Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsverhältnis eines Chefarztes. Ansforschüngsbeweis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Daß der Chefarzt eines Krankenhauses oder einer Abteilung eines Krankenhauses bei seiner rein ärztlichen Tätigkeit, d. h. bei der Behandlung der Patienten, eigenverantwortlich und an Weisungen des Krankenhausträgers nicht gebunden ist, schließt nicht aus, daß sein Beschäftigungsverhältnis dennoch ein Arbeitsverhältnis sein kann. Ein Arbeitsverhältnis ist es dann, wenn der Chefarzt im übrigen im wesentlichen weisungsgebunden und damit vom Krankenhausträger persönlich abhängig ist.

2. Es ist kein unzulässiger Ausforschungsbeweis, wenn eine Partei eine Tatsache unter Beweis stellt, die sie zwar nicht unmittelbar weiß und auch gar nicht wissen kann, aber auf Grund anderer ihr bekannter Tatsachen vermuten darf.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 1-2; ZPO §§ 138, 373

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 28.04.1960; Aktenzeichen Sa 809/59 III)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bayern in München, III. Kammer, vom 28. April 1960 – Sa 809/59 III – aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der im Jahre 1908 geborene Kläger ist Facharzt für Innere Krankheiten. Er war vom 1. Juni 1934 bis zum 22. November 1945 Assistenzarzt bei der Ersten Medizinischen Klinik der Universität M.. Im August 1946 stellte ihn der Beklagte als Leiter der damals neu eröffneten Inneren Abteilung seines Kreiskrankenhauses an. Diese Abteilung wurde zunächst aus Platzmangel nicht in W., sondern bis Dezember 1952 in D. geführt. Durch Vertrag vom 1. Dezember 1947 wurde der Kläger als Chefarzt der Inneren Abteilung in die Vergütungsgruppe II der TO.A eingestuft mit dem Recht, allen Privatpatienten sein Honorar zu liquidieren, seine Privatpraxis im Krankenhaus zu betreiben und die Einrichtungen des Krankenhauses dafür zu benutzen.

Vor der Anstellung des Klägers gab es im Kreiskrankenhaus nur die Chirurgische Abteilung. Deren Chefarzt war der 1945 von der Militärregierung eingesetzte Dr. von F. Er war fünf Jahre jünger als der Kläger, stammte aus S., war in I. zum Arzt ausgebildet worden und im Jahre 1940 nach D. gekommen. Zwischen den beiden Chefärzten kam es, besonders nachdem die Innere Abteilung des Klägers 1952 nach W. verlegt worden war und beide Ärzte in demselben Hause arbeiteten, zu einer starken Spannung, die zu mehreren Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, zu Veröffentlichungen in der Presse und zu innerer Unruhe im Krankenhaus führte, und die bis zum Tode des Dr. von F. im Juni 1958 andauerte.

Auf Beschluß des Kreistages vom 28. Juni 1958 kündigte der Landrat dem Kläger zum 31. Dezember 1958, nachdem sich der Kläger zu dem Angebot des Kreises, gegen eine Abfindung von 15.000 DM auszuscheiden, nicht geäußert hatte. Der Kläger blieb noch bis zum 28. Februar 1959 im Dienst; über die Fortsetzung oder Erneuerung des Dienstverhältnisses über diesen Zeitpunkt hinaus kam keine Einigung zustande.

Der Kläger hat nach dem Kündigungsschutzgesetz auf Feststellung geklagt, daß sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden sei. Der Beklagte hält das Kündigungsschutzgesetz nicht für anwendbar, weil der Kläger als Chefarzt nicht Arbeitnehmer sei. Er stützt seine Kündigung auf das Verhalten des Klägers im Streit mit Dr. von F., auf andere Verletzungen seiner Dienstpflichten und auf dringende betriebliche Erfordernisse. Hilfsweise hat er beantragt, das Vertragsverhältnis nach §§ 7, 8 KSchG gegen Abfindung aufzulösen. Der Kläger hat gebeten, diesen Hilfsantrag abzuweisen, andernfalls die Abfindung auf 100.000 DM festzusetzen.

Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben und den Auflösungsantrag des Beklagten abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es bejaht die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers und führt aus, daß den Kläger bei seinem Streit mit Dr. von F. keine Schuld treffe, daß auch sonst keine zur Kündigung ausreichenden Verfehlungen des Klägers festzustellen seien und daß die Kündigung auch nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sei.

Dieses Urteil greift der verklagte Landkreis mit der Revision an.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision des beklagten Landkreises ist zulässig. Der Beklagte hat zwar weder in seiner Revisionsschrift noch in seiner Revisionsbegründungsschrift einen ausdrücklicher, Revisionsantrag gestellt. Das hat er erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist nachgeholt. Dennoch ist die Revision nicht unzulässig, wie der Kläger meint. Denn eine Revisionsbegründung genügt auch ohne einen ausdrücklichen Revisionsantrag den Anforderungen des § 554 Abs. 3 ZPO, wenn sie nur unzweifelhaft erkennen läßt, in welchem Umfange das Berufungsurteil angegriffen werden soll (BAG 1, 36 [38]). Das ist hier der Fall. Aus der Revisionsbegründung geht eindeutig hervor, daß der Beklagte das Berufungsurteil in vollen Umfange anfechten will und die Klageabweisung erstrebt.

