Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Altersversorgung. Gehaltsumwandlung

 

Leitsatz (amtlich)

  • Eine betrieblich Altersversorgung in Form einer Direktversicherung (§ 1 Abs 2 Satz 1 BetrAVG) kann auch dann vorliegen, wenn die Prämien der Versicherung auf das Leben des Arbeitnehmers vereinbarungsgemäß anstelle einer Vergütung gezahlt werden sollen (Versicherung nach Gehaltsumwandlung). Auch diese Form der betrieblichen Altersversorgung ist nach § 7 Abs 2 Satz 1 Nr 2 BetrAVG insolvenzgeschützt.
  • Zu den Merkmalen einer betrieblichen Altersversorgung gehören das Versprechen einer Leistung zum Zweck der Versorgung, ein den Versorgungsanspruch auslösendes Ereignis wie Alter, Invalidität oder Tod sowie die Zusage an einen Arbeitnehmer durch einen Arbeitgeber aus Anlaß des Arbeitsverhältnisses (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl zuletzt Urteil vom 8. Mai 1990 – 3 AZR 121/89 – zur Veröffentlichung bestimmt). Es gibt kein weiteres einschränkendes, ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal “zusätzlich zum Barlohn entrichtete, freiwillige Arbeitgeberleistung”.
  • Erteilt ein unwiderruflich bezugsberechtigter Arbeitnehmer nachträglich dem Arbeitgeber die Zustimmung zur Beleihung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag und entsteht durch die Beleihung eine Versorgungslücke, so schließt dies allein den Insolvenzschutz noch nicht wegen fehlender Schutzbedürftigkeit aus.
  • Nach § 7 Abs 5 BetrAVG besteht dann kein Insolvenzschutz wegen mißbräuchlicher Beleihung, wenn der Arbeitnehmer am Mißbrauch beteiligt war. Ein mißbräuchliches Zusammenwirken des Arbeitnehmers mit dem Arbeitgeber ergibt sich nicht allein daraus, daß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Zustimmung zur Beleihung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag erteilte.
  • § 7 Abs 5 Satz 3 BetrAVG kann auf Beleihungen einer Lebensversicherung nicht entsprechend angewandt werden.
 

Normenkette

BetrAVG § 1 Abs. 1, 2 S. 1, § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 5, § 10 Abs. 3 Nr. 2; EStG § 40b

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 25.08.1988; Aktenzeichen 10 Sa 260/88)

ArbG Köln (Urteil vom 02.12.1987; Aktenzeichen 3 Ca 6003/87)

 

Tenor

  • Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 25. August 1988 – 10 Sa 260/88 – aufgehoben.
  • Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 2. Dezember 1987 – 3 Ca 6003/87 – wird zurückgewiesen unter folgender Klarstellung der Urteilsformel:

    Es wird festgestellt, daß der Beklagte aus Anlaß der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der B… GmbH am 27. November 1984 wegen der in Höhe von 5.100,-- DM erfolgten Beleihung der Direktversicherung beim Gerling-Konzern Nr. … gemäß § 7 Abs. 2 BetrAVG eintrittspflichtig ist.

  • Der Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen !

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt vom beklagten Pensions-Sicherungs-Verein Insolvenzschutz für eine Versorgungslücke, die durch die Beleihung der zu seinen Gunsten abgeschlossenen Lebensversicherung entstanden ist.

Der am 26. März 1946 geborene Kläger war vom 5. Oktober 1970 bis 31. März 1985 bei der Autohaus … B… GmbH beschäftigt. Die Arbeitgeberin schloß mit Wirkung vom 1. September 1979 beim Gerling-Konzern auf das Leben des Klägers eine Versicherung ab, die am 1. September 2011 abläuft. Die ergänzenden Bestimmungen zum Versicherungsvertrag lauten:

  • Der Anspruch auf die Versicherungsleistungen steht sowohl im Todes- als auch im Erlebensfall unwiderruflich Ihnen zu, und zwar im Todesfall mit der Maßgabe, daß die Versicherungsleistung in nachstehender Reihenfolge zu zahlen ist an: den Ehegatten, mit dem Sie im Zeitpunkt Ihres Todes verheiratet waren, die ehelichen und die ihnen gesetzlich gleichgestellten Kinder zu gleichen Teilen, die Eltern, die Erben.

