Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Szenenbildners

 

Leitsatz (redaktionell)

Eingruppierung eines Szenenbildners beim Südwestfunk

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.07.1991; Aktenzeichen 3 Sa 38/91)

ArbG Karlsruhe (Urteil vom 20.12.1990; Aktenzeichen 3 Ca 113/90)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 24. Juli 1991 – 3 Sa 38/91 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die beiderseitig kraft Organisationszugehörigkeit tarifgebundenen Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers nach der Vergütungsordnung zum Manteltarifvertrag für den Südwestfunk (MTV).

Der Kläger hat nach einem Studium an der Technischen Hochschule in Preßburg im Jahr 1965 des Staatliche Diplom „Diplom-Ingenieur Architekt” erhalten. Seit 1970 ist er bei dem Beklagten beschäftigt und zwar bis 1976 als Szenenbildner-Assistent, seitdem als Szenenbildner. Nachdem die Parteien zunächst nur sog. „Künstlerverträge” geschlossen haben, wurde zwischen ihnen am 16. Oktober 1980 ein Arbeitsvertrag abgeschlossen. Nach dessen § 2 ist der für den Beklagten geltende Tarifvertrag Bestandteil des Arbeitsvertrages. Im Falle der Kündigung des Tarifvertrages bleibt dessen Inhalt bis zu einer neuen Abmachung oder bis zur Auflösung des Einzel-Arbeitsverhältnisses weiter gültig. Der Kläger wird nach § 1 als Szenenbildner beschäftigt und nach § 3 in die VergGr. X eingewiesen.

Mit der Klage macht der Kläger Vergütung nach VergGr. XI geltend. Er hat behauptet, er übe eine selbständige Tätigkeit mit besonderen Anforderungen und Verantwortung aus. Bei seinen Arbeiten unterständen ihm ein bis zwei Assistenten. Er erteile fachbezogene Arbeitsanweisungen und übe die Kontrolle über die auszuführenden Arbeiten aus. Nach der Lektüre der Drehbücher entwerfe er Skizzen für die Szenenbildner, die später nach seinen Anweisungen in Reinzeichnungen übertragen würden. Ebenso fertigten die Assistenten Detailzeichnungen nach seinen Anweisungen und unter seiner Kontrolle. In der folgenden Werkstattbesprechung mit dem Abteilungsleiter, den Werkstattleitern und dem Bühnenmeister würden die zu verwendenden Materialien und technischen Details miteinander abgestimmt und Termine festgelegt. Im Anschluß daran setze er sich mit sämtlichen Werkstattleitern in Verbindung, um diesen anhand der Reinzeichnungen die von ihm entwickelten, in der Werkstattbesprechung bereits erörterten Wünsche noch einmal zu verdeutlichen. Das bedeute zum Beispiel, daß er bei den Dekorateuren das Material für die Vorhänge bestimme oder bei den Malern die zu verwendenden Tapeten aussuche. Ferner müsse er bei der Requisite alle einzelnen Requisiten (Möbel, Bücher, Bilder etc.) aussuchen. Nach Fertigstellung der Arbeiten durch die Werkstätten und Kontrolle durch ihn baue der Bühnenmeister die Dekoration zusammen, worauf der Regisseur sich das Szenenbild betrachte und es abnehme. Dann komme die Beleuchtung, um das gesamte Szenenbild auszuleuchten. Auch dabei sei es seine Aufgabe mitzuteilen bzw. Anweisungen zu geben, wie er sich das Szenenbild vorgestellt habe. Bei den anschließenden Dreharbeiten sei er oder einer seiner Assistenten in seinem Auftrag anwesend, wobei er ab und zu eingreifen und mitwirken müsse.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, diese Tätigkeiten erfüllten die Tätigkeitsmerkmale der VergGr. XI; denn es genüge hierfür, wenn der Szenenbildner sachbezogene Arbeitsanweisungen erteile und deren Durchführung überwache. Hierfür bedürfe es auch keiner besonderen Hervorhebung aus der VergGr. X. Allein die leitende Tätigkeit reiche aus. Einer Leitungsfunktion mit Personalverantwortung bedürfe es nicht. Für die Abgrenzung der VergGr. X und XI komme es entgegen der Auffassung des Beklagten nicht auf den szenischen Aufwand für die betreuten Produktionen an.

Der Kläger hat weiter vorgetragen, der ebenfalls bei der Beklagten beschäftigte Szenenbildner Höhn übe die gleichen Tätigkeiten aus, werde aber nach der VergGr. XI vergütet. Er habe deshalb einen Anspruch auf diese Vergütung nach Art. 3 GG.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger nach VergGr. XI (Manteltarifvertrag des SWF und Vergütungsordnung) zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, für das Klagebegehren fehle es an einer Rechtsgrundlage. Der Kläger übe keine leitende Tätigkeit aus, die sich aus der VergGr. × heraushebe, selbst wenn man berücksichtige, daß ihm gelegentlich ein Assistent zugeordnet werde. Seine Tätigkeit entspreche vielmehr in vollem Umfang dem Tätigkeitsprofil eines Szenenbildners nach der VergGr. X, zumal er überwiegend (für Studio-Produktionen eingesetzt werde). Ebensowenig übe er vergleichbare verantwortliche, sich aus der VergGr. X heraushebende Tätigkeiten aus, da er seit 1987 nur für Produktionen mit kleinem oder mittlerem Aufwand eingesetzt worden sei. Er werde auch von bestimmten Abteilungen ganz oder teilweise als Szenenbildner abgelehnt, denn er habe größte Probleme, geeignete Außenmotive zu finden.