II. Ohne Rechtsirrtum nimmt das angefochtene Urteil an, daß gegen die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte sowie gegen die Rechtsgültigkeit der Kündigungserklärung des Landrats keine Bedenken bestehen und daß der Betriebsrat zu der Kündigung nicht gehört zu werden brauchte. Der Kläger kann aber mit seiner auf § 1 Abs. 2 KSchG gestützten Klage nur durchdringen, wenn er in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Landkreis gestanden hat; denn nur Arbeitsverhältnisse genießen den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 Abs. 1 KSchG).

Das angefochtene Urteil hat mit zutreffenden Gründen das zwischen den Parteien bestehende Vortragsverhältnis als ein Arbeitsverhältnis und damit den Kläger als Arbeitnehmer angesehen.

Ein Arbeitsverhältnis im Gegensatz zu einem freien Dienstverhältnis liegt nach allgemeiner Ansicht dann vor, wenn der Verpflichtete nicht nur wirtschaftlich, sondern auch persönlich von dem Dienstberechtigten abhängig, d. h. bei seiner Arbeit an dessen Weisungen gebunden ist (vgl. BAG in AP Nr. 7 zu § 5 ArbGG mit Nachweisen). Diese Auffassung hat in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB für den Fall des Handelsvertreters ihren Niederschlag gefunden. Für dessen Selbständigkeit ist maßgebend, daß er „im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann”.

Der Ansicht von Nipperdey in seinem 1949 erstatteten Gutachten „Chefarzt und Krankenhaus” (Sonderdruck aus „Der Krankenhausarzt” 1949 Heft 4, S. 4 [17 – 21]), daß der Chefarzt eines Krankenhauses niemals Arbeitnehmer sei, ist das angefochtene Urteil mit Recht nicht gefolgt. Es ist zwar zuzugeben, daß der Chefarzt bei seiner rein ärztlichen Tätigkeit selbständig ist. Denn insoweit, also bei der Behandlung seiner Patienten, darf ihn aus Gründen der ärztlichen Standesethik der Träger der Krankenhäuser keine Weisungen erteilen und kann es auch tatsächlich aus Mangel an Sachkenntnis nicht. Der Chefarzt ist insoweit in keiner wesentlich anderen Lage wie etwa ein vertraglich mit wissenschaftlichen Forschungsaufgaben beauftragter Physiker oder Chemiker eines Betriebes, der trotzdem in aller Regel nach seinem Vertrag als Arbeitnehmer zu gelten hat. Es gab und gibt darüber hinaus auch Arbeitsverhältnisse, bei denen dem Arbeitgeber eine Einflußnahme auf die sachliche Ausübung der Tätigkeit des Arbeitnehmers rechtlich versagt ist. So waren in einigen deutschen Ländern nach dem Zusammenbruch des Reichs im Jahr 1945 die Richter Angestellte und damit Arbeitnehmer des Staates, obwohl sie in ihrer rechtsprechenden Tätigkeit an Weisungen ihrer Dienstherren nicht gebunden waren. Ähnliches gilt für den Schiffskapitän, der – ohne daß sich der Reeder einmischen darf – die alleinige nautische Verantwortung trägt, der aber trotzdem Arbeitnehmer ist, wie auch § 22 Abs. 4 KSchG zeigt (vgl. hierzu Molitor, Rechtsgutachten „Krankenhaus und Chefarzt”, Schriften der deutschen Krankenhausgesellschaft Nr. 1 Köln 1953, S. 14).

Die notwendige Weisungsfreiheit des Chefarztes bei Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit steht somit der Annahme eines abhängigen Angestelltenverhältnisses nicht entgegen. Das ist auch in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung bisher stets anerkannt worden (RAG ARS 15, 528 ff; 15, 550 ff; LAG Düsseldorf, Außenkammern Köln, Betrieb 1951 S. 272; LAG München, AP 50 Nr. 20; LAG München RdA 51, 480; OAG Rheinland-Pfalz, JZ 1952 S. 232; Oberlandesarbeitsgericht Tübingen, RdA 1952 S. 359; LAG Baden-Württemberg, Außenkammern Mannheim, Betrieb 1960 S. 1159 = BB 1960 S. 959 u. a.). Der erkennende Senat ist in seinem. Urteil vom 10. November 1955 (BAG 2, 221 = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) ebenfalls von der Arbeitnehmereigenschaft der Chefärztin einer Röntgenabteilung ausgegangen.

Die Frage, ob ein Chefarzt in einem abhängigen Arbeitsverhältnis oder in einem selbständigen Dienstverhältnis zum Krankenhausträger steht, läßt sich nicht allgemein, sondern nur auf Grund der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles beantworten. Entscheidend ist darauf abzustellen, ob der Chefarzt, wenn er auch in der Ausübung seines ärztlichen Berufs eigenverantwortlich ist, im übrigen bei seiner Tätigkeit in wesentlichen von Krankenhausträger persönlich abhängig und an dessen Weisungen gebunden ist. Im vorliegenden Falle rechtfertigen die rechtliche Ausgestaltung sowie die tatsächliche Handhabung des Dienstverhältnisses des Klägers die Annahme einer solchen Abhängigkeit.

