Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang bei Einzelhandelsgeschäft

 

Leitsatz (redaktionell)

Betreibt der Mieter der Betriebsräume eines Einzelhandelsgeschäfts in diesen Räumlichkeiten ebenfalls ein Einzelhandelsgeschäft, dann scheidet ein Betriebsübergang nach § 613a Abs 1 BGB aus, wenn der Mieter ein anderes Warensortiment führt. Auch die Wahl einer anderen Betriebsform kann einem Betriebsübergang entgegenstehen.

 

Normenkette

ZPO § 286; BGB § 613a Abs. 1; KSchG § 1 i.d.F des Gesetzes vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1476)

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 20.05.1985; Aktenzeichen 7 Sa 176/85)

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 06.12.1984; Aktenzeichen 1 Ca 1756/84)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.

Die Klägerin war vom 1. Januar 1979 an in dem von der Beklagten in der R 60 in E betriebenen Einzelhandelsgeschäft für Haushaltswaren und Textilien mit einem Monatsentgelt von zuletzt 950,-- DM brutto tätig. Insgesamt beschäftigte die Beklagte sechs Arbeitnehmer. Die Geschäftsräume standen im Eigentum des Geschäftsführers der geschäftsführenden GmbH der Beklagten, Herrn G, und waren von diesem an die Beklagte vermietet worden. Am 1. September 1984 schloß Herr G mit Herrn J einen Vorvertrag, nach dem Herr G sein Kaufhaus an Herrn J ab 1. Januar 1985 vermieten sollte gegen eine Jahresmiete von 50.000,-- DM zuzüglich Nebenkosten. Auch die Ladeneinrichtung - zum Bilanzwert von 88.000,-- DM -, das Warenlager - zum Einkaufswert - und das Personal - zum 1. Januar 1985 - sollten übernommen werden. Der Vorvertrag scheiterte, als Herr J am 5. September 1984 erklärte, zu den genannten Bedingungen den Betrieb nicht übernehmen zu wollen. Daraufhin kündigte die Beklagte am 7. September 1984 das Arbeitsverhältnis wegen "Geschäftsaufgabe aus Altersgründen" zum 31. März 1985. Mit Datum vom 10. September 1984 schlossen Herr G und Herr H einen Mietvertrag über die Geschäftsräume in der R 60. Das Mietverhältnis sollte nach diesem Vertrag am 1. März 1985 beginnen, der Mietzins betrug 4.166,-- DM + 700,-- DM Nebenkosten + 681,32 DM Mehrwertsteuer = 5.547,92 DM pro Monat. Herr H betrieb zu diesem Zeitpunkt unter der Firma "Mode und Textil Re " Textil-Fachgeschäfte in La und E. Die Filiale in E befand sich in der L straße 10. Die Beklagte stellte ihren Geschäftsbetrieb am 15. Februar 1985 ein, nachdem sie das Warenlager im Ausverkauf veräußert hatte. Die Ladeneinrichtung mit einem Bilanzwert von 88.000,-- DM überließ sie der Firma Re. Die Beklagte ist nach der Eintragung im Handelsregister vom 25. März 1985 aufgelöst worden. Am 7. März 1985 eröffnete die Firma "Mode und Textil Re " in den Geschäftsräumen der Beklagten ein Textil-Fachgeschäft. Die Filiale der Firma "Mode und Textil Re " in der L straße 10 in E wurde geschlossen.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt, da der Betrieb von der Firma Re fortgeführt werde. Die Kündigung sei nach § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Die Beklagte habe mit Herrn H nicht nur einen Mietvertrag abgeschlossen, sondern auch das Inventar an die Firma Re veräußert. Es liege offensichtlich ein Gesamtpaket von mündlichen und schriftlichen Absprachen vor, die das Ziel gehabt hätten, den Übergang des Arbeitsverhältnisses der Klägerin auf die Firma Re zu verhindern. Herr J habe vor Ablauf des Vorvertrages am 5. September 1984 versucht, die Preise im Vorvertrag herunterzuhandeln. Daraufhin habe ihm Herr G erklärt, von Herrn H erhalte er die von ihm verlangte Miete, die Mietnebenkosten sowie 88.000,-- DM für die Ladeneinrichtung. Bei diesem Gespräch habe er Herrn J sogar einen dementsprechenden Vorvertrag mit Herrn H gezeigt. Herr G habe ergänzend hinzugefügt, Herr H wolle allerdings die Mitarbeiter nicht übernehmen, so daß er sich bei Vertragsabschluß mit Herrn H seiner Arbeitnehmer durch Kündigung entledigen müsse. Nach Auffassung der Klägerin führt die Firma Re in den gemieteten Geschäftsräumen das gleiche Geschäft wie die Beklagte, nur vertreibe die Firma Re im Gegensatz zu der Beklagten keine Haushaltswaren. Sie, die Klägerin, habe bei der Beklagten eine eigene Abteilung für Baby-, Freizeit-, Sport- und Hausschuhe betreut. Die Beklagte habe 30 % ihres Textilsortiments von dem Einkaufsverband Grohag bezogen und 70 % von deutschen Lieferanten, wie Schiesser, Ergee, Hudson, Triumph, Schöller, Maag usw. Herr H habe die Absicht, künftig neben Damen- und Herrenoberbekleidung auch die Artikelgruppen Damen- und Herrenwäsche, Kurzwaren, Adidas-Sportbekleidung und möglicherweise die sonstigen Artikel eines Sportgeschäftes zu führen.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch

