Entscheidungsstichwort (Thema)

Bezugnahme auf Tarifvertrag. Gleichstellungsabrede. Feststellungsklage. Feststellungsinteresse. Bezugnahme eines tarifgebundenen Arbeitgebers auf Tarifvertrag. Gleichstellungsabrede, Merkmale. Auslegung typischer Vertragsklauseln durch das Revisionsgericht. Tarifrecht. Prozeßrecht

 

Orientierungssatz

  • Für eine Feststellungsklage, daß ein bestimmtes Tarifwerk auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist, besteht regelmäßig das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Dies gilt auch dann, wenn die Feststellung nur für einzelne Tarifansprüche erstrebt wird.
  • Die Auslegung typischer Vertragsklauseln kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden.
  • Eine dynamische Bezugnahme auf das einschlägige Tarifwerk in einem vom tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Vertrag ist typischerweise eine Gleichstellungsabrede.
 

Normenkette

TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1; ZPO § 256; BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 27.08.2001; Aktenzeichen 5 (1) Sa 397/00)

ArbG Schwerin (Urteil vom 23.08.2000; Aktenzeichen 11 Ca 528/00)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab 1. Januar 1999 die tarifliche Vergütung nach dem DRK-Tarifvertrag Ost (DRK-TV-O) in der ab diesem Zeitpunkt geltenden Fassung zu zahlen.

Der am 30. August 1949 geborene Kläger steht seit dem 1. Juli 1985 in den Diensten des Beklagten und seiner Rechtsvorgänger. Dem Arbeitsverhältnis liegt seit dem 1. Mai 1994 der schriftliche Formulararbeitsvertrag vom 26. April 1994 zugrunde. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war der Beklagte als Mitglied der DRK-Tarifgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern an die DRK-Tarifverträge Ost gebunden, wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt haben.

§ 2 dieses Arbeitsvertrages lautet:

Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des DRK-Tarifvertrages Ost für Angestellte und Arbeiter nach dem Stand vom 01.07.1992.

Der Beklagte, der – mit zT wechselnden Formulierungen – in den schriftlichen Arbeitsverträgen mit seinen Arbeitnehmern zunächst auf die DRK-Arbeitsbedingungen-Ost und später auf die “DRK-Tarifverträge-Ost” Bezug genommen hatte, behandelte und bezahlte den Kläger wie alle seine anderen Mitarbeiter ohne Unterschied bis Ende 1998 nach den jeweils geltenden Tarifverträgen DRK-Ost. Zum 30. Juni 1998 schied der Beklagte aus der DRK-Tarifgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern aus.

Am 9. Juni 1999 vereinbarten die Bundestarifgemeinschaft des DRK einerseits und die Gewerkschaften ÖTV und DAG andererseits den 9. Änderungstarifvertrag (9. ÄndTV) zum DRK-TV-O, der – unter Übernahme der für den öffentlichen Dienst abgeschlossenen Tarifregelungen – eine Einmalzahlung für die Monate Januar bis März 1999 in Höhe von 259,50 DM und eine 3,1 %ige Tariferhöhung ab dem 1. April 1999 vorsah. Dieser Tarifvertrag lag erst am 3. November 1999 von allen Tarifvertragsparteien unterzeichnet vor.