Der Kläger war zur hauptberuflichen Beschäftigung auf unbestimmte Zeit angestellt. Das Dienstverhältnis beanspruchte fast seine ganze Arbeitskraft. Er mußte Dienststunden einhalten, die Dauer seines Erholungsurlaubs war fest bestimmt, er durfte jährlich nur bis zu 14 Tagen an ärztlichen Fortbildungskursen teilnehmen. Zwar wurde ihm das Recht zur Ausübung einer Privatpraxis zugestanden; diese mußte sich aber nach § 5 Abs. 1 des Dienstvertrages vom 1. November 1946, der durch die anläßlich der Ernennung des Klägers zum Chefarzt der Inneren Abteilung am 1. Dezember 1947 neu vereinbarten Anstellungsbedingungen nicht aufgehoben, sondern nur ergänzt wurde, auf die Sprechstunde im Krankenhaus beschränken. Er war auf Grund seines Anstellungsvertrages zur Behandlung sämtlicher Krankenhauspatienten aller Verpflegungsklassen ohne Rücksicht auf sein Liquidationsrecht verpflichtet. Hilfsbedürftige und Fürsorgepatienten mußte er unentgeltlich behandeln. Er unterstand zuletzt sogar mit der von ihm geleiteten Krankenhausabteilung in organisatorischer Hinsicht einem durch Beschluß des Kreistages des Beklagten vom 14. Februar 1953 bestellten ärztlichen Direktor des Krankenhauses, der die Gesamtleitung inne hatte und das Krankenhaus in ärztlich-hygienischen Fragen, die die Chirurgische und die Interne Abteilung gemeinsam berührten, nach innen und außen vertrat. Der ärztliche Direktor hatte für die reibungslose Zusammenarbeit der Krankenhausabteilungen zu sorgen und über die Einhaltung der vom Kreisausschuß des Beklagten erlassenen Dienstordnung zu wachen. Er regelte und beaufsichtigte den Aufnahmedienst sowie die Verteilung des Pflege- und Schwesternpersonals und hatte bei Meinungsverschiedenheiten das Entscheidungsrecht.

Ferner ist von Bedeutung, daß sich das Dienstverhältnis des Klägers nach den einschlägigen Tarifwerken des öffentlichen Dienstes richtete und in dem Dienstvertrag vom 1. Dezember 1947 auch ausdrücklich als Arbeitsverhältnis bezeichnet ist. Die Parteien sind also selbst vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ausgegangen. Der Kläger hatte auch einen Disziplinarvorgesetzten in der Person des Landrats des beklagten Landkreises. Seinen Krankheits- und Urlaubsvertreter bestellte er nicht selbst; dafür sorgte vielmehr der beklagte Landkreis, der auch die Kosten hierfür zu tragen hatte. Überhaupt war die Auswahl und Bestellung sämtlicher Hilfskräfte ausschließlich Angelegenheit des Beklagten, wenn dies auch im Einvernehmen mit dem Kläger geschehen sollte.

Für das Vorliegen eines unselbständigen Dienstvertrages spricht schließlich noch, daß der beklagte Landkreis nach den Anstellungsbedingungen verpflichtet war, den Kläger gegen die gesetzliche Haftpflicht aus seiner Tätigkeit als Chefarzt zu versichern. Der Kläger selbst trug also kein Unternehmerrisiko.

Das dem Kläger eingeräumte Recht zur eigenen Liquidation gegenüber den Privatpatienten des Krankenhauses deutet nicht auf ein selbständiges Dienstverhältnis hin (RAG ARS 15, 550 [552]). Es handelt sich hierbei nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nur um eine andere Form der Gehaltszahlung, die den besonderen Umständen Rechnung trägt. Die Eigenliquidation ist Teil des Entgelts für die vom Chefarzt auf Grund seines Dienstvertrages zu erbringende Gesamtleistung (BGHZ 7, 1 [12 ff.]; Molitor, „Chefarzt und Krankenhaus” S. 74 ff.). Das ergibt sich für den vorliegenden Fall eindeutig aus § 5 des Dienstvertrages vom 1. November 1946 und Ziff. II der Anstellungsbedingungen vom 1. Dezember 1947. Dort wird ausdrücklich zwischen der Privatpraxis des Klägers und der Behandlung der Privatpatienten des Krankenhauses, gegenüber denen dem Kläger das Eigenliquidationsrecht zusteht, unterschieden.

Soweit die Revision aus der Höhe des Einkommens des Klägers das Vorliegen eines selbständigen Dienstvertrages herleiten will, kann ihr nicht gefolgt werden. Die Höhe des Einkommens bildet kein kennzeichnendes Merkmal des Arbeitnehmers (RAG ARS 15, 550). Das Landesarbeitsgericht brauchte deshalb die Steuerakten des Klägers zur Feststellung der Höhe seines Einkommens nicht beizuziehen. Die dahingehende Rüge der Revision ist unbegründet.

III. Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter angenommen, daß dem Kläger keine selbständige Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis im Sinne des § 12 Buchstabe c KSchG eingeräumt war und diese Vorschrift deshalb die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes nicht ausschließt. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision gehen fehl.

Daß der beklagte Landkreis nach den Anstellungsbedingungen des Klägers die Hilfskräfte für das Kreiskrankenhaus im Einvernehmen mit dem Kläger auswählen und bestellen sollte, begründet für diesen keine selbständige Einstellungsbefugnis; denn die letzte Entscheidung hierüber lag beim Beklagten. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger Einstellungen oder Entlassungen im Krankenhaus auch tatsächlich nicht vorgenommen. Die in diesem Zusammenhang erhobene Revisionsrüge, das Landesarbeitsgericht habe unter Verletzung des § 139 ZPO den Landrat L. des Beklagten nicht über die tatsächliche Handhabung der Einstellungen und Entlassungen in dem Kreiskrankenhaus vernommen, ist unbeachtlich, weil sie nicht hinreichend mit Tatsachen belegt ist und daher den Anforderungen des § 554 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht genügt. Es fehlen vor allem Ausführungen darüber, was der Landrat im einzelnen zu der tatsächlichen Handhabung der Einstellungen und Entlassungen erklärt haben würde. Auch die weitere Rüge der Revision aus § 286 ZPO, das Landesarbeitsgericht habe den durch Benennung des Assistenzarztes Dr. U. angebotenen Beweis nicht erhoben, geht fehl. Dieser Zeuge sollte lediglich bekunden, der Kläger habe aus eigenem Entschluß seine Entlassung verlangt und schließlich beim Beklagten auch durchgesetzt. Das aber spricht gerade dafür, daß nicht der Kläger, sondern die Organe des beklagten Landkreises über die Entlassung zu entscheiden hatten und dieses Recht auch selbst ausübten.

