Entscheidungsstichwort (Thema)

Fliesenleger und Säurebau

 

Orientierungssatz

Parallelsache zu BAG Urteil vom 27.8.1986, 4 AZR 591/86.

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 19.03.1985; Aktenzeichen 5 Sa 1258/84)

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 07.06.1984; Aktenzeichen 5 Ca 5869/83)

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes, die nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe (Verfahrens-TV) die entsprechenden Beiträge der mit einer arbeiterrentenversicherungspflichtigen Tätigkeit beschäftigten Arbeitnehmer sowie nach dem Tarifvertrag über das Verfahren für eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe für technische und kaufmännische Angestellte sowie Poliere und Schachtmeister des Baugewerbes (Verfahrens-TV Angestellte) für diese Arbeitnehmer die entsprechenden Beiträge von den Arbeitgebern einzieht. Sie verlangt von der Beklagten zu 1) und deren persönlich haftenden Gesellschafterin, der Beklagten zu 2), die für den Zeitraum vom 1. Januar 1982 bis zum 31. Dezember 1982 keine Beiträge geleistet haben, 5 % Zinsen in Höhe von 2.398,47 DM. Der Zinsanspruch als solcher ist zwischen den Parteien dem Grunde und der Höhe nach unstreitig. Die Parteien streiten nur darüber, ob die Beklagten zur Beitragsleistung verpflichtet sind, weil der Betrieb der Beklagten zu 1) vom fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge erfaßt wird.

Die Beklagte zu 1) verlegt überwiegend Fliesen und Platten in Betrieben der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie, wie in Molkereien und in Brauereien, aber auch in pharmazeutischen Betrieben. Die meist speziell für die Beklagte zu 1) angefertigten sechseckigen Fliesen sind säurefest und werden auf einem chemikalienbeständigen Untergrund verlegt. Dieser wird dadurch hergestellt, daß zunächst eine Isolierung aus Kunststoffen aufgetragen wird. Dann wird eine Haftbrücke für den chemisch versetzten Mörtel aufgebracht, auf den in einer Kunststoffhaftschicht die Fliesen und Platten verlegt werden. Anschließend erfolgt die Verfugung mit Kunstharzmaterialien. Dadurch entsteht eine säure- und bakterienresistente Verkleidung. Die Beklagte zu 1) ist als Betrieb des Fliesenlegerhandwerks in der Handwerksrolle eingetragen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß der Betrieb der Beklagten zu 1) vom fachlichen Geltungsbereich des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) und demzufolge auch von dem der Verfahrenstarifverträge erfaßt werde. Die Beklagte zu 1) führe Fliesen-, Platten- und Mosaik- Ansetz- und Verlegearbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 14 BRTV-Bau aus. Sie sei kein Betrieb des Säurebaus im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 BRTV-Bau i. d. F. vom 3. Februar 1981. Die Herstellung chemikalienbeständiger Böden durch Verlegung von säurefesten Fliesen und Platten sei eine typische Tätigkeit des Fliesenlegerhandwerks. Betriebe des Säurebaus seien hingegen nur Industriebetriebe, die die säurefesten Materialien selbst herstellten und damit bauliche Anlagen in der Regel für die chemische Industrie erstellten. Solche Betriebe würden nunmehr vom fachlichen Geltungsbereich des Rahmentarifvertrages für die Säureschutzindustrie vom 8. Januar 1983 erfaßt. Sie seien auch schon vorher vom fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau ausgenommen gewesen. Dies werde dadurch deutlich, daß in § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 BRTV-Bau in der ab 1. Januar 1985 geltenden Fassung nur noch Betriebe der Säurebauindustrie aufgeführt seien.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

