Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifvertragliche Altersgrenze für Piloten. Tarifautonomie. arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle. Schutzpflicht des Staates für Grundrechte

 

Orientierungssatz

1. Eine tarifvertragliche Norm, wonach das Arbeitsverhältnis eines Flugzeugführers mit Vollendung des 60. Lebensjahres endet, ohne daß es einer Kündigung bedarf, ist wirksam. Diese Altersgrenze ist wegen des Interesses der Luftfahrtunternehmen an der Gewährleistung der Sicherheit des Luftverkehrs auch nach Außerkrafttreten von § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO für Piloten von gewerbsmäßig zur Beförderung von Personen oder Sachen eingesetzter Großflugzeuge am 31. August 1998 sachlich gerechtfertigt.

2. Besteht für eine tarifvertragliche Altersgrenzenbestimmung ein sachlicher Grund, verstößt die Norm nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG.

 

Normenkette

Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (LuftBO) § 41 Abs. 1 S. 2; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 22.06.2001; Aktenzeichen 9/2 Sa 1293/00)

ArbG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 24.05.2000; Aktenzeichen 14 Ca 2711/99)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Juni 2001 – 9/2 Sa 1293/00 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund einer tarifvertraglichen Altersgrenzenregelung am 30. April 1999 geendet hat.

Der am 21. April 1939 geborene, nicht tarifgebundene Kläger war seit dem 24. Juni 1966 als verantwortlicher Flugzeugführer bei der Beklagten beschäftigt. In dem Schreiben der Beklagten vom 24. Juni 1966, das die Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien bildet, heißt es, die Anstellung erfolge „zu den Bedingungen des jeweils gültigen Tarifvertrages für das Bordpersonal. … Der Tarifvertrag sowie die Bestimmungen der allgemeinen Dienstvorschrift und die Reise- und Bekleidungsordnung sind Bestandteile dieses Arbeitsvertrags”.

§ 19 des Manteltarifvertrags Nr. 5 für das Cockpit-Personal der D AG (MTV Cockpit Nr. 5) lautet auszugsweise wie folgt:

„(1) Das Arbeitsverhältnis endet – ohne daß es einer Kündigung bedarf – mit Ablauf des Monats, in dem das 55. Lebensjahr vollendet wird.

(2) Das Arbeitsverhältnis des Mitarbeiters kann bei körperlicher und beruflicher Eignung über dieses Alter verlängert werden, soweit die einschlägigen Vorschriften eine Verwendung über das 55. Lebensjahr hinaus zulassen. Wird das Anstellungsverhältnis des Mitarbeiters entsprechend Satz 1 über das 55. Lebensjahr verlängert, so endet es – ohne daß es einer Kündigung bedarf – mit Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter ein weiteres Lebensjahr vollendet. Eine wiederholte Verlängerung ist zulässig; Satz 2 gilt entsprechend.

In jedem Fall endet das Arbeitsverhältnis – ohne daß es einer Kündigung bedarf – mit Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter das 60. Lebensjahr vollendet.

(3) …”

Am 16. Dezember 1994 vereinbarten die Parteien die Weiterbeschäftigung des Klägers in Teilzeit auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung für das Cockpit-Personal „Beschäftigung Flugzeugführer nach Vollendung des 55. Lebensjahrs” vom 25. Juli 1994. In dieser Betriebsvereinbarung heißt es ua.:

§ 1

Grundsätze

(1) Diese Betriebsvereinbarung regelt die Beschäftigung von Flugzeugführern der D iSd. § 19 Abs. 2 MTV Cockpit und, soweit anwendbar, der Protokollnotiz Nr. 14 zum MTV Cockpit.

(2) Die Betriebspartner schließen diese Vereinbarung vorbehaltlich einer von den Tarifvertragsparteien festzuschreibenden Genehmigung. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der in dieser Betriebsvereinbarung geregelten Form der Beschäftigung (§ 5).

