Entscheidungsstichwort (Thema)

Form des Wettbewerbsverbots und Anrechnung der Altersrente

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine nicht unterzeichnete Wettbewerbsklausel genügt dem Formerfordernis des § 74 Abs 1 HGB, wenn sie fest mit dem unterschriebenen Arbeitsvertrag verbunden ist und wenn im Arbeitsvertrag auf die Wettbewerbsklausel verwiesen wird.

2. Ein vertragliches Wettbewerbsverbot soll im Zweifel nicht mit dem Ruhestand des Arbeitnehmers außer Kraft treten. Diese Auslegungsregel gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine Betriebsrente bezieht.

3. Auf die Karenzentschädigung sind Renten der gesetzlichen Rentenversicherung nicht anzurechnen. Ob gleiches auch für Betriebsrenten gilt, bleibt unentschieden.

 

Verfahrensgang

LAG München (Entscheidung vom 07.07.1981; Aktenzeichen 1 Sa 438/80)

ArbG Kempten (Entscheidung vom 30.04.1980; Aktenzeichen 3 Ca 1757/79 Li)

 

Tatbestand

Der im Jahre 1915 geborene Kläger trat im Jahre 1961 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Am 7. November 1975 regelten die Parteien in einem schriftlichen, von beiden Seiten unterzeichneten Arbeitsvertrag die Vertragsbedingungen neu. In diesem Vertrag wird auf ein anhängendes Wettbewerbsverbot verwiesen, das gesondert unterschrieben ist, für die Beklagte jedoch allein von einem Gesamtprokuristen. Darin übernahm der Kläger die Verpflichtung, Wettbewerb zum Nachteil der Beklagten zu unterlassen. Die Beklagte verpflichtete sich, eine monatliche Entschädigung zu zahlen, die dem letzten Gehalt von 3.096,-- DM entsprach. Das Arbeitsverhältnis endete am 30. Juni 1979. Seit dieser Zeit bezieht der Kläger vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung und eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 332,-- DM, die aufgrund einer Versorgungszusage vom 1. Oktober 1969 gezahlt wird und sich nach der Dauer der zurückgelegten Dienstzeit richtet. Bereits mit Schreiben vom 21. Juni 1979 teilte der Kläger der Beklagten mit, daß er sich nach seinem Ausscheiden an das vereinbarte Wettbewerbsverbot bis zu dessen Ablauf am 30. Juni 1981 halten werde. In der Zeit vom 2. Juli 1979 bis zum 30. September 1979 betrieb er ein Gewerbe zur Ausführung von technischen Zeichnungen, insbesondere für Vorrichtungskonstruktionen. Dieses Unternehmen konkurrierte nicht mit der Beklagten.

Mit der Klage verlangt der Kläger die Karenzentschädigung für die Zeit vom 1. Juli 1979 bis zum 30. September 1979 in Höhe von 9.288,-- DM, worauf er sich Einkünfte aus seiner unternehmerischen Tätigkeit in Höhe von 1.368,48 DM anrechnen läßt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 7.919,52

DM nebst 4 % Zinsen aus 3.096,-- DM ab

1. August 1979, aus 6.192,-- DM ab 1.

September 1979, aus 7.919,52 DM ab 1.

Oktober 1979 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das Wettbewerbsverbot sei unwirksam, weil es nur von einem Gesamtprokuristen unterzeichnet sei. Es gelte auch nicht für den Ruhestand. In jedem Fall müsse die betriebliche Altersversorgung auf die Karenzentschädigung angerechnet werden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Betriebsrente auf die Karenzentschädigung angerechnet und im übrigen die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger kann aufgrund des Wettbewerbsverbots von der Beklagten Karenzentschädigung in der geforderten Höhe verlangen (§ 74 Abs. 2 HGB).

1. Die Parteien haben ein Wettbewerbsverbot vereinbart. Dieses ist wirksam. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen.