    Die Bezugsberechtigung bezieht sich auch auf die Überschußanteile.

  • Die Prämien für diese Versicherung werden von uns als Versicherungsnehmer entrichtet; die darauf im Rahmen der Bestimmungen des § 40b EStG entfallende pauschale Lohnsteuer wird von uns abgeführt.
  • Es wird unwiderruflich vereinbart, daß während der Dauer des Dienstverhältnisses eine Übertragung der Versicherungsnehmereigenschaft und eine Abtretung von Rechten aus diesem Vertrag auf Sie bis zu dem Zeitpunkt, in dem Sie Ihr 59. Lebensjahr vollenden, insoweit ausgeschlossen ist, als die Prämien von uns entrichtet worden sind.
  • Bei Ihrem Ausscheiden aus unseren Diensten vor Eintritt des Versicherungsfalles geht die Versicherungsnehmerstellung automatisch auf Sie über. Sie haben dann das Recht, die Versicherung mit eigenen Mitteln fortzuführen oder in eine prämienfreie Versicherung umwandeln zu lassen. Über den Versicherungsvertrag hinausgehende Ansprüche an uns bestehen nicht.”

Am 30. November 1982 belieh die Arbeitgeberin die Lebensversicherung mit 3.330,-- DM und am 14. Februar 1984 mit 1.770,-- DM. Der Kläger und sechs weitere, am 1. November 1982 versicherte Arbeitnehmer hatten zuvor ihr Einverständnis mit einer Beleihung erklärt.

Am 27. November 1984 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin das Konkursverfahren eröffnet und mit Beschluß des Amtsgerichts H… vom 10. Dezember 1986 mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse eingestellt. Die beliehene Lebensversicherung wurde auf den Kläger als Versicherungsnehmer übertragen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne wegen der Beleihungen Insolvenzschutz verlangen. Die zu seinen Gunsten von der Arbeitgeberin abgeschlossene Lebensversicherung sei eine Maßnahme der betrieblichen Altersversorgung und keine Maßnahme der Eigenvorsorge gewesen. Er habe mit seiner Arbeitgeberin keine Gehaltsumwandlung vereinbart. Selbst wenn eine Gehaltsumwandlung vorläge, ändere dies am Insolvenzschutz nichts. Er umfasse sowohl die Beleihung im Jahre 1982 als auch die Beleihung im Jahre 1984. Der Versicherungsschutz gehe nicht dadurch verloren, daß der Kläger mit der Beleihung einverstanden gewesen sei. § 7 Abs. 5 BetrAVG greife nicht ein. Die Arbeitgeberin habe ihn mit rein formalen “versicherungstechnischen” Gründen zu dieser Einverständniserklärung veranlaßt. Über die tatsächlich vorgenommenen Beleihungen seien die Mitarbeiter nicht mehr unterrichtet worden.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß der Beklagte aus Anlaß der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Firma B… GmbH am 27. November 1984 gem. § 7 Abs. 2 BetrAVG wegen der in Höhe von 5.100,-- DM erfolgten Beleihung der Direktversicherung beim Gerling-Konzern Nr. … eintrittspflichtig ist.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, bei Gehaltsumwandlungen stelle die vom Arbeitgeber abgeschlossene Lebensversicherung eine Eigenvorsorge des Arbeitnehmers und keine Maßnahme der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des § 1 BetrAVG dar. Dem Abschluß des Lebensversicherungsvertrages zu Gunsten des Klägers liege eine Gehaltsverzichtsvereinbarung zugrunde, die lediglich aus steuerlichen Gründen getroffen worden sei. Der Kläger sei auch nicht schutzbedürftig, weil er mit der Beleinung einverstanden gewesen sei und damit das Versicherungsrisiko selbst geschaffen habe. Zumindest sei die Beleinung, die einige Monate vor Konkursanmeldung erfolgt sei, als mißbräuchlich im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG anzusehen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Er hat Anspruch auf Insolvenzschutz.

I. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BetrAVG sind die Personen anspruchsberechtigt, die bei Eröffnung des Konkursverfahrens eine nach § 1 BetrAVG unverfallbare Versorgungsanwartschaft haben, wenn die Anwartschaft auf einer Direktversicherung beruht und der Arbeitgeber die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag beliehen hat. Die zugunsten des Klägers abgeschlossene Lebensversicherung ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts eine Direktversicherung i.S. des § 7 Abs. 2 und des § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG, und zwar unabhängig davon, ob ihr eine Gehaltsumwandlung zugrunde liegt oder nicht.

1. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG liegt eine Direktversicherung vor, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen ist und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistungen des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Zu den Merkmalen einer betrieblichen Altersversorgung gehören das Versprechen einer Leistung zum Zweck der Versorgung, ein den Versorgungsanspruch auslösendes Ereignis wie Alter, Invalidität oder Tod sowie die Zusage an einen Arbeitnehmer durch einen Arbeitgeber aus Anlaß des Arbeitsverhältnisses (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 26. April 1988 – 3 AZR 411/86 – AP Nr. 45 zu § 7 BetrAVG, zu I 1a der Gründe, m.w.N., und zuletzt Urteil vom 8. Mai 1990 – 3 AZR 121/89 –, zur Veröffentlichung bestimmt).

Im vorliegenden Fall schloß die Arbeitgeberin eine Lebensversicherung zugunsten des Klägers ab. Die Arbeitgeberin war Versicherungsnehmerin, der Kläger Versicherter und Bezugsberechtigter. Die von der Arbeitgeberin versprochene Leistung dient der Befriedigung des Versorgungsbedarfs, der durch den Tod des Klägers oder das Erreichen des Rentenalters von 65 Jahren ausgelöst wird. Damit werden die gesetzlich beschriebenen Versorgungszwecke verfolgt. Anlaß für das Versprechen einer Versorgungsleistung war auch das Arbeitsverhältnis. Nach § 1 Abs. 1 und 2 BetrAVG handelt es sich demnach um eine betriebliche Altersversorgung in Form einer Direktversicherung. Das Motiv der Arbeitgeberin für den Abschluß einer Direktversicherung spielt nach § 1 Abs. 1 und 2 BetrAVG keine Rolle.

2. In der Literatur ist zwar umstritten, ob an eine betriebliche Altersversorgung weitere, über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Anforderungen zu stellen sind (so Paulsdorff in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, BetrAVG, 2. Aufl., Bd. I, § 10 Rz 16; Nitsche in BetrAV 1985, 5 ff.; Paulsdorff in BetrAV 1978, 126 f.; Simmich in DB 1977, 2377 f.; Windel in BetrAV 1976, 91 ff.; anderer Ansicht Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rz 38 ff., § 1 Rz 233; Blomeyer in AR-Blattei, D, Betriebliche Altersversorgung IV Direktversicherung A I 2 d; Bode/Grabner in DB 1985, 2404 ff.; Höfer/Küpper in BB 1990, 849 ff.; Martens in BetrAV 1978, 127, 130 f.; Schumacher in DB 1978, 162; Steinhaus in BetrAV 1978, 123). Für eine Einschränkung des Begriffs der betrieblichen Altersversorgung bei Gehaltsumwandlungen besteht jedoch kein stichhaltiger Grund.

a) Die Auffassung, daß die auf einem Gehaltsverzicht beruhende Direktversicherung als Eigenvorsorge anzusehen sei, der eine “betriebliche” Qualität fehle, weil der Arbeitgeber – wirtschaftlich gesehen – nur Beiträge einziehe, vermag nicht zu überzeugen. Sie trägt dem Inhalt und den Rechtsfolgen einer Gehaltsumwandlung nicht ausreichend Rechnung.