§ 2

Geltungsbereich

Diese Betriebsvereinbarung gilt für Mitarbeiter des Cockpit-Personals (Flugzeugführer) der D, auf die der Manteltarifvertrag für das Cockpit-Personal (MTV Cockpit) in seiner jeweils gültigen Fassung uneingeschränkte Anwendung findet.

§ 3

Beschäftigung nach Vollendung des 55. Lebensjahres

(1) Für die Laufzeit dieser Betriebsvereinbarung besteht für alle Flugzeugführer, welche die körperliche und berufliche Eignung besitzen, die Möglichkeit, ihr Arbeitsverhältnis über das 55. Lebensjahr hinaus zu verlängern, soweit die einschlägigen Vorschriften eine Verwendung über das 55. Lebensjahr hinaus zulassen.

(2) Wird das Arbeitsverhältnis des Mitarbeiters ausnahmsweise entsprechend Abs. 1 über das 55. Lebensjahr hinaus verlängert, so endet es – ohne daß es einer Kündigung bedarf – mit Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter ein weiteres Lebensjahr vollendet.

(3) Eine wiederholte Verlängerung ist bis zum Außerkrafttreten dieser BVB zulässig. Abs. 2 gilt entsprechend.

(4) § 19 MTV Cockpit bleibt im übrigen unberührt.

§ 5

Form der Beschäftigung

(1) Eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 ist nur in Form einer Teilzeitbeschäftigung möglich.

…”.

Mit Schreiben vom 17. März 1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Arbeitsverhältnis ende wegen Erreichens der Altersgrenze gemäß § 19 Abs. 2 MTV Cockpit Nr. 5 am 30. April 1999. Dagegen hat sich der Kläger mit der am 19. April 1999 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gewandt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der MTV Cockpit Nr. 5 finde auf sein Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag sei unklar. Dies gehe zu Lasten der Beklagten. Die der Weiterbeschäftigungsvereinbarung vom 16. Dezember 1994 zugrundeliegende Betriebsvereinbarung habe er dahingehend verstanden, daß § 19 MTV Cockpit Nr. 5 nicht gelte. Im übrigen sei die tarifliche Altersgrenzenregelung, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung bei Vollendung des 60. Lebensjahres vorsehe, mangels eines sie rechtfertigenden sachlichen Grundes unwirksam. Die Altersgrenzenregelung in § 19 MTV Cockpit Nr. 5 verstoße außerdem gegen Art. 3 und Art. 12 GG und gegen die Richtlinie des Rates der Europäischen Union zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) vom 27. November 2000.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30. April 1999 zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht,
  2. die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) zu den betriebsüblichen Arbeitsbedingungen als verantwortlicher Flugzeugführer bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag zu 1) weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, § 19 MTV Cockpit Nr. 5 finde kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Die tarifliche Altersgrenzenregelung sei wegen der mit dem Führen von Verkehrsflugzeugen verbundenen besonderen Risiken und der altersbedingten Leistungsminderung wirksam.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Klageantrag zu 1) weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

A. Die Revision ist zulässig. Sie ist trotz der außergewöhnlichen Fassung ordnungsgemäß begründet.

I. Nach § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO in der hier anzuwendenden, bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (aF) muß die Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe unter Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm enthalten und, soweit die Revision auf Verfahrensfehler gestützt wird, die Tatsachen bezeichnen, aus denen sich der Mangel ergeben soll. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils. Zwar ist zur Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm die Angabe bestimmter Paragraphen nicht erforderlich. Die Revisionsbegründung muß jedoch die Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts aufzeigen. Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs müssen erkennbar sein. Die Revisionsbegründung muß zu den gemäß § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO aF gerügten Punkten eine Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung enthalten. Dazu ist die konkrete Darlegung der Gründe erforderlich, aus denen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (st. Rspr., vgl. etwa BAG 29. Oktober 1997 – 5 AZR 624/96 – BAGE 87, 41 = AP ZPO § 554 Nr. 30; 7. Juli 1999 – 10 AZR 575/98 – AP ZPO § 554 Nr. 32 = EzA ZPO § 554 Nr. 8; 13. April 2000 – 2 AZR 173/99 – nv.; 16. August 1991 – 2 AZR 241/90 – AP SchwbG 1986 § 15 Nr. 2 = EzA SchwbG 1986 § 15 Nr. 5; 15. Mai 2002 – 4 AZR 280/01 – nv.).

