Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsvertragliche Vergütungsabrede

 

Leitsatz (amtlich)

Im Sinne von Art. II § 15 d SGB IV treten neue Tarifverträge auch dann in Kraft, wenn die Arbeitsvertragsparteien die beim Rentenversicherungsträger nach ihrem persönlichen und fachlichen Geltungsbereich anwendbaren Tarifverträge einzelvertraglich in Bezug nehmen.

 

Normenkette

Drittes Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuches vom 30. Juni 1995 (BGBl. I S. 890) Art. 2 § 15 d SGB IV; Gesetz zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983) § 28 p Abs. 11; BGB § 613a Abs. 1 S. 4; GG Art. 9 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 17.09.1999; Aktenzeichen 3 Sa 99/98)

ArbG Hamburg (Urteil vom 27.08.1998; Aktenzeichen 28 Ca 119/98)

 

Tenor

I. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 17. September 1999 – 3 Sa 99/98 – wird zurückgewiesen.

II. Auf die Revision der Beklagten wird dieses Urteil zum Teil aufgehoben:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27. August 1998 – 28 Ca 119/98 – zum Teil abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 480,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf 210,00 DM seit dem 10. April 1998 und auf weitere 270,00 DM seit dem 9. Februar 1999 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Im übrigen werden die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen.

III. Im übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4 zu tragen. Die Kosten der Berufung und der Revision haben der Kläger zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6 zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger macht Vergütungsansprüche geltend.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. September 1997 als Beauftragter im Außendienst/Arbeitgeberprüfer beschäftigt. Vorher war er in gleicher Funktion bei der Techniker-Krankenkasse (im folgenden: TKK) angestellt. Der Übernahme des Arbeitsverhältnisses lag Art. II § 15 d des Dritten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches vom 30. Juni 1995 (BGBl. I S 890; fortan: Art. II § 15 d SGB IV) zu Grunde. Diese Vorschrift lautet:

„In dem Umfang, in dem die Prüfung bei Arbeitgebern von Krankenkassen auf die Träger der Rentenversicherung übergeht, übernehmen diese die am 1. Januar 1995 ganz oder überwiegend mit der Prüfung der Arbeitgeber beschäftigten Angestellten. Der Träger der Rentenversicherung tritt in diesen Fällen in die Rechte und Pflichten aus den Arbeits- oder Dienstverhältnissen ein. Die bis zum Zeitpunkt der Übernahme gültigen Tarifverträge oder sonstigen Vereinbarungen sind für die übernommenen Arbeitnehmer bis zum Inkrafttreten neuer Tarifverträge oder sonstiger Vereinbarungen maßgebend.”

Mit Gesetz zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S 1983) wurde § 28 p SGB IV um einen neuen Abs. 11 erweitert, dessen Satz 1 lautet:

„Sind beim Übergang der Prüfung der Arbeitgeber von Krankenkassen auf die Träger der Rentenversicherung Angestellte übernommen worden, die am 1. Januar 1995 ganz oder überwiegend mit der Prüfung der Arbeitgeber beschäftigt waren, sind die bis zum Zeitpunkt der Übernahme gültigen Tarifverträge oder sonstigen kollektiven Vereinbarungen für die übernommenen Arbeitnehmer bis zum Inkrafttreten neuer Tarifverträge oder sonstiger kollektiver Vereinbarungen maßgebend.”

Am 1. September 1997 schlossen die Parteien einen von der Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrag, der in dieser Form allen von der Beklagten übernommenen Arbeitgeberprüfern vorgelegt wurde. Der Vertrag hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

㤠1

Herr M. K. wird ab 1. September 1997 auf Grund des Übergangs der Prüfung bei den Arbeitgebern auf die Träger der Rentenversicherung nach Maßgabe des Art. II § 15 d des Sozialgesetzbuches – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – vom 23. Dezember 1976 (BGBl. I S 3845) in der Fassung des 3. Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches vom 30. Juni 1995 (BGBl. I S 890) bei der BfA weiterbeschäftigt.

§ 2

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (MTAng-BfA) sowie den diesen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung, so weit nachstehend nichts anderes vereinbart ist.

§ 9

(1) Soweit die im letzten Kalendermonat des Arbeitsverhältnisses bei der Ersatzkasse gezahlten Bezüge die nach § 2 zustehende Vergütung (§ 26 MTAng-BfA) einschl. der allgemeinen Zulage und der vermögenswirksamen Leistungen an Angestellte – Tarifvertrag Nr. 233 – übersteigt, wird der Unterschiedsbetrag als Ausgleichszulage gezahlt. Die Ausgleichszulage vermindert sich jeweils um den Betrag, um den sich die nach § 2 zustehende Grundvergütung einschl. der allgemeinen Zulage erhöht.

