Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftsanspruch des Konkursverwalters

 

Leitsatz (amtlich)

Der Konkursverwalter kann nicht, statt seine gesetzlichen Auskunftsrechte gegen den Gemeinschuldner zu erheben, von früheren Arbeitnehmern des Gemeinschuldners Auskunft über von diesen dem Gemeinschuldner gewährte Kredite und deren anschließende Abwicklung verlangen.

 

Normenkette

BGB § 242; KO §§ 72, 82, 100-101, 117

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 10.04.1989; Aktenzeichen 6 Sa 46/89)

ArbG Bonn (Teilurteil vom 13.10.1988; Aktenzeichen 5 Ca 452/88)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. April 1989 – 6 Sa 46/89 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen einer Stufenklage darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Auskünfte über Einnahmen und Ausgaben zu erteilen, die zusammenhängen mit ihrem früheren Arbeitgeber gewährten finanziellen Unterstützungen.

Der Kläger ist Konkursverwalter der Gemeinschuldnerin, einer Aktiengesellschaft, die bis zum 31. Dezember 1985 in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft betrieben und über deren Vermögen am 31. Juli 1987 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Die Beklagte war bei der Gemeinschuldnerin vom 1. Januar 1987 bis zum 30. September 1987 als Sekretärin mit einem monatlichen Bruttogehalt von 4.000,-- DM beschäftigt.

Die Gemeinschuldnerin kämpfte seit vielen Jahren mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Firmenkonten waren gepfändet, Kreditlinien erschöpft oder überschritten, Firmenschecks wurden von Kunden nicht mehr entgegengenommen. In dieser Lage ergab es sich, daß mehrere Mitarbeiter, darunter die Beklagte, der Gemeinschuldnerin kurzfristig aus eigenem Vermögen Geld zur Verfügung stellten, damit diese anstehende Schulden begleichen konnte. Dies geschah, wenn der Gemeinschuldnerin für die unmittelbar bevorstehende Zeit Kundenzahlungen durch Schecks angekündigt waren. Die Schecks wurden dann der Beklagten oder anderen Mitarbeitern zum Ausgleich für ihre Hilfe zur Einziehung überlassen.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte müsse ihm über ihre Vorschußleistungen und über die erhaltenen und eingelösten Schecks in geordneter Form Auskunft erteilen und einen sich danach ergebenden Überschuß an ihn auskehren.

Die finanziellen Transaktionen hätten auf einer Absprache der Beklagten mit dem gesetzlichen Vertreter der Gemeinschuldnerin beruht. Aufgrund dieser Vereinbarungen sei die Beklagte zur Auskunft verpflichtet. Zwar seien sämtliche einschlägigen Geldbewegungen über ein Konto mit der Nr. 2695 abgewickelt worden, auf diesem seien aber auch die Einnahmen und Ausgaben aus Geschäften der Beklagten mit allen anderen beteiligten Mitarbeitern erfaßt worden. Außerdem sei dem Konto nicht zu entnehmen, für welche Zeit die jeweiligen Darlehen hätten gewährt werden sollen. Auf die Gewinn- und Verlustrechnungen oder die Bilanzen der Gemeinschuldnerin könne er, der Kläger, nicht verwiesen werden, da beide nicht nur die Geschäfte mit der Beklagten auswiesen. Weiter seien die wechselseitigen Zahlungen nicht ständig von der Buchhaltung oder dem Vorstand der Gemeinschuldnerin überprüft worden. Die von der Beklagten im Laufe des Rechtsstreits vorgelegte Kontenaufstellung für die Jahre 1986/1987 genüge nicht den Anforderungen einer ordentlichen Auskunft, da sie weder einen Saldo enthalte noch Angaben darüber, wer die Kundenschecks jeweils ausgestellt habe. Schließlich ergebe sich ein Auskunftsanspruch auch aus der Stellung des Konkursverwalters. Während der Vorstand der Gemeinschuldnerin die Abrechnungen über den Zahlungsverkehr zwischen der Gemeinschuldnerin und dem jeweiligen Arbeitnehmer habe vernachlässigen und dadurch auf Rückführung von Geldern habe verzichten können, stehe ihm diese Freiheit nicht zu, da er den Gläubigern gegenüber verantwortlich sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

  • ihm Auskunft über sämtliche Einnahmen und Ausgaben, die sie für Rechnungen der Firma F… KG in der Zeit vom 1. 1. 1984 bis zum 31. 7. 1987 getätigt hat, in Form einer geordneten Zusammenstellung zu erteilen und die zugehörigen Belege vorzulegen,
  • erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides Statt zu versichern,
  • an ihn den sich nach der zu erteilenden Auskunft ergebenden Überschußbetrag zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat entgegnet, die verlangte Auskunft lasse sich aus den Unterlagen über das Konto Nr. 2695, den Gewinn- und Verlustrechnungen und den Bilanzen entnehmen. Im übrigen könne der Kläger von ihr nicht mehr verlangen, als die Gemeinschuldnerin hätte verlangen können. Sie hat bestritten, eine Vereinbarung getroffen zu haben, aus der sich eine Auskunftspflicht ableiten lasse. Im übrigen habe sie die begehrte Auskunft durch die von ihr erstellte Kontenübersicht erteilt.