aa) Der Arbeitgeber schließt auch nach einer Gehaltsumwandlung im eigenen Namen einen Lebensversicherungsvertrag. Er ist Versicherungsnehmer. Ihn treffen die versicherungsrechtlichen Pflichten gegenüber dem Versicherer. Da er die Entrichtung der Versicherungsbeiträge und damit die Finanzierung der Versicherung schuldet, handelt es sich um “betriebliche” Versicherungsbeiträge und nicht um Arbeitnehmerbeiträge. Im Verhältnis zum Arbeitnehmer werden die Versicherungsbeiträge auch nicht zur Erfüllung der Gehaltsansprüche des Arbeitnehmers geleistet. Vielmehr vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien, daß der Anspruch auf Barauszahlung endgültig untergeht und durch einen Versorgungsanspruch ersetzt wird. Nur so läßt sich die in den ergänzenden Bestimmungen zum Versicherungsvertrag angesprochene Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40b EStG erreichen.

bb) Eine die betriebliche Altersversorgung ausschließende Eigenvorsorge liegt nicht vor (Höfer/Abt, BetrAVG, 2. Aufl., Bd. I, Arb.Gr. Rz 119; Bode/Grabner in DB 1985, 2404). Der Arbeitnehmer setzt bei einer Gehaltsumwandlung keine Eigenmittel für die Lebensversicherung ein. Vielmehr verzichtet er auf die für eine eigene Vorsorge nötigen frei verfügbaren Vermögensrechte (Gehaltsansprüche) und verläßt sich auf die aus dem Betriebsvermögen finanzierte Vorsorge des Arbeitgebers.

cc) Die Gehaltsumwandlung ändert nichts daran, daß eine versicherungsvertragliche Gestaltung vorliegt, die dem Ziel der betrieblichen Altersversorgung gerecht wird. Während der Arbeitnehmer eine von ihm selbst abgeschlossene Lebensversicherung als Versicherungsnehmer jederzeit kündigen und über ihren Vermögenswert frei verfügen kann, verliert er diese Möglichkeit bei einer aufgrund Gehaltsumwandlung abgeschlossenen Direktversicherung. Er kann gegenüber der Versicherungsgesellschaft nicht geltend machen, daß er – wirtschaftlich gesehen – selbst die Beiträge aufgebracht habe und deshalb die Direktversicherung wie eine Privatversicherung zu behandeln sei. Damit ist eine Zweckentfremdung des für den Versorgungsfall gebildeten Kapitals eher ausgeschlossen als bei einer vom Arbeitnehmer selbst abgeschlossenen Lebensversicherung. Da Direktversicherungen die Altersversorgung bessesicherstellen als Privatversicherungen der Arbeitnehmer, werden Direktversicherungen durch Schutzvorschriften im Betriebsrentengesetz, die zugunsten der Arbeitnehmer für einen Mindeststandard sorgen, und durch Steuervorteile (§ 40b EStG) begünstigt. Dem Zweck des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung entspricht es demnach, auf die versicherungsrechtliche Ausgestaltung des Lebensversicherungsvertrages abzustellen.

b) Auch andere Gründe rechtfertigen es nicht, die auf Gehaltsumwandlungen beruhenden Direktversicherungen vom Insolvenzschutz auszuschließen.

aa) Die betriebliche Altersversorgung hat sowohl Versorgungsals auch Entgeltcharakter. Je stärker der Entgeltcharakter beton wird (vgl. unter anderem BAGE 32, 139 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Treuebruch; 32, 303; 32, 317 = AP Nr. 7 und 8 zu § 16 BetrAVG), desto eher sind Barlohn und betriebliche Altersversorgung austauschbar und desto mehr spricht für eine formale Abgrenzung. Die Parteien können selbst entscheiden, in welchem Umfang Barlohn und in welchem Umfang Altersversorgung geleistet werden soll. Die Aufteilung kann, ohne daß dies rechtlich zu beanstanden ist, auch nachträglich geändert werden. Das Bestehen oder Nichtbestehen einer betrieblichen Altersversorgung hängt nicht von den Anlässen und Gründen ab, die zu einer Versorgungszusage führten (BAG Urteil vom 8. Mai 1990 – 3 AZR 121/89 –). Im Interesse der Rechtssicherheit ist eine formalrechtliche Abgrenzung geboten (Blomeyer/Otto, aaO, § 1 Rz 233).