die Kündigung der Beklagten vom 7. September

1984 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt, da sie das Einzelhandelsgeschäft zum 15. Februar 1985 aufgegeben habe. Die Firma Re habe das Geschäft nicht übernommen. Es gebe lediglich einen Mietvertrag über die gewerblichen Räume zwischen Herrn G - und nicht der Beklagten - sowie Herrn H. Der Mieter habe kein Interesse an einer Geschäftsübernahme gehabt. Er betreibe ein Textil-Fachgeschäft, dessen E Filiale er aus einer Randlage unter Mitnahme des bisherigen Personals in die bessere Lage der von Herrn G angemieteten Räume verlegt habe. Dementsprechend sei auch das Warenlager nicht übernommen worden. Sie, die Beklagte, habe zwar die Ladeneinrichtung mit Einverständnis des Mieters in den Räumen belassen, da die Herausnahme mit zu hohen Kosten verbunden gewesen wäre. Hierfür sei jedoch vom Mieter nichts bezahlt worden. Die Übernahme eines Kundenstamms sei nicht möglich gewesen, da keine Überschneidung ihres Sortiments mit dem der Firma Re bestehe. Sie, die Beklagte, habe ihr Textilsortiment ausschließlich von dem Einkaufsverband Grohag bezogen. Sie habe weder Damenkleider, -mäntel und -kostüme noch Herrenkonfektion geführt. Die Firma Re führe dagegen zu 70 % modische Damen- und Herrenoberbekleidung, u.a. von den Firmen Louis London, Betty Barcley, Boss usw.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren ursprünglich gestellten Antrag weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es liege ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung vor, da die Beklagte das Geschäft zum 15. Februar 1985 aufgegeben habe, nachdem das Warenlager im Ausverkauf veräußert und die Gesellschaft aufgelöst worden sei. Die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs im Sinne des § 613 a BGB lägen nicht vor. Die Räume, in denen die Beklagte ihren Verkauf betrieben habe, seien Eigentum des Geschäftsführers der geschäftsführenden Gesellschaft der Beklagten und nicht Eigentum der Beklagten gewesen. Die Beklagte habe an den Eigentümer Miete gezahlt. Weder das Warenlager noch die Firma seien auf die Firma R übergegangen. Außer den früher von der Beklagten angemieteten Geschäftsräumen habe die Firma Re lediglich die Ladeneinrichtung mit einem Bilanzwert von 88.000,-- DM erhalten. In der Überlassung der Ladeneinrichtung könne keine Übertragung eines Betriebsteils im Sinne des § 613 a BGB gesehen werden. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 613 a BGB - Schutz der Arbeitsplätze - sei danach zu fragen, ob das, was an Einrichtungsgegenständen, Maschinen und sonstigen Gegenständen eines Betriebes oder Betriebsteils vorhanden sei, als Organisationseinheit mit den daran gebundenen Arbeitsplätzen weitergeführt werden könne. Die Firma Re habe keine Organisationseinheit, sondern nur einzelne Betriebsmittel, die Einrichtungsgegenstände des früheren Kaufhauses, erhalten. Die Räume des Kaufhauses seien nicht von der Beklagten, sondern von dem Geschäftsführer als Eigentümer an die Firma Re vermietet worden. Ohne Räumlichkeiten ließe sich mit der erworbenen Ladeneinrichtung kein Verkaufsgeschäft betreiben.

B. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann zwar nicht in der Begründung, wohl aber im Ergebnis gefolgt werden.

I. Entgegen der Auffassung der Revision beruht das Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht auf einer Verletzung formalen Rechts.

Die Revision rügt zwar, das Landesarbeitsgericht habe § 286 ZPO verletzt, weil es die Zeugen J, S und H nicht zu der Behauptung der Klägerin vernommen habe, Herr H und Herr G hätten einen Vorvertrag abgeschlossen, wie Herr G und Herr J. Wenn die Existenz eines solchen Vorvertrages bewiesen wäre, würde der Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, daß das Inventar (Ladeneinrichtung) der Beklagten aufgrund einer vertraglichen Abrede von der Firma Re übernommen worden sei.

Diese Rüge geht aber schon deshalb fehl, weil das Landesarbeitsgericht ausdrücklich festgestellt hat, daß die Beklagte der Firma Re die Ladeneinrichtung überlassen hat.

II. Das angefochtene Urteil beruht auch nicht auf einer Verletzung materiellen Rechts.

1. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung: vgl. BAG 42, 151, 157 = AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B II der Gründe, m.w.N.).

2. Dieser eingeschränkten Nachprüfung hält das angefochtene Urteil stand:

a) Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG einen Grund zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung abgeben können, gehört die Stillegung des Betriebes (BAG 41, 72, 80 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Konzern, zu B I 2 a der Gründe; BAG Urteil vom 27. September 1984 - 2 AZR 309/83 - AP Nr. 39 zu § 613 a BGB, zu B III 2 der Gründe, m.w.N.).

Unter Betriebsstillegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, daß der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Weiterverfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne aufzugeben (BAG 41, 72, 78 f., aaO; Senatsurteil vom 27. September 1984, aaO). Entscheidend ist somit zunächst die auf einem ernstlichen Willensentschluß des Arbeitgebers beruhende Aufgabe des Betriebszwecks, die nach außen in der Auflösung der Betriebsorganisation zum Ausdruck kommt (Senatsurteil vom 16. September 1982 - 2 AZR 271/80 - AP Nr. 4 zu § 22 KO, zu B I 1 a der Gründe). Die Stillegung muß ferner für eine unbestimmte, nicht unerhebliche Zeitspanne erfolgen, weil andernfalls nur eine unerhebliche Betriebspause oder Betriebsunterbrechung vorliegen würde (KR-Etzel, 2. Aufl., § 15 KSchG Rz 88). Deshalb spricht bei alsbaldiger Wiedereröffnung des Betriebes eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Stillegungsabsicht (Senatsurteil vom 27. September 1984, aaO).

b) Für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung ist auf die im Zeitpunkt ihres Zugangs bestehenden betrieblichen Verhältnisse abzustellen. Allerdings braucht der Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt die Betriebsstillegung noch nicht durchgeführt zu haben. Vielmehr kann die Kündigung auch auf die Stillegungsabsicht gestützt werden. In diesem Fall muß jedoch im Kündigungszeitpunkt die auf unbestimmte Zeit angelegte Auflösung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits greifbare Formen angenommen haben (BAG Urteil vom 23. März 1984 - 7 AZR 409/82 - ZIP 1984, 1524, 1525; Senatsurteil vom 27. September 1984, aaO, zu B III 3 a der Gründe). Das ist der Fall, wenn eine vernünftige und betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, daß bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist das erwartete Ereignis eingetreten oder die geplante Maßnahme durchgeführt ist und der Arbeitnehmer somit entbehrt werden kann (BAG 6, 1, 3 f. = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung, zu III 1 der Gründe; Senatsurteil vom 12. September 1985 - 2 AZR 193/84 - n.v.).