Die dem Kläger vertraglich zugestandene Berechtigung, einen Medizinalpraktikanten nach eigener Wahl zu beschäftigen, hat das Landesarbeitsgericht mit Recht als unerheblich angesehen. Der Medizinalpraktikant ist ein nur zu seiner eigenen Ausbildung im Krankenhaus zugelassener Arztanwärter. Das Recht des Chefarztes, lediglich über die Beschäftigung eines solchen Arztanwärters allein zu entscheiden, kann ihm den Kündigungsschutz nicht nehmen. Bei der Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis im Sinne des § 12 Buchstabe c KSchG muß es sich um eine der leitenden Stellung des Angestellten entsprechende Berechtigung handeln Die Einstellungsbefugnis muß also Ausdruck der leitenden Funktion des Angestellten im Betriebe sein. Das ist sie aber jedenfalls dann nicht, wenn der leitende Angestellte nur einen einzelnen für den Betrieb nicht wesentlichen und entbehrlichen Posten besetzen darf.

IV. Nachdem das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsirrtum die Anwendbarkeit des KSchG auf den Kläger bejaht hatte, mußte es prüfen, ob die vom Beklagten angeführten Gründe die vom Kreistag beschlossene und vom Landrat erklärte Kündigung sozial rechtfertigen.

Die Ansicht der Revision, eine solche richterliche Nachprüfung schränke den Ermessens- und Beurteilungsspielraum des Kreistages als eines demokratisch gewählten öffentlich-rechtlichen Gremiums ein und verletze damit dessen Entfaltungs- und Gewissensfreiheit sowie das Subsidaritätsprinzip und gefährde die freiheitliche demokratische Grund-Ordnung, ist ganz unzutreffend. Die Revision verkennt daß der beklagte Landkreis sich hier zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben aus freiem Entschluß bürgerlich-rechtlicher Mittel bedient hat und mit dem Kläger ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis eingegangen ist. Hat er sich aber freiwillig auf den Boden des Privatrechts gestellt, dann muß er sich wie jeder Bürger behandeln und es sich gefallen lassen, daß seine bürgerlich-rechtlichen Maßnahmen von den Gerichten anbeschränkt auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft werden. Wollte man hier dem Kreistage des Beklagten einen der richterlichen Prüfung verschlossenen.

Beurteilungsspielraum zugestehen, dann würde der Beklagte insoweit Richter in eigener Sache sein, und dem Kläger würde in diesem Umfange der Rechtsschutz entzogen. Das aber widerspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen. Das Kündigungsschutzgesetz ist deshalb auch auf Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes in gleicher Weise wie auf solche der privaten Wirtschaft anzuwenden (vgl. BAG 3, 245 [24] Großer Senat; ständige Rechtsprechung des BAG).

V. Bei der Prüfung, ob die vom Beklagten ausgesprochene Kündigung sozial gerechtfertigt ist, ist das Landesarbeitsgericht von rechtlichen Erwägungen ausgegangen, denen im Ergebnis zuzustimmen ist.

Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung dann sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betriebe entgegenstehen, bedingt ist.

1. Das Landesarbeitsgericht hat vornehmlich geprüft, ob die vom Beklagten angeführten Umstände die Kündigung als verhaltensbedingt sozial rechtfertigen. Es ist der Ansicht, daß die Spannungen zwischen den beiden Chefärzten, die dem Ansehen des Kreiskrankenhauses in der Öffentlichkeit zweifelslos geschadet haben, die Kündigung nur rechtfertigen könnten, wenn der Kläger diese Spannungen verschuldet und durch sein Verhalten dazu beigetragen hätte, daß begründete Zweifel an seinen Qualitäten als Arzt und Mensch in der Bevölkerung des beklagten Landkreises entstehen konnten, deren Behebung auch bei ehrlichem Bemühen der dafür zuständigen Organe mit großer Wahrscheinlichkeit auf längere Sicht nicht möglich gewesen wäre.

Dagegen wendet sich die Revision mit der Begründung, das vom Landesarbeitsgericht aufgestellte Verschuldensprinzip bei der Würdigung der Kündigungsgründe sei rechtsirrig und widerspreche anerkannter Rechtsprechung und -lehre.

