Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung bei Arbeitsunfähigkeit

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abgeltung

 

Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 03.05.1989; Aktenzeichen 5 Sa 78/89)

ArbG Flensburg (Urteil vom 11.01.1989; Aktenzeichen 1 Ca 1004/87)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 3. Mai 1989 – 5 Sa 78/89 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger war seit dem 1. Januar 1967 bei der Beklagten als Elektriker beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes (MTB II), zuletzt i.d.F. des 38. Änderungstarifvertrags vom 9. Januar 1987, gültig seit 1. Januar 1987, anzuwenden. § 54 MTB II lautet:

§ 54

Urlaubsabgeltung

(1) Ist im Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsanspruch noch nicht erfüllt, ist der Urlaub, soweit dies dienstlich oder betrieblich möglich ist, während der Kündigungsfrist zu gewähren und zu nennen. Soweit der Urlaub nicht gewährt werden kann oder die Kündigungsfrist nicht ausreicht, ist der Urlaub abzugelten. Entsprechendes gilt, wenn das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag (§ 56 Abs. 1) oder wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit (§ 62) endet oder wenn das Arbeitsverhältnis nach § 62 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 5 zum Ruhen kommt.

Ist dem Arbeiter wegen eines vorsätzlich schuldhaften Verhaltens außerordentlich gekündigt worden oder hat der Arbeiter das Arbeitsverhältnis unberechtigterweise gelöst, wird lediglich derjenige Urlaubsanspruch abgegolten, der dem Arbeiter nach gesetzlichen Vorschriften bei Anwendung des § 48 Abs. 11 Satz 1 noch zustehen würde.

…”

Der Kläger ist seit 22. Januar 1987 arbeitsunfähig krank. Mit Ablauf des 30. November 1987 endete das Arbeitsverhältnis der Parteien wegen Erwerbsunfähigkeit des Klägers.

Der Kläger hat ohne Erfolg von der Beklagten die Abgeltung seines Urlaubsanspruchs für das Jahr 1987 von 30 Arbeitstagen verlangt.

Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger für 30 Arbeitstage Jahresurlaub aus dem Urlaubsjahr 1987 den Urlaubslohn der Lohngruppe II Stufe 10 MTB II nebst 4 % Verzugszinsen ab dem 8. Dezember 1987 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klagantrag weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf eine Urlaubsabgeltung verneint.

I. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. November 1987 ist zwar ein Anspruch des Klägers auf Abgeltung des Urlaubs für das Jahr 1987 entstanden (vgl. BAGE 52, 67 = AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung), weil der Kläger bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses den ihm zustehenden Urlaub nicht hat nehmen können.

Dieser Abgeltungsanspruch für das Jahr 1987 ist jedoch am 30. Juni 1988 erloschen (§ 53 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 MTB II), weil dem Kläger, auch wenn das Arbeitsverhältnis bis zu diesem Zeitpunkt fortbestanden hätte, der Urlaub nicht mehr hätte erteilt werden können (BAGE 46, 224; 48, 186; 50, 107; 52, 67 = AP Nr. 18, 21, 24 und 26 zu § 7 BurlG Abgeltung; zuletzt Senatsentscheidung vom 20. April 1989 – 8 AZR 621/87 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).

II. Die für die Erfüllbarkeit des Abgeltungsanspruchs nach § 7 Abs. 4 BurlG für den gesetzlichen Mindesturlaub maßgeblichen Voraussetzungen sind auch für die hier maßgeblichen Tarifvorschriften zu beachten. Zu Unrecht nimmt die Revision an, daß nach § 54 Abs. 1 MTB II in der für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen maßgeblichen Fassung des 38. Änderungstarifvertrags vom 9. Januar 1987 ein Abgeltungsanspruch auch zu erfüllen ist, wenn die Arbeitsunfähigkeit, die der Gewährung des Urlaubs entgegenstand, bis zum Verfallzeitpunkt (§ 53 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 MTB II) fortbesteht.