Schließlich hat sich der Beklagte darauf berufen, der Kläger könne sich nicht mit Herrn H. vergleichen, da dieser während des entsprechenden Zeitraumes nur bei Produktionen mit mittlerem und großem szenischem Aufwand tätig gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. XI der Vergütungsordnung zum Manteltarifvertrag für den Südwestfunk.

I.1. Die Feststellungsklage des Klägers ist zulässig. Es handelt sich um eine der im öffentlichen Dienst allgemein üblichen Eingruppierungsfeststellungsklagen, die auch für die Arbeitnehmer der Rundfunkanstalten in Betracht kommen (BAGE 30, 281, 285 = AP Nr. 6 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk).

2. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die. Tarifverträge des Südwestfunks kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Für die Vergütung des Klägers ist danach Nr. 512.1 MTV heranzuziehen. Danach richtet sich die Grundvergütung nach der Vergütungsordnung. Für die Eingruppierung in diese ist die überwiegend ausgeübte, mindestens aber die im Arbeitsvertrag festgelegte Tätigkeit maßgebend, soweit sie nicht nur vorübergehend übertragen ist (Nr. 516.1 ff. MTV). Sowohl nach dem Arbeitsvertrag wie nach der unstreitig – nicht nur vorübergehend – überwiegend ausgeübten Tätigkeit ist der Kläger als Szenenbildner tätig. Danach sind für die Entscheidung des Rechtsstreits die Regelungen der Vergütungsordnung zum MTV III A heranzuziehen. Nach Nr. 1.1. sind im Abschnitt 3, wie auch in anderen Rundfunktarifvertragen üblich, allgemeine Tätigkeitsmerkmale und Tätigkeitsbezeichnungen festgelegt. Im vorliegenden Fall kommt es auf die folgenden Vorschriften an:

„Vergütungsgruppe X

Tätigkeitsmerkmal:

Selbständige Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen und Verantwortungen, die in der Regel einen Hochschulabschluß erfordern oder Tätigkeiten mit denselben Anforderungen, die nach langjähriger (mindestens 5-jähriger) Berufspraxis ausgeübt werden, wenn sie verantwortlich übertragen sind und sich nach Umfang, Selbständigkeit oder Verantwortung aus der Vergütungsgruppe IX herausheben.

Tätigkeitsbezeichnungen:

Dramaturg(in)

Kopierwerksleiter(in)

Revisor(in)

Regisseur(in)

Szenenbildner(in) (Bühnenbildner(in)

Vergütungsgruppe XI

Tätigkeitsmerkmal:

Leitende oder vergleichbare verantwortliche Tätigkeiten, die sich aus der Vergütungsgruppe X herausheben.

Tätigkeitsbezeichnungen:

Chef(in) vom Dienst (Machrichten)

Erste(r) Revisor(in)

Dramaturg(in)

Regisseur(in)

Szenenbildner(in) (Bühnenbildner(in))”

3.a) Allein aus der Erwähnung der Tätigkeitsbezeichnung „Szenenbildner” in der VergGr. XI kann der Kläger nichts für seinen geltend gemachten Anspruch herleiten. Denn die gleiche Tätigkeitsbezeichnung befindet sich auch in der VergGr. X, zumal sie, entgegen früheren Tariffassungen in beiden Gruppen, ohne nähere Qualifikation oder sonstige Kennzeichnung genannt ist. Die Vergütungsordnung regelt zwar nicht ausdrücklich, welche Bedeutung diesen Tätigkeitsbezeichnungen für die Eingruppierung zukommt. Nach dem für die Tarifauslegung heranzuziehenden Gesamtzusammenhang (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) soll dadurch jedoch erreicht werden, daß eine Eingruppierung von Arbeitnehmern außerhalb der Vergütungsgruppe, in der ihre Tätigkeitsbezeichnung ausdrücklich aufgeführt wird, nicht möglich ist. Es soll aber auch erreicht werden, daß die aufgeführten Arbeitnehmer nach den vorangestellten Tätigkeitsmerkmalen (Oberbegriffe – typische Tätigkeitsbeispiele) in die betreffende Vergütungsgruppe eingruppiert werden können (vgl. BAG Urteil vom 29. April 1981 – 4 AZR 1007/78 – AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk). Dabei legen die Oberbegriffe die Wertigkeit der unter die jeweilige Vergütungsgruppe fallenden Tätigkeiten fest. Erscheinen Tätigkeiten ohne nähere Kennzeichnung in verschiedenen Vergütungsgruppen, so ist für die Eingruppierung entscheidend auf die jeweils verschiedenen allgemeinen Oberbegriffe zurückzugreifen, zu deren Auslegung allerdings Abgrenzungskriterien wiederum auch aus den jeweiligen Tätigkeitsbeispielen unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse beim Arbeitgeber gewonnen werden können (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAGE 30, 281 ff. = AP Nr. 6 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk).