bb) Nach der Zwecksetzung der Leistung handelt es sich um eine betriebliche Altersversorgung und nicht um eine Arbeitsvergütung. Der für eine Arbeitsvergütung erforderliche unmittelbare Bezug zur Arbeitsleistung fehlt. Die Arbeitgeberin hatte, solange das Arbeitsverhältnis bestand, durch laufende Beitragszahlung für die vereinbarte Altersversorgung zu sorgen, und zwar unabhängig davon, ob Arbeitsvergütung zu leisten war, zum Beispiel auch bei einer über sechs Wochen hinausgehenden Erkrankung.

c) Aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung ergeben sich keine ausreichenden Hinweise auf einen engeren Begriff der betrieblichen Altersversorgung. Der Gesetzgeber ging zwar bei seiner Begriffsbestimmung von dem in Rechtsprechung und Schrifttum gebräuchlichen Bedeutungsinhalt aus (BT-Drucks. 7/1281, S. 22, zu § 1 Abs. 1). Vor Erlaß des Gesetzes war es aber nicht allgemein üblich, die betriebliche Altersversorgung mit dem einschränkenden Merkmal “zusätzlich zum Barlohn entrichtete, freiwillige Arbeitgeberleistung” zu umschreiben. Im übrigen hat der Gesetzgeber “unabhängig von der Rechtsgrundlage alle Versorgungsformen eingeschlossen” und einen “umfassenden Begriff der betrieblichen Altersversorgung” gewählt (BT-Drucks. 7/1281, S. 22, zu § 1 Abs. 1). Von weiteren einschränkenden Merkmalen hat er abgesehen.

3. Die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts und die sich daraus ergebende stärkere Rechtsstellung des Klägers schließen die Annahme, es handele sich um eine Maßnahme der betrieblichen Altersversorgung, nicht aus. In § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und in § 10 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG werden Direktversicherungen mit unwiderruflichen Bezugsrechten ausdrücklich angesprochen und damit als eine mögliche Durchführungsform der betrieblichen Altersversorgung anerkannt.

II. Das Einverständnis des Klägers mit einer Beleihung der Lebensversicherung führt nicht zum Wegfall des Insolvenzschutzes.

1. Die Arbeitgeberin konnte allerdings nicht ohne Zustimmung des Klägers über die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verfügen. Dem Kläger war ein uneingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt worden. Solange er seine Zustimmung zu einer Beleihung durch den Arbeitgeber nicht erklärte, waren die vorhandenen Deckungsmittel und die Altersversorgung nicht gefährdet. Blomeyer/Otto (aaO, § 7 Rz 59) meinen deshalb, daß der Versorgungsberechtigte nur dann schutzbedürftig sei, wenn der Arbeitgeber über die Deckungsmittel einseitig zu Lasten des Arbeitnehmers verfügen könne. Sei dagegen die Mitwirkung des bezugsberechtigten Arbeitnehmers erforderlich, so müsse der Insolvenzschutz entfallen. Danach käme eine Insolvenzsicherung nur dann in Betracht, wenn bereits die Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts mit einer Einwilligung zur Abtretung, Beleihung oder Verpfändung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verknüpft gewesen wäre, also bei sog. eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrechten.

2. Für eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 7 Abs. 2 BetrAVG fehlt jedoch eine überzeugende Begründung. Aus dem Wortlaut, der Systematik und dem Zweck des Betriebsrentengesetzes ergibt sich vielmehr, daß auch eine mit Zustimmung des Arbeitnehmers vorgenommene Beleihung unwiderruflicher Bezugsrechte eine Insolvenzsicherung auslösen kann.