Das Arbeitsgericht hat das Auskunftsbegehren durch Teilurteil abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger sein Klageziel weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß es für den erhobenen Anspruch auf Auskunftserteilung an einer rechtlichen Grundlage fehlt.

1. Allein der Umstand, daß jemand Kenntnis von gewissen Tatsachen hat oder haben könnte, die für einen anderen von Bedeutung sein mögen, verpflichtet ihn nicht zur Auskunftserteilung; denn eine allgemeine, nicht aus besonderen Rechtsgründen abzuleitende Auskunftspflicht ist dem bürgerlichen Recht unbekannt. Nach einem heute allgemein anerkannten Grundsatz besteht ein Anspruch auf Auskunftserteilung allerdings bei solchen Rechtsverhältnissen, bei denen der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im ungewissen, der Verpflichtete dagegen in der Lage ist, die erforderlichen Auskünfte unschwer zu erteilen. Voraussetzung hierfür ist jedoch grundsätzlich eine bereits vorhandene, besondere rechtliche Beziehung zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten. Das ist zu bejahen bei Verträgen und gesetzlichen Schuldverhältnissen, die gesteigerte Verhaltenspflichten oder besondere Schutzpflichten zum Gegenstand haben. In Fällen dieser Art wird für die Annahme einer rechtlichen Sonderbeziehung und damit für die Annahme einer Auskunftspflicht regelmäßig als ausreichend angesehen, daß ein Leistungsanspruch dem Grunde nach besteht und nur der Leistungsinhalt noch offen ist (vgl. statt vieler BGH Urteil vom 18. Januar 1978 – VIII ZR 262/76 – NJW 1978, 1002 = WM 1978, 373, 374; ferner BGH Urteil vom 5. Juni 1985 – I ZR 53/83 – NJW 1986, 1244, 1245). Derartige besondere Rechtsbeziehungen haben zwischen den Parteien jedoch nicht bestanden.

2. Die Konkursordnung bietet keine Grundlage für einen allgemeinen Auskunftsanspruch des Konkursverwalters.

a) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dem Kläger als Konkursverwalter stünden keine weitergehenden Rechte als der Gemeinschuldnerin zu. Der Konkursverwalter tritt mit der Übernahme seines Amtes in die Rechte und Pflichten des Gemeinschuldners ein. Er kann daher grundsätzlich für die Masse nicht mehr und keine anderen Rechte beanspruchen, als sie dem Gemeinschuldner zustehen. Er ist an die Rechtslage gebunden, die er bei der Eröffnung des Verfahrens vorfindet (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. nur Urteil vom 7. Dezember 1988 – IVb ZR 93/87 – NJW 1989, 580, 581, m. w. N.; sowie ferner BGH Urteil vom 30. November 1989 – III ZR 112/88 – NJW 1990, 510, zu II 1 der Gründe).

b) Dem Einwand des Klägers, die Rechtsstellung des Konkursverwalters sei auch sonst, insbesondere im Hinblick auf sein Anfechtungsrecht, besser als die des Gemeinschuldners, ist der Bundesgerichtshof bereits im eben erwähnten Urteil vom 7. Dezember 1988 mit dem Hinweis entgegengetreten, die Anfechtung knüpfe als Ausnahmeregelung an die Benachteiligung der Gläubiger an, diese werde aber erst durch den Konkurs rechtlich bedeutsam. Im Urteil vom 6. Juni 1979 (BGHZ 74, 379 = AP Nr. 17 zu § 242 BGB Auskunftspflicht) hat der Bundesgerichtshof weiter ausgeführt, nach geltendem Recht bestehe auch gegenüber möglichen Anfechtungsgegnern kein Anlaß, dem Konkursverwalter über die vom Gesetz gegebenen Möglichkeiten hinaus zusätzliche Informationsquellen zu erschließen. Wollte man ihm Auskunftsansprüche nach § 242 BGB gegen diejenigen Personen zubilligen, die möglicherweise vom Gemeinschuldner etwas in anfechtbarer Weise erhalten haben, müsse eine allgemeine Auskunftspflicht dieser Personen gegenüber dem Konkursverwalter bejaht werden. Die Zulassung einer nur auf Verdacht gegründeten Auskunftsklage laufe aber auf eine Ausforschung hin aus, die dem mangels besonderer Bestimmungen auch im Konkursverfahren geltenden Zivilprozeßrecht (§ 72 KO) fremd sei. Dem ist beizupflichten.

