Entscheidungsstichwort (Thema)

Verlängerung des Berufsausbildungsverhältnisses bei Nichtbestehen der ersten Wiederholungsprüfung

 

Orientierungssatz

Das Berufsausbildungsverhältnis verlängert sich bis zu einer zweiten Wiederholungsprüfung, wenn der Auszubildende die erste Wiederholungsprüfung nicht besteht, ein Fortsetzungsverlangen stellt und die zweite Wiederholungsprüfung noch innerhalb der Frist von einem Jahr nach dem Ende der ursprünglichen Ausbildungszeit abgelegt wird.

 

Normenkette

BGB § 615; BBiG § 14

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 01.07.1999; Aktenzeichen 6 Sa 182/99)

ArbG Mainz (Urteil vom 21.01.1999; Aktenzeichen 3 Ca 2801/98)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 1. Juli 1999 – 6 Sa 182/99 – aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 21. Januar 1999 – 3 Ca 2801/98 – wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten der Berufung und der Revision hat der Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger fordert Ausbildungsvergütung für eine Zeit nach nicht bestandener erster Wiederholungsprüfung.

Im Jahr 1995 schlossen die Parteien einen Berufsausbildungsvertrag. Danach sollte der Beklagte den Kläger in der Zeit vom 1. Februar 1995 bis zum 31. Januar 1998 zum Fleischer ausbilden. Die monatliche Vergütung im letzten Ausbildungsjahr sollte 960,00 DM betragen.

Am 18. Februar 1998 nahm der Kläger an der Abschlußprüfung teil. Er bestand sie nicht. Die Parteien setzten das Ausbildungsverhältnis bis zur ersten Wiederholungsprüfung im Juni 1998 fort. Der Kläger bestand auch diese Prüfung nicht. Mit Schreiben seiner späteren Prozeßbevollmächtigten vom 9. Juli und 10. August 1998 verlangte der Kläger vom Beklagten die weitere Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses längstens bis zum 31. Januar 1999. Der Beklagte lehnte dies ab und zahlte nach dem Juni 1998 keine Vergütung mehr.

Mit seiner im Oktober 1998 erhobenen Klage hat der Kläger die Ausbildungsvergütung für die Monate Juli bis Oktober 1998 geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, das Ausbildungsverhältnis habe bis zur zweiten Wiederholungsprüfung, längstens bis zum 31. Januar 1999 fortbestanden; der Beklagte schulde ihm Vergütung aus Annahmeverzug.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.840,00 DM brutto zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Ansicht vertreten, das Ausbildungsverhältnis habe mit der ersten Wiederholungsprüfung geendet. Eine nochmalige Verlängerung sehe § 14 Abs. 3 BBiG nicht vor.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Der Kläger kann für den streitbefangenen Zeitraum Ausbildungsvergütung verlangen.

Der Anspruch des Klägers folgt aus § 615 BGB. Das Ausbildungsverhältnis der Parteien bestand über den 30. Juni 1998 hinaus jedenfalls bis Ende Oktober 1998 fort. Der Beklagte befand sich während dieser Zeit im Annahmeverzug.

1. Nach § 14 Abs. 1, Abs. 2 BBiG endet ein Berufsausbildungsverhältnis mit Ablauf der Ausbildungszeit oder, falls die Abschlußprüfung schon vor diesem Zeitpunkt bestanden wird, mit dem Bestehen der Prüfung. Besteht ein Auszubildender die Abschlußprüfung nicht, so verlängert sich das Berufsausbildungsverhältnis auf sein Verlangen bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung, höchstens um ein Jahr, § 14 Abs. 3 BBiG. Der Fall, daß der Auszubildende auch die erste Wiederholungsprüfung nicht besteht, ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt.

2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der „eindeutige Wortlaut” des § 14 Abs. 3 BBiG spreche dafür, daß das Ausbildungsverhältnis in keinem Fall länger als bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung fortbestehe. Die gesetzlich vorgesehene Verlängerung um „höchstens ein Jahr” bedeute nur, daß diese die Dauer eines Jahres auch dann nicht überschreite, wenn bis dahin eine erste Wiederholungsprüfung nicht möglich gewesen sein sollte. Das Ausbildungsverhältnis der Parteien habe trotz Nichtbestehens der Wiederholungsprüfung und trotz Verlangens des Klägers nach weiterer Fortsetzung spätestens Ende Juni 1998 geendet.

3. Dem folgt der Senat nicht. Das Berufsausbildungsverhältnis verlängert sich bis zu einer zweiten Wiederholungsprüfung, wenn der Auszubildende die erste Wiederholungsprüfung nicht besteht, ein Fortsetzungsverlangen stellt und die zweite Wiederholungsprüfung noch innerhalb der Frist von einem Jahr nach dem Ende der ursprünglichen Ausbildungszeit abgelegt wird. Dies hat der Senat in Übereinstimmung mit der wohl überwiegenden Meinung im Schrifttum bereits entschieden und ausführlich begründet(vgl. BAG 15. März 2000 – 5 AZR 622/98 – BAGE 94, 66, Nachweise der Literatur unter II 1 c der Entscheidungsgründe). Daran ist festzuhalten. Angriffe gegen diese Rechtsprechung hat die Revision nicht geführt. Von einer neuerlichen Begründung sieht der Senat unter Verweisung auf sein den Parteien bekanntes Urteil vom 15. März 2000 deshalb ab.

4. Auf Grund des Fortsetzungsverlangens des Klägers und seiner wörtlichen Arbeitsangebote befand sich der Beklagte im streitbefangenen Zeitraum in Annahmeverzug. Er schuldet dem Kläger gemäß § 615 BGB für diese Zeit die vertragsgemäße Vergütung. Sie entspricht der Klageforderung.

 

Unterschriften

Müller-Glöge, Linck, Kreft, Dombrowsky, R. Rehwald

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 26.09.2001 durch Metze,Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

FA 2002, 89

NZA 2002, 232

SAE 2002, 203

AuA 2002, 87

EzA

NJOZ 2002, 517

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