Der Revision ist zuzugeben, daß eine verhaltensbedingte Kündigung zu ihrer sozialen Rechtfertigung nicht in jedem Falle notwendig ein Verschulden des Arbeitnehmers voraussetzt, sondern auch ein schuldloses Verhalten des Arbeitnehmers unter besonderen Umständen den Arbeitgeber zur Kündigung zu berechtigen vermag (vgl. BAG AP Nr. 39 zu § 1 KSchG). Hier aber ist zu bedenken, daß der Kläger im Zeitpunkt der Kündigung schon 23 1/2 Jahre lang im öffentlichen Dienst stand. Hätte er bereits 25 Jahre im öffentlichen Dienst gestanden, so hätte ihm nach § 16 Abs. 4 TO.A nur noch mit der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grunde gekündigt werden können. Danach ist es nicht verfehlt, daß hier das Landesarbeitsgericht für das Durchgreifen einer verhaltensbedingten Kündigung ein schuldhaftes Verhalten des Klägers gefordert hat. Denn so kurz vor dem Eintritt der Unkündbarkeit müssen an verhaltensbedingte Kündigungsgründe strenge Anforderungen gestellt werden. Ein schuldloses Verhalten kann deshalb im vorliegenden Fall nicht mehr genügen. Davon abgesehen ist zu bedenken, daß das Verhalten des Klägers, wenn es im ganzen korrekt und mit seinen Dienstpflichten vereinbar war, auch das Vertrauen des Beklagten zum Kläger nicht zu beeinträchtigen und demgemäß auch nicht eine Verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen vermochte. Es ist also mit dem Landesarbeitsgericht davon auszugehen, daß die Spannungen mit den beiden Chefärzten und ihre Auswirkungen nur dann einen im Verhalten des Klägers liegenden Kündigungsgrund abgeben können, wenn der Kläger die Schuld an diesem Streit trägt oder durch sein Verhalten doch wesentlich zur Verschärfung der Spannungen beigetragen hat.

Dabei kommt es entscheidend auf den Zeitpunkt der Kündigung an. Das Landesarbeitsgericht hat allerdings auch Vorgänge beleuchtet, die sich nach dem Ausspruch der Kündigung ereignet haben, aber nur, um darzutun, daß an den vorangegangenen Ereignissen der Kläger nicht schuld sei. So gesehen ist die Betrachtung späterer Ereignisse bei der Prüfung, ob der Kläger an den Spannungen in dem Krankenhaus schuld war, nicht zu beanstanden (vgl. BAG 2, 245 [252]).

2. Ob hier in der Person des Klägers Gründe vorlagen, die die Kündigung rechtfertigen, hat das Landesarbeitsgericht nicht erörtert. Das ist nicht zu beanstanden. Denn nach einer fast 25jährigen Tätigkeit im öffentlichen Dienst vermögen Eigenschaften und Charakterzüge, die in einem nicht vorwerfbaren Verhalten zum Aasdruck gelangen, die Kündigung nicht zu rechtfertigen, überdies ist es abwegig, wenn die Revision so weit geht, aus den Hilfsantrag des Klägers, eine etwaige Abfindung auf die hohe Summe von 100.000 DM festzusetzen, charakterliche Mängel, nämlich „rücksichts- und gewissenlose Eigensucht und hemmungslose Geldgier” zu folgern.

3. Bei der Prüfung, ob betriebsbedingte Gründe die Kündigung rechtfertigen, hat es das Landesarbeitsgericht wiederum auf die Verschuldensfrage abgestellt. Es hat gemeint, die Spannungen in und mit der Schwesternschaft könnten deshalb eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen, weil der Kläger an diesen Spannungen nicht schuld gewesen sei. Dabei hat das Landesarbeitsgericht verkannt, daß eine betriebsbedingte Kündigung kein Verschulden des Arbeitnehmers voraussetzt. Das Landesarbeitsgericht hat ferner aus der Aussage der Zeugin Oberin P. entnommen, daß diese den Abzug der Schwesternschaft aus dem Krankenhaus des Beklagten nur für den Fall angedroht habe, daß der Streit der beiden Ärzte fortgesetzt werde, was aber nach Dr. von F. Tod nicht mehr der Fall sei. Dabei hat das Landesarbeitsgericht übersehen, daß die Zeugin diese Androhung erst im Oktober 1958, also nach Dr. von F. Tod, ausgesprochen hat.

Auf diesen Mängeln beruht das angefochtene Urteil aber nicht. Denn die betriebsbedingte Kündigung kommt, wie § 1 Abs. 3 KSchG ergibt, vornehmlich nur dann zum Zuge, wenn wegen Rationalisierungs- und Sparmaßnahmen, wegen Auftragsmangels oder aus ähnlichen aus dem Betriebe heraus entstandenen Gründen ein Arbeitsplatz überflüssig wird und es sich fragt, welcher von mehreren Arbeitnehmern weichen soll. Soll aber der Arbeitsplatz erhalten und nur mit einem anderen Arbeitnehmer als dem bisherigen besetzt werden, so ist für eine betriebsbedingte Kündigung wenig Raum. Ein schuldloses Verhalten eines Arbeitnehmers kommt für eine betriebsbedingte Kündigung unmittelbar überhaupt nicht und mittelbar höchstens dann in Betracht, wenn dadurch ein störender Dauerzustand geschaffen worden ist, dem nur durch eine Kündigung abgeholfen werden kann. Das kann allerdings auch dann der Fall sein, wenn zwischen zwei Arbeitnehmern eine so heftige Feindschaft besteht, daß der Betriebsfrieden nachhaltig gestört ist. Der Arbeitgeber kann sich dann u.U. genötigt sehen, einem von beiden oder auch beiden zu kündigen. Nachdem jedoch Dr. von F. gestorben war, konnte das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsverstoß annehmen, daß ein derartiger nur ausnahmsweise möglicher Anlaß für eine betriebsbedingte Kündigung nicht mehr gegeben war. VI. Hat somit das Landesarbeitsgericht zu Recht bei der Frage, ob das Verhalten des Klägers die Kündigung des Beklagten sozial rechtfertigt, darauf abgestellt, ob der Kläger schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt hat, so ist nunmehr zu prüfen, ob das Landesarbeitsgericht rechtlich zutreffend ein Verschulden des Klägers verneint hat und ob die prozessualen Rügen des Beklagten gegen die tatsächlichen dieser Schuldverneinung zugrunde liegenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts durchgreifen.