3. Vorliegend hatte die Beklagte zum Kündigungszeitpunkt den endgültigen Entschluß zur Stillegung des Kaufhauses gefaßt, der auch schon greifbare Formen angenommen hatte.

a) Im Kündigungsschreiben vom 7. September 1984 ist als Kündigungsgrund "Geschäftsaufgabe aus Altersgründen" angegeben. Das spricht für eine Stillegungsabsicht der Beklagten zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Ein weiteres Indiz für die Stillegungsabsicht bereits zu diesem Zeitpunkt ist, daß der Vorvertrag zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und Herrn J vom 1. September 1984 über die Übernahme des Geschäfts bereits am 5. September 1984 gescheitert war, als Herr J erklärte, zu den Bedingungen des Vorvertrages den Betrieb nicht zu übernehmen.

b) Von einer Stillegungsabsicht der Beklagten zum Zeitpunkt der Kündigung könnte allerdings nicht ausgegangen werden, wenn in der Vermietung der Gewerberäume zum Betriebe eines Textilgeschäfts an den Zeugen H ein Betriebsübergang zu sehen wäre. Das ist aber nicht der Fall.

Herr G und Herr H haben am 10. September 1984 einen Mietvertrag über die Gewerberäume in der 60 zum Betriebe eines Textilgeschäfts am 10. September 1984 geschlossen. Die Beklagte hat insoweit vorgetragen, sie habe sich nach Scheitern der Betriebsübernahmeverhandlungen endgültig entschlossen, den Betrieb aufzugeben und habe daher auf das Angebot des Zeugen H zurückgegriffen, der allein die Gewerberäume habe anmieten wollen. Demgegenüber hat die Klägerin vorgetragen, der Geschäftsführer der Beklagten habe Herrn J, als dieser die Höhe des Kaufpreises für die Ladeneinrichtung im Vorvertrag bemängelt habe, einen mit dem Zeugen H geschlossenen Vorvertrag vorgelegt und darauf verwiesen, Herr H habe gegen die Höhe des verlangten Mietzinses nebst Mietnebenkosten als auch gegen den Preis von 88.000,-- DM für die Ladeneinrichtung nichts einzuwenden. Wenn er, Herr J, absage, werde Herr H zu den Konditionen des Vorvertrages das Objekt bekommen.

Dieser Vortrag der Klägerin reicht für die Annahme eines rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs auch für den Fall der Erfüllung des behaupteten Vorvertrages nicht aus.

aa) Für den Begriff des Betriebes im Sinne des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB ist vom allgemeinen Betriebsbegriff auszugehen. Danach machen die sächlichen und immateriellen Betriebsmittel einen Betrieb dann aus, wenn der neue Inhaber mit ihnen und mit Hilfe der Arbeitnehmer bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgen kann. Nicht erforderlich ist, daß der Betriebsinhaberwechsel auch zu einem Wechsel des Eigentums führt; es genügt, wenn dem Erwerber eine Nutzungsberechtigung auf Zeit zusteht, wie etwa bei Pacht oder Nießbrauch. Ebensowenig ist es erforderlich, daß ausnahmslos alle Wirtschaftsgüter, die bisher zu einem Betrieb gehört haben, auf den neuen Betriebsinhaber übergehen. Unwesentliche Bestandteile des Betriebsvermögens bleiben außer Betracht (BAG Urteil vom 22. Mai 1985 - 5 AZR 173/84 - EzA § 613 a BGB Nr. 46, zu B III 1 a der Gründe, m.w.N., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). Entscheidend ist, ob die Veräußerung einzelner bzw. einer Summe von Wirtschaftsgütern vorliegt oder die des Betriebes. Das hängt entscheidend davon ab, ob der neue Inhaber mit den übernommenen Betriebsmitteln den Betrieb oder einen Betriebsteil im wesentlichen unverändert fortführen kann. Die Trennung eines Teils vom ganzen Betrieb darf dessen Charakter nicht in der Weise ändern, daß es sich nur noch um Einzelgegenstände handelt (BAG Urteil vom 22. Mai 1985 - 5 AZR 30/84 - AP Nr. 42 zu § 613 a BGB, zu II 1 der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).

