Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhegehaltszusage durch Verweisung auf BAT

 

Leitsatz (redaktionell)

Wenn in einem Unternehmen, das nicht in den Geltungsbereich des BAT fällt und auch nicht Mitglied einer Zusatzversorgungskasse des öffentlichen Dienstes werden kann, alle Arbeitsverträge pauschal auf die Regelungen des BAT verweisen, so liegt darin allein noch keine Versorgungszusage, obwohl § 46 BAT in Verbindung mit speziellen Versorgungstarifverträgen eine Zusatzversicherung vorsieht.

 

Normenkette

TVG § 1; BAT § 46; BGB §§ 242, 133, 157; BetrAVG § 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 06.11.1984; Aktenzeichen 11 Sa 451/84)

ArbG Herne (Entscheidung vom 21.02.1984; Aktenzeichen 2 Ca 3173/83)

 

Tatbestand

Die Klägerin J S ist die Witwe, die weiteren Kläger sind Kinder des am 6. Mai 1984 während des Berufungsverfahrens verstorbenen W S. Dieser war vom 1. Januar 1968 bis zum 31. Juli 1983 als Krankenpfleger bei dem Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich aufgrund vertraglicher Verweisung "nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) in der jeweiligen Fassung". Im Juli 1983 bewilligte die Bundesknappschaft Herrn S eine Erwerbsunfähigkeitsrente mit Wirkung vom 17. November 1982 wegen eines am 10. Mai 1982 eingetretenen Versicherungsfalles. Eine Rente aus der Zusatzversorgung erhielten der Verstorbene oder seine Hinterbliebenen nicht. Herr S und andere Arbeitnehmer des Beklagten wie auch dessen Betriebsrat hatten seit 1974 unter Hinweis auf § 46 BAT eine Versicherung bei einer Zusatzversorgungsanstalt verlangt. Der Beklagte wurde jedoch erst am 1. Februar 1982 Mitglied der kommunalen Zusatzversorgungskasse Westfalen-Lippe (ZKW) in Münster. Erst ab diesem Zeitpunkt versicherte er dort seine Mitarbeiter. Den Verstorbenen meldete er nicht an, weil dieser die Anspruchsvoraussetzungen nicht mehr erfüllen konnte.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, der Beklagte sei aufgrund vertraglicher Verweisung auf die Vorschriften des BAT verpflichtet gewesen, seine Mitarbeiter in einer Zusatzversorgungskasse zu versichern. Die Versicherungspflicht bestehe unabhängig von der Möglichkeit des Beklagten, Mitglied einer Zusatzversorgungskasse zu werden. Sollte eine geeignete Versorgungskasse nicht zur Verfügung stehen, müsse der Beklagte selbst die Versorgungsansprüche erfüllen. Im übrigen haben die Kläger behauptet, daß der Beklagte zumindest seit 1978 eine hinreichende Zahl von Beschäftigten gehabt habe, um Mitglied einer Zusatzversorgungskasse zu werden.