an sie 2.398,47 DM zu zahlen.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß die Beklagte zu 1) als Betrieb des Säurebaus im Jahre 1982 nicht vom fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau und dem der Verfahrenstarifverträge erfaßt worden sei. Unter Säurebau im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 BRTV-Bau sei auch der Säureschutzbau zu verstehen. Diesen führe ihr Betrieb durch, da die säurefeste Verkleidung der Räume in Industriebetrieben im Vordergrund der betrieblichen Tätigkeit stehe und säurefeste Werkstoffe verwendet sowie für den Säurebau typische Maschinen eingesetzt würden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 19. März 1985 der Klage stattgegeben und die Revision zugelassen. Gegen das Urteil haben die Beklagten am 13. August 1985 Revision eingelegt. Am 26. August 1985 wurde den Beklagten das Urteil des Landesarbeitsgerichts zugestellt. Mit Beschluß vom 18. September 1985 (- 4 AZR 519/85 -) hat der Senat die Revision vom 13. August 1985 als unzulässig verworfen, weil sie nicht begründet worden war. Mit der am 24. September 1985 erneut eingelegten und begründeten Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

Die Revision ist zulässig. Zum Zeitpunkt der Einlegung der gleichzeitig formgerecht begründeten Revision am 24. September 1985 war die Revisionsfrist von einem Monat nach § 72 Abs. 5 ArbGG i. V. m. § 552 ZPO noch nicht abgelaufen, da das angefochtene Urteil am 26. August 1985 den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten zugestellt worden war. Die Regelung des § 552 ZPO, daß die Revisionsfrist spätestens fünf Monate nach Verkündung des Urteils beginnt, die zu einem Ablauf der Revisionsfrist am 19. September 1985 geführt hätte, gilt im arbeitsgerichtlichen Verfahren insoweit nicht, da wegen Fehlens der Rechtsmittelbelehrung zunächst die Jahresfrist nach § 9 Abs. 5 ArbGG anzuwenden ist (BAG Urteil vom 14. September 1984 - 7 AZR 528/83 - AP Nr. 3 zu § 9 ArbGG 1979 m. w. N.).

Die mit Schriftsatz vom 23. September 1985 am 24. September 1985 eingelegte Revision ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht deshalb unzulässig, weil die mit Schriftsatz vom 13. August 1985 eingelegte Revision durch Beschluß des Senats vom 18. September 1985 wegen fehlender Begründung als unzulässig verworfen worden ist. Die Partei kann von einem Rechtsmittel innerhalb der Rechtsmittelfrist durch einen oder mehrere Rechtsmittelschriftsätze solange Gebrauch machen, wie die Rechtsmittelfrist nicht verstrichen ist. Grundsätzlich ist zwar dann über das Rechtsmittel einheitlich zu entscheiden (BAG Urteil vom 13. September 1972 - 2 AZR 32/71 - AP Nr. 8 zu § 519 b ZPO). Dies war vorliegend jedoch nicht möglich, da der Schriftsatz vom 24. September 1985 erst nach dem Beschluß des Senats vom 18. September 1985 beim Bundesarbeitsgericht einging. Gleichwohl steht der Verwerfungsbeschluß der Zulässigkeit der am 24. September 1985 eingelegten Revision nicht entgegen, da diese innerhalb der Rechtsmittelfrist eingelegt und fristgerecht begründet wurde (BAG 1, 82 = AP Nr. 2 zu § 518 ZPO).

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage mit Recht stattgegeben. Der Betrieb der Beklagten zu 1) wurde im Jahre 1982 vom fachlichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge erfaßt. Die Beklagte zu 1) war deshalb zur Beitragsleistung verpflichtet. Da sie sich mit dieser in Verzug befand, schuldet sie der Klägerin den von ihr im einzelnen spezifizierten und von den Beklagten nicht bestrittenen Zinsbetrag in Höhe von 2398,47 DM (§§ 284 Abs. 2, 285, 286 Abs. 1, 288 Abs. 2 BGB). Die Beklagte zu 2) haftet als persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1) wie ein Gesamtschuldner (als unechter Gesamtschuldner; vgl. BAG Urteil vom 9. September 1981 - 4 AZR 48/79 - AP Nr. 34 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Im Jahre 1982 galten hinsichtlich der Arbeitnehmer mit einer arbeiterrentenversicherungspflichtigen Tätigkeit der allgemeinverbindliche Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe vom 12. November 1960 i. d. F. vom 10. November 1981 (Verfahrens-TV) und hinsichtlich der technischen und kaufmännischen Angestellten sowie der Poliere und Schachtmeister der Tarifvertrag über das Verfahren für eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe für technische und kaufmännische Angestellte sowie für Poliere und Schachtmeister des Baugewerbes vom 30. Oktober 1975 i. d. F. vom 28. Dezember 1979 (Verfahrens-TV Angestellte). Der fachliche Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge stimmt mit dem fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau überein.

Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß Betriebe, in denen überwiegend die in den Beispielen des Abschnitts V von § 1 Abs. 2 BRTV-Bau in der jeweils nach dem 1. Januar 1980 geltenden Fassung genannten Tätigkeiten ausgeführt werden, unter den fachlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallen, ohne daß die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschnitte I - III zu überprüfen sind (BAG 45, 11 = AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Das Landesarbeitsgericht hat demgemäß überprüft, ob im Betrieb der Beklagten zu 1) die in § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 14 BRTV-Bau genannten Tätigkeiten ausgeführt werden. Diese Bestimmung lautet:

"Fliesen-, Platten- und Mosaik- Ansetz- und

Verlegearbeiten".

Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß im Betrieb der Beklagten überwiegend Fliesen und Platten in Betrieben der Getränke-, Lebensmittel- oder Nahrungsmittelindustrie zur Herstellung einer säure- und bakterienresistenten Verkleidung auf einem chemikalienbeständigen Untergrund verlegt werden. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß diese überwiegende Tätigkeit eine typische Tätigkeit des Fliesenlegerhandwerks sei. Es handele sich nicht um einen Betrieb des Säurebaus, der gemäß § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 BRTV-Bau vom fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau ausgenommen sei. Als Betriebe des Säurebaus könnten nur solche Betriebe angesehen werden, die mit der Erstellung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung jedweder Bauwerke oder baulicher Anlagen, die der Produktion, Lagerung oder der Beseitigung von Säuren dienten, beschäftigt seien. Darauf, daß die Tarifvertragsparteien des BRTV-Bau ab 1. Januar 1985 in § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 BRTV-Bau nur noch Betriebe der "Säurebauindustrie" aufgenommen hätten, komme es nicht an.

Diese Auffassung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die überwiegende betriebliche Tätigkeit der Beklagten im Verlegen von Fliesen und Platten besteht. Damit wird der Betrieb nach § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 14 BRTV-Bau vom fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau erfaßt. Zutreffend führt das Landesarbeitsgericht aus, daß es für die Einordnung der Tätigkeit der Beklagten zu 1) nicht darauf ankommt, ob die Fliesen und Platten im Betrieb selbst hergestellt oder von den Herstellern bezogen werden. Ebenso ist für die tarifliche Bewertung nicht relevant, welche Form die Fliesen und Platten haben und ob sie in Wohn- oder Geschäftsräumen oder in Räumen verlegt werden, die einer industriellen Fertigung dienen (Blätter für Berufskunde, 1-II C 203, S. 3). Nach dem Wortlaut der tariflichen Bestimmung ist auch nicht maßgeblich, ob die Fliesen besondere Eigenschaften aufweisen, d. h. ob sie zum Beispiel frostsicher, rutschfrei, glasiert oder rauh, farbig oder weiß, feuer- oder säurefest sind. Dies richtet sich nach der Zweckbestimmung der Verkleidung, auf die in § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 14 BRTV-Bau jedoch nicht abgestellt wird. Das gleiche gilt für die Haftmasse, mit der die Fliesen fest mit dem Untergrund verbunden werden. Für die tarifliche Einordnung ist nicht von Bedeutung, ob die Fliesen im Mörtelbett verlegt oder mit Spezialkleber mit dem Untergrund verbunden werden (Blätter für Berufskunde, aaO).