Nach § 74 Abs. 1 HGB bedarf eine Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und seinem Handlungsgehilfen, durch die dieser für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt wird, der Schriftform und der Aushändigung einer vom Arbeitgeber unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde. Ist durch das Gesetz die Schriftform vorgeschrieben, so bedeutet dies, daß die Urkunde eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden muß (§ 126 Abs. 1 BGB). Die Unterzeichnung muß durch die Partei selbst oder ihre Vertreter erfolgen. Das gesondert abgefaßte Wettbewerbsverbot genügt im vorliegenden Fall diesen Voraussetzungen nicht, da es allein von einem Gesamtprokuristen unterschrieben ist, der nicht berechtigt war, die Beklagte allein zu vertreten (§ 48 Abs. 2, § 49 HGB).

Dennoch ist die Wettbewerbsklausel der Parteien nicht formfehlerhaft. Seine Niederschrift ist Teil einer Gesamturkunde, die den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Eine Gesamturkunde ist dann gegeben, wenn mehrere Blätter einer Urkunde so zusammengefaßt sind, daß sich ihre Zusammengehörigkeit ergibt. Die Einheitlichkeit der Urkunde kann durch Zusammenheften, Numerieren der Blätter, Bezugnahme oder den eindeutigen Sinnzusammenhang des fortlaufenden Textes hergestellt werden. Die Verbindung der verschiedenen Blätter muß erkennbar endgültig und dauerhaft gewollt sein. Hierzu gehört auch, daß die Verbindung nur durch teilweise Substanzzerstörung oder mit Gewalt wieder gelöst werden kann (BGHZ 40, 255, 263 = NJW 1964, 395; BGH LM § 566 BGB Nr. 6; MünchKomm-Förschler, BGB, § 126 Rz 10). Diesen Voraussetzungen genügte der Arbeitsvertrag in Verbindung mit dem Anhang über die Wettbewerbsabrede. In dem Arbeitsvertrag ist auf das Wettbewerbsverbot verwiesen worden. Damit ist erkennbar eine Zusammenfassung zwischen Arbeitsvertrag und Wettbewerbsverbot gewollt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist das Wettbewerbsverbot dem Arbeitsvertrag angehängt und zum festen Bestandteil des Vertrags gemacht worden. Gegen diese Feststellungen sind Verfahrensrügen nicht erhoben worden (§ 554 Abs. 3 ZP0), so daß von einer Gesamturkunde auszugehen ist.

2. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß das Wettbewerbsverbot mit dem Eintritt des Klägers in den Ruhestand nicht außer Kraft getreten ist.

a) Die Beklagte irrt, soweit sie die Auffassung vertritt, jedes Wettbewerbsverbot sei nur für die Dauer des aktiven Arbeitslebens abgeschlossen. Das Wettbewerbsverbot ist ein gegenseitiger Vertrag, in dem sich der Arbeitnehmer zur Unterlassung von Wettbewerb gegen Zahlung einer Karenzentschädigung verpflichtet. Aus welchen Gründen der Arbeitnehmer schließlich Wettbewerb während der Karenzzeit unterläßt, ist für den Entschädigungsanspruch unerheblich (BAG Urteil vom 2. Dezember 1968 - 3 AZR 402/67 - AP Nr. 3 zu § 74 a HGB, zu 4 der Gründe; Urteil vom 13. November 1975 - 3 AZR 38/75 - AP Nr. 7 zu § 74 c HGB, zu II der Gründe).

Freilich mag es rechtlich möglich sein, ein Wettbewerbsverbot in der Weise auflösend bedingt abzuschließen, daß es enden soll, wenn der Arbeitnehmer in den vorgezogenen oder endgültigen Ruhestand tritt. Für eine entsprechende Bedingung fehlen jedoch jegliche Anhaltspunkte in dem von den Parteien vereinbarten Wettbewerbsverbot. In diesem sind allein die Unterlassungs- und Zahlungsverpflichtungen für eine zweijährige Verbotsdauer geregelt.

b) Das Landesarbeitsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, daß das Wettbewerbsverbot nicht allein deswegen mit dem Eintritt des Klägers in den Ruhestand sein Ende gefunden hat, weil die Beklagte eine Betriebsrente zahlt.

