Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung des Arbeitsvertrages zur Vertretung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die in den Nr. 1 und 2 SR 2y genannten Befristungsgrundformen des Zeitangestellten, des Angestellten für Aufgaben von begrenzter Dauer und des Aushilfsangestellten stehen selbständig nebeneinander. Der Begriff des Zeitangestellten ist nicht der Oberbegriff dieser drei Befristungsgrundformen.

2. Der Sachgrund der Vertretung ist auch dann der Befristungsgrundform des Aushilfsangestellten zuzuordnen, wenn die Befristung auf § 21 BErzGG gestützt wird.

 

Normenkette

BErzGG § 21; BGB § 620

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 21.07.1997; Aktenzeichen 4 Sa 2283/96)

ArbG Wilhelmshaven (Urteil vom 07.11.1996; Aktenzeichen 2 Ca 394/96)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 21. Juli 1997 – 4 Sa 2283/96 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zum 1. April 1996.

Die 1972 geborene Klägerin wurde vom beklagten Landkreis in der Zeit vom 1. August 1991 bis zum 31. Januar 1995 (Tag der bestandenen Wiederholungsprüfung) zur Verwaltungsfachangestellten ausgebildet. Aufgrund befristeten Arbeitsvertrages vom 9. Februar 1995 wurde sie zunächst in der Zeit vom 1. Februar 1995 bis zum 30. Juni 1995 mit der Aufarbeitung von Rückständen im Bereich Mahnverfahren in der Kreiskasse des beklagten Landkreises beschäftigt. Aufgrund eines weiteren befristeten Arbeitsvertrages vom 29. Juni 1995 wurde die Klägerin in der Zeit vom 1. Juli 1995 bis zum 31. Dezember 1995 im Jugendamt des beklagten Landkreises beschäftigt.

Mit Schreiben vom 10. November 1995 teilte der Beklagte der Klägerin mit, aufgrund des bestehenden Personalbedarfs sei er bereit, sie ab dem 1. Januar 1996 befristet bis zum 1. April 1996 weiterhin als Verwaltungsangestellte einzusetzen. Er bitte um Verständnis, daß er eine Entscheidung über eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit über diesen Termin hinaus erst treffen könne, wenn die zur Zeit stattfindende Organisationsuntersuchung abgeschlossen sei und das dann zu erstellende Gutachten vorliege und ausgewertet sei.

In § 1 des daraufhin abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 10. November 1995 heißt es, die Klägerin werde ab dem 1. Januar 1996 als vollbeschäftigte Angestellte auf Zeit bis zum 1. April 1996 eingestellt. In § 2 des Arbeitsvertrages ist vereinbart, daß sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen, insbesondere der SR 2y BAT, bestimme.

Die Klägerin hat die Befristung wegen Fehlens eines sachlichen Grundes für unwirksam gehalten. Sie hat mit der am 3. April 1996 eingereichten Klage beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien unbefristet fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat im wesentlichen vorgetragen, Grund der Befristung sei gewesen, daß die Klägerin eine Angestellte zu vertreten hatte, die bis zum 1. April 1996 wegen des Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz ausfiel. Das Vorliegen dieses Befristungsgrundes sei für die Klägerin aus dem Schreiben des Beklagten vom 10. November 1995 erkennbar gewesen. Damit seien die Voraussetzungen nach § 21 BErzGG erfüllt. Auf diesen Befristungsgrund könne er sich auch berufen, denn die Klägerin sei als „Zeitangestellte” im Sinne der Nr. 2 Abs. 2 SR 2y BAT eingestellt worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des Ersturteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet, denn das Berufungsurteil ist rechtsfehlerfrei. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß sich der beklagte Landkreis auf den von ihm allein angeführten Befristungsgrund der Vertretung nicht berufen kann, weil im Arbeitsvertrag vom 10. November 1995 die Einstellung der Klägerin als Zeitangestellte (Nr. 2 Abs. 2 SR 2y BAT) vereinbart worden war und der Befristungsgrund der Vertretung (auch nach § 21 BErzGG) dieser Befristungsform nicht zuzuordnen ist.

1. Gemäß Nr. 2 Abs. 1 SR 2y BAT ist im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, ob der Angestellte als Zeitangestellter, als Angestellter für Aufgaben von begrenzter Dauer oder als Aushilfsangestellter eingestellt wird. Nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. zuletzt etwa Urteil vom 31. August 1994 – 7 AZR 983/93 – AP Nr. 163 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 1 der Gründe, m.w.N.), von der das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen ist, erfordert die Tarifvorschrift zwar nicht die Vereinbarung des sachlichen Befristungsgrundes, wohl aber die Vereinbarung der Befristungsgrundform (Zeitangestellter, Angestellter für Aufgaben von begrenzter Dauer bzw. Aushilfsangestellter).