Zum Berufsbild des Fliesenlegers gehört ferner die Herstellung von notwendigen Dämm- und Sperrschichten, Putzuntergründen und Estrichen sowie die Herstellung von chemisch beständigen Belägen. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Ziff. 3, Abs. 2 Ziff. 5, Ziff. 22, § 5 Abs. 1 Ziff. 2 d der Verordnung über das Berufsbild und die Prüfungsanforderungen im praktischen und fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk vom 21. Mai 1977 (BGBl I, S. 725 f.). Entgegen der Auffassung der Revision ist eine betriebliche Tätigkeit, die sich auf bestimmte Spezialgebiete des Fliesenlegerhandwerks spezialisiert, wie zum Beispiel die Herstellung von chemisch beständigen Belägen in Labors und Industrieanlagen, dem Fliesenlegerhandwerk zuzurechnen (Blätter für Berufskunde, aaO, S. 5).

Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß der Betrieb der Beklagten nicht als Betrieb des "Säurebaus" nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 BRTV-Bau von dessen fachlichem Geltungsbereich ausgenommen ist. Mit der Aufzählung der nicht vom Geltungsbereich des BRTV-Bau erfaßten Betriebe in § 1 Abs. 2 Abschnitt VII BRTV-Bau bringen die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck, daß diese Betriebe, auch wenn sie unter die Merkmale der vorangehenden Abschnitte des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau fallen, trotzdem nicht von dessen fachlichem Geltungsbereich erfaßt werden sollen (BAG Urteil vom 5.Juni 1985 - 4 AZR 533/83 - AP Nr. 67 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Beim Betrieb der Beklagten handelt es sich jedoch nicht um einen solchen des Säurebaus. Dies kann allerdings nicht schon daraus geschlossen werden, daß die Tarifvertragsparteien in der ab 1. Januar 1985 in Kraft getretenen Fassung des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 BRTV- Bau nur noch Betriebe der Säurebauindustrie vom fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau ausgenommen haben. Der Geltungsbereich eines bestehenden und praktisch angewendeten Tarifvertrages kann durch eine spätere Tarifnorm grundsätzlich nicht verändert werden (vgl. BAG Urteil vom 23. September 1981 - 4 AZR 108/79 - AP Nr. 35 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Demgemäß hat das Landesarbeitsgericht auch zutreffend seiner Entscheidung den in § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 BRTV-Bau in der Fassung vom 3. Februar 1981 verwendeten Begriff des Säurebaus zugrunde gelegt.

Der Begriff des Säurebaus hat keinen festumrissenen Inhalt. Er wird in dieser Form nicht im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet. Im berufskundlichen Schrifttum finden sich die Berufsbezeichnungen Säurebauhelfer, Säurebaurüster, Säurebauwerker und Werker im Säureschutzbau (Molle, Wörterbuch der Berufs- und Berufstätigkeitsbezeichnungen, S. 663, 848). Die Tätigkeit des Säurebauhelfers ist gekennzeichnet durch Fertigkeiten und Kenntnisse im Kochen von bituminösen Massen, Anrühren von Säuren, Kitten und Mörteln, Mischen von Kunststoffmassen, Bedienen von im Säurebau eingesetzten Maschinen, z. B. Kittmischern, Bitumenkochern usw. sowie dem Vorbehandeln von Plattenmaterialien (vgl. BRTV-Bau i. d. F. vom 1. April 1971, Anhang 3, Berufsbestimmung und Berufsbilder für die Berufe der Deutschen Bauwirtschaft, Gruppe IV). Zum Berufsbild des Säurebauwerkers gehört ferner das Ausführen von säurefesten Arbeiten einfacher Art, wie z. B. die Herstellung von Wand- und Bodenbelägen mit und ohne Verwendung von säurefesten Platten (Molle, aaO, S. 663). In der Klassifizierung der Berufe, systematisches und alphabetisches Verzeichnis der Berufsbenennungen (herausgegeben von der Bundesanstalt für Arbeit, 1985) werden der Rüster (Säureschutzbau), Säurebauarbeiter und Säurebaurüster der Gruppe der Behälterisolierer (Nr. 4824) und der Säurebauwerker und der Werker im Säureschutzbau der Gruppe der Isoliererhelfer (Nr. 4827) zugeordnet.