Zwar haben der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 45, 203 = AP Nr. 16 zu § 7 BUrlG Abgeltung) und ihm folgend der erkennende Senat (zuletzt: Urteil vom 18. Juli 1989 – 8 AZR 44/88 –, zu 3 a der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen) angenommen, daß nach dem mit § 54 Abs. 1 MFB II inhaltlich übereinstimmenden § 51 Abs. 1 BAT in der bis zum 31. Dezember 1986 geltenden Fassung ein Abgeltungsanspruch auch bestand, wenn der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit bis zum Verfallzeitpunkt nicht mehr hätte gewährt werden können. Im Urteil vom 15. August 1989 (– 8 AZR 530/88 –, zur Veröffentlichung vorgesehen) hat der erkennende Senat jedoch entschieden, daß nach § 51 Abs. 1 Satz 3 BAT n. F. für die Abgeltung von Urlaub, der wegen Arbeitsunfähigkeit vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund Kündigung, Auflösungsvertrags, Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit bzw. vor dem Eintritt des Ruhens des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden konnte, keine tariflichen Besonderheiten mehr gelten. In diesen Fällen erlischt der Anspruch auf Abgeltung von Urlaub, wenn der Angestellte vor Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des anschließenden Übertragungszeitraums seine Arbeitsfähigkeit nicht wiedererlangt. Der Senat ist damit der einhelligen Meinung des Schrifttums gefolgt (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand Januar 1990, § 51 Anm. 3 e; Uttlinger/Breier/Kiefer, BAT, Stand Februar 1990, § 51 Erl. 2; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Februar 1990, § 51 Rz 11; Crisolli/Tiedtke/Ramdohr, BAT, Stand Februar 1990, § 51 S. 200/2; Peltzer, NZA 1988, 493).

III. Die von der Revision angeführten Gesichtspunkte geben keine Veranlassung, diese Rechtsprechung zu ändern.

Die Revision meint, § 54 MTB II enthalte eine vom Bundesurlaubsgesetz abweichende zwingende Tarifnorm. Aus der Formulierung in § 54 Abs. 1 Satz 3 MTB II („Entsprechendes gilt, …”) ergebe sich, daß die Tarifvertragsparteien nur die in Satz 2 enthaltene Rechtsfolge zur Anwendung kommen lassen wollten. Diese bestehe aber darin, daß der Urlaub abzugelten sei, ohne daß es auf das weitere dem § 7 Abs. 4 BUrlG zu entnehmende anspruchsbegründende Merkmal der Erfüllbarkeit ankomme. Gegen diese Auslegung spricht, daß die Tarifvertragsparteien durch die Neufassung des § 54 Abs. 1 MTB II gerade ein Merkmal beseitigt laben, das bis dahin in der Auslegung, die das Bundesarbeitsgericht ihm gegeben hatte, die Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs erleichterte, indem es auf die Erfüllbarkeit verzichtete. Eine Entscheidung im Sinne der Revision würde damit dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien zuwiderlaufen.

IV. Der Revision ist schließlich auch nicht darin zu folgen, wenn sie annimmt, die Klage müsse jedenfalls deshalb Erfolg haben, weil das Landesarbeitsgericht die Darlsgungs- und Beweislast verkannt habe. Die Beklagte sei nämlich als Schuldnerin des Anspruchs darlegungs- und beweispflichtig dafür, daß der Kläger im Urlaubsjahr 1987 und darüber hinaus im Übertragungszeitraum bis zum 30. Juni 1988 seine Arbeitsfähigkeit nicht wiedererlangt habe.

Damit übergeht die Revision, daß der Kläger wegen des Bezugs einer Erwerbsunfähigkeitsrente aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Deshalb muß davon ausgegangen werden, daß er jedenfalls seine bisher ausgeübte Tätigkeit nicht mehr erfüllen kann (vgl. dazu das Urteil des erkennenden Senats vom 14. Mai 1986, BAGE 52, 67 = AP, a.a.O., seither ständige Rechtsprechung des Senats). Unter diesen Umständen hätte es dem Kläger oblegen, Tatsachen vorzutragen, aus denen sich entweder ergibt, daß seine Erwerbsunfähigkeit nicht mehr fortbesteht oder daß er andere Tätigkeiten hätte ausüben können, die von der Beklagten als vertragsmäßig hätten angenommen werden müssen (vgl. die Senatsentscheidung vom 20. April 1989, a.a.O.). Daran fehlt es.

 

Unterschriften

Michels-Holl, Dr. Leinemann, Dr. Peifer, Dr. Gaber, Mache

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1081223

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