b) Die Tätigkeitsbezeichnung „Szenenbildner” erscheint ohne einen irgendwie gearteten Zusatz sowohl in der VergGr. X wie in der VergGr. XI, so daß zu ihrer Auslegung auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale zurückgegriffen werden muß.

Dabei erfaßt das allgemeine Tätigkeitsmerkmal der VergGr. XI „Leitende oder vergleichbare verantwortliche Tätigkeiten, die sich aus der VergGr. X herausheben”. Nach dem Wortlaut der Bestimmung, der zur Auslegung eines Tarifvertrages in erster Linie heranzuziehen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung), muß sich entgegen der Auffassung des Klägers sowohl die „Leitende” wie die „vergleichbare verantwortliche Tätigkeit” aus der VergGr. X herausheben. Denn die Anknüpfung „die …” bezieht sich auf beide vorausgehende durch das Wort „oder” verknüpfte Merkmale. Dies folgt schon daraus, daß das Substantiv „Tätigkeiten” nur einmal gebraucht wird. Eine Auslegung im Sinne des Klägers wäre nur möglich, wenn das allgemeine Tätigkeitsmerkmal lauten würde „Leitende Tätigkeiten oder vergleichbare sich aus der VergGr. X heraushebende verantwortliche Tätigkeiten” oder wenn auf irgendeine andere Weise eine sprachliche Trennung zwischen beiden Alternativen erfolgt wäre, z.B. durch ein Komma hinter dem Wort „Leitende”.

c) Diese Auslegung wird bestätigt durch den tariflichen Gesamtzusammenhang. Gerade wenn es zutrifft, wie der Kläger unbestritten vorträgt, für eine leitende Tätigkeit im Sinne der Tarifvorschrift genüge das Erteilen sachbezogener Arbeitsanweisungen und die Durchführung von Kontrollen, so wird dies bereits von der VergGr. X erfordert. „Selbständige Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen und Verantwortung” eines „Dramaturgen”, einer „Kopierwerksleiterin” usw. sind ohne Leitungsbefugnisse in diesem Sinne schlechthin undenkbar. Ein Regisseur, der einerseits „selbständige Tätigkeiten …” erbringt, andererseits aber nicht befugt wäre, Arbeitsanweisungen an das Ensemble zu erteilen, ist eben kein Regisseur. Das gleiche gilt für einen Szenenbildner.

d) Es reicht für die Schlüssigkeit einer Eingruppierungsklage, mit der der Kläger eine Höhergruppierung wegen Erfüllung des Heraushebungsmerkmals erstrebt, nicht aus, wenn er nur seine Tätigkeit als solche darstellt. Vielmehr muß er zu dem von ihm in Anspruch genommenen Merkmal solche Tatsachen vortragen und, sofern bestritten, auch beweisen, aus denen der rechtliche Schluß auf die erforderlichen Qualifizierungen möglich ist (Neumann, Darlegungslast, Substantiierungspflicht und Schlüssigkeitsprüfung im Eingruppierungsprozeß in NZA 1986, 729, 730). Die Darstellung allein seiner Aufgaben reicht dazu nicht aus; vielmehr müssen Tatsachen dazu vorgetragen werden, daß die Tätigkeit das erforderliche Heraushebungsmerkmal erfüllt. Der Kläger hätte deshalb im einzelnen darlegen und unter Beweis stellen müssen, warum sich die von ihm geschilderte Tätigkeit aus der eines Szenenbildners der VergGr. X heraushebt. Dies ist jedoch mit keinem Wort geschehen. Der Kläger hat vielmehr eine derartige Substantiierung ausdrücklich abgelehnt unter Hinweis darauf, allein das Vorliegen leitender Tätigkeit erfülle schon das Heraushebungsmerkmal.

4. Die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Der Senat hat sie geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO; § 72 Abs. 5 ArbGG).

5. Die Auffassung des Klägers, sein Anspruch sei schon mit Rücksicht darauf begründet, daß ein anderer Szenenbildner nach der VergGr. XI vergütet werde, trifft nicht zu. Nach ständiger Rechtsprechung verbietet es der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht einzelne Arbeitnehmer zu bevorzugen (vgl. z.B. DAG Urteil vom 29. April 1981 – 4 AZR 1007/78 – AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk). Darüberhinaus hat der Kläger nicht einmal vorgetragen, inwiefern seine Tätigkeit mit der des anderen Szenenbildners gleichzusetzen sei.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Dr. Etzel, Schneider, H. Hauk, Lehmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073492

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