Die Kläger haben zuletzt beantragt

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet

ist, die Rechtsnachfolger des Klägers so zu

stellen, als wenn der verstorbene Kläger mit

Wirkung vom 1. Januar 1968 bei der Versorgungs-

anstalt des Bundes und der Länder, kommunale

Zusatzversorgungskasse Westfalen-Lippe ZWK Mün-

ster, zum Zwecke einer zusätzlichen Altersver-

sorgung wie ein vergleichbarer Bediensteter ei-

ner Kommune im Lande Nordrhein-Westfalen versi-

chert worden wäre; darüber hinaus den Beklag-

ten zu verurteilen, an die Rechtsnachfolger

7.463,32 DM zuzüglich 4 % Zinsen aus 5.937,82

DM ab 1. September 1983 sowie Zinsen aus je

508,50 DM ab dem 1. Oktober, 1. November und

1. Dezember 1983 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat in Abrede gestellt, aufgrund des Arbeitsvertrages zur Versicherung verpflichtet zu sein. Er hat behauptet, seine Mitarbeiter ständig darauf hingewiesen zu haben, daß eine Zusatzversorgung nicht in Betracht gekommen sei. Erst ab 1980 habe er die Möglichkeit erhalten, Mitglied einer Zusatzversorgungskasse zu werden, weil er erst seit dieser Zeit mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigt habe. Privatrechtliche Vereine würden in einer öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgungskasse nur aufgenommen, wenn sie mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren Revision.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision ist zulässig. Die Kläger sind in den Vorinstanzen unterlegen und daher durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts beschwert. Ihre Klage, mit der sie den Rechtsstreit des Verstorbenen fortsetzen, ist auch dann zulässig, wenn neben ihnen noch weitere Personen Erben des verstorbenen Arbeitnehmers sein sollten, wie der Beklagte behauptet hat. Das Berufungsverfahren konnte jeder von mehreren Erben aufnehmen und fortführen (BGH LM ZP0 § 239 Nr. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZP0, 44. Aufl. 1986, § 239 Anm. D). Die klagenden Erben können dann allerdings nur Leistung an alle Erben verlangen (§ 2039 BGB).

II. Die Revision ist jedoch nicht begründet. Die Kläger haben im Wege des Erbgangs keinen Versorgungs- oder Schadenersatzanspruch erworben, weil der Verstorbene nicht verlangen konnte, bei einer Zusatzversorgungskasse versichert zu werden.

1. Die bloße Verweisung auf die Vorschriften des BAT bedeutete nicht, daß der Beklagte dem Verstorbenen eine Zusatzversorgung zusagen wollte.

a) § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt, daß sich das Angestelltenverhältnis nach dem BAT in seiner jeweiligen Fassung regelt. § 46 BAT gibt dem Angestellten Anspruch auf Versicherung unter eigener Beteiligung zum Zwecke einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe eines besonderen Tarifvertrages. Die Berechtigung der Klage hängt davon ab, ob der Erblasser auf die Zusage einer ergänzenden Versorgung vertrauen durfte, obwohl § 46 BAT auf ergänzende Tarifverträge verweist, die eine Versicherungsmöglichkeit für den Beklagten nicht vorsahen.

Das Arbeitsgericht hat die Rechtsauffassung vertreten, daß der Beklagte dem Erblasser keine direkte Versorgungszusage erteilt habe. Aus der Verweisung im Vertrag und in § 46 BAT habe der Erblasser nur ableiten können, daß der Beklagte ihn nach Maßgabe seiner Möglichkeiten habe versichern wollen. Das Landesarbeitsgericht hat ebenfalls den Arbeitsvertrag dahin ausgelegt, daß er keinen Anspruch auf Zusatzversorgung begründet. § 46 BAT verweise nur auf besondere Zusatztarifverträge. Diese seien aber nach ihrem Geltungsbereich auf das Arbeitsverhältnis nicht anzuwenden. Sie seien auch einzelvertraglich nicht in Bezug genommen. Der Senat folgt den Vorinstanzen im Ergebnis.

b) Dem Landesarbeitsgericht ist allerdings darin nicht zu folgen, daß der vertraglich in Bezug genommene § 46 BAT eine reine Verweisungsnorm darstellt, wie sie der Senat in § 40 BAT gesehen hat (Urteil vom 18. Januar 1983 - 3 AZR 520/80 - AP Nr. 2 zu § 40 BAT). Schon nach ihrem Wortlaut unterscheiden sich die §§ 40 und 46 BAT. § 40 BAT verweist für die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen auf die beim Arbeitgeber geltenden Vorschriften, ohne daß bereits eine Verpflichtung zur Beihilfegewährung begründet wird. Dagegen heißt es in § 46 BAT, daß der Angestellte Anspruch auf Versicherung unter eigener Beteiligung zum Zwecke einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung hat. Durch § 46 BAT sollte den Angestellten des öffentlichen Dienstes ein Versorgungsanspruch verschafft werden (Böhm/Spiertz/Steinherr/Sponer, BAT, 3. Aufl., Stand 1986, Vorbem. 1 zu § 46 BAT); besondere Tarifverträge sollten dann die nähere Ausgestaltung regeln. Demgemäß wird im Schrifttum § 46 BAT entweder allein als Anspruchsgrundlage betrachtet (Petin, BAT- Taschenbuch für den öffentlichen Dienst, Stand 2/86, § 46 Erl. 2) oder doch wenigstens im Zusammenhang mit den jeweiligen Versorgungstarifverträgen herangezogen (Uttlinger/Breier/Kiefer, BAT Bund, Länder, Gemeinden, Stand 1. April 1986, § 46 BAT Erl. 2; Arndt/Baumgärtel/Fieberg, Recht der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst, Stand 1981, § 46 BAT Rz 1; ebenso wohl auch Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand Oktober 1983, § 46 Rz 6).

