Entscheidungsstichwort (Thema)

Überbrückungsbeihilfe. Ausschluß bei vorgezogenem Altersruhegeld

 

Leitsatz (amtlich)

Die Regelung in § 2 Ziff. 2 d TV SozSich, nach der ein Schwerbehinderter, der die Voraussetzungen zum Bezug eines vorgezogenen Altersruhegelds nach § 37 SGB VI erfüllt, keinen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 TV SozSich hat, ist wirksam.

 

Normenkette

Tarifvertrag vom 31. August 1971 zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland – TV Soziale Sicherung – (TV SozSich) §§ 2, 4; GG Art. 3 Abs. 1; SGB VI §§ 36-39, 41 Abs. 4; EGVtr Art. 6 (jetzt Art. 12 EG)

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 09.04.1998; Aktenzeichen 16 Sa 726/96)

ArbG Hamm (Urteil vom 14.02.1996; Aktenzeichen 3 Ca 969/95)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 9. April 1998 – 16 Sa 726/96 – in der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von 16.368,00 DM nebst Zinsen verurteilt wurde.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 14. Februar 1996 – 3 Ca 969/95 – wird auch insoweit zurückgewiesen.

3. Die Kosten der Berufung und der Revision hat der Kläger zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe.

Der am 12. August 1933 geborene Kläger war als ziviler Arbeitnehmer bei den britischen Streitkräften beschäftigt, und zwar bis Ende 1971 in Großbritannien und seit 1972 in Deutschland. Auf das Arbeitsverhältnis fanden zuletzt der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 16. Dezember 1966 (TV AL II) und der Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (künftig: TV SozSich) Anwendung. Der Kläger war ursprünglich britischer Staatsangehöriger und ist jetzt Deutscher. Er ist Schwerbehinderter mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 %. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete am 30. Juni 1994 auf Grund arbeitgeberseitiger Kündigung wegen Auflösung der Dienststelle. Zu diesem Zeitpunkt betrugen die für einen gesetzlichen Rentenanspruch berücksichtigungsfähigen Beschäftigungszeiten des Klägers in Deutschland und Großbritannien zusammen mehr als 35 Jahre.

Der Kläger bezog zuletzt ein Nettogehalt von 3.106,00 DM monatlich. Er erhielt nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses vom 1. Juli 1994 bis zum 28. Februar 1997 Arbeitslosengeld in Höhe von 1.742,00 DM monatlich. Seit dem 1. März 1997 bezieht er auf seinen Antrag vom 4. Dezember 1996 eine vorgezogene Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Höhe von 1.206,16 DM und ab dem 1. Juli 1997 1.228,00 DM monatlich. Die Beschäftigungszeiten des Klägers in Großbritannien wurden bei der Festsetzung der Rente berücksichtigt. Mit seiner Klage hat der Kläger zuletzt die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe für die Zeit von Juli 1994 bis Juni 1996 gefordert und die Feststellung begehrt, daß die Beklagte bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres zur Leistung verpflichtet sei.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe gegen die Beklagten ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu in Höhe des Unterschieds zwischen dem letzten Nettogehalt und dem Arbeitslosengeld, also in Höhe von 1.364,00 DM monatlich. Der in § 2 TV SozSich für Bezieher von Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bestimmte Anspruchsausschluß beziehe sich nicht auf seinen Fall. Insoweit weise diese Bestimmung eine Regelungslücke auf. Die Tarifvertragsparteien seien davon ausgegangen, daß die dort bezeichneten Rentenansprüche ausgeschiedener Arbeitnehmer weit oberhalb der Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit lägen. Er habe jedoch, weil seine Rentenansprüche sich zum Teil gegen einen britischen Rentenversicherungsträger richteten und insoweit erst ab dem 65. Lebensjahr geltend gemacht werden könnten, nur einen sehr geringen Anspruch auf gesetzliche Altersrente in Deutschland. Diesen Fall des „gesplitteten” Rentenanspruchs hätten die Tarifvertragsparteien nicht bedacht. Wenn auch in einem solchen Fall der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe entfalle, stelle dies eine sachlich nicht gerechtfertigte Diskriminierung schwerbehinderter Arbeitnehmer dar, weil nicht schwerbehinderte – und damit noch nicht rentenberechtigte – Arbeitnehmer das Überbrückungsgeld beanspruchen könnten, während ehemalige Arbeitnehmer wie er auf ihre geringe Rente verwiesen würden. Zudem liege ein Verstoß gegen Art. 6 Satz 1 EGV vor; er werde aus Gründen der Staatsangehörigkeit diskriminiert.