(2) Bezüge im Sinne des Abs. 1 Satz 1 sind alle zustehenden ständigen monatlichen Vergütungen, Zulagen und Zuschläge einschl. des der vermögenswirksamen Leistungen entsprechenden Betrages und einschl. eines Zwölftels des im Jahr vor der Übernahme gezahlten Urlaubsgeldes.”

Die Auslegung dieses Vertrags ist zwischen den Parteien streitig. Insbesondere streiten die Parteien über die richtige Berechnung der in § 9 ihres Arbeitsvertrags vereinbarten Ausgleichszulage. Dabei stehen drei Positionen im Streit:

  1. Kleidergeldpauschale (16 Monate zu 30,00 DM = 480,00 DM brutto)
  2. Weihnachtsgeld 1997 und 1998 (88,48 DM brutto + 637,21 DM brutto)
  3. Kinderanteil im Ortszuschlag (zwölf Monate zu 139,50 DM brutto = 1.674,00 DM brutto).

Auf Grund eines Vorstandsbeschlusses erhielten die Mitarbeiter der TKK eine Kleidergeldpauschale in Höhe von 30,00 DM monatlich. In der dem Kläger von der TKK zur Vorlage bei der Beklagten erteilten Verdienstbescheinigung „zur Berechnung einer gegebenenfalls zu gewährenden Ausgleichszulage” vom 13. August 1997 wurde als „letztes monatliches Brutto” der Betrag von 6.709,70 DM mit dem Zusatz „davon Kleidergeldpauschale DM 30,00” angegeben. Die Beklagte berücksichtigte die Kleidergeldpauschale bei der Berechnung, der dem Kläger gem. § 9 des Arbeitsvertrags zu zahlenden Ausgleichszulage nicht. Der Kläger fordert Zahlung einer um 30,00 DM brutto monatlich erhöhten Ausgleichszulage für den Zeitraum von September 1997 bis Dezember 1998, das sind 16 Monate zu 30,00 DM = 480,00 DM brutto.

Auf Grund des bei der TKK geltenden Tarifvertrags hatte der Kläger Anspruch auf Weihnachtsgeld in Höhe eines vollen Monatsgehalts. Der bei der Beklagten geltende Tarifvertrag Nr. 278 sah für das Jahr 1997 eine Sonderzahlung nur in Höhe von 93,78 % eines Bruttomonatsgehalts vor. Hiervon leistete die Beklagte dem Kläger 4/12. Auf der Grundlage von 100 % seines Gehalts hätte der Kläger 88,48 DM brutto mehr beanspruchen können. Der Kläger fordert Zahlung dieses Betrages. Darüber hinaus begehrt er als Weihnachtsgeld für 1998 Zahlung in Höhe von 637,21 DM brutto.

Ab Januar 1998 verminderte sich der dem Kläger tarifvertraglich zu zahlende Ortszuschlag um 139,50 DM brutto, weil die Kindergeldberechtigung des Klägers für seinen Sohn H. am 31. Dezember 1997 endete. Der Kläger macht geltend, die Ausgleichszulage gem. § 9 des Arbeitsvertrags sei nicht nur anhand der letzten Bezüge für August 1997 und der neuen Bezüge für September 1997 zu berechnen, sondern bei später eintretenden Verdienstminderungen entsprechend anzupassen. Deshalb fordert er für den Zeitraum Januar bis Dezember 1998 Zahlung von 12 × 139,50 DM = 1.674,00 DM brutto.

Der Kläger hat in der Berufungsinstanz beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 388,48 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
  2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 837,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
  3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.654,21 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit 1. Januar 1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die vertraglich vereinbarte Ausgleichszulage habe lediglich die tarifvertraglich gesicherten Leistungsansprüche des Klägers umfassen sollen. Deshalb sei die Kleidergeldpauschale nicht in die Berechnung der Ausgleichszulage einzubeziehen. Darüber hinaus habe diese Pauschale Aufwendungsersatzcharakter getragen und gehöre deshalb nicht zu den ausgleichspflichtigen Bezügen.

Die der Ausgleichszulage zugrunde liegende Berechnung sei einmalig bei Eintritt in ihre Dienste vorzunehmen gewesen und nicht nachträglich bei etwaigen Vergütungsänderungen anzupassen. Deshalb stehe dem Kläger keine Ausgleichszulage in Höhe des verminderten Ortszuschlags zu.