Der Beklagte hat die Arbeitsvergütung seiner Mitarbeiter seit dem 1. Januar 1999 nicht mehr den tariflichen Erhöhungen angepaßt. Der Kläger ist der Auffassung, er habe auch ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf Vergütung nach den geänderten Tarifregelungen. Diese Ansprüche für die Zeit bis zum 30. April 2000 sind Gegenstand seiner Klage. Die geforderten Zahlungen sind rechnerisch zwischen den Parteien unstreitig.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die geltend gemachten Ansprüche seien auf Grund der dynamischen Verweisungsklausel auf den DRK-TV-O in § 2 des Arbeitsvertrages unabhängig von einer Verbandsmitgliedschaft einer oder beider Parteien begründet. Trotz der Tatsache, daß der Arbeitsvertrag auf den DRK-TV-O vom 1. Juli 1992 verweise, sei von einer dynamischen Bezugnahme auszugehen, denn der Beklagte habe in der Vergangenheit alle Arbeitnehmer stets nach dem DRK-TV-O in seiner jeweils gültigen Fassung vergütet. Daraus werde der Wille der Parteien deutlich, er – der Kläger – sei für die Zeit des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nach dem jeweils gültigen Tarifvertrag zu vergüten. Der Austritt des Beklagten aus der DRK-Tarifgemeinschaft berühre deshalb den einzelvertraglich begründeten Vergütungsanspruch nicht. Die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag wirke konstitutiv. Durch die einzelvertragliche dynamische Inbezugnahme der jeweils geltenden Tarifverträge gelte der Tarifvertrag als Vertragsrecht zwischen den Parteien. Wenn ein Arbeitgeber erreichen wolle, daß bei einem von ihm angestrebten Verbandsaustritt die Wirkungen der einschlägigen Tarifverträge endeten, müsse er in der Bezugnahmeklausel durch entsprechende Formulierungen klarstellen, daß diese in Abhängigkeit von einer weiter bestehenden Verbandsmitgliedschaft eine beschränkte Wirkung hätten, nicht dauerhaft und vorbehaltlos wirken sollten, oder er hätte sich des ausdrücklichen Einverständnisses des Arbeitnehmers mit einer derart beschränkten Wirkung der Bezugnahmeklausel versichern müssen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit bis Ende April 2000 die Vergütung nach der VergGr. VIb zu § 22 DRK-Tarifvertrag Ost vom 1. Juli 1992 in der jeweils gültigen Fassung zu zahlen,

sowie für den Fall des Obsiegens mit dem vorherigen Antrag,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 31. März 1999 eine Einmalzahlung in Höhe von 259,50 DM netto zu zahlen,

sowie

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger für die Zeit vom 1. April 1999 bis einschließlich 31. Januar 2000 einen Betrag von 1.057,90 DM brutto zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, auf Grund seines Verbandsaustritts aus der DRK-Tarifgemeinschaft per 30. Juni 1998 seien spätere Tariferhöhungen für das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mehr maßgebend. Er habe seine Arbeitnehmer nur solange nach Tarif behandeln wollen, wie er selbst kraft Verbandszugehörigkeit tarifgebunden gewesen sei. Die Formulierung in dem Arbeitsvertrag der Parteien sei daher nur so auszulegen, daß eine Tarifbindung an seine Mitgliedschaft in der Tarifgemeinschaft geknüpft sein solle. Die Verweisungsklausel habe das Ziel gehabt, einheitliche Arbeitsbedingungen für alle Arbeitnehmer des Betriebes zu schaffen. Da er nicht nach tarifgebundenen und nicht organisierten Mitarbeitern habe unterscheiden können, sei der Verweis auf den Tarifvertrag ausdrücklich in alle Arbeitsverträge aufgenommen worden. Damit hätten die nicht organisierten Arbeitnehmer so behandelt werden sollen, als wäre auch bei ihnen eine Tarifbindung gegeben.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Nach Zahlung von 88,16 DM brutto für Januar 2000 am 28. Mai 2001 haben die Parteien den Rechtsstreit im Berufungsrechtszug insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten hinsichtlich der im zweiten Rechtszug noch streitigen Ansprüche zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage.

  • Die Feststellungsklage ist zulässig. Das Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) besteht deswegen, weil mit ihr geklärt werden kann, ob sich die Vergütung des Klägers ab 1. Januar 1999 – weiter – nach der VergGr. VIb des DRK-TV-O in seiner jeweils gültigen Fassung richtet. Diese Feststellung erstreckt sich auch auf dem Änderungstarifvertrag vom 9. Juni 1999 nachfolgende Tarifänderungen, bezüglich derer eine Leistungsklage des Klägers nicht möglich ist.

    Gegen die – uneigentlichen – Hilfsanträge auf Zahlung bestehen keine Bedenken. Sie beziehen sich auf bestimmte tarifvertragliche Vergütungsansprüche nach dem DRK-TV-O in der ab 1. Januar 1999 geltenden Fassung des Änderungstarifvertrages vom 9. Juni 1999 für die Zeit ab dessen Inkrafttreten bis zum 31. Januar 2000.

  • Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat für die Zeit ab 1. Januar 1999 gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die tarifliche Vergütung nach der VergGr. VIb des DRK-TV-O in dessen jeweils gültiger Fassung. Damit sind auch die Hilfsanträge des Klägers auf Zahlung für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 31. Januar 2000 unbegründet.

    1. Eine tarifvertragliche Anspruchsgrundlage für den Klageanspruch kommt nicht in Betracht, wie auch das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat. Zur Tarifgebundenheit des Klägers ist nichts vorgetragen, jedenfalls vom Landesarbeitsgericht nichts festgestellt. Auch im Falle seiner Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 1 TVG) hätte der Kläger ab 1. Januar 1999 keinen tariflichen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. VIb des DRK-TV-O in seiner jeweils gültigen Fassung. Denn infolge des Verbandsaustritts des Beklagten zum 30. Juni 1998 besteht im streitigen Anspruchszeitraum keine beiderseitige Tarifgebundenheit an den DRK-TV-O, die Voraussetzung für dessen normative Geltung zwischen den Parteien ist (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG).

    2. Der DRK-TV-O in seiner jeweils gültigen Fassung ist ab 1. Januar 1999 entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht kraft der im Arbeitsvertrag der Parteien vom 26. April 1994 vereinbarten Bezugnahmeklausel schuldrechtlich anzuwenden.

    a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, entgegen ihrem Wortlaut enthalte die Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages vom 26. April 1994 die Verweisung auf den DRK-TV-O in seiner jeweils gültigen Fassung, sie sei also eine sog. dynamische Verweisung. Dies hätten die Parteien durch ihre mehrjährige tatsächliche Praxis dokumentiert. Der Verbandsaustritt des Beklagten habe nicht zur Folge, daß seitdem die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien nur noch statisch auf die bei Verbandsaustritt gültigen Tarifnormen verweise. Denn es handele sich bei der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien nicht um eine Gleichstellungsabrede. Es sei nicht davon auszugehen, daß die Tarifbindung oder die möglichen Folgen eines Verbandsaustritts des Beklagten bei den Vertragsverhandlungen eine Rolle gespielt hätten. Dazu sei von den Parteien weder etwas vorgetragen noch gebe es dafür Anhaltspunkte in der Entstehungsgeschichte des Vertrages.

    b) Die Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages ist eine Gleichstellungsabrede. Dies hat das Landesarbeitsgericht – wie die Revision zu Recht rügt – verkannt.

    Bei einer arbeitsvertraglichen Gleichstellungsabrede werden die in Bezug genommenen Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung auf das Arbeitsverhältnis angewendet, solange der Arbeitgeber an diese Tarifverträge gebunden ist. Dagegen sind solche Tarifverträge bzw. deren Fassungen nicht auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden, die erst nach dem Ende der Tarifgebundenheit zustande gekommen sind (ständige Rechtsprechung des Senats 30. August 2000 – 4 AZR 581/99 – BAGE 95, 296; 26. September 2001 – 4 AZR 544/00 – BAGE 99, 120; 21. August 2002 – 4 AZR 263/01 –; 25. September 2002 – 4 AZR 294/01 – jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen). Wegen ihres auf die Gleichstellung beschränkten Regelungszweckes gewährleistet die arbeitsvertragliche Gleichstellungsabrede dem Arbeitnehmer gleichgültig, ob er tarifgebunden ist oder nicht, nicht die dauernde Teilhabe an Tarifentwicklungen unabhängig von der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers.

    Daher ist der Beklagte mangels Mitgliedschaft in der tarifschließenden Tarifgemeinschaft des DRK nicht an den 9. ÄndTV zum DRK-TV-O gebunden.

    aa) Die Verweisungsklausel in § 2 des Formulararbeitsvertrages der Parteien ist als typische Vertragsklausel wie eine Rechtsnorm zu behandeln, so daß ihre Auslegung vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden kann (zB Senat 30. August 2000 – 4 AZR 581/99 – BAGE 95, 296, 298, 299).

    bb) Diesem Prüfungsmaßstab hält die Auslegung der Bezugnahmeklausel durch das Landesarbeitsgericht nicht stand.

    Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, daß § 2 des Arbeitsvertrages entgegen seinem Wortlaut die dynamische Verweisung auf den DRK-TV-O zum Inhalt hatte, was das Landesarbeitsgericht – wohl zutreffend – angenommen hat. Diesen Rechtsstandpunkt vertritt auch die Beklagte ausdrücklich. Gleichwohl hat der Kläger im streitigen Anspruchszeitraum entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts keinen vertraglichen Anspruch auf Vergütung nach dem DRK-TV-O in seiner jeweils gültigen Fassung. Denn die von ihm mit dem zur Zeit des Vertragsschlusses tarifgebundenen Beklagten vereinbarte – dynamische – Bezugnahme auf den für den Betrieb des Beklagten einschlägigen DRK-TV-O ist gem. §§ 133, 157 BGB als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen. Sie führt deshalb vertragsrechtlich nicht zu einem vom tarifrechtlichen (siehe Ziff. II 1) abweichenden Ergebnis. Der Senat hat durch Urteil vom 26. September 2001 (– 4 AZR 544/00 – BAGE 99, 120) für einen hinsichtlich der entscheidungserheblichen Umstände ebenso gelagerten Fall entschieden, daß eine dynamische Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge in einem vom tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Vertrag typischerweise eine Gleichstellungsabrede ist. Er hat seine – in verschiedenen nachfolgenden Entscheidungen (zB Senat 20. Februar 2002 – 4 AZR 524/00 – nv.; 21. August 2002 – 4 AZR 263/01 –; 25. September 2002 – 4 AZR 294/01 – und 16. Oktober 2002 – 4 AZR 467/01 – sämtlich zur Veröffentlichung vorgesehen) – bekräftigte Auffassung ausführlich mit dem Zweck der von einem tarifgebundenen Arbeitgeber allgemein mit seinen Arbeitnehmern vereinbarten Bezugnahme auf die einschlägigen tariflichen Regelungen, der Interessenlage (zB Vermeidung von Anreizen zum Gewerkschaftsbeitritt) und der soziotypischen Ausgangslage bei Vertragsschluß (zB Kenntnis oder Unkenntnis des Bestehens oder Nichtbestehens der Verbandszugehörigkeit der jeweils anderen Vertragspartei) begründet. Auf diese Ausführungen nimmt der Senat Bezug. Er hält an ihnen nach deren nochmaliger Überprüfung fest.

    (1) Wegen der arbeitsrechtlich vorstrukturierten Bedingungen bei Vertragsschluß kommt es danach entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht darauf an, ob dem Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers bekannt war, etwa weil dieser sie offengelegt hat. Der Arbeitgeber darf bei Vertragsschluß nicht erfragen, ob der Arbeitnehmer tarifgebunden ist oder nicht. Wenn ein Arbeitgeber von sich aus die Anwendbarkeit der einschlägigen Tarifverträge anbietet, erfolgt das typischerweise deshalb, weil er an die in Bezug genommenen Tarifverträge gebunden ist und mit der Bezugnahme eine Gleichstellung der tarifgebundenen und der nichttarifgebundenen Arbeitnehmer erreichen will. Diese objektiven, durch das arbeitsrechtliche Frageverbot nach der Gewerkschaftszugehörigkeit des Arbeitnehmers bedingten Umstände sind von dem Empfängerhorizont des verständigen Arbeitnehmers her erkennbar. Wenn keine entgegenstehenden Anhaltspunkte vorliegen, muß der Arbeitnehmer davon ausgehen, daß eine Bezugnahmeklausel, die von der Arbeitgeberseite angeboten wird, als Gleichstellungsabrede gemeint ist (Senat 26. September 2001 – 4 AZR 544/00 – aaO, zu Ziff. II 1c bb (1) der Gründe).

