Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche Kündigung nach Einigungsvertrag

 

Normenkette

Einigungsvertrag Art. 20 Abs. 1 Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1; Personalvertretungsgesetz der DDR §§ 82, 116b; BPersVG § 82; GG Art. 3 Abs. 1; AGB-DDR § 55; KSchG §§ 4, 7; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 16.02.1993; Aktenzeichen 5 Sa 87/92)

KreisG Leipzig-Stadt (Urteil vom 02.06.1992; Aktenzeichen 1 Ca 218/91)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 16. Februar 1993 – 5 Sa 87/92 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 Ziff. 1 EV) gestützten ordentlichen Kündigung.

Der im Jahre 1957 geborene Kläger unterrichtete seit 1981 als Lehrer für Biologie und Chemie im Schuldienst der ehemaligen DDR. Von 1983 bis 1987 war er ehrenamtlicher Parteisekretär der SED an der Erweiterten Oberschule in A. und dabei für 10 bis 12 SED-Mitglieder zuständig. Anschließend wurde er Direktor der 4. Erweiterten Oberschule in T. Nach dem Besuch des Instituts für Leitung und Organisation in P. wurde er ab dem 1. September 1989 zum ersten Stellvertreter des Kreisschulrats beim Rat des Kreises T., Abteilung Volksbildung, ernannt und war hier für die Personalabteilung zuständig. Seit dem 1. September 1990 war er wieder als Lehrer an der Erweiterten Oberschule in T. tätig.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 1991, welches dem Kläger am 19. Dezember 1991 zugegangen ist, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30. Juni 1992 wegen mangelnder persönlicher Eignung des Klägers.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam. Er sei nicht persönlich ungeeignet. Ein konkretes Fehlverhalten könne ihm nicht vorgeworfen werden. Im Sommer 1988 sei er wegen unzureichender Durchsetzung der damaligen Bildungspolitik, beispielsweise wegen unzureichender Zahlen bei der Gewinnung militärischen Nachwuchses, kritisiert worden. Die Tätigkeit des ersten Stellvertreters des Kreisschulrates habe er lediglich vier Monate lang ausgeübt. In diese Position sei er wegen Krankheit des vorherigen Stelleninhabers berufen worden, er habe sie zunächst abgelehnt und schon im Oktober 1989 wieder abgeben wollen. Das sei aufgrund des Personalmangels nicht möglich gewesen. Eine Personalplanung habe angesichts der politischen Ereignisse gar nicht mehr stattgefunden. Er habe auch keine falschen Angaben im Fragebogen gemacht. Die „herausgehobenen Stellungen”, nach denen dort gefragt worden sei, habe er nicht bekleidet. Der Personalrat sei vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 18. Dezember 1991 nicht aufgelöst worden sei, sondern fortbestehe,
  2. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 30. Juni 1992 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen: Der Kläger habe die von ihm wahrgenommenen Staats- und Parteifunktionen nicht ausüben können, ohne sich für die Erziehungsziele der SED und eine politisch-ideologisch ausgerichtete Schulausbildung einzusetzen. Er habe die SED durch sein Engagement aktiv unterstützt. Bei der Tätigkeit als erster Stellvertreter des Kreisschulrats habe es sich um das zweithöchste staatliche Amt im Rahmen der politischen Kontrolltätigkeit im Bildungswesen des Kreises gehandelt. Eine solche Position sei nur besonders linientreuen und kompromißlosen Verfechtern der Ziele des SED-Staates übertragen worden. Die Darstellung des Klägers, er habe die Amtsübernahme zunächst abgelehnt und ausschließlich wegen der Krankheit des Amtsvorgängers akzeptiert und das Amt schon im Oktober 1989 wieder abgeben wollen, treffe nicht zu. Ebenso werde bestritten, daß er wegen unzureichender Durchsetzung der damaligen Bildungspolitik kritisiert worden sei. Bei der Ausfüllung des Fragebogens habe er die Frage nach einer früheren Tätigkeit auf Leitungsebene mit „Nein” beantwortet und damit seine Tätigkeiten als Direktor und als erster Stellvertreter des Kreisschulrats verschwiegen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Hauptantrag weiter, während der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

A. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei für eine Tätigkeit als Lehrer persönlich nicht geeignet im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV. Er sei rund fünf Jahre lang ehrenamtlicher Parteisekretär an seiner Schule gewesen. Auch wenn ein Parteisekretär nur auf der untersten Ebene für den SED-Staat tätig gewesen sei, habe er damit doch in besonderem Maße an dessen Zielen, vor allem der Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, mitgewirkt. Es habe unbestritten zu den Aufgaben eines Parteisekretärs gehört, der Kreisleitung der SED monatlich über das politische Klima an der Schule zu berichten und Parteiversammlungen an der Schule zu leiten, in denen das politische Klima der Schule besprochen worden sei. Parteisekretäre an einer Schule hätten auch den Direktor hinsichtlich der vorgegebenen politischen Ziele kontrollieren und überwachen und auf die politische Bildung der Kinder, Jugendlichen und Lehrer ebenso wie auf Entscheidungen über Besuchsreisen in die Bundesrepublik Einfluß nehmen können. Damit habe die Übernahme des Amtes eines Parteisekretärs eine besondere Identifikation mit der SED und dem SED-Unrechtsstaat bedeutet. Insoweit sei es auch unerheblich, daß der Kläger bestimmte Aufgaben nicht wahrgenommen zu haben behaupte. Er habe als Parteisekretär den SED-Staat nach außen mit allen Punktionen und Merkmalen, die diesem Amt zugeschrieben worden seien, repräsentiert. Darüber hinaus sei der Kläger Direktor gewesen. Jeder Direktor habe im Bildungswesen der DDR neben den üblichen organisatorischen Aufgaben auch vielfältige Funktionen wahrnehmen müssen, die ausschließlich der Durchsetzung der politischen Ideologie der SED gedient hätten. So sei er zur Zusammenarbeit mit den Schutz- und Sicherheitsorganen, zur Gewinnung von militärischem Nachwuchs und zur Mitwirkung bei der Zulassung von Schülern zu weiterführenden Schulen, insbesondere zum Abitur, zuständig gewesen. Die Zusammenarbeit mit den Schutz- und Sicherheitsorganen habe sich dabei u.a. auf die politisch-ideologische Situation an der Schule, die Auswahl von Schülern für die Ausbildung im Dienst der Einheiten des MfS und das Öffnen und die Herausgabe von Kaderakten erstreckt. Auch aus der Übernahme dieses Amtes und der weiteren Tätigkeit als erster Stellvertreter des Kreisschulrates nach dem Besuch des Instituts für Leitung und Organisation in P. ergebe sich, daß der Kläger sich in besonderer Art und Weise mit dem SED-Staat identifiziert habe. Der Kläger sei beweis fällig geblieben für seinen Vortrag, er habe nur wegen Krankheit des vorherigen stellvertretenden Kreisschulrats das Amt übernommen und diese Funktion schon im Oktober 1989 wieder abgeben wollen, er habe diese Tätigkeit zunächst abgelehnt und sei wegen unzureichender Durchsetzung der damaligen Bildungspolitik kritisiert worden. Daß der Kläger seit 1990 in politischer Hinsicht unbeanstandet Unterricht erteilt habe, spiele keine Rolle. Damit beweise er nur, daß er sich der heutigen politischen Situation angepaßt habe. Die aus seiner Vergangenheit herrührenden Zweifel würden damit nicht beseitigt. Die Wirksamkeit der Kündigung scheitere auch nicht an der fehlenden Beteiligung des Personalrats. Unstreitig hätten zum Zeitpunkt der Kündigung nur örtliche Personalräte bestanden. Diese seien nicht zu beteiligen, da das Oberschulamt für die Kündigung zuständig gewesen sei.

B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten zwar nicht in allen Teilen der Begründung, wohl aber im Ergebnis der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

I. Der Feststellungsantrag des Klägers umfaßt allein den punktuellen Streitgegenstand der §§ 4, 7 KSchG. Die Antragsbegründung behandelt ausschließlich die Frage, ob die Kündigung vom 18. Dezember 1991 wirksam ist. Die Auslegung des Klagantrags ergibt daher, daß der Kläger nur eine Kündigungsschutzklage, keine weitergehende Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO erhoben hat (vgl. Senatsurteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 97/93 – zur Veröffentlichung bestimmt).

II. Das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung des Beklagten vom 18. Dezember 1991 zum 30. Juni 1992 aufgelöst worden.