Diese Prüfung hat, wenngleich dem Landesarbeitsgericht im wesentlichen rechtlich zuzustimmen ist und die meisten prozessualen Rügen nicht durchgreifen, doch im Ergebnis zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht geführt.

1. Soweit das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, die Spannungen zwischen dem Chef Chirurgen und dem Kläger seien nicht vom Kläger hervorgerufen worden, greift die hierzu erhobene Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe sich nicht auf die im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren zu richterlichem Protokoll gegebene Aussage des Dr. L. stützen dürfen, nicht durch. Diese Aussage ist im Termin vom 11. Februar 1960 aus den zu Beweiszwecken beigezogenen Akten vorgelesen worden; dem hat der Beklagte nicht widersprochen. Ihre Verwertung war daher nicht unzulässig (vgl. RGZ 105, 221; RG DR 39, 183; Baumbach-Lauterbach, ZPO, 25. Aufl., Anm. 4 B zu § 286).

Mit Recht hat es das Landesarbeitsgericht dem Kläger nicht zur Last gelegt, daß er in Jahre 1951 die Mitteilung der M. Universitätsklinik, bei einem vom Kläger eingewiesenen früher von Dr. von F. operierten jüdischen Insassen eines DP-Lagers sei im Bauch ein Operationstuch gefunden worden, an den Landrat des beklagten Landkreises weitergegeben hatte. Denn eine solche Mitteilung des Klägers lag schon wegen der möglicherweise dem Beklagten drohenden Schadenersatzansprüche des Betroffenen im wohlverstandenen Interesse des Beklagten. Ebensowenig ist es rechtlich zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht dem Kläger eine auch zum Angriff übergehende Verteidigung gegen die im Strafverfahren von Dr. von F. erhobenen Vorwürfe zugebilligt hat.

Auch durfte das Landesarbeitsgericht davon absehen, den Behauptungen und Beweisanträgen des Beklagten über angebliche Fehldiagnosen des Klägers nachzugehen. Fehlleistungen gibt es in jedem Beruf. Einzelne Fälle von Fehldiagnosen im Laufe eines langen Arztlebens besagen daher nichts. Das Landesarbeitsgericht hat den Vorsitzenden der zuständigen ärztlichen Kreisvereinigung, Dr. P. gehört und aus seiner Aussage entnommen, daß der Kläger das volle ärztliche und menschliche Vertrauen seiner Kollegen genießt. Wenn es hieran die Schlußfolgerung knüpft, dieser Vertrauensbeweis der Kollegen wiege erheblich schwerer als nicht nachprüfbare Behauptungen von Patienten, die aus irgendwelchen Gründen mit der Behandlung des Klägers nicht zufrieden gewesen seien, hält das rechtlicher Nachprüfung stand.

Soweit das Landesarbeitsgericht eine Reihe von Behauptungen und Beweisantritten des Beklagten nach §§ 529 ZPO, 67 ArbGG als verspätet zurückgewiesen hat, greift die hierzu erhobene Rüge der Revision nicht durch. Denn daß das Berufungsgericht die Voraussetzungen dieser Bestimmungen verkannt habe, ist nicht ersichtlich.

2. Dagegen hat das Landesarbeitsgericht bei der Prüfung, ob der Kläger die Spannungen, die ohne sein Verschulden im Krankenhaus entstanden waren, in der Folgezeit schuldhaft verstärkt habe, wesentliche Beweisanträge des Beklagten Übergangen.

Einer der Hauptvorwürfe, den der beklagte Landkreis gegen den Kläger erhebt, ist der Vorwurf, er habe einen Artikel in der S. Z. der am 29. Mai 1958 während der schweren Erkrankung von Dr. von F. erschien und gegen diesen Partei nahm, veranlaßt.

Der Kläger hat in seinem Schriftsatz vom 14. April 1958 auf Seite 31 bestritten, auf den Artikel in der S. Z. mittelbar oder unmittelbar irgendeinen Einfluß ausgeübt zu haben. Es sei auch keine Information von ihm eingeholt worden. Er habe von dem Artikel erst nach seiner Veröffentlichung erfahren. Er sei lediglich mit dem Auslandsreporter der S. Z., K., gut bekannt und habe mit diesem im Frühjahr 1958 einmal über die Vorgänge im Krankenhaus gesprochen. Zwischen diesem Gespräch und dem Artikel in der S. Z. vom 29. Mai 1958 bestehe aber, wie der Kläger in das Zeugnis des Reporters K. gestellt hat, kein Zusammenhang. Das Landesarbeitsgericht ist dieser vom Kläger bestrittenen Behauptung nachgegangen und hat Beweis darüber erhoben, ob der Kläger den am 29. Mai 1958 in der S. Z. veröffentlichten Artikel veranlaßt hat. Daß das Landesarbeitsgericht dies getan hat, war rechtlich nicht verfehlt. Zwar war dieser Artikel nicht die erste Zeitungsveröffentlichung über den Ärztestreit im Krankenhaus des Beklagten, aber voran ging ihr nach dem Vorbringen der Parteien anscheinend nur eine schon über ein Jahr zurückliegende Veröffentlichung im örtlichen Kreisblatt, dem I., vom 29. September 1957, die nur ein Bericht über eine Kreistagssitzung war. Jetzt erschien nun in der weitverbreiteten S. Z. ein Artikel, der die Vorgänge im Lichte des Klägers brachte, und zwar zu einem Zeitpunkt, in dem wegen der Krankheit des Chefchirurgen der Streit nicht akut war und in dem gerade wegen der Krankheit ein Angriff oder auch nur eine aggressive Verteidigung gegen Dr. von F. weder geboten noch angebracht war. Wenn nun der Kläger, was er bestreitet, tatsächlich den Artikel vom 29. Mai 1958 in der S. Z. veranlaßt haben sollte, so hätte er damit in der Tat schuldhaft die bereits bestehenden Spannungen verstärkt und vertieft und das Landesarbeitsgericht hätte dann durchaus in Betracht ziehen können, ob ein solches Verhalten des Klägers seine Kündigung sozial rechtfertigen würde, wobei das Landesarbeitsgericht dann allerdings noch eine die langjährige Tätigkeit des Klägers für den Beklagten mitumfassende Gesamtwürdigung hätte vornehmen müssen.