Der Kläger hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 31.099,20 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 9. Juni 1995 zu zahlen;
  2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an ihn Leistungen des Tarifvertrages zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Kläger könne die begehrte Überbrückungsbeihilfe nicht beanspruchen, da er unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Bezug des vorgezogenen Altersruhegeldes berechtigt gewesen sei und somit den Ausschlußtatbestand des § 2 Ziff. 2 d TV SozSich erfülle. Die tarifliche Regelung verstoße weder gegen Art. 3 GG noch gegen Art. 6 Satz 1 EGV. Die Höhe des Rentenanspruchs sei für den Wegfall des Anspruchs auf Überbrückungsbeihilfe ohne Bedeutung.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Zahlungsklage für den Zeitraum Juli 1994 bis Juni 1995 in Höhe von 16.368,00 DM stattgegeben und die Berufung des Klägers im übrigen zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts, soweit dieses der Klage stattgegeben hat, und zur vollständigen Zurückweisung der Berufung des Klägers.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe für die Zeit vom 1. Juli 1994 bis zum 30. Juni 1995. Nach dem Wortlaut von § 2 Ziff. 2 d TV SozSich scheide ein Anspruch des Klägers zwar aus. Die Tarifbestimmung verstoße jedoch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Überbrückungsbeihilfe nach § 4 TV SozSich diene dazu, Arbeitnehmern, die aus den in § 2 TV SozSich genannten Gründen entlassen werden, durch finanzielle Leistungen Hilfe zu gewähren. Diese finanzielle Hilfe könne ein Schwerbehinderter, der das 60. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt habe, nicht in Anspruch nehmen. Er sei damit – obwohl besonders schutzbedürftig – erheblich benachteiligt. Ein vergleichbarer nicht schwerbehinderter Arbeitnehmer habe dagegen erst nach Vollendung des 63. Lebensjahres oder nach einer Arbeitslosigkeit von 52 Wochen einen zum Wegfall der Überbrückungsbeihilfe führenden Anspruch auf vorgezogenes Altersruhegeld und könne daher noch für maximal 52 Wochen neben dem Arbeitslosengeld das tarifliche Überbrückungsgeld beanspruchen. Die Teilnichtigkeit der Vorschrift führe zu einer tariflichen Regelungslücke, die durch „Anpassung nach oben” zu schließen sei. Es sei davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien den Anwendungsbereich der Vorschrift entsprechend erweitert hätten, wenn sie die Gleichheitswidrigkeit der getroffenen Gruppenbildung erkannt hätten. Der Kläger sei damit so zu stellen wie ein Gleichaltriger, der nicht schwerbehindert ist.

II. Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte für den in der Revisionsinstanz noch streitigen Zeitraum vom 1. Juli 1994 bis 30. Juni 1995 keinen Anspruch auf Zahlung von Überbrückungsbeihilfe.