1. Der Wirksamkeit der Kündigung stehen personalvertretungsrechtliche Gründe nicht entgegen.

a) Kündigungsberechtigt war das Oberschulamt Leipzig. Die Schule, an der der Kläger zuletzt beschäftigt wurde, war nicht zur Kündigung berechtigt. Nach § 82 Abs. 1 PersVG-DDR/BPersVG wäre die Stufenvertretung zu beteiligen gewesen. Eine solche bestand bei der Schulaufsichtsbehörde nicht. Daher entfiel eine personalvertretungsrechtliche Beteiligung.

b) Aus den §§ 82 Abs. 6, 116 b Abs. 2 Nr. 5 PersVG-DDR ergab sich keine Notwendigkeit, einen bestehenden Schul- oder Kreisschulpersonalrat zu beteiligen. Diese Vorschriften sicherten lediglich ein mehrstufiges Beteiligungsverfahren und setzten das Vorhandensein einer erstzuständigen Personalvertretung voraus (ausführlich u.a. Senatsurteil vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 68/93 – n.v., zu B V 2 der Gründe).

c) Die Unwirksamkeit der Kündigung kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß das Sächsische Staatsministerium für Kultus die Einleitung der Wahl eines Hauptpersonalrates bzw. Bezirkspersonalrates in rechtswidriger Weise unterlassen haben soll. Eine Rechtsvorschrift, aus der eine solche Folge hergeleitet werden könnte, existiert nicht.

2. Die Kündigung ist nach Abs. 4 Ziff. 1 EV gerechtfertigt.

a) Nach Art. 20 Abs. 1 EV gelten für die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum Zeitpunkt des Beitritts die in der Anlage I vereinbarten Regelungen. Der Kläger unterrichtete zum Zeitpunkt des Beitritts an einer öffentlichen Schule, gehörte daher dem öffentlichen Dienst an.

b) Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Der Senat hat in seinen Entscheidungen vom 18. März 1993 und 4. November 1993 (– 8 AZR 356/92 – AP Nr. 12 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX und – 8 AZR 127/93 – AP Nr. 18, a.a.O., jeweils auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, m.w.N.) die Wirksamkeit der Kündigung nach einer auf den Kündigungszeitpunkt bezogenen Einzelfallprüfung beurteilt und hierzu im einzelnen folgende Grundsätze entwickelt:

Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.

Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht.

Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers zunächst zu erproben. Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen; denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.

Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und ggf. zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist. Eine Umkehr der im Kündigungsschutzprozeß allgemein bestehenden Beweislast findet nicht statt (vgl. Senatsurteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 zur Veröffentlichung bestimmt, zu B II 3 b der Gründe).

c) Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, die verschiedenen Funktionen des Klägers sprächen für seine Ungeeignetheit, weiterhin als Lehrer tätig zu sein.

aa) Der Kläger übte das Amt des Parteisekretärs ab 1983 rund fünf Jahre lang aus. Der Parteiapparat unterhalb der Ebene der SED-Kreisleitung umfaßte auch die ehrenamtlichen Parteisekretäre an Schulen. Sie waren immer Mitglied der Schulleitung, hatten Mitspracherecht bei jeder politischen Entscheidung des Direktors und bei Auszeichnungen und Beförderungen. Der Parteisekretär kontrollierte und überwachte den Direktor hinsichtlich der Durchsetzung der vorgegebenen politischen Ziele. Er leitete die Parteiversammlung. Er war verantwortlich für die politische Bildung der Kinder. Jugendlichen und Lehrer. Er hatte über das politische Klima der Schule an die SED-Kreisleitung zu berichten und war damit Repräsentant der staatstragenden Partei SED in der Schule. Wurde dieses wichtige Amt wiederholt ausgeübt, ist die besondere Identifikation des ehrenamtlichen Parteisekretärs mit den Zielen des SED-Staates indiziert (u.a. Senatsurteile vom 16. Dezember 1993 – 8 AZR 15/93 – n.v., zu B II 2 der Gründe; vom 20. Januar 1994 – 8 AZR 24/93 – n.v., zu B III 2 c aa der Gründe; vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 128/93 – n.v., zu B III 3 a der Gründe).

bb) Das Amt des Schuldirektors, das der Kläger anschließend bis 1989 innehatte, betraf nicht ausschließlich den organisatorischen Ablauf des Schulgeschehens. Inhalt des Amtes eines Schuldirektors sowie dessen Aufgaben ergaben sich u.a. aus der Verordnung über die Sicherung einer festen Ordnung an den allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen – Schulordnung – vom 29. November 1979 (GBl. I S. 433). Nach § 10 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2, 4. Halbsatz Schulordnung war der Direktor auch zuständig für die politische Leitung der Schule. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 Schulordnung bestand die Verpflichtung des Direktors, seiner Leitungstätigkeit u.a. die Beschlüsse der SED zugrundezulegen. Ebenso belegt § 11 Abs. 1 Satz 1 Schulordnung die enge Bindung des Schuldirektors an die Partei. Damit war dieses staatliche Amt parteinah ausgerichtet. Dementsprechend hat das Landesarbeitsgericht unangefochten festgestellt, es habe zu den Aufgaben des Schuldirektors gehört, mit den Schutz- und Sicherheitsorganen zusammenzuarbeiten sowie die politisch-ideologische Situation an der Schule zu kontrollieren und auf diese einzuwirken. Der Kläger selbst hat behauptet, wegen unzureichender Durchsetzung der Bildungspolitik kritisiert worden zu sein.