bb) Vorliegend hatte der Senat erstmals zu entscheiden, welche materiellen und immateriellen Betriebsmittel eines Einzelhandelsgeschäftes auf den Erwerber übergehen müssen, um noch einen funktionsfähigen Betrieb annehmen zu können.

Der Dritte Senat hatte in seiner Entscheidung vom 20. Juli 1982 (BAG 39, 208 = AP Nr. 31 zu § 613 a BGB) einen Betriebsübergang eines Möbelgeschäftes angenommen, weil eine Gesamtwürdigung ergab, daß die Übernahme der Betriebsräume sowie der dazugehörigen Teile des Zentrallagers, der Mietvertrag, das Wettbewerbsverbot, der Eintritt in die laufenden Geschäftsbeziehungen und die firmenrechtliche Regelung insgesamt dahin zielten, den Möbelhandel als Einheit zu erhalten und auf die Beklagte zu übertragen. Der Entscheidung des Dritten Senats lag also eine Fallgestaltung zugrunde, die die Annahme eines rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs geradezu aufdrängte.

In weniger klaren Fällen zeigen unterschiedliche Entscheidungen der Instanzgerichte Unsicherheiten bei der Frage, welche Voraussetzungen an den Betriebsübergang eines Ladengeschäftes zu stellen sind: So hat das Landesarbeitsgericht Frankfurt im Urteil vom 2. März 1984 (- 13 Sa 975/83 - ARSt 1984, 115) entschieden, ein Betriebsübergang liege nicht vor, wenn lediglich ein vollständig möbliertes Ladengeschäft angemietet worden ist, für dessen günstige Geschäftslage eine Abstandssumme gezahlt wurde, dagegen der Mieter in Verträge mit Lieferanten bzw. Fabrikanten ebensowenig eingetreten ist wie in andere Geschäftsbeziehungen. Demgegenüber hat das Landesarbeitsgericht Hamburg in einem ähnlich gelagerten Fall einen Betriebsübergang angenommen (Urteil vom 21. Januar 1986 - 6 Sa 77/85 - DB 1986, 1576; die gegen dieses Urteil eingelegte Revision ist beim Zweiten Senat anhängig). Die dortige Beklagte zu 2) trat gegen eine Abstandssumme in Höhe von 600.000,-- DM in den Mietvertrag der Beklagten zu 1) ein, mit dem die Beklagte zu 1) Räumlichkeiten in der M straße angemietet hatte, in denen sie eine Konditorei betrieb. Die Beklagte zu 2) veräußerte die Einrichtung der Gasträume und vermietete die Räumlichkeiten an eine Modeboutique. Das Landesarbeitsgericht hat die wesentliche Grundlage des Betriebes der Beklagten zu 1) in der besonders guten Lage der Geschäftsräume und der damit verbundenen zahlreichen Laufkundschaft gesehen.

Schließlich hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 19. Juni 1984 (- 12 Sa 39/84 - BB 1985, 123) das Vorliegen eines Betriebsübergangs abgelehnt, weil die Mieterin der Räume eines Ladengeschäftes, in denen sie dann ein Geschäft derselben Branche betrieb, keine Ware übernommen hatte.

cc) Richtig können die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang beim Ladengeschäft nur bestimmt werden, wenn zunächst festgestellt wird, welche Bestandteile grundsätzlich zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäftes gehören.

Auszugehen ist davon, daß zu einem Ladengeschäft die Betriebsräume, die Ladeneinrichtung, das zu verkaufende Warensortiment bzw. die Lieferantenverträge sowie die Rechtsbeziehungen des Einzelhandelskaufmanns zu seinen Kunden gehören.

