Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestandskraft eines Beitragsbescheides nach Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. Rücknahme einer denselben Zeitraum betreffenden Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen nur unter den Voraussetzungen des § 45 Abs 1 SGB 10

 

Leitsatz (amtlich)

Beitragsprüfung: Ist über einen Betriebsprüfungs-Zeitraum ein Bescheid ergangen und sollen bei einer späteren Prüfung entdeckte Verbeitragungsfehler zu Beitragsnachforderungen auch aus diesem Zeitraum führen ist zuerst der ursprüngliche Bescheid zurückzunehmen nach § 45 SGB 10. Dabei gelten die Regelungen zur vorherigen Anhörung, zum Vertrauensschutz und zur Ermessensausübung.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 21. August 2008 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Dezember 2005 insoweit aufgehoben, als dort Beiträge für die Zeit 1998 und 1999 wegen zu Unrecht beitragsfrei gewährter Verpflegungsmehraufwendungen nachgefordert wurden.

II. Die Klägerin trägt die Kosten beider Instanzen zu 1/3, die Beklagte zu 2/3.

III. Der Streitwert wird auf 27.373,89 Euro festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Beitragsnachforderung für den Zeitraum vom 01.01.1998 bis 31.12.1999.

Die Klägerin betreibt einen Abfallentsorgungsbetrieb, der im streitgegenständlichen Zeitraum aus zwei rechtlich selbständigen Betrieben, der A. Städtereinigung GmbH und der A. Abfallwirtschaft GmbH bestand. Die Betriebe fusionierten später zur Klägerin. In steuerrechtlichen Angelegenheiten wird die Klägerin seit vielen Jahren von der Steuerkanzlei XYZ in R. vertreten.

Am 01.03.2000 fand für den Prüfzeitraum vom 01.12.1995 bis 31.12.1999 eine Betriebsprüfung nach § 28 p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) statt. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid der Beklagten vom 21.03.2000 wurde für den genannten Prüfzeitraum ein Nachforderungsbetrag in Höhe von 5.591,71 DM erhoben.

Am 11.07.2001 erließ das Finanzamt ... einen Lohnsteuernachforderungsbescheid gegen die Klägerin in dem festgestellt wurde, dass die Verpflegungsmehraufwendungen für die Müllwerker der A. die auf dem Werksgelände der Fa. ... bei Integration in dem dortigen Schichtbetrieb tätig waren, der Lohnsteuerpflicht unterlägen. Die Verpflegungsmehraufwendungen für die Fahrer und Schütter der A. Städtereinigung GmbH blieben hingegen unbeanstandet. Diese Beträge hatte die Klägerin in den zurückliegenden ca. 15 Jahren in beiden Betrieben nicht bei der Abführung der Sozialversicherungsbeiträge und der Lohnsteuer berücksichtigt, was bis dahin von der Finanzverwaltung auch nicht beanstandet worden war. In Folge der Bekanntgabe des Lohnsteuernachforderungsbescheides berücksichtigte die Klägerin die Verpflegungsmehraufwendungen für die ab diesem Zeitpunkt fälligen Sozialversicherungsbeiträge. Gleichzeitig wurde durch den Steuerberater der Klägerin gegen den Lohnsteuernachforderungsbescheid vom 11.07.2001 Einspruch eingelegt, über den mit Einspruchsentscheidung vom 12.05.2004 abschließend entschieden wurde.

Am 08.04.2004 unternahm die Beklagte erneut eine Prüfung nach § 28 p SGB IV im Betrieb der Klägerin, diesmal für den Prüfzeitraum vom 01.01.2000 bis 31.12.2003. Die Beklagte erließ aufgrund des Ergebnisses der Prüfung den Bescheid vom 17.06.2004 ausdrücklich für den "Prüfzeitraum vom 01.01.2000 bis 31.12.2003" und erhob darin von der Klägerin zudem eine Nachforderung für beitragspflichtige Verpflegungsaufwendungen für den Zeitraum vom 01.01.1998 bis 31.05.2001 in Höhe von 27.373,89 Euro. In diesem Nachforderungsbetrag waren Säumniszuschläge in Höhe von 6.343,68 Euro seit 15.09.2001 enthalten.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit Schriftsatz vom 22.07.2004 mit der Begründung, dass für den Zeitraum vom 01.12.1995 bis 31.12.1999 bereits eine Betriebsprüfung nach § 28 p SGB IV durch die Beklagte stattgefunden habe und im Bescheid vom 17.06.2004 trotzdem Beiträge für die Zeit vom 01.01.1998 bis 31.05.2001 verlangt wurden, somit auf jeden Fall für einen sich überschneidenden Zeitraum vom 01.01.1998 bis 31.12.1999. Außerdem erhob die Klägerin die Einrede der Verjährung durch entgegenstehenden bestandskräftigen Bescheid der Beklagten vom 21.03.2000 sowie die Einrede der Verwirkung. Die Beklagte ging davon aus, dass der Widerspruch zu spät eingelegt worden sei, legte aber gleichzeitig den verspäteten Widerspruch als Antrag auf Überprüfung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aus. Mit Bescheid vom 28.02.2005 nahm die Beklagte den Bescheid vom 17.06.2004 nicht zurück, da nach ihrer Auffassung die Überprüfung im Rahmen des § 44 SGB X ergeben hatte, dass weder das Recht unrichtig angewandt worden sei noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Der Lohnsteuernachforderungsbescheid des Finanzamtes ... vom 11.07.2001 habe erst anlässlich der am 08.04.2004 erfolgten Betriebsprüfung sozialversicherungsrechtlich ...

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