II. Diesen Voraussetzungen genügt die Revisionsbegründung gerade noch. Zwar bezieht sie sich, soweit der Kläger geltend macht, die tarifliche Altersgrenze sei arbeitsvertraglich nicht vereinbart, ersichtlich nicht auf den Fall des Klägers, sondern auf einen Arbeitnehmer, in dessen Arbeitsvertrag eine Altersgrenze von 65 Jahren vereinbart ist und eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Vollendung des 60. Lebensjahres nur eintritt, sofern eine entsprechende gesetzliche Regelung besteht. Insoweit enthält die Revisionsbegründung daher keine Auseinandersetzung mit den auf den Arbeitsvertrag des Klägers zugeschnittenen Gründen des Berufungsurteils. Auch im übrigen geht die Revisionsbegründung nicht im einzelnen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ein. Sie befaßt sich vielmehr mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Wirksamkeit von Altersgrenzen für Piloten und mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12 Abs. 1 GG. Da das Landesarbeitsgericht die angefochtene Entscheidung jedoch im wesentlichen auf die vom Kläger angesprochene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gestützt hat, ist die Revisionsbegründung insoweit noch als Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung anzusehen.

B. Die Revision ist jedoch nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Klageantrag zu 1) zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nach § 19 Abs. 2 Satz 4 des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden MTV Cockpit Nr. 5 am 30. April 1999 geendet, weil der Kläger am 21. April 1999 das 60. Lebensjahr vollendet hat. Die tarifliche Altersgrenze von 60 Jahren ist wirksam. Sie verletzt den Kläger nicht in seinen Grundrechten nach Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG. Der Kläger kann auch nicht geltend machen, die Tarifnorm verstoße gegen die Richtlinie 2000/78/EG.

I. Die Parteien haben die Geltung des MTV Cockpit arbeitsvertraglich vereinbart. Dies hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen.

Nach dem Schreiben der Beklagten vom 24. Juni 1966 wurde der Kläger zu den Bedingungen des jeweils gültigen Tarifvertrags für das Bordpersonal angestellt. Der jeweils gültige Tarifvertrag für das Bordpersonal der Beklagten ist, soweit es sich um Piloten handelt, der MTV Cockpit. Dies war auch für den Kläger als Erklärungsempfänger ohne weiteres erkennbar. Es ist nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgetragen, welcher Tarifvertrag damit ansonsten gemeint sein könnte.

Die Parteien haben die Altersgrenzenregelung in § 19 Abs. 2 Satz 4 MTV Cockpit entgegen der Auffassung des Klägers durch die Weiterbeschäftigungsvereinbarung in Teilzeit vom 16. Dezember 1994 nicht abbedungen. Die Betriebsvereinbarung vom 25. Juli 1994, auf deren Grundlage die Weiterbeschäftigung des Klägers vereinbart wurde, regelt nach ihrem § 1 die Beschäftigung von Flugzeugführern iSv. § 19 Abs. 2 MTV Cockpit. Diese Tarifnorm betrifft ausschließlich die Beschäftigung von Flugzeugführern zwischen dem 55. und dem 60. Lebensjahr. Bereits daraus ergibt sich, daß die Betriebsvereinbarung die in § 19 Abs. 2 Satz 4 MTV Cockpit bestimmte Altersgrenze von 60 Jahren nicht tangiert. Dies folgt auch aus § 3 Abs. 4 der Betriebsvereinbarung. Danach bleibt § 19 MTV Cockpit im übrigen unberührt. Das bedeutet, daß die Regelungen in § 19 MTV Cockpit Anwendung finden, soweit die Betriebsvereinbarung nichts anderes bestimmt. Da die Betriebsvereinbarung keine von § 19 Abs. 2 Satz 4 MTV Cockpit abweichende Altersgrenze vorsieht, gilt diese auch bei der Weiterbeschäftigung in Teilzeit.