1. Nach § 2 TV SozSich haben Arbeitnehmer, die wegen Personaleinschränkung infolge einer aus militärischen Gründen von der obersten Dienstbehörde angeordneten Auflösung von Dienststellen entlassen werden (§ 2 Ziff. 1), Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag, wenn sie im Zeitpunkt der Entlassung seit mindestens einem Jahr vollbeschäftigt sind, mindestens fünf Beschäftigungsjahre iSd. TV AL II oder des TV B II nachweisen können und das 40. Lebensjahr vollendet haben, sowie ihren ständigen Wohnsitz in den letzten fünf Jahren im Geltungsbereich des TV AL II hatten (§ 2 Ziff. 2 Buchst. a bis c). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger unstreitig.

2. Erforderlich ist gemäß § 2 Ziff. 2 d TV SozSich aber außerdem, daß der Arbeitnehmer die Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegelds oder des vorgezogenen Altersruhegelds aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllt. An dieser negativen Anspruchsvoraussetzung fehlt es vorliegend, da der Kläger bereits unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1994 einen Anspruch auf vorgezogenes Altersruhegeld für Schwerbehinderte nach § 37 SGB VI besaß.

Der als Schwerbehinderter mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 % anerkannte Kläger hatte am 1. Juli 1994 das 60. Lebensjahr vollendet und unter Einrechnung der rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten in Großbritannien die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt. § 2 Ziff. 2 d TV SozSich erfaßt auch den Fall der Altersrente wegen Schwerbehinderung. Schon vor der mit 65 Jahren zustehenden Regelaltersrente (§ 35 SGB VI) kann eine Altersrente zu einem früheren Zeitpunkt als Altersrente für langjährig Versicherte ab Vollendung des 63. Lebensjahres (§ 36 SGB VI), oder als Altersrente für Schwerbehinderte, Erwerbsunfähige und Berufsunfähige (§ 37 SGB VI), als Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (§ 38 SGB VI) oder als Altersrente für Frauen (§ 39 SGB VI) jeweils ab Vollendung des 60. Lebensjahres beansprucht werden. Die tarifliche Regelung knüpft für den Ausschluß des Anspruchs auf Überbrückungsbeihilfe an diese gesetzlichen Tatbestände vorgezogenen Altersruhegeldes an.

Unerheblich ist, daß der Kläger eine Rente tatsächlich weder erhalten noch beantragt hat. Im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung ist zwischen dem Stammrecht (Grundanspruch, Gesamtanspruch) und dem Recht auf die jeweils fällig werdenden Einzelleistungen zu unterscheiden(Senat 1. Juni 1995 – 6 AZR 926/94 – BAGE 80, 158, 162 mwN). Zwar wird die Altersrente nach § 37 SGB VI nur auf Antrag geleistet (§ 19 SGB IV, § 115 Abs. 1 SGB VI), das Stammrecht auf die Rente entsteht aber unabhängig von einer Antragstellung des Berechtigten schon in dem Zeitpunkt, in dem alle materiellen Voraussetzungen für eine Rentenberechtigung vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt kommt es für die Anwendung des § 2 Ziff. 2 d TV SozSich an (vgl. Senat 1. Juni 1995 – 6 AZR 926/94 – aaO; 20. November 1997 – 6 AZR 215/96 – AP ZPO § 551 Nr. 47 = EzA ZPO § 551 Nr. 5).

3. Diese Bestimmung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

a) Nach § 45 Abs. 1 SchwbG dürfen Renten und vergleichbare Leistungen, die wegen der Schwerbehinderung bezogen werden, bei der Bemessung des Arbeitsentgelts und der Dienstbezüge aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis nicht berücksichtigt, insbesondere nicht ganz oder teilweise auf das Arbeitsentgelt angerechnet werden. Zwar handelt es sich bei der Altersrente für Schwerbehinderte nach § 37 SGB VI um eine Rente, die wegen der Behinderung bezogen wird(vgl. Großmann in Großmann/Schimanski/Dopatka/Spiolek/Steinbrück GK-SchwbG 2. Aufl. § 45 Rn. 64). Die Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich ist aber kein Arbeitsentgelt „aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis”. Sie wird wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses für die Zeit danach gewährt.