§ 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BetrAVG führt die Widerruflichkeit der Bezugsberechtigung einerseits und die Beleihung oder Abtretung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag andererseits als zwei zu unterscheidende Sicherungsfälle auf. Eine gesonderte Erwähnung der Beleihung und Abtretung ist aber nur dann erforderlich, wenn sie sich auf unwiderrufliche Bezugsrechte bezieht. Eine Beleihung von praktischer Bedeutung setzt bei unwiderruflichen Bezugsrechten die Zustimmung des Bezugsberechtigten voraus. § 7 Abs. 2 BetrAVG unterscheidet nicht danach, zu welchem Zeitpunkt diese Zustimmung erteilt wurde. Die fehlende Unterscheidung entspricht dem Zweck des Gesetzes. Es hat dem Arbeitnehmer nach Eintritt der Unverfallbarkeit bewußt kein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt, um dem Arbeitgeber eine Beleihung des Versicherungsanspruchs zu ermöglichen und damit eine Darlehensaufnahme zu erleichtern (BT-Drucks. 7/1281, S. 23 f., zu § 1 Abs. 2). Wenn der Arbeitnehmer nachträglich an der Schaffung einer für billigenswert erachteten Rechtslage mitwirkt, darf ihm nicht schon deshalb das Bedürfnis nach Insolvenzschutz abgesprochen werden. § 7 Abs. 5 BetrAVG trägt dem berechtigten Anliegen des Beklagten Rechnung, bei mißbräuchlichen Beleihungen keinen Versicherungsschutz leisten zu müssen. In § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen bei der Beleihung eines Anspruches aus einer Direktversicherung keine Insolvenzsicherung besteht.

3. Die Insolvenzsicherungspflicht läßt sich auch nicht mit der Begründung verneinen, der Arbeitgeber habe mit Zustimmung des Arbeitnehmers Deckungsmittel beliehen, die aus Eigenbeiträgen des Arbeitnehmers gebildet worden seien (Blomeyer/Otto, aaO, § 7 Rz 59; Höfer/Abt, aaO, § 7 Rz 103). Zutreffend weist Höfer (in Höfer/Abt, aaO, Arb.Gr. Rz 119) darauf hin, daß es sich bei den Beiträgen zu einer Direktversicherung, die auf einer sog. Barlonnumwandlung (“Gehaltsverzicht”) beruht, nicht um Eigenbeiträge des Arbeitnehmers handelt (vgl. auch oben I 2a aa und bb).

III. Der Insolvenzsicherungsanspruch des Klägers ist nicht wegen eines Versicherungsmißbrauchs ausgeschlossen.

1. Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG besteht kein Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung, wenn und soweit nach den Umständen des Falles die Annahme gerechtfertigt ist, daß es der alleinige oder überwiegende Zweck der Beleihung eines Anspruchs aus einer Direktversicherung gewesen ist, den Träger der Insolvenzsicherung in Anspruch zu nehmen. Da § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG Mißbrauchstatbestände umschreibt und die Sanktion (Fehlen des Versicherungsschutzes) den Arbeitnehmer trifft, muß dieser nach dem Normzweck des § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG an der mißbräuchlichen Maßnahme, hier also an einer mißbräuchlichen Beleihung, beteiligt gewesen sein (Blomeyer/Otto, aaO, § 7 Rz 284; Paulsdorff in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, aaO, § 7 Rz 85; Höfer/Abt, aaO, § 7 Rz 157). Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen zusammenwirken. Der Arbeitnehmer muß den mißbilligten Zweck der Maßnahme zumindest erkennen können.

2. Der Beklagte hat diese Voraussetzungen nicht behauptet. Er trägt jedoch die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Umstände, die die Einwendung nach § 7 Abs. 5 BetrAVG begründen sollen (Blomeyer/Otto, aaO, § 7 Rz 289; Paulsdorff in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, aaO, § 7 Rz 83; Höfer/Abt, aaO, § 7 Rz 154).

a) Die im Jahre 1982 erteilte Zustimmung zur Beleihung erfüllt nicht den Mißbrauchstatbestand des § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG. Mit der Zustimmung wird nachträglich eine Rechtslage geschaffen, die das Gesetz in § 1 Abs. 2 BetrAVG ausdrücklich billigt. Der Arbeitgeber soll die Möglichkeit haben, den Versicherungsanspruch zu beleihen (BT-Drucks. 7/1281, S. 23, zu § 1 Abs. 2). Die Verwendung eines vom Gesetz anerkannten Regelungsmodells kann nicht als mißbräuchlich angesehen werden. Den Arbeitnehmer können unterschiedliche Gründe veranlassen, seine Zustimmung zu Beleihungen zu erteilen. Ohne besondere Umstände kann der Senat nicht davon ausgehen, die Zustimmung habe eine Beleihung ermöglichen sollen, deren alleiniger oder überwiegender Zweck die Inanspruchnahme des Trägers der Insolvenzsicherung gewesen sei.

b) Ein Versicherungsmißbrauch ergibt sich auch nicht aus den einzelnen Beleihungen und ihren Begleitumständen.

