Entscheidungsstichwort (Thema)

BAT-O. räumlicher Geltungsbereich

 

Leitsatz (redaktionell)

Fortsetzung der Senatsrechtsprechung zur Abgrenzung von BAT und BAT-O; zuletzt: BAG Urteil vom 18. Januar 1996 – 6 AZR 355/95 – n.v.

 

Normenkette

BAT § 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 12.04.1995; Aktenzeichen 10 Sa 141/94)

ArbG Berlin (Urteil vom 07.09.1994; Aktenzeichen 94 Ca 26304/93)

 

Tenor

1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 12. April 1995 – 10 Sa 141/94 – wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger seit dem 1. November 1992 Vergütung nach den jeweiligen Vergütungstarifverträgen zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) oder nach den jeweiligen Vergütungstarifverträgen zum Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifrechtliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 zusteht.

Der Kläger, der Fachlehrer für Mathematik und Physik ist, wurde seit dem 1. Januar 1991 als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis im Bereich des Bezirksamtes P. im Ostteil des beklagten Landes beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtet sich aufgrund einer Vereinbarung im Arbeitsvertrag vom 7. Februar 1992 nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifrechtliche Vorschriften – (BAT-O) und den diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträgen. Der Kläger erhält Vergütung nach VergGr. III.

Der Kläger unterrichtete zunächst ausschließlich an der im Bezirk P. gelegenen Berufsschule für Kraftfahrzeugtechnik.

Mit Schreiben vom 19. Juli 1991 wurde er mit Wirkung zum 1. August 1991 „für voraussichtlich bis zu zwei Jahren” in den Bereich des Bezirksamtes C., der im Westteil des beklagten Landes liegt, abgeordnet. Mit Schreiben vom 31. März 1994 wurde die Abordnung für die Zeit vom 1. August 1993 bis 31. Juli 1995 verlängert.

Im Bereich des Bezirksamtes C. erteilte der Kläger Unterricht an der P. -Oberschule, einer Berufsschule für Kraftfahrzeugtechnik. Von seiner wöchentlichen Pflichtstundenzahl von 23 Stunden leistete er im Schuljahr 1991/1992 acht Stunden und im Schuljahr 1992/1993 14 Stunden Unterricht an der P. Oberschule. Die übrigen Stunden erteilte er Unterricht an der Berufsschule für Kraftfahrzeugtechnik im Bezirk P. Im Schuljahr 1993/1994 unterrichtete er ausschließlich an der P. Oberschule.

Die Abordnung des Klägers vom Bezirksamt P. zum Bezirksamt C. beruhte auf einer Neuordnung des berufsbildenden Schulwesens in Berlin, wie sie in den bis zum 31. Juli 1996 geltenden Verwaltungsvorschriften vom 19. Juli 1991 konzipiert war. Danach wurde das berufsbildende Schulwesen im Ostteil Berlins zum 31. Juli 1991 aufgelöst. Bis zur Errichtung neuer Oberstufenzentren oder selbständiger Berufsschulen wurden die Schulen im Ostteil Berlins als sog. Filialen den Oberstufenzentren und Berufsschulen im Westteil Berlins (Stammschulen) zugeordnet. Die ehemalige Berufsschule für Kraftfahrzeugtechnik im Bezirk P. wurde Filiale der im Bezirk C. gelegenen P. -Oberschule.

Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stehe aufgrund seiner Tätigkeit an der P. -Oberschule ein Anspruch auf Vergütung nach den Vergütungstarifverträgen zum BAT zu. Diesen Anspruch hat der Kläger mit Schreiben vom 2. November 1992 für die Zeit ab 1. November 1992 geltend gemacht.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihm mit Wirkung vom 1. November 1992 Vergütung nach dem BAT zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es vertritt die Auffassung, der Kläger sei weiterhin Beschäftigter des Bezirksamtes P. Deshalb befinde sich der Erfüllungsort für seine Arbeitsleistung im Geltungsbereich des BAT-O. Die Abordnung sei im Hinblick auf die Neuordnung des berufsbildenden Schulwesens in Berlin nur vorübergehend erfolgt. Außerdem sei die Abordnung auch erforderlich gewesen, weil der Kläger aufgrund seiner Ausbildung die laufbahnmäßigen Voraussetzungen für eine Verbeamtung im Westteil Berlins nicht erfülle.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Dem Kläger steht der seit dem 1. November 1992 geltend gemachte Anspruch auf Vergütung nach den Vergütungstarifverträgen zum BAT zu.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klage sei trotz der arbeitsvertraglichen Vereinbarung des BAT-O begründet, weil der Kläger seit dem 1. August 1991 an der im Westteil Berlins gelegenen P. -Oberschule beschäftigt werde. Eine zeitliche Begrenzung der Tätigkeit ergebe sich nicht aus der Neuordnung des berufsbildenden Schulwesens in Berlin. Der Abschluß dieser Maßnahme sei weder zum Zeitpunkt der ersten Abordnung noch zum Zeitpunkt ihrer Verlängerung absehbar gewesen. Der Einsatz des Klägers an der P. -Oberschule auf der Grundlage einer Abordnung hindere nicht die tarifliche Rechtsfolge einer Vergütung nach dem BAT.