Das Weihnachtsgeld sei nicht kalendermonatlich, sondern einmalig im Kalenderjahr zu zahlen und deshalb nicht bei der Bemessung der Ausgleichszulage zu berücksichtigen. Eine besondere Vereinbarung über die Anrechnung eines Zwölftels wie beim Urlaubsgeld sei vertraglich nicht vereinbart worden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage im Umfang der in erster Instanz anhängigen Gesamtforderung stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage hinsichtlich des Weihnachtsgeldes abgewiesen und auf die Anschlußberufung des Klägers die Beklagte zur Zahlung weiterer 1.017,00 DM brutto verurteilt. Mit ihren Revisionen verfolgen beide Parteien ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet, die der Beklagten zum Teil. Die Klage ist hinsichtlich der Berücksichtigung der Kleidergeldpauschale in Höhe von 480,00 DM brutto begründet, im übrigen aber unbegründet.

I. Anspruchsgrundlage ist § 9 des Arbeitsvertrags. Danach hat sich die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Ausgleichszulage zu zahlen, wenn und soweit die im letzten Kalendermonat des Arbeitsverhältnisses bei der TKK gezahlten Bezüge die von der Beklagten geschuldete Tarifvergütung übersteigen. Die Ausgleichszulage soll sich jeweils um den Betrag vermindern, um den sich die tarifliche Grundvergütung einschließlich der allgemeinen Zulage erhöht. Zugleich haben die Parteien in § 2 des Arbeitsvertrags vereinbart, daß sich das Arbeitsverhältnis von Beginn an nach dem Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte sowie den diesen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung bestimmen sollte.

Die Auslegung dieses Arbeitsvertrags ist revisionsrechtlich in vollem Umfange überprüfbar, weil es sich nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts um einen sog. typischen Arbeitsvertrag handelt, den die Beklagte mit allen von anderen Sozialversicherungsträgern übernommenen Außenprüfern abgeschlossen hat.

II. Die Kleidergeldpauschale, die der Kläger von der TKK bezog, ist bei der Bemessung der Ausgleichszulage zu berücksichtigen. Auf Grund des Vorstandsbeschlusses der TKK wurde dem Kläger wie anderen Außendienstmitarbeitern diese Kleidergeldpauschale in Höhe von 30,00 DM brutto monatlich ohne Rücksicht auf die konkrete Lebenslage und die Verwendung dieses Geldes geleistet. Auf die Zahlung der Kleidergeldpauschale hatte der Kläger einen vertraglichen Anspruch, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob die Grundlage in einer Gesamtzusage oder einer betrieblichen Übung gesehen wird. Damit gehörte diese Pauschale zu den dem Kläger „zustehenden ständigen monatlichen Vergütungen, Zulagen und Zuschlägen” iSv. § 9 Abs. 2 des Arbeitsvertrags.

Die Auffassung der Beklagten, lediglich tarifvertraglich begründete Ansprüche zählten zu den in § 9 Abs. 2 berücksichtigungsfähigen Bezügen, findet bereits im Wortlaut des Vertrags keine Grundlage. Darüber hinaus berücksichtigt dieses Verständnis der vertraglichen Abrede nicht, daß in allen Fällen einer fehlenden Tarifbindung des Arbeitnehmers die einzelvertragliche Bezugnahme auf Tarifrecht keine Tarifbindung auslöst, sondern einen einzelvertraglichen Anspruch auf die tarifliche Leistung begründet. Rechtlich kann bei nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern nicht zwischen tarifvertraglichen und einzelvertraglichen Ansprüchen differenziert werden.

Dementsprechend schuldet die Beklagte dem Kläger die Nachzahlung der Ausgleichszulage in Höhe der Kleidergeldpauschale für die Monate September 1997 bis Dezember 1998 in einer Gesamthöhe von 480,00 DM brutto nebst Prozeßzinsen in Höhe von 4 %.

III. Ansprüche auf Zahlung eines Differenzbetrags zum vollen Weihnachtsgeld und in Höhe des Kinderanteils im Ortszuschlag stehen dem Kläger nicht zu.

