Entscheidungsstichwort (Thema)

Verhaltensbedingte Kündigung. Wettbewerbstätigkeit

 

Normenkette

BGB §§ 626, 611; HGB § 60

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 13.10.1989; Aktenzeichen 4 b Sa 47/88)

ArbG Heilbronn (Urteil vom 27.05.1988; Aktenzeichen 1 Ca 260/88)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 13. Oktober 1988 – 4 b Sa 47/88 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der zum Zeitpunkt der Kündigung 23-jährige Kläger war seit 3. März 1986 bei den Beklagten als einziger Arbeitnehmer beschäftigt, ob als Angestellter oder als gewerblicher Arbeitnehmer ist zwischen den Parteien streitig.

Die Beklagten betreiben auf dem Areal der amerikanischen Streitkräfte in H. eine Kraftfahrzeug-Reparaturwerkstatt mit Ersatzteil und Zubehörverkauf. Grundlage, der betrieblichen Tätigkeit war und ist ein Konzessionsvertrag mit den AAFES (Departments of the Army and the Air Force, Army and Air Force Exchange Service, Europe). Die Dienste der Beklagten können ausschließlich Angehörige und Zivilbedienstete der US-Armee in Anspruch nehmen.

Der Konzessionsvertrag der Beklagten mit den Streitkräften lief am 31. März 1988 aus. Er kann nur für fünf Jahre vergeben werden und ist entsprechend den Bestimmungen der AAFES dann jeweils neu auszuschreiben. Am 22. März 1980 erfuhren die Beklagten, daß sich außer ihnen auch der Kläger um die ausgeschriebene Konzession beworben hatte. Daraufhin kündigten sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos.

Der Kläger hält die ausgesprochene Kündigung für unwirksam. Er hat vorgetragen, die Konzession der Beklagten sei ohnehin am 31. März 1988 ausgelaufen. Eine Konkurrenzsituation zu den Beklagten hätte somit frühestens ab 1. April 1988 bestehen können und nicht bereits zum Zeitpunkt des Bestandes seines Arbeitsverhältnisses. Wäre ihm die Teilnahme an der Ausschreibung verwehrt allein aufgrund seines Arbeitsverhältnisses, so würde dies praktisch einem vertraglichen Wettbewerbsverbot ohne Entschädigung gleichkommen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die mündliche Kündigung vom 22. März 1988 nicht aufgelöst worden sei.

Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt. Sie haben geltend gemacht, bereits der Versuch des Klägers selbst mit der AAFES einen Konzessionsvertrag abzuschließen und sie damit ihrer Existenzgrundlage zu berauben, stelle einen so schweren Treuebruch dar, daß ihnen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gewesen sei. Dies gelte umsomehr, als der Kläger durch Einsichtnahme in die Abrechnungen die zwischen ihnen und der AAFES bestehenden Provisionssätze habe erkennen können und sie, die Beklagten, bei der Ausschreibung deshalb unterboten habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, die verspätet begründet und deswegen durch Beschluß vom 30. Januar 1989 – 2 AZR 625/88 – als unzulässig verworfen worden ist. Der Kläger hat mit einem am 2. Februar 1989 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz wegen der Versäumung der Begründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet.

1. Die Revision ist zwar zulässig. Der Kläger hat sie verspätet begründet. Ihm ist aber nach § 72 Abs. 5, § 74 ArbGG, §§ 233, 234, 236 ZPO Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Begründungsfrist der Revision zu gewähren. Der Kläger hat glaubhaft gemacht, daß sein Prozeßbevollmächtigter ohne eigenes Verschulden gehindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten. Eine bisher ohne Fehler arbeitende und seit Juli 1988 mit der Führung des Fristenbuches betraute Angestellte, die zudem noch hinreichend überwacht worden war, hatte versäumt, eine Frist im Kalender einzutragen, hatte jedoch notiert, daß dies geschehen sei. Durch die Gewährung der Wiedereinsetzung wird der Verwerfungsbeschluß des Senats gegenstandslos, ohne daß er einer besonderen Aufhebung bedurfte.

2.a) Die Revision ist aber nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB für wirksam erachtet. Seine Ausführungen halten in allen Punkten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

b) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, es könne dahinstehen, ob der Kläger Arbeiter oder Angestellter gewesen sei, da in beiden Fällen eine Pflicht bestanden habe, seinem eigenen Arbeitgeber während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses keine Konkurrenz zu machen. Dem Arbeitnehmer sei zwar eine vorbereitende Tätigkeit erlaubt, die es ihm ermögliche, nach Ende seines Arbeitsverhältnisses anderweitig tätig zu sein. Dies umfasse jedoch nicht die Befugnis, dem Arbeitgeber, bei dem er zur Zeit tätig sei, die Existenzgrundlage streitig zu machen. Dem Kläger sei es mangels eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes auch an sich nicht verwehrt gewesen, sich ebenso wie die Beklagten um die ausgeschriebene Konzession zu bewerben. Die Beklagten hätten es aber nicht hinzunehmen brauchen, daß er dies noch während des Bestands des Arbeitsverhältnisses getan habe. Das Verhalten des Klägers stelle eine so schwere Treuepflichtverletzung dar, daß es den Beklagten unzumutbar gewesen sei, auch nur die ordentliche Kündigungsfrist, die nach dem Vortrag des Klägers sechs Wochen zum Vierteljahresschluß betragen hätte, also erst zum 30. Juni 1988 möglich gewesen wäre, einzuhalten.