Eine Beschränkung des Klageantrags auf die Zeit der Beschäftigung im Westteil Berlins komme nicht in Betracht, da die Wiederaufnahme einer Tätigkeit des Klägers im Beitrittsgebiet nicht absehbar sei.

Diesen Ausführungen ist zuzustimmen.

II. Dem Kläger steht aufgrund seines überwiegenden Einsatzes an der im Westteil Berlins gelegenen P. -Oberschule zumindest seit dem 1. November 1992 ein Anspruch auf Vergütung nach BAT zu.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand aufgrund der Vereinbarung im Arbeitsvertrag seit dem 1. Januar 1991 der BAT-O Anwendung.

Nach § 5 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach BAT-O. Diese Vereinbarung zwischen dem beklagten Land und dem Kläger ist als typische Vereinbarung dahingehend auszulegen, daß auf das Arbeitsverhältnis die tariflichen Bestimmungen Anwendung finden sollen, die bei Tarifgebundenheit gelten würden (BAG Urteil vom 21. Oktober 1992 – 4 AZR 156/92 – AP Nr. 27 zu § 23 a BAT; Urteil vom 1. Juni 1995 – 6 AZR 922/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen).

Nach § 1 Abs. 1 Buchst. b BAT-O gilt dieser Tarifvertrag für Angestellte der Länder, die in einer der Rentenversicherung der Angestellten unterliegenden Beschäftigung tätig sind und deren Arbeitsverhältnisse in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) begründet sind.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet, wenn es einen räumlichen Bezug zum Beitrittsgebiet aufweist, der gegenwärtig noch besteht (BAG Urteil vom 24. Februar 1994 – 6 AZR 588/93 – AP Nr. 1 zu § 1 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

Diese Voraussetzungen waren zum Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses am 1. Januar 1991 gegeben.

Der Kläger wurde als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis und damit in einer angestelltenversicherungspflichtigen Tätigkeit auf unbestimmte Zeit an der Berufsschule für Kraftfahrzeugtechnik im Bereich des Bezirksamtes P. von Berlin, der zum Beitrittsgebiet gehört, beschäftigt.

2. Für die Zeit seiner überwiegenden Tätigkeit im Bereich des Bezirksamtes C. an der im Westteil des beklagten Landes gelegenen P. -Oberschule findet auf das Arbeitsverhältnis der BAT Anwendung.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist § 1 Abs. 1 BAT-O einschränkend dahingehend auszulegen, daß der BAT-O so lange keine Anwendung findet, wie der Angestellte im räumlichen Geltungsbereich des BAT tätig ist (BAG Urteile vom 6. Oktober 1994 – 6 AZR 324/94 – AP Nr. 2 zu § 1 BAT-O, vom 23. Februar 1995 – 6 AZR 329/94 – AP Nr. 2 zu § 1 TVAng Bundespost und – 6 AZR 614/94 – AP Nr. 1 zu § 1 BMT-G II und vom 1. Juni 1995 – 6 AZR 922/94 – alle auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Arbeit auf nicht absehbare Zeit im räumlichen Geltungsbereich des BAT zu leisten ist. Auf nicht absehbare Zeit ist die Arbeit im Geltungsbereich des BAT nicht nur dann zu leisten, wenn der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers auf Dauer, sondern auch, wenn er nur vorübergehend im räumlichen Geltungsbereich des BAT liegt, aber keine zeitliche Begrenzung der Tätigkeit vereinbart oder bestimmt ist. Dabei kommt es für die zeitliche Begrenzung einer Tätigkeit auf die Erklärung des Arbeitgebers bei Beginn des Arbeitseinsatzes im Geltungsbereich des BAT an. Eine nachträgliche zeitliche Begrenzung ist grundsätzlich unerheblich (BAG Urteil vom 1. Juni 1995 – 6 AZR 922/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Wird sowohl eine Tätigkeit im Ostteil wie im Westteil des beklagten Landes ausgeübt, kommt es auf den Schwerpunkt der Tätigkeit an. Der Schwerpunkt der Tätigkeit bestimmt sich danach, an welchem Arbeitsplatz mindestens die Hälfte der Arbeitszeit geleistet wird (BAG Urteil vom 23. Februar 1995 – 6 AZR 329/94 – a.a.O.).