c) Ist danach ein Auskunftsanspruch des Konkursverwalters nicht gegeben, so besteht auch kein Anlaß, die Stellung der Konkursgläubiger mittelbar durch Gewährung eines allgemeinen Auskunftsanspruchs in den Fällen zu verbessern, in denen nicht einmal eine gesetzliche Regelung zu ihrem Schutz vorhanden ist. Auch der Einwand des Revisionsklägers, er sei den Konkursgläubigern gegenüber verantwortlich, rechtfertigt keine andere Beurteilung, da der Konkursverwalter nur für schuldhafte Pflichtverletzungen haftet (§ 82 KO).

3. Dem Konkursverwalter steht weiter kein Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft gegen die Beklagte zu, der sich aus deren Rechtsbeziehungen zur Gemeinschuldnerin ableiten ließe.

a) Eine Auskunftspflicht folgt nicht aus dem Vertrag. Zwar hat der Kläger behauptet, zwischen der Beklagten und dem gesetzlichen Vertreter der Gemeinschuldnerin habe eine Vereinbarung bestanden, wonach die Beklagte zur Auskunft verpflichtet sei. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag zu Recht unbeachtet gelassen. Er ist unschlüssig, weil der Kläger hierfür keinerlei nachprüfbare Tatsachen dargelegt hat. Daher kommt es auch nicht auf seine Beweisangebote an (§ 373 ZPO).

b) Der Umstand, daß die Beklagte Arbeitnehmerin der Gemeinschuldnerin war, begründet keine besondere Auskunftspflicht. Die finanziellen Transaktionen hatten ihre Grundlage nicht im Arbeitsverhältnis der Beklagten. Dieses gab nur den äußeren Rahmen und den Anlaß für ihre Inanspruchnahme. Eine Weigerung, die Vorschüsse zu leisten, hätte keine arbeitsvertraglichen Konsequenzen haben können. Die Beklagte beteiligte sich an den Finanzierungen nur, um ihren Arbeitsplatz zu erhalten. Dieses Interesse lag aber außerhalb ihrer vertraglichen Rechtsbeziehungen zur Gemeinschuldnerin.

c) Selbst wenn die Beklagte zur Rückzahlung eines Überschusses aus den Geschäften verpflichtet sein sollte, wäre sie deswegen nicht zur Auskunftserteilung verpflichtet.

Ein aus § 117 KO, § 242 BGB abgeleiteter Auskunftsanspruch des Klägers käme, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, nur dann in Betracht, wenn der Kläger in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang eines Rechtes im ungewissen wäre. Davon kann aber solange nicht die Rede sein, als dem Konkursverwalter ein näherliegender und leichterer, damit auch zumutbarer Weg zur Beseitigung seiner Ungewißheit zur Verfügung steht. So muß der Konkursverwalter an die Gemeinschuldnerin verwiesen werden, die ihm nach § 100 KO über alle das Konkursverfahren betreffenden Verhältnisse auskunftspflichtig ist, wobei die Auskunft im Wege des § 101 Abs. 2 KO erzwungen werden kann.

Das Landesarbeitsgericht hat unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte zu Recht darauf verwiesen, der Kläger habe nicht dargelegt, woraus sich ergeben soll, daß die Gemeinschuldnerin die Zahlungsvorgänge nicht ausreichend in ihren Buchungsunterlagen dokumentiert habe. Die einfache Behauptung der Unvollständigkeit des Buchungsverkehrs, die der Kläger im wesentlichen damit erklärt, das Konto Nr. 2695 enthalte noch andere Buchungsvorgänge, ist nicht ausreichend, um seine Unkenntnis zu entschuldigen.

So ist dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen, warum er die gewünschten Auskünfte nicht vom Gemeinschuldner erhalten kann. Wollte man seinen Vortrag als ausreichend ansehen, müßte dies zur Ausforschung führen. Auch der Vortrag des Klägers, die von der Beklagten gewährten Darlehensbeträge stimmten nicht mit den Beträgen der zur Einziehung überlassenen Schecks überein, gibt keinen Aufschluß darüber, warum die erforderlichen Informationen nicht den Unterlagen der Gemeinschuldnerin zu entnehmen sind. Eine nicht ordnungsgemäße Buchführung des Gemeinschuldners (§ 91 AktG) kann keine gesteigerten Rechte des Konkursverwalters im Verhältnis zu Geschäftspartnern des Gemeinschuldners herbeiführen.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Dr. Kalb, Pallas

 

Fundstellen

Haufe-Index 841044

BAGE, 250

NJW 1990, 3293

RdA 1990, 320

ZIP 1990, 1221

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