Entgegen der Auffassung der Revision bestehen keine personalvertretungsrechtlichen Hinderungsgründe für die Verwertung des entsprechenden Beklagtenvorbringens. Nur für die dem Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung bekannten, der Personalvertretung im Rahmen der notwendigen Anhörung nicht mitgeteilten, aber im Prozeß geltend gemachten Kündigungsgründe hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, daß sie bei der Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung unbeachtlich sind (BAGE 34, 309, 319 ff. = AP Nr. 22 zu § 102 BetrVG 1972, zu B II 4 der Gründe; BAGE 35, 190, 195 f. = AP Nr. 23, a.a.O. zu II 3 der Gründe). War kein Personalrat zu beteiligen, können vor Kündigungsausspruch entstandene Kündigungsgründe verwertet werden. Sinn der Anhörung ist es, dem Personalrat Einfluß auf die Kündigungsentscheidung des Arbeitgebers zu geben, um diesen zu einer anderen, für den Arbeitnehmer günstigeren Entscheidung veranlassen zu können. Dieser Zweck würde durch eine nachträgliche Anhörung nicht mehr erreicht, weil in diesem Zeitpunkt die Kündigungsentscheidung des Arbeitgebers auf der Grundlage vollständig bekannter Gründe schon in die Tat umgesetzt ist. Deshalb sehen die entsprechenden Vorschriften eine nachträgliche Anhörung nicht vor, sondern verlangen eine Anhörung vor Ausspruch der Kündigung (Senatsurteil vom 20. Januar 1994 – 8 AZR 24/93 – n.v., zu B III 2 a der Gründe).

cc) Der Kläger stieg im September 1989 nach dem Besuch des Instituts für Leitung und Organisation in P. zum ersten Stellvertreter des Kreisschulrats auf. Der Beklagte hat dessen Aufgabenstellung mit der Durchsetzung der Bildungspolitik der SED mittels Kaderentscheidungen nur sehr allgemein umschrieben. Das Landesarbeitsgericht hat keine näheren Feststellungen hierzu getroffen. Das zwingt indessen nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Der Kläger hat dieses Amt nämlich nur kurze Zeit ausgeübt. Seine mangelnde Eignung ist, wovon auch das Landesarbeitsgericht ausgeht, bereits aufgrund der übrigen Ämter und seiner gesamten beruflichen Entwicklung indiziert.

d) Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, der Kläger habe die sich aus den ausgeübten Ämtern ergebende Indizwirkung nicht entkräftet.

Das Landesarbeitsgericht hat zwar die Beweislast im Kündigungsschutzprozeß verkannt, wenn es meint, der Kläger sei für seinen Vortrag beweis fällig geblieben; denn der Arbeitgeber trägt – wie ausgeführt – in vollem Umfang die Beweislast. Der Vortrag des Klägers ist jedoch nicht geeignet, das Indiz mangelnder Eignung zu entkräften.

Wenn der Kläger vorträgt, „bestimmte Aufgaben” als Parteisekretär nicht wahrgenommen zu haben, wird daraus nicht deutlich, wie er etwaige Spielräume des Parteiamtes genutzt hat. Sein allgemeiner Hinweis auf verschiedene Verhaltensmöglichkeiten und darauf, daß ihm kein besonderes Fehlverhalten vorgeworfen werde, genügt nicht. Die Behauptung des Klägers, im Sommer 1988 wegen unzureichender Durchsetzung der Bildungspolitik, z.B. unzureichender militärischer Nachwuchsgewinnung, kritisiert worden zu sein, läßt nicht erkennen, ob dieser Kritik ein bestimmtes, ggf. welches, Verhalten zugrunde lag oder ob nur der fehlende Erfolg gerügt wurde. Immerhin trägt der Kläger auch vor, daß ihm – gleichwohl – eine höhere Tätigkeit auf Bezirksebene angeboten worden sei. Unklar bleibt, aus welchen Gründen der Kläger diese Tätigkeit abgelehnt hat.