Dem Vortrag des Beklagten läßt sich weder entnehmen, daß die Arbeitgeberin mit den Beleihungen den in § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG mißbilligten Zweck verfolgte, noch daß der Kläger sich an einem Mißbrauch beteiligte. Der Beklagte hat nicht vorgetragen, daß der Kläger nach den ihm bekannten Umständen mit einer mißbräuchlichen Beleihung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag rechnen mußte. Deshalb kommt es weder darauf an, ob der Kläger seine Zustimmung zur Beleihung hätte widerrufen können, noch bedarf es einer näheren Prüfung, unter welchen Voraussetzungen das Unterlassen eines möglichen Widerrufs der Zustimmung als Beteiligung des Arbeitnehmers am Versicherungsmißbrauch anzusehen ist.

c) § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG enthält zwar eine widerlegbare Vermutung für die Annahme einer mißbräuchlichen Beleinung (BAGE 60, 228, 236 = AP Nr. 21 zu § 16 BetrAVG). Diese Vorschrift befaßt sich jedoch mit der Erteilung und Verbesserung einer Versorgungszusage und nicht mit der Beleihung. Für die Anwendung der Regeln über einen Beweis des ersten Anscheins fehlen im vorliegenden Fall sowohl ein hinreichend zuverlässiger Erfahrungssatz als auch ein formelhafter, typischer Geschehensablauf, der so sehr das Gepräge des Üblichen und Gewöhnlichen trägt, daß demgegenüber die besonderen Umstände des einzelnen Falles in ihrer Bedeutung zurücktreten (vgl. BGH Urteil vom 22. Dezember 1955 – II ZR 119/54 – VersR 1956, 84 f.).

d) Schließlich steht auch § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG dem Insolvenzsicherungsanspruch des Klägers nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift werden Verbesserungen der Versorgungszusagen bei der Bemessung der Leistungen des Trägers der Insolvenzsicherung nicht berücksichtigt, soweit sie in dem letzten Jahr vor dem Eintritt des Versicherungsfalles größer gewesen sind als in dem diesem Jahr vorangegangenen Jahr. Diese Regelung, die den Rechtsgedanken der §§ 30 und 31 KO übernimmt, gilt für Beleihungen weder direkt noch entsprechend. Für eine analoge Anwendung fehlt es sowohl an einer planwidrigen Regelungslücke als auch an einer vergleichbaren Sach- und Interessenlage. § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG beschränkt sich auf Verbesserungen der Versorgungszusagen. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, daß er die zwei Sätze vorher erwähnten Beleihungen und Abtretungen übersehen hat. Zwischen Verbesserungen der Versorgungszusagen einerseits und Beleihungen oder Abtretungen des Anspruchs aus einer Direktversicherung andererseits bestehen erhebliche Unterschiede. Während Verbesserungen der Versorgungszusagen die Arbeitnehmer auf Dauer begünstigen, sollen die Arbeitnehmer durch Beleihungen oder Abtretungen der Ansprüche auf die Versicherungsleistungen allenfalls vorübergehend belastet werden.

3. Ein Versicherungsmißbrauch liegt um so näher, je kürzer der Abstand zwischen einer Verfügung über die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag und der Konkurseröffnung ist. Die Anforderungen an die Darlegungen des Pensions-Sicherungs-Vereins dürfen auch nicht überspannt werden. Der beklagte Pensions-Sicherungs-Verein muß aber konkrete Tatsachen dafür vortragen, daß der Arbeitgeber die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag mißbräuchlich belieh und der Arbeitnehmer daran beteiligt war.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Griebeling, Kremhelmer, Grimm, Dr. Krems

 

Fundstellen

BAGE, 215

BB 1991, 482

NJW 1991, 717

RdA 1991, 60

ZIP 1991, 49

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