1. Diese Zahlungsansprüche folgen nicht aus § 9 des Arbeitsvertrags.

a) Wird davon ausgegangen, daß dem Kläger gegen die TKK ein Weihnachtsgeldanspruch in Höhe von 100 % eines Gehalts zustand, während auf Grund der einzelvertraglichen Bezugnahme auf das bei der Beklagten geltende Tarifrecht die Sonderzuwendung lediglich einen geringeren Betrag ausmacht, umfaßt die nach § 9 geschuldete Ausgleichszulage nicht die Differenz zwischen Weihnachtsgeld und Sonderzuwendung. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Die Ausgleichszulage nach § 9 ist allein mittels des Vergleichs der im letzten Kalendermonat des Arbeitsverhältnisses zur TKK bezogenen und der neuen Vergütung bei der Beklagten zu ermitteln. Dabei ergibt sich aus der näheren Bestimmung des § 9 Abs. 2, daß lediglich die monatlich zahlbaren Vergütungen, Zulagen und Zuschläge in die Vergleichsberechnung aufzunehmen sind. Diese vertragliche Absprache wird darüber hinaus durch die besondere Berücksichtigung des Urlaubsgeldes verdeutlicht. Hinsichtlich des Urlaubsgeldes haben die Parteien vereinbart, daß ein Zwölftel dieses im Jahr vor der Übernahme gezahlten Sondervergütungsbetrags in die Vergleichsberechnung einzubeziehen ist. Damit haben die Parteien zugleich verstärkend zum Vertragswortlaut „monatlich” geregelt, daß alle anderen nicht allmonatlich fällig werdenden Vergütungen (wie zB Jubiläumsgelder) bei der Bemessung der Ausgleichszulage unberücksichtigt bleiben. Hierzu gehören auch die Sonderzuwendung bzw. das Weihnachtsgeld. Diese einmal jährlich zu leistende Sondervergütung ist kraft der vertraglichen Absprache nicht ausgleichspflichtig.

b) Die vertragliche Abrede ist nicht aus Gründen einer unklaren oder unbilligen Fassung zu Gunsten des Klägers zu modifizieren. Die vertragliche Absprache ist nicht unklar, sondern deutlich, wie sich aus der besonderen Abrede hinsichtlich des Urlaubsgeldes ergibt. Die Unklarheit folgt auch nicht aus der fehlenden inhaltlichen Wiedergabe des Wortlauts der in Bezug genommenen Tarifverträge. In § 2 des Arbeitsvertrags haben die Parteien geregelt, daß sich das Arbeitsverhältnis nach dem Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte sowie den diesen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung bestimme, soweit arbeitsvertraglich nichts abweichendes bestimmt sei. Diese Fassung der Vertragsklausel erlaubte es dem Kläger, sich Kenntnis von den neuen Tarifnormen zu verschaffen, denn diese waren von der Beklagten gem. § 8 TVG im Betrieb auszulegen.

c) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszulage in Höhe des fortgefallenen Kinderbestandteils im Ortszuschlag. Diese nachträglich auf Grund des bei der Beklagten geltenden Tarifrechts eingetretene Minderung seiner Gesamtvergütung ist nicht nach § 9 ausgleichspflichtig. Die Bemessung der Ausgleichszulage ist auf eine einmalige Berechnung angelegt. Es sollen die bei Eintritt des Klägers bei der Beklagten eintretenden Verdienstminderungen ausgeglichen werden. Zum Ausgleich wird eine Zulage versprochen, deren Höhe sich nachträglich nur dann ändern soll, wenn die tarifliche Grundvergütung einschließlich der allgemeinen Zulage sich erhöht. Dementsprechend heißt es in § 9 Abs. 1 Satz 2, daß sich die Ausgleichszulage jeweils vermindere. Eine Erhöhung der Ausgleichszulage ist konsequenterweise nicht angesprochen.

2. Die Zahlungsansprüche des Klägers folgen nicht aus einer Weitergeltung der im Verhältnis des Klägers zur TKK maßgebenden Arbeitsbedingungen in der Beziehung zur Beklagten.

a) Die Beklagte ist nicht kraft Gesetzes in das Arbeitsverhältnis des Klägers zur TKK eingetreten. Die tatsächlichen Voraussetzungen eines Betriebsteilübergangs iSv. § 613 a BGB sind nicht vorgetragen und vom Berufungsgericht auch nicht festgestellt worden. Art. II § 15 d SGB IV regelt keinen Übergang von Arbeitsverhältnissen kraft Gesetzes, sondern erfordert die rechtsgeschäftliche Umsetzung der sich aus der Übernahme des Prüfungsauftrags ergebenden Konsequenzen hinsichtlich der Bestimmung der Vertragsparteien und des Termins des Übergangs.

b) Die Fortgeltung der bisherigen Arbeitsbedingungen ergibt sich auch nicht aus Art. II § 15 d SGB IV oder § 28 p Abs. 11 SGB IV in der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung. Ebensowenig folgt aus diesen gesetzlichen Bestimmungen die Unwirksamkeit der einzelvertraglichen Vereinbarung der Geltung des bei der Beklagten anwendbaren Tarifrechts (§ 2 des Arbeitsvertrags).