Der Wortlaut „aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis” war durch Art. 6 des 2. HStrukG mit Wirkung vom 1. Januar 1982 mit dem Ziel in das Gesetz eingefügt worden, eine Rentenanrechnung auf solche Arbeitsentgelte und Dienstbezüge zu ermöglichen, die für Zeiträume nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden. Dies hat zB dazu geführt, daß das Übergangsgeld nach § 62 BAT jetzt nicht mehr unter das Ausschlußverbot fällt. Es war vor der Gesetzesänderung als von dem Berücksichtigungsverbot erfaßtes Arbeitsentgelt angesehen worden (st. Rspr., vgl. nur BAG 16. November 1982 – 3 AZR 177/82 – BAGE 40, 355 mwN). Heute vertritt die hM jedoch zu Recht die Auffassung, es sei kein Arbeitsentgelt aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis und daher nicht mehr von dem Berücksichtigungsverbot des § 45 SchwbG betroffen(BAG 16. November 1982 – 3 AZR 177/82 – aaO; 27. November 1986 – 6 AZR 558/84 – BAGE 53, 371; Dörner SchwbG Stand Januar 2000 § 45 Anm. II 2 c; Neumann/Pahlen SchwbG 9. Aufl. § 45 Rn. 4; Cramer SchwbG 4. Aufl. § 45 Rn. 5; aA Großmann in Großmann/Schimanski/Dopatka/Spiolek/Steinbrück GK-SchwbG 2. Aufl. § 45 Rn. 19 ff.). Nichts anderes gilt für die von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhängige und für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährte Überbrückungsbeihilfe.

b) Auch § 41 Abs. 4 SGB VI, wonach der Anspruch des Versicherten auf eine Rente wegen Alters nicht als Grund anzusehen ist, der die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses bedingen kann, steht dem tariflichen Anspruchsausschluß nicht entgegen. Diese gesetzliche Regelung schützt nur vor einer Kündigung wegen Erreichens des Rentenalters, schließt aber die Berücksichtigung des Rentenbezugs bei der Bemessung der wirtschaftlichen Nachteile, die durch eine aus anderen Gründen gerechtfertigte Kündigung entstehen, nicht aus(BAG 3. August 1999 – 1 AZR 677/98 – nv.; 27. Oktober 1987 – 1 ABR 9/86 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 41 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 41 zu der entsprechenden Regelung im damals geltenden Art. 6 § 5 Abs. 1 Rentenreformgesetz vom 16. Oktober 1972).

c) Die Bestimmung in § 2 Ziff. 2 d TV SozSich verstößt auch nicht gegen Art. 3 GG.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Tarifvertragsparteien an die Grundrechte gebunden; tarifliche Regelungen sind von den Gerichten für Arbeitssachen daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen Grundrechte verstoßen und damit gemäß § 134 BGB nichtig sind(vgl. BAG 13. November 1985 – 4 AZR 234/84 – BAGE 50, 137; 21. Februar 1991 – 6 AZR 406/89 – BAGE 67, 264). Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen(BAG 21. Februar 1991 – 6 AZR 406/89 – BAGE 67, 264, 272). Dabei ist davon auszugehen, daß den Tarifvertragsparteien im Rahmen der ihnen durch Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumten Befugnis, für ihre Mitglieder die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu regeln, grundsätzlich ein weiter Regelungsspielraum zur Verfügung steht. Eine verbotene Ungleichbehandlung liegt vor, wenn sich für die gewählte Differenzierung ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonstwie einleuchtender Grund nicht finden läßt, wenn also für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist. Erforderlich ist, daß sich für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund ergibt(BAG 23. Juni 1994 – 6 AZR 911/93 – BAGE 77, 137).