    (2) Es ist auch bedeutungslos, ob die Gleichstellungsabrede bei beiderseitiger Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses deklaratorisch oder – wie das Landesarbeitsgericht annimmt – konstitutiv wirkt. Solange beide Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden sind, gilt der einschlägige Tarifvertrag gem. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG für diese unmittelbar und zwingend. Daß der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber sich zugleich auf eine konstitutiv wirkende dynamische Verweisung berufen können, ist zwar zutreffend, aber nicht von praktischer Bedeutung. Nach Beendigung der Mitgliedschaft des Arbeitgebers im Arbeitgeberverband und seiner Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG wirken die vormals unmittelbar und zwingend für das Arbeitsverhältnis geltenden Tarifverträge nach § 4 Abs. 5 TVG nach. Sie haben für dieses aber keine zwingende Wirkung mehr. Die nach wie vor geltende arbeitsvertragliche Vereinbarung, der Arbeitnehmer werde so gestellt, als wäre er tarifgebunden, führt auch bei konstitutiver Wirkung derselben nicht zur Teilnahme des Arbeitnehmers an den nach Verbandsaustritt des Arbeitgebers vereinbarten und in Kraft getretenen Tarifverträgen bzw. Tarifänderungen. Denn mangels der Mitgliedschaft des Arbeitgebers im tarifschließenden Verband fehlt die Voraussetzung der beiderseitigen Tarifgebundenheit (§ 4 Abs. 1 TVG). Diesbezüglich trifft die Gleichstellungsabrede keine ersetzende Regelung (Senat 26. September 2001 – 4 AZR 544/00 – aaO, zu Ziff. II 1c bb (3) der Gründe). Dies verkennt das Landesarbeitsgericht.

    (3) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist die Annahme einer Gleichstellungsabrede nicht dann ausgeschlossen, wenn mit der Bezugnahme auf tarifliche Regelungen weitere Zwecke – zB die Vereinfachung der Personalarbeit, Vereinheitlichung und Rechtssicherheit – verfolgt werden. Denn diese Zwecke sind bei der Auslegung der Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede ebenfalls erfüllt. Auch bei einer Gleichstellungsabrede müssen die einzelnen tariflich geregelten Arbeitsbedingungen nicht in den Arbeitsvertrag aufgenommen und bei Tarifänderungen geändert werden. Damit schafft die Gleichstellungsabrede zugleich Rechtssicherheit. Ebenso wird die Einheitlichkeit der Arbeitsbedingungen im Betrieb gewahrt. Das gilt nicht nur für die Dauer der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers, sondern auch für die Zeit nach deren Beendigung. Dann finden für die nichttarifgebundenen Arbeitnehmer die Tarifverträge ebenso Anwendung wie sie normativ für die tarifgebundenen auf Grund der Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG gelten, also statisch (Senat 26. September 2001 – 4 AZR 544/00 – aaO, zu Ziff. II 1c bb (2) der Gründe).

    cc) Bei der Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen damit um eine Gleichstellungsabrede. Denn der von dem seinerzeit tarifgebundenen Beklagten vorformulierte Arbeitsvertrag enthält eine – dynamische – Verweisung auf den einschlägigen Tarifvertrag. Umstände, die eine davon abweichende Auslegung der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien gebieten, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, im Gegenteil: Es hat ausgeführt, aus den Begleitumständen zur Zeit des Vertragsschlusses, insbesondere der Entstehungsgeschichte des Vertrages, seien weitere Anhaltspunkte für die Auslegung der Bezugnahmeklausel des § 2 nicht zu gewinnen, hierzu hätten die Parteien nichts vorgetragen. Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte habe in den Arbeitsverträgen mit seinen Mitarbeitern ganz unterschiedliche Verweisungsklauseln auf den DRK-TV-O oder die DRK-Arbeitsbedingungen Ost verwendet, verbietet die Auslegung der Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede nicht. Mit der Verweisung auf die DRK-Arbeitsbedingungen Ost in den Arbeitsverträgen des Beklagten kann dessen Praxis in der Zeit vor Beginn seiner, wie gerichtsbekannt ist, jedenfalls am 1. Juli 1992 noch nicht bestehenden Verbandszugehörigkeit gemeint sein. Die Unterschiede in den Verweisungsklauseln auf den DRK-TV-O können lediglich rein sprachlicher Art sein, die Verweisungklausel also gleichwohl rechtlich stets zum selben Ergebnis führen. Diesbezüglich ist jedenfalls das Gegenteil nicht festgestellt.

  • Der Kläger hat gem. § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
 

Unterschriften

Schliemann, Wolter, Bott, J. Ratayczak

Der ehrenamtliche Richter Fieberg ist infolge Ausscheidens aus dem Amt an der Unterschrift verhindert.

Schliemann

 

Fundstellen

Haufe-Index 934575

NZA 2003, 1296

AP, 0

NJOZ 2003, 3180

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