c) Der Kläger konnte jedoch nicht darauf vertrauen, daß allein durch die Verweisung auf das Blankett des § 46 BAT bereits eine Altersversorgung zugesagt werden sollte, obwohl auf die Versorgungstarifverträge im Arbeitsvertrag nicht verwiesen wird und nach der Art des Unternehmens auch nicht wirksam verwiesen werden konnte. Die in § 46 BAT genannten Versorgungstarifverträge enthalten die nähere Regelung der Anspruchsvoraussetzungen und bestimmen die Ausgestaltung der Zusatzversorgung. Ohne sie ist die Versicherung nicht durchführbar.

Auch aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt sich, daß die Arbeitsvertragsparteien keine Zusatzversicherungspflicht begründen wollten. In § 5 des Arbeitsvertrages haben sie ausdrücklich hervorgehoben, daß für die Beitragsleistung zur Sozialversicherung die gesetzliche Regelung gilt. Dagegen fehlt eine Erwähnung von Beiträgen zur Zusatzversicherung, obwohl dies nahegelegen hätte. Bei Abschluß des Arbeitsvertrages mußten noch Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Beiträge zur Zusatzversicherung gemeinsam aufbringen. Erst aufgrund von Tarifänderungen hatte der Arbeitgeber mit Wirkung vom 1. Juli 1973 die Beiträge allein zu tragen (vgl. 5. Änderungstarifvertrag zur Änderung des Versorgungs-TV vom 25. Mai 1972 - GMBl 1972, 398 - zum Versorgungstarifvertrag vom 4. November 1966 - GMBl 1966, 627). Solange eine Beitragspflicht der Arbeitnehmer bestand, hat der Erblasser nicht versucht, einem Arbeitsvertrag eine Versorgungszusage zu entnehmen. Nach seinem Vortrag hat er sich erst ab 1974 um seine Zusatzversicherung bemüht, nachdem diese für die Arbeitnehmer beitragsfrei geworden war.

Die Kläger versuchen vergebens aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats etwas für ihren Anspruch abzuleiten. Sie verkennen, daß der Senat bislang immer nur dann einen Anspruch auf Zusatzversorgung ohne Rücksicht auf Versicherungsmöglichkeiten anerkannt hat, wenn dem Arbeitsvertrag selbst eine Versorgungszusage zu entnehmen war (BAG 22, 92 = AP Nr. 2 zu § 242 BGB Ruhegehalt-VBL; Urteil vom 12. Januar 1974 - 3 AZR 114/73 - AP Nr. 5, aa0; Urteil vom 15. Mai 1975 - 3 AZR 257/74 - AP Nr. 7, aa0; BAG 32, 200 = AP Nr. 10, aa0). Die pauschale Verweisung auf den BAT allein hat der Senat nicht genügen lassen.

2. Der Erblasser konnte auch nicht aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine Versicherung bei einer Zusatzversorgungsanstalt verlangen, nachdem der Beklagte die übrigen Arbeitnehmer seit dem Jahre 1982 zusatzversichert. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet nur willkürliche Unterscheidungen. Für den Ausschluß des Erblassers von der neugeschaffenen Versicherungsmöglichkeit sprachen jedoch sachliche Gründe. Im Jahre 1982 konnte der Erblasser wegen der erforderlichen Wartezeiten einen Versicherungsanspruch nicht mehr erwerben. Eine Versicherung wäre für ihn nutzlos gewesen. Die Möglichkeit einer rückwirkenden Versicherung besteht nur in seltenen Ausnahmefällen, die hier nicht ersichtlich sind.

Dr. Dieterich Schaub Griebeling

Zieglwalner Wax

 

Fundstellen

Haufe-Index 438751

BB 1987, 1392

RdA 1987, 187

ZTR 1987, 91-92 (LT)

AP § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen (LT), Nr 16

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