Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Geschäftsstellenverwalters

 

Leitsatz (amtlich)

Ladungen und Zustellungen können nur dann als schwierige Tätigkeiten eines Geschäftsstellenverwalters im Sinne der VergGr VIb und Vc BAT angesehen werden, wenn sie vom Geschäftsstellenverwalter selbst angeordnet werden. Die Ausführung entsprechender Verfügungen der Richter und Rechtspfleger genügt insoweit nicht.

 

Normenkette

BAT 1975 §§ 22, 23 Anlage 1a Teil I VergGr. VIb Fallgruppe 41, Vc Fallgruppe 14

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 26.07.1989; Aktenzeichen 9 (4) Sa 1713/88)

ArbG Siegen (Urteil vom 14.06.1988; Aktenzeichen 2 Ca 2154/87)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 26. Juli 1989 – 9 (4) Sa 1713/88 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen !

 

Tatbestand

Der Kläger steht seit 1978 in den Diensten des beklagten Landes und wird als Angestellter beim Amtsgericht S… beschäftigt. Seit 1. Januar 1987 ist er Verwalter einer Geschäftsstelle für Zivilsachen. Die Parteien haben die Anwendung des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) und der diesen ergänzenden oder ändernden Sonderregelungen und Tarifverträge vereinbart. Der Kläger erhält Vergütung nach VergGr. VIb BAT.

Die Arbeitszeit des Klägers entfällt zu 17,58 v.H. auf die Fertigung und Vollziehung von Zählkarten, die Erteilung von Vollstreckungsklauseln und die Erteilung von Rechtskraftbescheinigungen. Die beiden Richter, für die der Kläger die Geschäftsstelle verwaltet, verfügen in aller Regel die Ladungen (Terminsladungen) von Parteien und Zeugen sowie die erforderlichen Zustellungen von Klageschriften und sonstigen Schriftsätzen nach einem gerichtsinternen Formblatt selbst. Ebenfalls nach Formblatt verfügt der Rechtspfleger die Zustellungen von Kostenfestsetzungsbeschlüssen. Der Kläger führt diese Verfügungen aus. Die übrigen Ladungen und Verfügungen, insbesondere die Zustellung der Urteile, besorgt der Kläger selbst; auf diesen Teil seiner Tätigkeit entfallen weniger als 32, 43 v.H. seiner Gesamtarbeitszeit.

Der Kläger meint, ihm stehe Vergütung nach VergGr. Vc BAT zu, da er überwiegend schwierige Tätigkeiten im Sinne der VergGr. Vc BAT Fallgruppe 14 ausübe. Unter Einbeziehung der von den Richtern und dem Rechtspfleger getroffenen und von ihm ausgeführten Verfügungen entfielen auf die Anordnung von Zustellungen und Ladungen von Amts wegen 36, 46 v.H. seiner Arbeitszeit. Ihm obliege stets die Prüfung, ob eine förmliche Zustellung vorzunehmen sei oder nicht, unabhängig davon, ob der Richter oder der Rechtspfleger die Zustellung selbst verfügten. Die Anordnung von Zustellungen und Ladungen von Amts wegen seien nach der Protokollnotiz Nr. 26 schwierige Tätigkeiten. Hinzu kämen als weitere schwierige Tätigkeiten mit einem Anteil von 17, 58 v.H. seiner Arbeitszeit die Fertigung und Vollziehung der Zählkarten, die Erteilung von Vollstreckungsklauseln und die Erteilung von Rechtskraftbescheinigungen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihm Vergütung nach VergGr. Vc BAT ab 1. Januar 1987 zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, soweit die Richter und Rechtspfleger Ladungen und Zustellungen selbst verfügten, übe der Kläger keine schwierige Tätigkeit im Tarifsinne aus. Zustellungsanordnungen durch Richter und Rechtspfleger seien für die Geschäftsstelle verbindlich. Schwierige Tätigkeiten nähmen deutlich weniger als 50 v.H. der Gesamtarbeitszeit des Klägers in Anspruch.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Das beklagte Land beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage mit Recht abgewiesen. Das beklagte Land ist nicht verpflichtet, dem Kläger Vergütung nach VergGr. Vc BAT zu zahlen. Denn der Kläger übt nicht überwiegend schwierige Tätigkeiten im Tarifsinne aus.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Vorschriften des BAT als Vertragsrecht Anwendung. Danach kommt es für die Eingruppierung des Klägers darauf an, ob bei ihm zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die jeweils für sich die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals der von ihm in Anspruch genommenen VergGr. Vc BAT erfüllen (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Es ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorgangs auszugehen. Nach ihr ist Arbeitsvorgang eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten (BAGE 51, 59, 65 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; 51, 282, 287 = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975, jeweils mit weiteren Nachweisen). Das Landesarbeitsgericht trifft zu den Arbeitsvorgängen des Klägers keine besonderen Feststellungen. Das ist jedoch unschädlich, weil die Klage aus anderen tarifrechtlichen Gründen unbegründet ist.