Auch dem Rahmentarifvertrag für die Säureschutzindustrie vom 8. Januar 1983, der am 1. Januar 1983 in Kraft getreten ist, und zwischen dem Rheinischen Unternehmerverband Steine und Erden e. V. und der IG Bau Steine Erden abgeschlossen wurde, läßt sich keine eindeutige Bestimmung des Begriffs des Säurebaus entnehmen. Der fachliche Geltungsbereich erfaßt sowohl Betriebe, die feuerfeste und säurefeste Steine und Erzeugnisse herstellen, gewinnen, be- und verarbeiten oder vertreiben in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Niedersachsen, als auch die Säureschutzindustrie in der Bundesrepublik und Westberlin sowie u. a. in Rheinland-Pfalz Betriebe des Apparate- und Anlagenbaus aus Kunststoff für den Säurebau sowie die Herstellung von Kunststoffrohren.

Unter Berücksichtigung der von der Revision beigebrachten Auskunft der Säurefliesnervereinigung e. V. und der vom Landesarbeitsgericht aus dem herkömmlichen Gebrauch der Wörter "Säure" und "Bau" abgeleiteten Begriffsbestimmung ergibt sich damit, daß unter Säurebau jedenfalls die Erstellung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von baulichen Anlagen, die der Produktion, Aufbewahrung oder Beseitigung chemischer Stoffe dienen, unter Verwendung von Werkstoffen, die gegen die chemischen Einflüsse resistent sind, zu verstehen ist. Allerdings müssen dem Säurebau auch diejenigen Tätigkeiten zugeordnet werden, die dazu dienen, konstruktive Bauteile, die aus üblichen statisch tragenden Konstruktionen hergestellt sind, durch Oberflächenbekleidungen mit chemisch widerstandsfähigen Schutzschichten zu schützen. Auch wenn der so bezeichnete "Säureschutzbau" vom tariflichen Begriff des "Säurebaus" mit umfaßt wird, führt dies entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1) nicht dazu, daß ihr Betrieb vom fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau ausgenommen ist.

Zwar werden auch von Betrieben des Säurebaus und des Säureschutzbaus zum Oberflächenschutz Fliesenverlegearbeiten durchgeführt. Insoweit überschneidet sich der Tätigkeitsbereich des Säurebaus bzw. des Säureschutzbaus mit dem des Fliesenlegerhandwerks, in dessen Tätigkeitsbereich ebenfalls die Herstellung chemisch beständiger Beläge gehört. Auch mag es sein, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert wurde, daß im Zuge zunehmender Spezialisierung sich mehr Betriebe des Fliesenlegerhandwerks mit der Herstellung säurefester Boden- und Wandbeläge befassen und dabei, wie die Beklagte zu 1) geltend macht, die Herstellung des chemikalienbeständigen Untergrundes gegenüber den reinen Verlegearbeiten in den Vordergrund der betrieblichen Tätigkeit rückt. Damit ist ein solcher Betrieb des Fliesenlegerhandwerks aber noch nicht ohne weiteres dem Säure- oder Säureschutzbau zuzurechnen. Ein Betrieb, der mit Methoden des Fliesenlegerhandwerks Teilarbeiten des Säureschutzbaus verrichtet, bleibt Fliesenlegerbetrieb als der spezielleren Tätigkeit gegenüber dem Säureschutzbau, der wiederum nur ein Teil des Säurebaus ist. Der Betrieb der Beklagten zu 1) ist aber nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit seiner überwiegenden Tätigkeit diesem spezielleren Fliesenlegerhandwerk zuzuordnen.