II. Die in § 19 Abs. 2 Satz 4 MTV Cockpit Nr. 5 bestimmte Altersgrenze von 60 Jahren ist wirksam. Die Tarifnorm regelt einen Sachgrund, der die Befristung der davon betroffenen Arbeitsverhältnisse rechtfertigt. Sie verstößt entgegen der Auffassung des Klägers weder gegen Art. 12 Abs. 1 GG, noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Kläger kann auch nicht unter Hinweis auf die Richtlinie 2000/78/EG geltend machen, die Tarifnorm sei gemeinschaftswidrig.

1. Für die tarifliche Altersgrenze besteht ein sachlicher Grund.

a) Tarifvertragliche Regelungen über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen auf Grund von Befristungen unterfallen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle. Dazu gehören auch tarifliche Altersgrenzen. Sie bedürfen zu ihrer Wirksamkeit eines sie rechtfertigenden Sachgrunds. Allerdings steht den Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen zu (BAG 31. Juli 2002 – 7 AZR 140/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Luftfahrt Nr. 14 = EzA GG Art. 9 Nr. 78, zu B I 3 b bb der Gründe mwN). Diese Einschätzungsprärogative haben die Tarifvertragsparteien bei der Regelung in § 19 Abs. 2 Satz 4 MTV Cockpit Nr. 5 nicht überschritten.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine tarifliche Altersgrenze von 60 Jahren für Piloten rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa 12. Februar 1992 – 7 AZR 100/91 – AP BGB § 620 Altersgrenze Nr. 5 = EzA BGB § 620 Altersgrenze Nr. 2; 20. Dezember 1984 – 2 AZR 3/84 – AP BGB § 620 Bedingung Nr. 9 mit Anm. von Belling = EzA BGB § 620 Bedingung Nr. 4; 6. März 1986 – 2 AZR 262/85 – AP BGB § 620 Altersgrenze Nr. 1 = EzA BGB § 620 Bedingung Nr. 6; 11. März 1998 – 7 AZR 700//96 – BAGE 88, 162 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Luftfahrt Nr. 12; 25. Februar 1998 – 7 AZR 641/96 – BAGE 88, 118 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Luftfahrt Nr. 11; zur einzelvertraglich vereinbarten Altersgrenze von 60 Jahren vgl. BAG 20. Februar 2002 – 7 AZR 748/00 – AP BGB § 620 Altersgrenze Nr. 18 = EzA BGB § 620 Altersgrenze Nr. 11). Danach geht die Regelung über die Altersgrenze zurück auf medizinische Erfahrungswerte, nach denen das Cockpit-Personal überdurchschnittlichen psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt ist, in deren Folge das Risiko altersbedingter Ausfallerscheinungen und unerwarteter Fehlreaktionen zunimmt. Die Altersgrenze sichert daher die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit und dient darüber hinaus dem Schutz von Leben und Gesundheit der Besatzungsmitglieder und der Passagiere. Zwar hängt das zur Minderung der Leistungsfähigkeit führende Altern nicht allein vom Lebensalter ab, sondern ist ein schleichender Prozeß, der individuell verschieden schnell vor sich geht. Mit höherem Lebensalter wird jedoch ein Altern mit den damit verbundenen Folgen wahrscheinlicher. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, daß die Gefahr einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit generell auch heute noch mit zunehmenden Alter größer wird (BVerfG 31. März 1998 – 1 BvR 2167/93 – und – 1 BvR 2198/93 – NZA 1998, 589).