b) Nach diesen Grundsätzen stand dem Kläger mindestens seit dem 1. November 1992 ein Vergütungsanspruch nach BAT zu.

aa) Der Kläger hat seine Arbeit aufgrund der Abordnung vom 19. Juli 1991 auf nicht absehbare Zeit im Geltungsbereich des BAT zu leisten.

Der Kläger wurde mit Wirkung zum 1. August 1991 in den im Westteil des beklagten Landes gelegenen Bezirk C. abgeordnet und an der P. -Oberschule eingesetzt. Dabei bezog sich die Abordnung auf die Dauer von voraussichtlich zwei Jahren.

Darin liegt keine hinreichende zeitliche Begrenzung der Verwendung des Klägers im Bereich des Bezirksamtes C. Die Abordnung erfolgte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nämlich im Hinblick auf die Neuordnung des berufsbildenden Schulwesens in Berlin, deren Beendigung zum Zeitpunkt der Abordnung nicht absehbar war.

Auf die nachträgliche Befristung der Abordnung vom 31. Juli 1995 kommt es nach der Senatsrechtsprechung grundsätzlich nicht an. Im übrigen war diese Befristung auf das Ende des Schuljahres 1994/1995 bezogen und nicht dadurch begründet, daß die Neuordnungsmaßnahmen bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen sein sollten und der Kläger deshalb nach diesem Zeitpunkt mit Gewißheit seine Tätigkeit im Beitrittsgebiet wieder aufnehmen sollte.

Einer Entscheidung dazu, ob zeitlich oder sachlich begrenzte Abordnungen mit einer Dauer von, wie vorliegend, vier Jahren überhaupt geeignet sein können, die Geltung des BAT und des Vergütungstarifvertrages auszuschließen, oder ob dies allenfalls bei kurzzeitigen, befristeten Entsendungen in den Geltungsbereich des BAT, z.B. zur Einarbeitung oder zur Fortbildung, in Betracht kommt, wie der Senat im Urteil vom 1. Juni 1995 (a.a.O.) erwogen hat, bedarf es deshalb auch aus Anlaß dieses Falles nicht.

Soweit sich das beklagte Land darauf beruft, daß sich durch die Abordnung der Erfüllungsort des im Bereich des Bezirksamts P. begründeten Arbeitsverhältnisses nicht geändert habe und die laufbahnmäßigen Voraussetzungen für eine Verbeamtung des Klägers im Westteil Berlins nicht vorgelegen hätten, kann es damit keinen Erfolg haben.

Für die Beurteilung des Geltungsbereichs des BAT in Abgrenzung zum Geltungsbereich des BAT-O kommt es darauf an, ob der Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet liegt oder nicht. Deshalb ist es im Hinblick auf die Anwendung des zutreffenden Tarifrechts unerheblich, durch welche personelle Maßnahme die Zuweisung der Tätigkeit an den betreffenden Arbeitsplatz durchgeführt worden ist.

bb) Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers lag seit dem Beginn des Schuljahres 1992/1993 am 1. August 1992 nicht mehr im Beitrittsgebiet, sondern im Geltungsbereich des BAT.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts unterrichtete der Kläger von seinen 23 Pflichtstunden im Schuljahr 1992/1993 14 Stunden an der P. -Oberschule. Damit ist der den Schwerpunkt der Tätigkeit begründende zeitliche Umfang von mindestens der Hälfte der Arbeitszeit durch seinen Einsatz im Westteil Berlins und damit im Geltungsbereich des BAT erfüllt. Im Schuljahr 1993/1994 war der Kläger ausschließlich an der P. Oberschule tätig.

Der vom Kläger seit dem 1. November 1992 geltend gemachte Anspruch auf eine Vergütung nach BAT ist daher begründet. Einer zeitlichen Beschränkung der Verurteilung auf den Einsatz im Westteil Berlins bedurfte es schon deshalb nicht, weil dessen Ende nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht absehbar ist.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, Steinhäuser, Schwarck

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1089240

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