Das Landearbeitsgericht hat festgestellt, daß die überwiegende betriebliche Tätigkeit auf das Verlegen von Fliesen und Platten entfällt und die Arbeitsausführung in einer für derartige Arbeiten typischen Weise erfolgt. Damit hat das Landesarbeitsgericht, der Senatsrechtsprechung folgend, zum einen auf die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit und zum anderen auf die Arbeitsmethoden abgestellt (BAG Urteil vom 25. November 1981 - 4 AZR 289/79 - AP Nr. 36 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; Urteil vom 18. Juni 1986 - 4 AZR 195/85 - nicht zur Veröffentlichung bestimmt). Als Bestätigung für die Auffassung des Landesarbeitsgericht kann ferner herangezogen werden, daß die Beklagte als Betrieb des Fliesenlegerhandwerks in die Handwerksrolle eingetragen ist (BAG Urteil vom 21. Januar 1981 - 4 AZR 856/78 - AP Nr. 33 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; Urteil vom 18. Januar 1984 - 4 AZR 13/82 - AP Nr. 59 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Die Revision hat die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgericht auch mit keiner zulässigen Verfahrensrüge angegriffen. Die Revision rügt zwar, daß das Landesarbeitsgericht gegen seine Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO verstoßen habe, weil es nicht weiter aufgeklärt habe, welche Bedeutung der Verwendung der für den Säurebaubereich typischen Gerätschaften, wie Kugelmühlen und Dissolvern zukommt. Diese Rüge geht jedoch schon deshalb fehl, weil die Revision nicht angibt, welche Fragen hätten gestellt werden müssen und was die Beklagten darauf erwidert hätten (BAG Urteil vom 23. Februar 1962 - 1 AZR 49/61 - AP Nr. 8 zu § 322 ZPO; Urteil vom 6. Juni 1973 - 4 AZR 387/72 - AP Nr. 70 zu §§ 22, 23 BAT; Urteil vom 7. September 1983 - 7 AZR 101/82 - in Auffarth/Schönherr, ArbGG, B § 72-80/16).

Auch die übrigen Verfahrensrügen der Revision haben keinen Erfolg. So rügt die Revision, daß das Landesarbeitsgericht nicht durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und Einholung einer Auskunft der Säurefliesnervereinigung Beweis über die Behauptung der Beklagten erhoben habe, daß es sich bei den ausgeführten Arbeiten um Säureschutzbauarbeiten handele. Da der Sachverhalt hinsichtlich der von der Beklagten zu 1) ausgeführten Arbeiten jedoch unstreitig ist, ist für einen Sachverständigenbeweis nach § 402 ff. ZPO kein Raum. Ob und inwieweit das Landesarbeitsgericht nach § 144 ZPO zur Sachaufklärung und zur eigenen fachlichen Unterrichtung einen Sachverständigen von Amts wegen einschalten will, was vorliegend in Betracht gekommen wäre, liegt in seinem pflichtgemäßen, vom Revisionsgericht nur beschränkt überprüfbaren Ermessen (BAG Urteil vom 29. August 1984 - 4 AZR 309/82 - AP Nr. 93 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil vom 1. September 1982 - 4 AZR 1134/79 - AP Nr. 68 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Es ist nicht ersichtlich, daß das Landesarbeitsgericht dieses Ermessen überschritten hat. Mit der von ihm gegebenen Begründung konnte es durchaus den Betrieb der Beklagten zu 1) dem Fliesenlegerhandwerk zuordnen und von einem Betrieb des Säurebaus abgrenzen. Aus demselben Grunde war das Landesarbeitsgericht nicht gehalten, eine Auskunft der Säurefliesnervereinigung, die nicht einmal zu den Tarifvertragsparteien gehört, einzuholen (vgl. BAG Urteil vom 25. August 1982 - 4 AZR 1064/79 - AP Nr. 55 zu § 616 BGB).

Die Revision war damit mit der Kostenfolge nach § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Freitag

Hauk Wiese

 

Fundstellen

Dokument-Index HI439511

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