Diese Einschätzung konnten die Tarifvertragsparteien ihrer Normsetzung zugrundelegen. Sie entspricht der Regelung in § 41 Abs. 1 Satz 2 der Betriebsordnung für Luftfahrtgerät vom 4. März 1970 (LuftBO) in der bis zum 31. August 1998 geltenden Fassung. Danach sollten Mitglieder der Flugbesatzung mit einem Alter über 60 Jahre nicht eingesetzt werden. Wenn die Tarifvertragsparteien im Interesse der Sicherheit des Flugverkehrs auf diese Umstände durch Festlegung einer generellen Altersgrenze von 60 Jahren für Piloten Rücksicht genommen haben, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden (BAG 12. Februar 1992 – 7 AZR 100/91 – aaO, zu III 2 c bb der Gründe mwN).

b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Das Landesarbeitsgericht hat eine grundlegende Veränderung der Verhältnisse, nach der die bisherige Einschätzung der Tarifvertragsparteien zu der Altersgrenze für Flugzeugführer nicht mehr aufrechterhalten werden könnte, nicht festgestellt. Verfahrensrügen dagegen hat der Kläger nicht erhoben. Er macht mit der Revision – wie bereits in den Vorinstanzen – lediglich geltend, es sei unzutreffend, daß es bei Piloten zu altersbedingten Ausfallerscheinungen kommen könnte. Dieses tatsächliche Vorbringen ist in der Revision jedoch ohne eine entsprechende Verfahrensrüge nicht berücksichtigungsfähig. Der Umstand, daß § 41 LuftBO entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts seit dem 1. September 1998 keine Anwendung mehr findet auf den Betrieb von Flugzeugen, deren höchstzulässige Startmasse mehr als 10.000 kg oder deren höchstgenehmigte Fluggastsitzanzahl mehr als 19 beträgt und die zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen und Sachen eingesetzt werden (vgl. dazu BAG 23. Januar 2002 – 7 AZR 586/00 – AP BGB § 620 Altersgrenze Nr. 16 = EzA BGB § 620 Altersgrenze Nr. 10), rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar gibt es seit dem 1. September 1998 derzeit keine öffentlich-rechtliche Vorschrift über Altersgrenzen für Piloten der in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO bezeichneten Großflugzeuge. Daraus folgt aber nicht, daß der Sachgrund für die tarifliche Altersgrenze in § 19 Abs. 2 Satz 4 MTV Cockpit Nr. 5 entfallen wäre. Vielmehr ist die Bestimmung nach wie vor von der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien gedeckt. Diese haben nicht dadurch ihren Gestaltungsspielraum überschritten, daß sie auf das Außerkrafttreten von § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO für Piloten gewerbsmäßig zur Beförderung von Personen oder Sachen eingesetzter Großflugzeuge nicht reagiert, sondern die Altersgrenze beibehalten haben. Nach der zwar noch nicht in Kraft getretenen, aber im Entwurf vorliegenden Regelung der JAR-FCL (Joint Aviation Requirements-Flight Crew Licensing) darf der Inhaber einer Pilotenlizenz nach Vollendung des 60. Lebensjahres nicht mehr als Pilot bei der gewerbsmäßigen Beförderung eingesetzt werden, es sei denn, er ist Mitglied einer Flugbesatzung, die aus mehreren Piloten besteht, und die anderen Piloten haben das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet. Der Einsatz von Piloten nach Vollendung des 60. Lebensjahres wird daher in Fachkreisen nach wie vor als problematisch angesehen. Es mag zwar sein, daß diesem Umstand auch durch andere tarifliche Regelungen als durch eine generelle Altersgrenze von 60 Jahren Rechnung getragen werden könnte, zB durch eine eingeschränkte Einsatzmöglichkeit, wie sie im Entwurf der JAR-FCL vorgesehen ist, ggf. verbunden mit verstärkten Flugtauglichkeitskontrollen. Dies ist jedoch für die Wirksamkeit der tariflichen Regelung nicht von Bedeutung. Tarifverträge unterliegen keiner Billigkeitskontrolle. Es ist nicht Sache der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen haben. Sie haben lediglich zu kontrollieren, ob die Grenzen der Tarifautonomie überschritten sind (BAG 12. Februar 1992 – 7 AZR 100/91 – AP BGB § 620 Altersgrenze Nr. 5 = EzA BGB § 620 Altersgrenze Nr. 2, zu III der Gründe mwN). Dies ist hier aus den genannten Gründen nicht der Fall.