Bei der Frage, welche Betriebsmittel auf den Nachfolger übergehen müssen, um von einem Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB ausgehen zu können, muß auf den arbeitstechnischen Zweck eines Ladengeschäftes abgestellt werden, der darin besteht, mit Hilfe von Arbeitnehmern Ware vom Großhändler oder Erzeuger anzukaufen und an den Endverbraucher zu verkaufen. Entscheidend für den Betrieb eines Ladengeschäftes sind damit zum einen die Lieferverträge und zum anderen die Rechtsbeziehungen zu der Kundschaft, die jeweils die angebotene Ware kauft.

Nun sind die Rechtsbeziehungen des Einzelhandelskaufmanns zu seinen Kunden in der Regel keine Dauerbeziehungen, sondern eine Vielzahl von einzelnen Rechtsgeschäften, die täglich neu mit den einzelnen Stammkunden oder den Laufkunden abgeschlossen werden. Während der Erwerber eines Betriebes in bestehende Dauerverträge (z.B. Lieferantenverträge) des Vorbesitzers ohne weiteres eintreten kann, ist das bei den einzelnen Rechtsgeschäften mit den Kunden eines Ladengeschäftes nicht möglich. Deshalb muß es für einen Betriebsübergang bei Ladengeschäften entscheidend darauf ankommen, ob der Erwerber rechtsgeschäftlich die Voraussetzungen erworben hat, um diese täglichen auf den Absatz seiner Waren gerichteten Rechtsgeschäfte zukünftig in derselben oder ähnlichen Art und Weise abschließen zu können. Nur in diesem Fall kann der neue Inhaber das Geschäft im wesentlichen unverändert fortführen.

Entscheidend für den Betriebsübergang eines Ladengeschäftes ist also, ob der Kundenkreis erhalten bleibt. Das hängt von folgenden Faktoren ab: Der Einzelhandelskaufmann schafft sich durch die Anmietung der Betriebsräume in einer bestimmten Geschäftslage, durch die von ihm gewählte Betriebsform (Warenhaus, Fachgeschäft, Spezialgeschäft, Supermarkt, Selbstbedienungsladen usw.) sowie durch ein bestimmtes Warensortiment einen Kundenkreis.

dd) Deshalb müssen insbesondere die Bestandteile des Betriebes auf den Erwerber übergehen, die es ermöglichen, den Kundenkreis zu halten. Anders als bei Produktionsbetrieben sind dabei die Betriebsräume wegen der Geschäftslage von großer Bedeutung. Das Einzelhandelsgeschäft, das in anderer Lage weitergeführt wird, kann Laufkundschaft, aber auch Stammkundschaft verlieren oder dazugewinnen, so daß der Kundenstamm verändert wird. Insofern wird in der Regel ein Betriebsübergang bei einem Ladengeschäft nicht vorliegen, wenn die Geschäftsräume nicht übernommen worden sind, es sei denn, das Geschäft wird in der Nachbarschaft wiedereröffnet oder es handelt sich um ein Geschäft mit reiner Stammkundschaft, die völlig unabhängig von der Geschäftslage wegen einer besonderen Betriebsform bzw. eines bestimmten Warensortiments in diesem Geschäft kauft (z. B. Spezialgeschäfte wie Seglerbedarf, medizinische Geräte).

ee) Der Erwerber muß auch das gleiche bzw. ein gleichartiges Warensortiment führen. Das Warensortiment bestimmt die Kundschaft und bildet daher ein Kernstück des Betriebes. Vom gleichen Warensortiment kann nicht schon gesprochen werden, wenn Waren der gleichen Branche vom Erwerber geführt werden, sondern es muß sich darüber hinaus um Waren derselben Qualitätsstufe handeln. So ändert sich der Kundenkreis eines Textilgeschäftes, wenn vor der "Betriebsübernahme" Markenware wie Lacoste, Boss usw. geführt wird, danach aber billige Massenwaren verkauft werden.