bb) Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Überbrückungsbeihilfe ist es sachgerecht, daß Arbeitnehmer, die eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen können, grundsätzlich keine Leistungen nach dem TV SozSich erhalten. Dies ist unter Beachtung des den Tarifvertragsparteien eingeräumten erheblichen Ermessens- und Gestaltungsspielraums insbesondere deshalb unbedenklich, weil es sich bei der Überbrückungsbeihilfe um eine außergewöhnliche, im Arbeitsleben wenig verbreitete Sonderleistung handelt, durch die ein während eines Arbeitsverhältnisses oder der Arbeitslosigkeit auftretender Bedarf älterer Arbeitnehmer oder Arbeitsloser überbrückt, nicht aber nach Beendigung des Erwerbslebens zustehendes Altersruhegeld ergänzt werden soll(zum vergleichbaren Zweck des Übergangsgeldes nach §§ 62 ff. BAT: BAG 18. August 1976 – 4 AZR 284/75 – AP BAT § 62 Nr. 2 = EzA BAT § 62 Nr. 2).

Der TV SozSich geht davon aus, daß Arbeitnehmer, die aus den in § 2 Ziff. 1 TV SozSich genannten Gründen entlassen werden, baldmöglichst wieder in den Arbeitsprozeß einzugliedern sind (§ 3 TV SozSich). Dazu soll die Überbrückungsbeihilfe beitragen. Sie dient dazu, ausscheidenden Arbeitnehmern für einen Übergangszeitraum insgesamt laufende Einkünfte nach einer Bemessungsgrundlage zu gewährleisten, die auf die tarifliche Grundvergütung Bezug nimmt. § 4 Ziff. 1 TV SozSich sieht vor, daß die Überbrückungsbeihilfe nur ergänzend zu bestimmten Anknüpfleistungen gewährt wird. Nach § 4 Ziff. 1 a TV SozSich wird Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte gewährt und dient damit als Anreiz, möglichst bald – auch bei geringerem Verdienst – ein neues Beschäftigungsverhältnis einzugehen und damit wieder in den Arbeitsprozeß eingegliedert zu werden. Einen Anspruch haben weiterhin diejenigen, die Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlaß von Arbeitslosigkeit oder beruflichen Bildungsmaßnahmen (Arbeitslosengeld/-hilfe, Unterhaltsgeld) beziehen (§ 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich). Diese Leistungen setzen voraus, daß der Arbeitnehmer dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht und sich um eine Wiedereingliederung bemüht. Schließlich wird Überbrückungsbeihilfe zum Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung oder zum Verletztengeld der gesetzlichen Unfallversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Arbeitsunfalls gezahlt (§ 4 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich), wodurch verhindert werden soll, daß allein aufgrund der Arbeitsunfähigkeit eine finanzielle Einbuße entsteht. Weitere Anknüpfleistungen – zB Sozialhilfe oder der Bezug einer Rente – sind nicht vorgesehen. Die Leistungen nach dem TV SozSich kommen auch nicht allen Arbeitnehmern zugute. Ein Anspruch entfällt zunächst gemäß § 2 Ziff. 3 TV SozSich, wenn dem Arbeitnehmer eine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV AL II angeboten worden ist. Nach dem Zweck der Überbrückungsbeihilfe soll diese nur so lange gewährt werden, wie sie für eine Wiedereingliederung des Arbeitnehmers in den Arbeitsprozeß notwendig ist. Hieran fehlt es, wenn der Arbeitnehmer eine Möglichkeit nicht wahrnimmt, eine zumutbare Beschäftigung aufzunehmen. Von den Ansprüchen sind zudem nicht nur diejenigen ausgeschlossen, die bereits die Voraussetzungen für eine gesetzliche Altersrente erfüllen; die Regelung erfaßt auch diejenigen Arbeitnehmer nicht, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 2 Ziff. 2 b TV SozSich). Jüngere Arbeitnehmer kommen, unabhängig davon, ob sie eine geringer bezahlte Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber ausüben oder zunächst arbeitslos sind, nicht in den Genuß der Leistungen. Die Tarifvertragsparteien haben die Leistungen damit auf die Gruppe von Arbeitnehmern beschränkt, die aufgrund ihres Alters potentiell von längerer Arbeitslosigkeit bedroht sind. Dies ist nicht zu beanstanden.