3. Diese Ausführungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen.

a) Nach § 626 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Auslauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Diese Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vor.

b) Auch wenn der Einzelarbeitsvertrag keine ausdrücklichen Regelungen enthält, gehört es zu den Nebenpflichten eines jeden Arbeitnehmers, seinem Arbeitgeber keine Konkurrenz zu machen (einhellige Meinung vgl. Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 1 Rz 91 b; Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 1 Rz 113; KR-Becker, 3. Aufl., § 1 KSchG Rz 279, 280; KR-Hillebrecht, 3. Aufl., § 626 BGB Rz 341; Soergel/Kraft, BGB, 11. Aufl., § 611 Rz 84, 86; Staudinger/Nipperdey/Neumann, BGB, 11. Aufl., § 611 Rz 152; Grunsky, Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer, 2. Aufl., S. 2 f., 4). Dem entspricht auch die ständige Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 26. März 1965 – 3 AZR 248/63 – AP Nr. 1 zu § 306 BGB, zu I 5 der Gründe; Urteil vom 17. Oktober 1969 – 3 AZR 442/68 – AP Nr. 7 zu § 611 BGB Treuepflicht, zu III 3 a der Gründe; Urteil vom 7. September 1972 – 2 AZR 486/71 – AP Nr. 7 zu § 60 HGB, zu I 1 der Gründe; Urteil vom 16. Juni 1976 – 3 AZR 73/75 – AP Nr. 8 zu § 611 BGB Treuepflicht; vom 16. Januar 1975 – 3 AZR 72/74 – AP Nr. 8 zu § 60 HGB, zu I 2 der Gründe; vom 22. Februar 1980 – 7 AZR 236/78 – nicht veröffentlicht; vom 6. August 1987 – 2 AZR 226/87 – AP Nr. 97 zu § 626 BGB).

Bereits im Urteil vom 30. Mai 1978 (– 2 AZR 598/76 – AP Nr. 9 zu § 60 HGB) hat der Senat ausgeführt, ein kaufmännischer Angestellter, der sich selbständig machen wolle, dürfe sein künftiges Handelsgewerbe vorbereiten. Verboten sei dagegen eine Tätigkeit, die geeignet sei, die Geschäftsinteressen seines Arbeitgebers zu gefährden. Maßgebend für die Abgrenzung seien die Umstände des Einzelfalles. Für die erforderliche Grenzziehung zwischen erlaubten Vorbereitungshandlungen und untersagtem Wettbewerb ist erheblich, ob die schon begonnene oder beabsichtigte konkurrierende Tätigkeit des Arbeitnehmers schon nach außen – insbesondere gegenüber den gegenwärtigen Geschäftspartnern des Arbeitgebers – hervorgetreten ist (Grunsky, a.a.O., S. 17). Selbst ein „Vorfühlen” bei potentiellen Kunden ist bereits eine unzulässige Vorbereitungshandlung, und zwar selbst dann, wenn der Arbeitnehmer sich darauf beschränkt, Kontakte herzustellen und noch davon absieht, bereits Geschäfte abzuschließen.

c) Soweit das Berufungsgericht die kündigungsrelevante erhebliche Beeinträchtigung der Geschäftsinteressen des Arbeitgebers darin gesehen hat, daß der Kläger sich während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses an einer Ausschreibung beteiligt hat, die der Tätigkeit seines Arbeitgebers den Boden völlig entzogen hätte, wenn dem Kläger der Zuschlag erteilt worden wäre, so ist ihm zu folgen. Die eigene Teilnahme an der Ausschreibung durch den Vergeber der damals der Beklagten erteilten Konzession ging über die bloße Fühlungnahme bei einem Vertragspartner des Arbeitgebers in ihrer Zielrichtung weit hinaus. Der Wettbewerbsverstoß des Klägers ist auch nicht deshalb unerheblich, weil seine Bewerbung erfolglos geblieben ist.

Wie die Revision verkennt, war es dem Kläger, worauf bereits das Landesarbeitsgericht hingewiesen hat, zwar nicht verwehrt, sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch in Wettbewerb zu den Beklagten zu setzen, da ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot in der Tat nicht vereinbart war. Das ändert jedoch nichts daran, daß er eine konkurrierende Tätigkeit wahrend seiner Vertragsbindung nicht durch eine Handlung vorbereiten durfte, die gegen die Interessen der Beklagten gerichtet und vorliegend sogar geeignet war, die Fortsetzung des Gewerbetriebes der Beklagten zumindest in der bisherigen Form zu vereiteln. Wegen dieser Handlungsweise war es den Beklagten unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zuzumuten, den Kläger weiter zu beschäftigen. Hierbei kann es dahingestellt bleiben, ob der Kläger Arbeiter oder Angestellter war. In beiden Fällen war den Beklagten nicht zuzumuten, die arbeitsvertraglichen Beziehungen mit dem Kläger auch nur einen Tag weiter aufrechtzuerhalten. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, wie die Fristen einer möglichen ordentlichen Kündigung gewesen wären.

 

Unterschriften

Hillebrecht, Bitter, Dr. Ascheid, Binzek, Walter

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073436

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