Nach der rechts fehler freien Würdigung des Landesarbeitsgerichts besteht die mangelnde Eignung des Klägers unabhängig davon, daß er auch das Amt des ersten Stellvertreters des Kreisschulrats ausgeübt hat. Deshalb ist es nicht von Bedeutung, ob eine Personalplanung noch stattgefunden hat und ob der Kläger „korrekt und fair” auf getreten ist. Das Anhörungsprotokoll vom 4. September 1991 enthält keinen substantiierten Vortrag. Daß der Kläger im Zusammenhang mit der sog. Wende keineswegs eine lediglich an den Zielen der SED gemessene Kaderpolitik betrieben haben will, besagt nichts, zumal er auf der anderen Seite vorträgt, eine Personalpolitik habe gar nicht mehr stattgefunden. Immerhin ist der Kläger für dieses auf Kreisebene unstreitig zweithöchste staatliche Amt im Bildungswesen mit Zuständigkeit für die Personalplanung ausgewählt worden. Dabei stellt es keinen Umstand zu seinen Gunsten dar, wenn er wegen Krankheit des Amtsvorgängers in diese Position gelangt ist. Sein Vortrag, er habe sie zunächst abgelehnt und schon im Oktober 1989 wieder abgeben wollen, läßt offen, welche Gründe für Ablehnung, dennoch erfolgte Übernahme und Abgabewunsch maßgebend waren. Politische Gesichtspunkte haben nach seiner Darstellung jedenfalls keine Rolle gespielt. Vor allem trägt der Kläger nichts dazu vor, mit welchen Mitteln er seine Ziele etwa verfolgt habe.

Ohne Rechts fehler hat das Landesarbeitsgericht dem Umstand keine entscheidende Bedeutung beigemessen, daß der Kläger seit dem 1. September 1990 in politischer Hinsicht unbeanstandet unterrichtet habe. Die verschiedenen positiven Schreiben aus dem Jahre 1991 und das Zeugnis vom 22. Mai 1992 besagen nichts Erhebliches für das Verfassungsverständnis des Klägers. Demnach kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger Leitungsfunktionen gegenüber dem Beklagten verschwiegen hat und daraus ein Eignungsmangel resultiert.

Die Rüge des Klägers, durch die Kündigung vom 18. Dezember 1991 sei der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt worden, ist unbegründet. Die Darlegungen des Klägers lassen bereits nicht erkennen, daß der Beklagte gleichgelagerte Fälle ungleich behandelt habe. Das gilt auch für den angesprochenen Präsidenten des Oberschulamtes Chemnitz. Die vom Kläger zitierten Ausführungen der Ost-CDU zeigen allenfalls auf, daß Funktionäre dieser Partei ebenfalls belastet sind. Die Gruppenbildung des Beklagten ist insoweit nicht zu beanstanden. Insbesondere hat der Beklagte unwidersprochen auf seine Kündigungsrichtlinien hingewiesen, die die vom Kläger gerügten Differenzierungen gerade nicht beinhalten.

3. Die von dem Beklagten eingehaltene Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende ist nicht zu beanstanden. Ein späterer Kündigungstermin könnte sich nur bei Anwendung der Kündigungsfrist von drei Monaten zum Schuljahresende nach § 9 der Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte vom 29. November 1979 (GBl. I S. 444) ergeben. Diese Bestimmung gehört jedoch nicht zu dem in Anlage II zum Einigungsvertrag aufgeführten DDR-Recht, das seit dem 3. Oktober 1990 als Bundesrecht weitergilt. Dementsprechend könnte sie nur gemäß Art. 9 EV als Landesrecht weitergelten, wenn der Beklagte die Gesetzgebungskompetenz für den Erlaß dieser Kündigungsfristenregelung besäße. Die Regelung der Kündigungsfristen für Lehrkräfte zählt aber nicht zum Schulrecht, sondern zum materiellen Arbeitsrecht. Insofern hat der Bund von seinem konkurrierenden Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht und in Abs. 4 Satz 4 EV auf § 55 AGB-DDR verwiesen.

III. Der schon in den Vorinstanzen nur für den Fall des Obsiegens im Kündigungsschutzrechtsstreit gestellte Weiterbeschäftigungsantrag wird in der Revisionsinstanz nicht mehr verfolgt.

C. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Ascheid, Dr. Müller-Glöge, Dr. Mikosch, Morsch, Hennecke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1076757

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