Bei Arbeitnehmern, die bereits die Voraussetzungen für eine gesetzliche Altersrente erfüllen, geht die Tarifregelung offenbar davon aus, daß eine Sicherung des Lebensunterhaltes im Hinblick auf den zeitlich begrenzten Sinn und Zweck des Überbrückungsgeldes nicht in Betracht kommt. Dies ist im Vergleich zu dem durch die Regelung geschützten Personenkreis nicht sachwidrig. Zum einem ist auf Grund der bereits erworbenen Rentenansprüche eine Sicherung des Lebensunterhalts gewährleistet, zum anderen erscheint eine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß eher unwahrscheinlich. Arbeitnehmer, denen bereits ein Anspruch aus der Rentenversicherung zusteht, sind wirtschaftlich nicht auf Überbrückungshilfen angewiesen. Wird durch die Rente ihr Besitzstand nicht ausreichend gewahrt, begründet dies aus der Sicht dieser Arbeitnehmer einen Ergänzungsbedarf, nicht aber einen zeitlich begrenzten Überbrückungsbedarf, wie ihn die Tarifvertragsparteien durch ihre Regelung allein ausgleichen wollen. Die Ergänzung einer als unzureichend empfundenen gesetzlichen Altersrente ist nicht Zweck der Überbrückungsbeihilfe. Diese Auffassung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG zu sonstigen anläßlich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen gewährten Leistungen. Der erkennende Senat hat zu § 2 Abs. 7 des Tarifvertrags zur Sozialen Absicherung vom 6. Juli 1992 (TV Soziale Absicherung), wonach ein Anspruch auf Abfindung sich verringert bzw. entfällt, wenn ein Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Altersversicherung entsteht, mehrfach entschieden, daß sich sowohl ein Anspruch auf ein vorgezogenes Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit als auch ein Anspruch auf ein vorgezogenes Altersruhegeld für Frauen auf den Abfindungsanspruch auswirkt(BAG 26. November 1998 – 6 AZR 272/97 – nv.; 16. Juli 1998 – 6 AZR 647/98 – nv.; 20. November 1997 – 6 AZR 215/96 – AP ZPO § 551 Nr. 47 = EzA ZPO § 551 Nr. 5; 20. März 1997 – 6 AZR 732/95 – nv.; 30. Januar 1997 – 6 AZR 695/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: DDR Nr. 31 = EzA TVG § 4 Personalabbau Nr. 6). Auch bei der Nachprüfung von Sozialplänen duldet das Bundesarbeitsgericht, daß die Arbeitnehmer, die ein vorgezogenes Altersruhegeld in Anspruch nehmen können, grundsätzlich von vereinbarten Leistungen ausgeschlossen werden können(BAG 26. Juli 1988 – 1 AZR 156/87 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 45 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 43; 31. Juli 1996 – 10 AZR 45/96 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 103 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 86; 17. September 1997 – 10 AZR 38/97 – nv.; 3. August 1999 – 1 AZR 677/98 – nv.).

cc) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts wird der Kläger durch die Berücksichtigung seiner vorgezogenen Altersrente nicht als Schwerbehinderter diskriminiert.