2. Da für die in § 19 Abs. 2 Satz 4 MTV Cockpit bestimmte Altersgrenze ein sachlicher Grund besteht, verletzt die Regelung den Kläger nicht in seinen Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GG.

a) Tarifvertragliche Altersgrenzen, die den Anforderungen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle genügen, sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar (BAG 25. Februar 1998 – 7 AZR 641/96 – BAGE 88, 118 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Luftfahrt Nr. 11, zu 3 der Gründe; 11. März 1998 – 7 AZR 700/96 – BAGE 88, 162 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Luftfahrt Nr. 12, zu III 2 b der Gründe). Eine Überprüfung tariflicher Normen findet nicht nach den Maßstäben verfassungsmäßiger Kontrolle von die Berufsfreiheit einschränkenden Gesetzen statt. Dies verkennt der Kläger. Zwar beschränkt eine tarifliche Altersgrenze, die unabhängig vom Willen des Arbeitnehmers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, den Arbeitnehmer in seiner arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit. Denn das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG schützt den einzelnen nicht nur darin, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in einem gewählten Beruf zu ergreifen, sondern auch in seinem Willen, diese Beschäftigung beizubehalten oder aufzugeben. Allerdings schützt das Grundrecht nur gegen staatliche Maßnahmen, die diese Freiheit beschränken (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG). Einen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes auf Grund privater Dispositionen gewährt das Grundrecht dagegen nicht (BVerfG 24. April 1991 – 1 BvR 1341/90 – BVerfGE 84, 133 = AP GG Art. 12 Nr. 70, zu C III 1 der Gründe; 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87 – BVerfGE 97, 169 = AP KSchG 1969 § 23 Nr. 17, zu B I 1 der Gründe). Dies gilt auch für Tarifnormen. Sie beruhen auf kollektiv ausgeübter Privatautonomie, nachdem die Tarifvertragsparteien ihr Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG wahrgenommen und Regelungen zu bestimmten Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen geschaffen haben. Dazu gehören auch Normen, die einen Sachgrund für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ohne Ausspruch einer Kündigung regeln und damit eine von § 620 BGB zugelassene Gestaltungsmöglichkeit von Arbeitsverhältnissen konkretisieren. Die Geltung dieser Normen beruht auf dem privatautonomen Verbandsbeitritt ihrer Mitglieder. Mit der Wahrnehmung ihres Grundrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG unterwerfen sie sich bestehendem und künftigem Tarifrecht. Das gilt auch hinsichtlich der mit der Regelung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen typischerweise verbundenen Beschränkungen der Berufsfreiheit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern (BAG 25. Februar 1998 – 7 AZR 641/96 – BAGE 88, 118 = TVG § 1 Tarifverträge: Luftfahrt Nr. 11, zu 3 a der Gründe).