2. Die drei in Nr. 2 Abs. 1 SR 2y BAT genannten Befristungsgrundformen stehen, wie sich auch aus ihrer Gegenüberstellung in den Unterabs. a bis c der Nr. 1 SR 2y BAT ergibt, selbständig nebeneinander. Insbesondere verwendet die Nr. 2 SR 2y den Begriff des „Zeitangestellten” nicht – wie die Revision meint – als Oberbegriff für alle Angestellten, deren Arbeitsverhältnis mit Ablauf einer kalendermäßig bestimmten Frist enden soll. Das wird daraus deutlich, daß in Unterabs. b der Nr. 1 SR 2y BAT auch Angestellte für Aufgaben von begrenzter Dauer angeführt sind, deren Arbeitsverhältnis ebenfalls durch Ablauf einer kalendermäßig bestimmten Frist enden soll. Dem Begriff des „Zeitangestellten” im Sinne der Nr. 1 und 2 SR 2y BAT sind mithin nur solche Befristungsgründe zuzuordnen, die weder unter den Buchst. b der Nr. 1 SR 2y BAT (Aufgaben von begrenzter Dauer) noch unter den Buchst. c der Nr. 1 SR 2y BAT (Vertretung oder zeitweilige Aushilfe) fallen. Soweit, wie insbesondere von der Revision, der Begriff des „Zeitangestellten” demgegenüber zur Bezeichnung aller auf der Grundlage befristeter Arbeitsverträge beschäftigter Angestellter, deren Arbeitsverhältnis mit Ablauf einer kalendermäßig bestimmten Frist (und nicht durch die Erreichung eines bestimmten Zwecks oder durch den Eintritt eines bestimmten Ereignisses) enden soll, verwendet wird, handelt es sich nicht um den Begriffsinhalt nach den Nr. 1 und 2 der SR 2y BAT. Nur der Vollständigkeit wegen sei angemerkt, daß der Begriff des „Zeitangestellten” in der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT angesichts der abweichenden Zweckrichtung dieser Vorschrift wiederum anders zu verstehen ist: Die Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT bezeichnet alle befristet eingestellten Arbeitnehmer, also auch solche, mit denen eine Zweckbefristung oder eine auflösende Bedingung vereinbart wurde.

3. Nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien soll die Regelung der Nr. 2 Abs. 1 SR 2y BAT der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit dienen. Dieser Normzweck erfordert es, daß der Arbeitgeber sich nicht auf Sachgründe der Befristung berufen darf, die einer Befristungsgrundform zuzuordnen sind, die im Arbeitsvertrag nicht vereinbart wurde. Für die Vereinbarung der Befristungsgrundform ist weder die Schriftform noch eine bestimmte Ausdrucksweise vorgeschrieben; vielmehr ist jeweils durch Auslegung des Arbeitsvertrages zu ermitteln, welche Befristungsgrundform die Parteien vereinbart haben (vgl. im einzelnen insbesondere BAG Urteile vom 20. Februar 1991 – 7 AZR 81/90 –, vom 8. April 1992 – 7 AZR 135/91 –, und vom 25. November 1992 – 7 AZR 191/92 – AP Nr. 137, 146 und 150 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, jeweils m.w.N.).

4. Das Landesarbeitsgericht hat den Arbeitsvertrag vom 10. November 1995 dahin ausgelegt, daß die Parteien die Einstellung der Klägerin als Zeitangestellte vereinbart haben. Diese Auslegung ist unabhängig davon, daß sie als Auslegung individueller Vertragsklauseln nur einer eingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt, insbesondere angesichts des Schreibens des Beklagten an die Klägerin vom 10. November 1995 zutreffend. Vor allem hat das Landesarbeitsgericht zu Recht darauf abgestellt, daß die Klägerin nach den unangegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts keine Kenntnis vom Vorliegen eines Vertretungsfalles hatte, so daß nicht festgestellt werden könne, die Parteien hätten eine Einstellung der Klägerin zur Vertretung gewollt.

5. Auf der Grundlage dieser Auslegung des Arbeitsvertrages hat das Landesarbeitsgericht zu Recht nur das Vorliegen von sachlichen Befristungsgründen geprüft, die der Grundform des Zeitangestellten zuzuordnen sind. Das Vorliegen derartiger Befristungsgründe hat es zu Recht verneint, zumal sich der Beklagte selbst nur auf den Sachgrund der Vertretung berufen hat. Der Sachgrund der Vertretung ist unabhängig davon, ob eine Zeit- oder eine Zweckbefristung vereinbart wurde, nicht der Befristungsgrundform des Zeitangestellten, sondern der des Aushilfsangestellten im Sinne der Nr. 1 c SR 2y BAT zuzuordnen. Dies gilt auch für die in § 21 BErzGG geregelte Vertretung. Da die unter § 21 BErzGG fallenden Befristungen auch nach den Maßstäben der allgemeinen arbeitsrechtlichen Befristungskontrolle als sachliche Befristungsgründe anerkannt sind (vgl. z.B. BAG Urteil vom 9. Juli 1997 – 7 AZR 806/96 – EzA § 21 BErzGG Nr. 2), hat § 21 BErzGG insoweit ohnehin nur klarstellende Bedeutung.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dörner, Steckhan, Schmidt, Knapp, Jens Herbst

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 29.10.1998 durch Siegel, Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 436101

NWB 1999, 1429

ARST 1999, 233

FA 1999, 172

NZA 1999, 478

RdA 1999, 358

SAE 1999, 250

ZTR 1999, 221

AP, 0

PersR 1999, 230

ZMV 1999, 240

GV/RP 2000, 37

KomVerw 1999, 324

FuBW 1999, 724

FuHe 1999, 743

FuNds 1999, 698

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