Die Regelung in § 2 Ziff. 2 Buchst. d TV SozSich knüpft nicht unmittelbar an die Behinderteneigenschaft, sondern an die Voraussetzungen für den Bezug eines vorgezogenen gesetzlichen Altersruhegeldes und damit auch für den Bezug eines vorgezogenen Altersruhegeldes wegen Schwerbehinderung an. Sie bewirkt aber keine Benachteiligung Behinderter. Sie differenziert hinsichtlich der Leistungsgewährung nicht zwischen Schwerbehinderten und Nichtschwerbehinderten, sondern stellt ausschließlich darauf ab, ob ein Anspruch auf vorzeitiges Altersruhegeld besteht, und gilt damit gleichermaßen für Behinderte und Nichtbehinderte. Nicht alle Schwerbehinderten sind von der Zahlung der Überbrückungsbeihilfe ausgenommen, sondern nur diejenigen, die Anspruch auf ein vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben. Alle anderen Schwerbehinderten können einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe ebenso erwerben wie Nichtschwerbehinderte. Allein der Umstand, daß derjenige, der noch für 52 Wochen Arbeitslosengeld und Überbrückungsbeihilfe beanspruchen kann, wirtschaftlich besser gestellt ist als derjenige, der unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf ein vorgezogenes Altersruhegeld verwiesen ist, vermag eine Benachteiligung wegen der Behinderung nicht zu begründen. Die Unterscheidung ist schon deshalb sachgerecht, weil bei Arbeitslosigkeit bis zum Eintritt des Versorgungsfalles der die Tarifregelung kennzeichnende Überbrückungszweck fortbesteht.

dd) Ein Grundrechtsverstoß der Tarifregelung ergibt sich nicht daraus, daß der Kläger aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland nur eine verhältnismäßig geringe Rente beanspruchen kann und weitere Rentenansprüche gegen den Rentenversicherungsträger in Großbritannien erst nach dem 65. Lebensjahr geltend machen kann.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Tarifregelung als Grundlage nicht zu entnehmen, daß ein vorgezogenes Altersruhegeld grundsätzlich erheblich höher ist als Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit auf Grund von Arbeitslosigkeit. Hierfür bestehen keine Anhaltspunkte. Das Altersruhegeld ist immer mit einer mehr oder minder erheblichen Absenkung des Einkommens verbunden. Maßgebend sind die Zahl der Versicherungsjahre und die Höhe der geleisteten Beiträge. Die Tarifvertragsparteien konnten im Rahmen der Zwecksetzung ihrer Regelung trotz der möglicherweise erheblichen Unterschiede der zustehenden Rentenbeträge typisierend an die Berechtigung zum Bezug eines vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung anknüpfen, ohne im Einzelfall darauf abstellen zu müssen, ob die zu erwartende Rente tatsächlich die Aufrechterhaltung des Lebensstandards gewährleistet. Soweit eine ausreichende Versorgung durch die gesetzliche Rente im Einzelfall nicht gewährleistet ist, ist eine daraus entstehende Härte anders auszugleichen als durch die tarifliche Überbrückungsbeihilfe.

Dies gilt auch im Hinblick darauf, daß Rentenansprüche des Klägers zum Teil im Ausland geltend gemacht werden müssen. Die vom Kläger beklagte Einbuße und die damit verbundene Härte haben ihre Ursache nicht in der tariflichen Regelung über die Überbrückungsbeihilfe, sondern in den gesetzlichen Regelungen der Rentenversicherung und darin, daß weitere Rentenansprüche gegen den britischen Rentenversicherungsträger erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres geltend gemacht werden können.

ee) Es liegt auch kein Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht vor. Der Kläger wird weder unmittelbar noch mittelbar aufgrund seiner (früheren) Staatsangehörigkeit noch auf Grund seiner in Großbritannien zurückgelegten Beschäftigungszeiten benachteiligt. Soweit sein Rentenanspruch „gesplittet” ist, sind die sich hieraus möglicherweise ergebenden Nachteile Folgen des staatlichen Rentenrechts. Eine Verpflichtung der Tarifvertragsparteien, darauf bei Regelung der Überbrückungsbeihilfe Rücksicht zu nehmen, bestand nicht.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, Dr. Pühler, D. Knauß

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 30.03.2000 durch Schneider, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

BB 2001, 368

DB 2001, 1315

FA 2001, 32

AP, 0

NZA-RR 2001, 203

PersR 2001, 97

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