugunsten des Leistungsempfängers zB einer Vermögensreduzierung unter den Schonbetrag kann die erhöhte Grundsicherungsleistung bei späterer Antragstellung bzw Mitteilung erst mit Beginn dieses Monats gezahlt werden.

2. § 48 Abs 1 S 1 und 2 SGB 10 kann auch auf anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakte angewendet werden, wenn die nachträgliche Änderung der Verhältnisse sich auf tatsächliche oder rechtliche Umstände bezieht, auf denen die Rechtswidrigkeit nicht beruht hat (vgl BSG vom 27.5.2014 - B 8 SO 26/12 R = SozR 4-2500 § 264 Nr 5).

3. Der Anwendungsbereich des § 48 Abs 1 SGB 10 beschränkt sich nicht ausschließlich nur auf rechtswidrig gewordene Verwaltungsakte.

4. Zum Verhältnis der Aufhebung nach §§ 44 und 48 SGB 10.

5. Bei den laufenden Leistungen werden Einnahmen im Bedarfszeitraum, dh dem Zeitraum, in dem der Bedarf und die konkrete Hilfebedürftigkeit nach dem Monatsprinzip geprüft werden, berücksichtigt. Nicht verbrauchtes Einkommen ist im nächsten Bedarfszeitraum Vermögen (sog modifizierte Zuflusstheorie).

6. Der Begriff des Bedarfszeitraums ist von der Bewilligungsperiode zu unterscheiden.

7. Die Freibeträge für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (4. Kapitel SGB 12) sind in entsprechender Ergänzung der DVO § 90 SGB 12 (juris: BSHG§88Abs2DV 1988) diejenigen der Hilfe zum Lebensunterhalt (3. Kapitel SGB 12).

8. Für die Prüfung des Vorliegens einer Härte iS von § 90 Abs 3 SGB 12 sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und daraufhin zu überprüfen, ob sie in ihrem Zusammenwirken eine bei anderen Hilfebedürftigen regelmäßig nicht anzutreffende, also atypische schwere Belastung des Vermögensinhabers ergeben. Eine Härte kann sich unter dem Gesichtspunkt der Gefährdung eines bereits manifestierten Selbsthilfewillens ergeben.

9. Der Einsatz von aus Leistungen der Grundsicherung angespartem Vermögen ist nicht als Härte iS des § 90 Abs 3 S 1 SGB 12 anzusehen.

10. Die falsche Wortwahl Rücknahme anstelle von Aufhebung stellt keinen Verfahrensfehler dar, der eine Aufhebung rechtfertigt.

 

Normenkette

SGB XII § 19 Abs. 1, § 44 Abs. 1, § 90 Abs. 1, 2 Nr. 9, Abs. 3; SGB X § 24 Abs. 1, 2 Nr. 3, § 33 Abs. 1, § 35 Abs. 1 S. 1, § 48 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 3, Abs. 4, § 45 Abs. 4 S. 2, § 50 Abs. 1

 

Tenor

I. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 25. September 2013 sowie der Bescheid vom 20. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. August 2011 werden insoweit abgeändert, als die Klägerin anstelle von 1.385,60 € nur 1.272,60 € zu erstatten hat.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin 1/12 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung vom 18.08.2009 über Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII für die Monate März bis Juni 2010 mit Bescheid vom 20.06.2011, sowie die damit verbundene Erstattung der Leistung in Höhe von 1.385,60 € streitig.

Die 1970 geborene Klägerin ist auf Grund ihrer geistigen Behinderung dauerhaft voll erwerbsgemindert und steht seit 01.03.2005 im laufenden Leistungsbezug bei der Beklagten. Sie wohnt in der Wohnung ihrer Eltern und zahlt hierfür an ihren Vater monatlich 140 €. Für ihre Tätigkeit bei den  J.-Werkstätten e.V. in A-Stadt erhielt die Klägerin in den streitbefassten Monaten eine Entlohnung von 188,04 €, 214,44 €, 203,28 € und 197,08 €.

Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 18.08.2009 ua die streitbefassten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den Zeitraum 01.08.2009 bis 31.07.2010 in Höhe von monatlich 346,40 €. Nach den zum Antrag vorgelegten Unterlagen belief sich das Guthaben auf dem Sparbuch der Klägerin bei der Sparkasse A-Stadt (Nr. ...) am 02.07.2009 auf 2.600,73 €. Auf dem Girokonto bestand am 15.07.2009 ein Guthaben von 602,31 €, jedoch am 03.08.2009 ein Minus von 1,84 €. Im Juli erfolgten am 02.07.2009 und am 03.07.2009 zwei Überträge auf das Sparbuch jeweils in Höhe von 200 €, was zu Guthabenständen in Höhe von 2600,73 € am 02.07.2009 und von 2800,73 € am 03.07.2009 führte. Ein entsprechender E...

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