Die Übernahme des vorhandenen Warenbestandes ist ein gewichtiges Indiz für die Fortführung des bisherigen Sortiments. Fehlt es daran, spricht dies nicht ohne weiteres gegen einen Betriebsübergang, denn eine Übernahme der Waren ist in der Regel dann ausgeschlossen, wenn diese für den kurzfristigen Verkauf bestimmt sind (Lebensmittelgeschäft). Oftmals wird der Warenbestand auch deshalb nicht übernommen, weil anläßlich der Betriebsübernahme Renovierungsarbeiten bzw. Dekorationsänderungen erfolgen, die zu einer vorübergehenden Geschäftsschließung führen. Das schließt einen Betriebsübergang dann nicht aus, wenn der Erwerber in der Lage ist, sich das gleiche Warensortiment alsbald zu beschaffen und hiervon auch Gebrauch macht.

ff) Entscheidend für die Erhaltung des Kundenkreises ist neben dem Warensortiment auch die Übernahme der Betriebsform, wobei die Betriebsform vielfach schon vom Warensortiment abhängig ist (Fachgeschäft - Spezialgeschäft). Andererseits sind jedoch auch Fälle denkbar, in denen das gleiche Warensortiment in einer anderen Betriebsform weitergeführt wird (Warenhaus - Fachgeschäft - Discounter). Kunden, die sich vom Fachpersonal beraten lassen wollen, kaufen nicht ohne weiteres ihre Waren in einem Selbstbedienungsladen, so daß die Änderung der Betriebsform auch eine Veränderung des Kundenkreises nach sich ziehen kann. Für die Bedeutsamkeit der Betriebsform und des Warensortiments für den Betriebsübergang eines Ladengeschäftes spricht auch, daß je nach Betriebsform und Branche bzw. Warensortiment unterschiedlich qualifizierte Arbeitskräfte benötigt werden. Betriebsübernahme bedeutet insofern auch Übernahme der Funktionalität der eingerichteten Arbeitsplätze. Es ist auch kaum denkbar, daß z.B. die Verkäuferin in einer Metzgerei übergangslos als Verkäuferin im Textil-Einzelhandel die Kunden über Herstellungsart, Qualitäten und Bezeichnungen von Kunstgeweben sowie über deren Behandlungs- und Waschvorschriften aufklären und modisch beraten kann. Ebenso dürfte die bisher bei einem Lebensmittel-Discounter beschäftigte Verkäuferin Schwierigkeiten haben, die Kunden eines Delikateß-Fachgeschäftes zu beraten.

gg) Von untergeordneter Bedeutung ist dagegen die Übernahme der Ladeneinrichtung, da von ihr nicht entscheidend die betriebliche Organisation abhängt. Zumindest kann ein Betriebsübergang nicht alleine daran scheitern, daß die Ladeneinrichtung nicht mit übernommen wird.

c) Vorliegend sind zwar die Geschäftsräume mit Ladeneinrichtung auf die Firma Re übergegangen. Unstreitig ist aber, daß die Firma Re zum überwiegenden Teil ein anderes Sortiment als die Beklagte anbietet. Die Beklagte hat vorgetragen, die Firma Re führe zu 70 % modische Damen- und Herrenoberbekleidung. Außerdem führe die Firma Re Textilien der Firma Louis London, Betty Barcley usw., wogegen die Beklagte ausschließlich Importartikel ihres Einkaufsverbandes geführt habe. Demgegenüber hat die Klägerin zwar vorgetragen, die Beklagte habe lediglich 30 % ihres Textilsortiments von dem Einkaufsverband Grohag bezogen, während sie 70 % von anderen deutschen Lieferanten, wie Schiesser, Ergee, Hudson, Triumph, Schöller, Maag usw. bezogen habe. Damit hat die Klägerin aber nicht bestritten, daß die Firma Re zu 70 % modische Damen- und Herrenoberbekleidung führe. Bei den "deutschen" Lieferanten Schiesser, Ergee, Hudson usw. handelt es sich nämlich um Fabrikanten für Wäsche, Strümpfe und Schuhe. Daß sich insoweit das Warensortiment der Firma Re und der Beklagten deckt, spricht nicht für einen Betriebsübergang, wenn die Firma Re 70 % modische Damen- und Herrenoberbekleidung aus einem Warensortiment verkauft, das die Beklagte nicht geführt hat. Da nach beiderseitigem Vortrag das Warensortiment der Beklagten und der Firma Re in einem erheblichen Teil nicht übereinstimmt, ist schon aus diesem Grunde der Betrieb der Beklagten nicht auf die Firma Re übergegangen.