Allerdings wird im Schrifttum gelegentlich die Auffassung vertreten, ein Wettbewerbsverbot werde gegenstandslos, wenn der Arbeitgeber wegen Konkurrenztätigkeit seines Ruheständlers die Versorgungszusage widerrufen könnte (vgl. Weisemann/Schrader, Beil. 4 zu DB 1980, S. 14 unter Nr. 10). Dieser auch von der Beklagten vertretenen Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Sie beruht auf der Annahme, daß der Arbeitgeber allein wegen seiner Versorgungsleistungen vom Arbeitnehmer Wettbewerbsunterlassung verlangen und erzwingen könne. Dazu bedarf es jedoch in Wahrheit einer besonderen Vereinbarung, eben einer Konkurrenzklausel i.S. der §§ 74 ff. HGB. Dies gilt sowohl dann, wenn der Arbeitnehmer mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ausscheidet (BAG Urteil vom 26. Februar 1976 - 3 AZR 166/75 - AP Nr. 172 zu § 242 BGB Ruhegehalt), wie auch für den Ruhestand des Arbeitnehmers. Der Eintritt in den vorgezogenen oder endgültigen Ruhestand schließt Wettbewerb nicht aus. Das zeigt gerade auch der Fall des Klägers, der nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses ein Gewerbe angemeldet hat, allerdings - nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts - ohne der Beklagten Konkurrenz zu machen. Damit hat der Kläger seiner Unterlassungspflicht genügt und die Gegenleistung in Gestalt der Karenzentschädigung verdient.

3. Auf die nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit drei Monatsverdiensten zutreffend errechnete Karenzentschädigung braucht sich der Kläger keine Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung anrechnen zu lassen.

a) In dem Berufungsurteil hat das Landesarbeitsgericht die Betriebsrente auf die Karenzentschädigung angerechnet. Diese Anrechnung ist durch den Kläger nicht angegriffen worden. Insoweit ist das Urteil rechtskräftig, so daß eine rechtliche Nachprüfung durch den Senat ausscheidet.

b) Die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist auf eine Karenzentschädigung nicht anzurechnen. Das hat das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden (BAG vom 3. August 1960 - 5 AZR 51/60 - AP Nr. 14 zu § 74 HGB) und daran wird festgehalten.

Nach § 74 c Abs. 1 HGB muß sich der Arbeitnehmer in bestimmten Grenzen auf die fällige Entschädigung anrechnen lassen, was er während der Karenzzeit durch anderweite Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt. Aber die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wird nicht durch anderweite Verwertung der Arbeitskraft während des Laufes des Wettbewerbsverbots erworben. Sie ist eine Versicherungsleistung, die bereits während des gesamten Arbeitslebens des Arbeitnehmers erworben wurde (§ 1224 Abs. 1 RV0, § 31 AVG). Es mag sein, daß § 74 c Abs. 1 HGB eine Regelungslücke enthält, weil die Vorschrift nur erlangten oder böswillig unterlassenen Arbeitsverdienst erfaßt, dagegen den Bereich der Lohnersatzleistungen unberücksichtigt läßt. Selbst wenn der Senat von dieser Annahme ausginge, käme eine Anrechnung der gesetzlichen Altersrente nicht in Betracht. Solche Altersbezüge werden wegen des Eintritts eines Versorgungsfalles auch neben weiterem Verdienst des Arbeitnehmers gezahlt. Sie haben eine Versorgungsfunktion, die im allgemeinen von anderweitigem Einkommen unabhängig ist. Zusatzverdienstgrenzen bei vorgezogenem Altersruhegeld können insoweit unberücksichtigt bleiben; sie ändern nichts an der arbeitsrechtlichen Bewertung von Sozialversicherungsrenten.

Dr. Dieterich Schaub Griebeling

Dr. Kiefer Lichtenstein

 

Fundstellen

Haufe-Index 438423

BAGE 47, 125-130 (LT1-3)

BAGE, 125

DB 1985, 709-710 (LT1-3)

NJW 1986, 152

AuB 1985, 398-398 (T)

ARST 1985, 108-108 (LT1)

ARST 1985, 157-157 (LT2-3)

BlStSozArbR 1985, 185-185 (T)

JR 1986, 308

NZA 1985, 429-430 (LT1-3)

WM IV 1985, 584-585 (LT1-3)

AP § 74 HGB (LT1-3), Nr 46

AR-Blattei, ES 1830 Nr 139 (LT1-3)

AR-Blattei, Wettbewerbsverbot Entsch 139 (LT1-3)

EzA § 74 HGB, Nr 44 (LT1-3)

MDR 1985, 522-523 (LT1-3)

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