Mit dem privatautonomen Entschluß, einem der tarifvertragschließenden Verbände beizutreten oder das Arbeitsverhältnis einzelvertraglich geltendem oder künftigem Tarifrecht zu unterwerfen, ist aber nicht der Verlust jeglichen Grundrechtsschutzes verbunden. Denn nach Art. 1 Abs. 3 GG sind auch staatliche Grundrechtadressaten dazu verpflichtet, einzelne Grundrechtsträger vor einer unverhältnismäßigen Beschränkung ihrer Grundrechte durch privatautonome Regelungen zu bewahren. Zu den staatlichen Grundrechtsadressaten gehört zunächst der Gesetzgeber selbst. Er hat für den Bereich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen seiner aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Schutzpflicht durch den Erlaß von Kündigungsschutzvorschriften genügt und damit ein bestimmtes Maß an Arbeitsplatzschutz vorgegeben. Seit dem 1. Januar 2001 hat er diesen Arbeitsplatzschutz auf die Befristung von Arbeitsverträgen ausgedehnt und deren Zulässigkeit in dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge vom 21. Dezember 2000 festgelegt. Die Kontrolle der bis zu diesem Zeitpunkt tariflich oder vertraglich vereinbarten Befristungen von Arbeitsverhältnissen gehört zu den Schutzpflichten, die den Gerichten für Arbeitssachen als weiteren Grundrechtsadressaten nach Art. 1 Abs. 3 GG obliegt. Durch die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle ist der Arbeitnehmer vor einem grundlosen, den staatlichen Kündigungs- und Befristungsschutz umgehenden Verlust des Arbeitsplatzes zu schützen. Erweist sich die tarifvertragliche Befristung eines Arbeitsverhältnisses im Rahmen dieser Kontrolle als sachgrundlos, stellt sie gleichzeitig eine unangemessene Einschränkung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit des Arbeitnehmers dar. Genügt ein tarifvertraglich vorgeschriebener Sachgrund den Maßstäben der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle, wird das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG dadurch nicht unangemessen eingeschränkt.

b) Für das Arbeitsverhältnis des Klägers gilt die tarifliche Altersgrenze zwar nicht kraft Organisationszugehörigkeit, sondern kraft einzelvertraglicher Bezugnahme. Daraus folgt jedoch keine Besonderheit bei der Grundrechtskontrolle. Denn die Arbeitsvertragsparteien haben damit über ihre Grundrechte im Wege einer privatautonomen Regelung verfügt und geregelt, daß zwischen ihnen die gleiche Rechtslage wie bei Tarifgebundenen bestehen soll (BAG 25. Februar 1998 – 7 AZR 641/96 – aaO, zu 3 c der Gründe).

3. § 19 Abs. 2 Satz 4 MTV Cockpit Nr. 5 ist nicht gleichheitswidrig iSv. Art. 3 Abs. 1 GG. Der Kläger wird durch die tarifliche Regelung gegenüber anderen Piloten der Beklagten nicht ungleich behandelt. Er kann sich nicht darauf berufen, daß in anderen Unternehmen des L -Konzerns, zB bei L -City-Line, für Piloten andere Altersgrenzen gelten als bei der Beklagten. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, ihre Arbeitnehmer mit Arbeitnehmern anderer Unternehmen gleichzubehandeln. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz bezieht sich nur auf das Unternehmen, nicht auf den Konzern (BAG 17. November 1998 – 1 AZR 147/98 – AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 162 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 79; 20. August 1986 – 4 AZR 272/85 – BAGE 52, 382 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Seniorität Nr. 6). Gleiches gilt für die Berücksichtigung des Gleichheitssatzes in Art. 3 Abs. 1 GG bei der Normsetzung in Firmentarifverträgen.

4. Auf die Vereinbarkeit der tarifvertraglichen Altersgrenze in § 19 Abs. 2 Satz 4 MTV Cockpit Nr. 5 mit der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf kommt es für die vorliegende Entscheidung bereits deswegen nicht an, weil diese Richtlinie erst am 2. Dezember 2000 und damit 19 Monate nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien erlassen worden ist.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dörner, Gräfl, Pods, Zumpe, Olga Berger

 

Fundstellen

Haufe-Index 929684

NZA 2003, 1056

ZTR 2003, 403

AP, 0

EzA-SD 2003, 23

EzA

NJOZ 2003, 2505

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