Die Annahme eines Betriebsübergangs scheitert vorliegend ebenso an der unterschiedlichen Betriebsform der Beklagten und der Firma Re. Während die Beklagte ein Kaufhaus mit zwei Abteilungen für Haushaltswaren und Textilien betrieb, führte Herr H schon vorher ein Textilfachgeschäft in E, das er dann aufgrund des Mietvertrages in die bisherigen Räume der Beklagten verlegte. Dieser unterschiedlichen Betriebsform und dem unterschiedlichen Warensortiment entsprachen auch ganz unterschiedliche Anforderungen an die bestehenden Arbeitsplätze. Während die Klägerin bei der Beklagten eine Abteilung für Baby-, Freizeit-, Sport- und Hausschuhe betreute, haben die Verkäuferinnen bei der Firma Re die Kundschaft beim Kauf von modischer Damen- und Herrenoberbekleidung zu beraten.

Es ist also davon auszugehen, daß die Beklagte vorliegend nach Scheitern des Vorvertrages mit Herrn J die Stillegung ihres Betriebes beschlossen hat. Die Stillegung hat sie in die Tat umgesetzt durch Vermietung der Geschäftsräume samt Inventar am 10. September 1984 zum 1. März 1985, Veräußerung des Warenlagers im Ausverkauf und Einstellung des Geschäftsbetriebes am 15. Februar 1985 und durch Kündigung der Belegschaft am 17. September 1984. Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, daß die Entlassung der Belegschaft nur in Verbindung mit weiteren Stillegungsakten von Bedeutung ist, weil sie allein noch kein ausreichendes Indiz für die Betriebsstillegung ist (BAG Urteil vom 23. März 1984, aaO; Hillebrecht, ZIP 1985, 257, 262).

4. Hatte die Beklagte bereits zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die ernsthafte Stillegungsabsicht, hatte dieser Entschluß mit dem Abschluß des Mietvertrages und der Kündigung der Belegschaft bereits greifbare Formen angenommen und ist der Betrieb tatsächlich nicht auf die Firma Re übergegangen, sondern ist er am 15. Februar 1985 stillgelegt worden, so hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, die Kündigung sei mangels anderer Beschäftigungsmöglichkeiten durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und damit sozial gerechtfertigt. Es kommt also nicht mehr darauf an, daß der Betriebsübergang vorliegend nicht schon daran gescheitert wäre, daß nicht die Beklagte, sondern der Geschäftsführer der Beklagten, Herr G, die in seinem persönlichen Eigentum stehenden Geschäftsräume an die Firma Re vermietet hat. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB ist auch dann anwendbar, wenn keine u n m i t t e l b a r e n Rechtsbeziehungen zwischen Veräußerer und Erwerber vorliegen. Insofern wäre nur von Bedeutung, daß die Geschäftsräume auf die Firma Re durch Rechtsgeschäft übergegangen sind. Dies hat das Berufungsgericht nicht gesehen.

C. War die Kündigung sozial gerechtfertigt und daher die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts zurückzuweisen, waren der Klägerin nach § 97 ZPO die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Hillebrecht Dr. Weller Ascheid

Dr. Harder Dr. Wolter

 

Fundstellen

Haufe-Index 438188

BAGE 53, 267-279 (LT1)

BAGE, 267

BB 1987, 970

BB 1987, 970-971 (LT)

DB 1987, 992-993 (LT)

ARST 1987, 117-118 (LT)

JR 1987, 308

NZA 1987, 382-384 (LT1)

RdA 1987, 125

ZIP 1987, 734

ZIP 1987, 734-737 (LT)

AP § 613a BGB (LT1), Nr 58

AR-Blattei, Betriebsinhaberwechsel Entsch 70 (LT1)

AR-Blattei, ES 500 Nr 70 (LT1)

EzA § 613a BGB, Nr 58 (LT)

MDR 1987, 610-610 (LT)

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