Für die Eingruppierung des Klägers kommen allein folgende Tätigkeitsmerkmale des Teils I der Anlage 1a zum BAT in Betracht:

VergGr. VII Fallgruppe 42b:

Angestellte als Geschäftsstellenverwalter bei Gerichten oder Staatsanwaltschaften.

(Hierzu Protokollnotiz Nr. 25).

VergGr. VIb Fallgruppe 41:

Angestellte als Geschäftsstellenverwalter bei Gerichten oder Staatsanwaltschaften, die sich dadurch aus der VergGr. VII Fallgruppe 42b herausheben, daß sie in nicht unerheblichem Umfang schwierige Tätigkeiten ausüben (…).

(Hierzu Protokollnotizen Nrn. 25 und 26).

VergGr. Vc Fallgruppe 14:

Angestellte als Geschäftsstellenverwalter bei Gerichten oder Staatsanwaltschaften, die sich dadurch aus der VergGr. VIb Fallgruppe 41 herausheben, daß sie überwiegend schwierige Tätigkeiten ausüben.

(Hierzu Protokollnotizen Nrn. 25 und 26).

Protokollnotiz Nr. 26:

  • Schwierige Tätigkeiten im Sinne dieses Tätigkeitsmerkmals sind nachstehende Tätigkeiten:
  • die Anordnung von Zustellungen, die Ladung von Amts wegen und die Vermittlung von Zustellungen im Parteibetrieb, die Heranziehung und die Ladung ehrenamtlicher Richter;
  • die Erteilung von Rechtskraft- und Notfristzeugnissen sowie die Erteilung von Vollstrekkungsklauseln;
  • die Fertigung und Vollziehung der Zählkarten (auch in Ehesachen) und der Strafnachrichten einschließlich der Mitteilungen an das Kraftfahrtbundesamt;

Eine Eingruppierung des Klägers nach VergGr. Vc BAT Fallgruppe 14 setzt damit voraus, daß er überwiegend schwierige Tätigkeiten ausübt und damit während mehr als 50 v.H. seiner Arbeitszeit Arbeitsvorgänge mit schwierigen Tätigkeiten anfallen. Wegen der tariflichen Differenzierung zwischen “schwierigen Tätigkeiten” und sonstigen (gewöhnlichen) Tätigkeiten eines Geschäftsstellenverwalters sind schwierige Tätigkeiten getrennt zu bewerten, wobei es offenbleiben kann, ob es sich insoweit bei der Tätigkeit des Klägers um einen einzigen oder um mehrere Arbeitsvorgänge mit schwierigen Tätigkeiten handelt (vgl. BAGE 49, 250, 258 = AP Nr. 109 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Entscheidend ist, ob die schwierigen Tätigkeiten den überwiegenden Teil der Arbeitszeit des Klägers in Anspruch nehmen. Das ist vorliegend zu verneinen.

Der Kläger ist Geschäftsstellenverwalter bei einem Gericht, so daß er insoweit die Merkmale der VergGr. VII BAT Fallgruppe 42b erfüllt. Es kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, daß er in nicht unerheblichem Umfang schwierige Tätigkeiten ausübt und damit auch die Merkmale der VergGr. VIb BAT Fallgruppe 41 erfüllt, da das beklagte Land dies nicht in Abrede stellt und den Kläger auch danach vergütet. Nach seinem eigenen Sachvorbringen übt er jedoch nicht überwiegend schwierige Tätigkeiten aus. Was die Tarifvertragsparteien unter schwierigen Tätigkeiten verstehen, haben sie in der Protokollnotiz Nr. 26 abschließend umschrieben. Zu den schwierigen Tätigkeiten des Klägers gehören danach die Fertigung und Vollziehung von Zählkarten, die Erteilung von Vollstreckungsklauseln, die Erteilung von Rechtskraftbescheinigungen sowie die Anordnung von Zustellungen und die Ladung von Amts wegen. Diese Tätigkeiten nehmen nicht die überwiegende Arbeitszeit des Klägers in Anspruch.