Das Landesarbeitsgericht hat nun zu dieser mit Hecht von ihm für aufklärungsbedürftig erachteten Behauptung des Beklagten die Zeugen v. H., M. und R. gehört, hat es aber abgelehnt; noch weitere in diesem Zusammenhang benannte Zeugen zu hören. Der Beklagte hatte in seiner Berufungsbegründung vom 29. September 1959 vorgetragen, wenige Tage vor dem Erscheinen des Zeitungsartikels in der S. Z. habe bei der Ehefrau des Landrats R. ein Zusammentreffen zwischen dem Kläger, Frau R., dem Redakteur S. der S. Z. sowie Herrn Sch. stattgefunden. Bei dieser Zusammenkunft sei ganz offensichtlich der Artikel besprochen und abgesprochen worden. Der Kläger hat ein derartiges Zusammentreffen bestritten und vorgetragen, er sei in der Zeit vor dem Erscheinen des Artikels überhaupt nicht mehr im R. Hause gewesen. Das Landesarbeitsgericht hat die von der Beklagten benannten Zeugen, Frau R., S. und Sch. nicht vernommen. Es hat vielmehr in diesem Beweisantritt einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gesehen.

Die hiergegen erhobene Rüge greift durch. Der Beklagte hat mit seinem Worte „offensichtlich” zwar zu erkennen gegeben, daß er seine Behauptung auf Grund einer die ihm bekannten Tatsachen kombinierenden Vermutung aufstellt. Das macht aber seinen Beweisantrag noch nicht zu einem Ausforschungsbeweis. Ein solcher liegt nur vor, wenn der Beweis aufs Geratewohl und auf bloße Vermutungen angetreten ist, ohne daß der Beweisführer für seine Behauptungen tatsächlichen Anhalt hat und die von ihm erstrebte Beweisaufnahme erst die Grundlage zu neuen erheblichen Behauptungen abgeben soll (vgl. Rosenberg, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 8. Aufl. S. 562; RGZ 169, 224 und 283; RAG 17, 295; Duntz in NJW 56, 769). Hier hat der Beklagte die seine Vermutung stützenden Tatsachen – Zusammentreffen im R. Hause wenige Tage vor dem Erscheinen des Artikels – vorgetragen; er hat sodann durch sein Wort „offensichtlich” zum Ausdruck gebracht, daß er auf Grund dieser von ihm behaupteten Tatsachen die weitere Behauptung aufstellen darf und auf stellt, es sei bei/dieser Zusammenkunft der Artikel abgesprochen worden. Das ist eine Tatsachenbehauptung, die nur dadurch ein besonderes Gepräge erhalten hat, daß der Beklagte – damit seiner Wahrheitspflicht aus § 138 ZPO Rechnung tragend – noch angegeben hat, wie er – obwohl bei dieser Zusammenkunft nicht anwesend – zur Aufstellung seiner Behauptung gekommen ist Dabei ist zu bedenken, daß die Partei sich im Zivilprozeß auf einem schmalen Grat zwischen Wahrheitspflicht einerseits und dem Zwange zu strikten Beweisantritten andererseits befindet und deshalb bei Vorgängen, an denen sie nicht beteiligt war, oft genötigt ist, mehr zu behaupten, als sie weiß (vgl. Duntz aaO). Das darf aber nicht dazu führen, ihre Beweisanträge abzuschneiden (vgl. RAG 17, 295). Das Landesarbeitsgericht hätte daher diesen Beweisanträger des beklagten Kreises entsprechen müssen und wird dies nunmehr nachzuholen haben.

Bestätigt die Beweisaufnahme die Behauptung des Beklagten, daß der Kläger den Zeitungsartikel inspiriert hat, so könnten auch weitere Behauptungen des Beklagten an Bedeutung gewinnen, nämlich die unter Beweis gestellte Behauptung des Beklagten, der Kläger habe die in der Zeitung als Leserbriefe veröffentlichten Zuschriften seiner Hausangestellten und seiner Arzthelferin veranlaßt und habe sich zu keiner gemeinsamen Medikamentenbestellung und keiner gemeinsamen Nachtdienstordnung mit der Chirurgischen Abteilung bewegen lassen. Das Landesarbeitsgericht hat die hierzu angetretenen Beweise nicht erhoben. Für sich allein würde das behauptete Verhalten des Klägers allerdings kaum einen triftigen Kündigungsgrund darstellen. Es könnte aber doch sein, daß diese vom Kläger bestrittenen Vorgänge, falls sie erwiesen wären, das Bild abrunden. Durch die Leserzuschriften konnte in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt werden, daß die Bevölkerung hinter dem Kläger stehe. Wenn es sich dabei aber um gelenkte Zuschriften handelte, hätte der Kläger mit bedenklichen Mitteln einen falschen Eindruck erwecken wollen.