Nach der durch Bundesgesetz vom 21. Dezember 2000 verdeutlichten Regelung des Art. II § 15 d SGB IV trat der Träger der Rentenversicherung (hier die Beklagte) in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen zu den Krankenkassen ein. Die bisherigen Tarifverträge und sonstigen (kollektiven) Vereinbarungen sollten für die übernommenen Arbeitnehmer bis zum „Inkrafttreten” neuer Tarifverträge oder sonstiger (kollektiver) Vereinbarungen maßgebend sein. Damit konnten die Parteien durch eine einzelvertragliche Vereinbarung die Fortgeltung alten Tarif- und Vertragsrechts mit sofortiger Wirkung beenden. Die einzelvertragliche Abrede, bestimmte Tarifverträge in Bezug zu nehmen, setzte diese für das Vertragsverhältnis der Parteien „in Kraft”. Die Tarifverträge traten damit iSv. Art. II § 15 d SGB IV „in Kraft”. Diese Auslegung folgt bereits sprachlich aus dem Begriff „Inkrafttreten”, der jedes Wirksamwerden von Tarifverträgen und anderen kollektiven Regelungen im Individualarbeitsverhältnis umfaßt. Darüber hinaus schließt diese Auslegung die sonst denkbare Verletzung der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten negativen Koalitionsfreiheit aus. Würde das Gesetz dahingehend verstanden, daß ausschließlich ein Inkrafttreten aufgrund normativer Geltung der Tarifverträge wegen Tarifbindung auch des Arbeitnehmers aufgrund Allgemeinverbindlichkeitserklärung die Weitergeltung bisheriger Arbeitsbedingungen beenden könnte, würde dies einen verfassungsrechtlich unzulässigen Beitrittsdruck auf den Arbeitnehmer ausüben. Des weiteren würde die Vertragsfreiheit unverhältnismäßig beschränkt. Zudem spricht für die Auslegung, daß auch die einzelvertragliche Bezugnahme der für den Arbeitgeber anwendbaren Tarifverträge deren Inkrafttreten iSv. Art. II § 15 d SGB IV bedeutet, die durch das Gesetz vom 21. Dezember 2000 verstärkte Annahme, der Gesetzgeber habe eine parallele Regelung zu § 613 a Abs. 1 Satz 4 BGB schaffen wollen. Danach können die Arbeitsvertragsparteien im Falle eines Betriebsübergangs bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung ohne Rücksicht auf die einjährige Sperrfrist einzelvertraglich vereinbaren.

Entsprechendes haben die Parteien in § 2 des Arbeitsvertrags geregelt, als sie die nach dem persönlichen und fachlichen Geltungsbereich für die Beklagte maßgeblichen Tarifbestimmungen für anwendbar erklärten.

Art. II § 15 d SGB IV läßt sich auch nicht entnehmen, daß die abändernde Vereinbarung erst zu einem späteren, nach dem Arbeitgeberwechsel liegenden Zeitpunkt geschlossen werden dürfte. Die gesetzliche Bestimmung ist auf die Gewährleistung der Rechtssicherheit gerichtet. Es soll infolge Übergangs der Arbeitsverhältnisse zu keinen zeitlichen oder sachlichen Regelungslücken kommen. Dem aus Art. II § 15 d SGB IV folgenden Schutzzweck haben die Parteien durch Vereinbarung einer Ausgleichszulage in § 9 des Arbeitsvertrags entsprochen. Diese vertragliche Vereinbarung besitzt konstitutive Wirkung. Sie schafft nach der Ablösung der Altregelung die alleinige Grundlage für einen vertraglichen Anspruch des Klägers auf Zahlung eines finanziellen Ausgleichs für etwaige Verdienstminderungen infolge des Inkrafttretens neuen Tarifrechts.

 

Unterschriften

Griebeling, Müller-Glöge, Kreft, Der ehrenamtliche Richter Ackert ist aus dem Amt ausgeschieden. Griebeling, Dittrich

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 27.06.2001 durch Gaßmann, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

FA 2001, 376

NZA 2002, 280

ZTR 2002, 27

AP, 0

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