Entgegen der Auffassung des Klägers werden die Ladungen und Zustellungen, die von Richtern und Rechtspflegern verfügt und vom Kläger ausgeführt werden, von den Merkmalen “die Anordnung von Zustellungen, die Ladung von Amts wegen” im Sinne der Protokollnotiz Nr. 26 nicht erfaßt. Die Zustellungen werden von ihm nicht angeordnet. In Übereinstimmung mit dem Landesarbeitsgericht ist auch unter dem Begriff “Ladung von Amts wegen” deren Anordnung zu verstehen, nicht aber die schreibtechnische Abwicklung des Ladungsvorgangs. Dies ergibt sich einerseits aus dem Zusammenhang mit dem vorangestellten Begriff der “Anordnung von Zustellungen”, andererseits nach dem systematischen Zusammenhang daraus, daß mit der “Ladung von Amts wegen” schwierige Tätigkeiten eines Geschäftsstellenverwalters umschrieben werden sollen und die bloße schreibtechnische Abwicklung der Ladung nicht als schwierig angesehen werden kann. Berücksichtigt man aber nicht die vom Kläger ausgeführten Ladungen und Zustellungen, die von den Richtern und dem Rechtspfleger verfügt sind, übt der Kläger nach seinem eigenen Sachvortrag nicht zeitlich überwiegend schwierige Tätigkeiten aus. Denn auf die von ihm selbst angeordneten Ladungen und Zustellungen entfallen weniger als 32, 43 v.H. seiner Arbeitszeit, so daß zusammen mit den weiteren schwierigen Tätigkeiten des Klägers (Zählkarten, Vollstreckungsklauseln, Rechtskraftbescheinigungen) im Umfang von 17, 58 v.H. seiner Arbeitszeit die Ausführung schwieriger Tätigkeiten nicht mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit in Anspruch nimmt.

Die von den Richtern und dem Rechtspfleger getroffenen Verfügungen gehören entgegen der tatsächlichen Handhabung nicht zur auszuübenden Tätigkeit des Klägers, so daß sie für seine Eingruppierung nicht berücksichtigt werden können. Die Anordnung von Zustellungen und die Anordnung der Ladung von Amts wegen, die in der Geschäftsstelle des Klägers anfallen, sind dem Kläger nicht zur alleinigen Bearbeitung übertragen. Dies hat der Kläger selbst nicht behauptet. Entsprechende Dienstanweisungen sind nicht ersichtlich. Der Kläger wird nach seinem Arbeitsvertrag “als Angestellter unter Eingruppierung in die VergGr. VIb BAT Fallgruppe 41” beschäftigt; daraus kann allenfalls geschlossen werden, daß er Anspruch auf Beschäftigung mit Tätigkeiten der VergGr. VIb BAT Fallgruppe 41 hat, d.h. die Übertragung von schwierigen Tätigkeiten eines Geschäftsstellenverwalters in nicht unerheblichem Umfang von dem beklagten Land möglicherweise verlangen kann.

Damit kommt es darauf an, welche Tätigkeiten dem Kläger tatsächlich zur Ausübung übertragen worden sind, soweit das Direktionsrecht des beklagten Landes reicht. Dem Kläger sind nach seinem Arbeitsvertrag Aufgaben eines Geschäftsstellenverwalters zu übertragen, welche, bestimmt das Land. Im vorliegenden Fall werden die Ladungen von den Richtern nach Formblatt (Vordruck) verfügt, die Zustellungen der Kostenfestsetzungsbeschlüsse werden vom Rechtspfleger nach Formblatt (Vordruck) verfügt. Diese Verfügungen der Richter und des Rechtspflegers sind für den Kläger verbindlich (vgl. Baumbach/Hartmann, ZPO, 48. Aufl., § 209 Anm. 1). Selbst wenn diese Verfügungen nicht geboten oder unzweckmäßig sind, der Kläger sie überprüft und gegebenenfalls bei dem Richter oder Rechtspfleger Gegenvorstellungen erhebt, bleibt es dabei, daß insoweit die Anordnung der Zustellungen und die Anordnung der Ladung von Amts wegen nicht von ihm ausgeht. Er kann vor allem die von den Richtern oder dem Rechtspfleger getroffenen Anordnungen nicht selbständig abändern. Wenn er Gegenvorstellungen erhebt, können gegebenenfalls die Richter oder der Rechtspfleger ihre Anordnung abändern. Dann bleibt dies aber immer noch eine Anordnung der Richter oder des Rechtspflegers, nicht aber eine Anordnung des Klägers. Insoweit erfüllt er nicht die Merkmale der Protokollnotiz Nr. 26, so daß er nicht überwiegend schwierige Tätigkeiten im Sinne der VergGr. Vc BAT Fallgruppe 14 ausübt.

Darauf, daß nach § 209 ZPO auch die Geschäftsstelle für die Bewirkung der Zustellungen zuständig ist, kommt es nicht an, solange und soweit dem Kläger solche Aufgaben nicht übertragen sind.

Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Schaub, Schneider, Dr. Etzel, Dr. Reinfeld, Marx

 

Fundstellen

Haufe-Index 839199

RdA 1991, 64

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