Bei der angeblichen Weigerung des Klägers, sich an gemeinsamer Medikamentenbestellung und der Regelung des Nacht,- und Sonntagsdienstes zu beteiligen, ist zu bedenken, daß auch bei persönlichen Differenzen der Arzt im Interesse der Patienten und des Krankenhauses sich der sachlichen betriebsdienlichen Zusammenarbeit nicht versagen darf, was ja der Kläger auch durchaus als seine Pflicht anerkennt. Wenn das Landesarbeitsgericht gemeint hat, es sei Aufgabe des Beklagten gewesen, den hierfür benannten Zeugen Dr. D., als dieser gemäß Beweisbeschluß vom 16. Februar 1960 zu einem anderen Beweisthema gehört wurde, hiernach zu befragen, so kann dem nicht zugestimmt werden. Die Partei hat nur das Recht, Fragen im Rahmen des vom Gericht im Beweisbeschluß vorgesehenen Beweisthemas zu stellen; aber nicht andere Beweisthemen in die Beweisaufnahme hineinzuziehen.

VII. Die Gründe, aus denen das Landesarbeitsgericht den Hilfsantrag des Beklagten aus § 7 Abs. 1 Satz 2 KSchG auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung abgelehnt hat, sind ebenfalls nicht frei von Rechtsirrtum. Nach der genannten Vorschrift hat das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn der Arbeitgeber dies aus Gründen verlangt, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht erwarten lassen. Der Antrag des Arbeitgebers ist jedoch abzulehnen, wenn der Arbeitnehmer die Unrichtigkeit dieser Gründe in wesentlichen Punkten beweist oder wenn die Kündigung offensichtlich willkürlich oder aus nichtigen Gründen unter Mißbrauch der Machtstellung des Arbeitgebers im Betrieb erfolgt ist.

Als Auflösungsgrund hat der Beklagte geltend gemacht, daß durch den Streit der Ärzte und seine Folgeerscheinungen die Stellung des Klägers im Krankenhaus erschüttert und die für seine weitere Tätigkeit als Chefarzt notwendige Vertrauensgrundlage zerstört sei. Das Landesarbeitsgericht verkennt nicht, daß dieselben Gründe, die nach seiner Ansicht die Kündigung nicht sozial rechtfertigen, gleichwohl als Auflösungsgründe ausreichen können (BAG in AP Nr. 2 und Nr. 7 zu § 7 KSchG). Es meint aber, diese Gründe seien nicht stichhaltig, und ihre Unrichtigkeit sei auch in wesentlichen Funkten bewiesen. Denn der Beklagte selbst sei noch im Februar 1959 bereit gewesen, den Vertrag mit dem Kläger zu erneuern, und auch die Aussagen der Zeugen H., P. und Dr. K. sprächen nicht dagegen, daß eine Weiterarbeit des Klägers möglich gewesen sei.

Soweit das Landesarbeitsgericht die noch im Februar 1959 vorhandene Bereitschaft des Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers feststellt und als ausschlaggebend ansieht, hat es verkannt, daß es bei § 7 KSchG anders als bei § 1 nicht auf den Zeitpunkt der Kündigung – auch nicht auf den des Ablaufs der Kündigungsfrist oder der Klageerhebung –, sondern auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ankommt. Auch wenn erst in diesem Zeitpunkt bei dem Beklagten die begründete Besorgnis aufkommen konnte, daß die weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger gefährdet sei, und gerade dann, war der Auflösungsantrag berechtigt (BAG in AP Nr. 56 zu § 1 KSchG). Das Landesarbeitsgericht hätte daher insbesondere noch erörtern müssen, ob nicht der mit Härte geführte Prozeß die Parteien weiter auseinandergebracht hat. Allerdings kann sich der Beklagte insoweit nicht auf eine solche Verschärfung berufen, die er selbst bewußt herbeigeführt hat, ohne dazu durch den Prozeßverlauf genötigt gewesen zu sein. Denn das wäre Rechtsmißbrauch.

Außerdem ist mindestens zweifelhaft, ob das Landesarbeitsgericht sich bewußt war, daß der Beklagte die ernstliche Gefährdung einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Kläger nur schlüssig zu behaupten braucht, aber nicht beweisen muß (BAG in AP Nr. 2 zu § 7 und Nr. 56 zu § 1 KSchG). Es scheint diese Verteilung der Behauptungs- und Beweislast zu verkennen, wenn es meint, die vom Beklagten geltend gemachten Auflösungsgründe seien nicht „stichhaltig”, und wenn es anninmt, die Aussagen der Zeugen H., P. und Dr. K., die nach ihrem Inhalt gegen den Kläger sprechen, seien nicht geeignet, die Möglichkeit einer künftigen gedeihlichen Zusammenarbeit auszuschließen.

Diese Hinweise sind von Bedeutung für den Fall, daß das Landesarbeitsgericht nach seiner neuen Verhandlung wieder zu dem Ergebnis kommt, daß die Kündigung sozial nicht gerechtfertigt war.

 

Unterschriften

gez. Schilgen, Dr. Meier-Scherling, Dr. Joachim, Dr. Zimmermann, A. Wörner

 

Fundstellen

Haufe-Index 662633

BAGE, 225

NJW 1961, 2085

JR 1963, 407

MDR 1961, 884

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