Entscheidungsstichwort (Thema)

Erziehungspflegerin in Wohngruppe von Behinderten

 

Leitsatz (redaktionell)

Teilweise Übereinstimmung mit den Sachen 4 AZR 358/92, 4 AZR 382/92 und 4 AZR 383/92 vom 26. Mai 1993

 

Normenkette

Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 03.03.1992; Aktenzeichen 7 Sa 1790/91)

ArbG Bocholt (Urteil vom 11.10.1991; Aktenzeichen 2 Ca 472/91)

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 3. März 1992 – 7 Sa 1790/91 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin als Erzieherin in einer heilpädagogischen Gruppe im Sinne der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) anzusehen und dementsprechend in VergGr. 4 b der Anlage 2 bzw. 2 d zu den AVR einzugruppieren ist.

Die Klägerin ist Erziehungspflegerin mit staatlicher Anerkennung. Seit Juni 1985 ist sie bei der Beklagten als Erzieherin beschäftigt. Im Anstellungsvertrag ist für das Arbeitsverhältnis die Anwendung der AVR in ihrer jeweils geltenden Fassung vereinbart. Die Klägerin wurde im Anstellungsvertrag zunächst in VergGr. 6 b Fallgruppe 20 e der Anlage 2 zu den AVR eingruppiert. Nach einjähriger Berufsausübung erhielt sie Vergütung nach VergGr. 5 c Fallgruppe 17 e. Seit dem 1. Januar 1991 wird sie nach VergGr. 5 b Fallgruppe 1 der Anlage 2 d zu den AVR vergütet.

Die Beklagte unterhält eine Erziehungs- und Pflegeanstalt für Behinderte, in der etwa 540 Behinderte stationär betreut werden. Diese Anstalt besteht aus Wohnbereichen, Freizeitbereichen, einer Werkstatt für Behinderte, einer Schule, einem Kindergarten sowie Fachdiensten wie einem psychologischen Dienst.

Die einzelnen Wohnbereiche sind in Wohngruppen eingeteilt, die als Grundeinheiten des Heims jeweils dem Lebensraum einer Familie entsprechen sollen. Die Klägerin ist zusammen mit anderen Erzieherinnen, einer Krankenschwester und einer Praktikantin in einer aus elf geistig behinderten Frauen bestehenden Wohngruppe eingesetzt. Von diesen Frauen sind acht mehrfach behindert. Im wesentlichen sind die Bewohnerinnen nicht imstande, die Schule oder die Werkstatt für Behinderte aufzusuchen. Lediglich eine bis zwei Bewohnerinnen besuchen die Schule; eine bis zwei Bewohnerinnen suchen stundenweise die Werkstatt auf. Die Erzieherinnen sind gemeinsam für alle Frauen ihrer Wohngruppe verantwortlich. Sie arbeiten als Team, das durch die Leiterin der jeweiligen Wohngruppe koordiniert wird.

Die Erzieherinnen arbeiten im Zwei-Schicht-System (Früh- und Spätschicht). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben sie im Tagesverlauf folgende Aufgaben: Zunächst wecken sie die Bewohnerinnen und waschen sie oder leiten sie beim Waschen an. Sodann wird von ihnen gemeinsam mit der Gruppe das Frühstück vorbereitet und eingenommen. Nach dem Frühstück räumen die Erzieherinnen – nach Möglichkeit gemeinsam mit den Behinderten – die Zimmer auf, verrichten Büroarbeiten und begleiten Bewohnerinnen erforderlichenfalls zur ärztlichen Versorgung. Außerdem erledigen sie Einkäufe, halten Kontakt zur Schule sowie zur Werkstatt und nehmen an Teamgesprächen teil. Das von der Küche angelieferte Mittagessen wird in der Gruppe gemeinsam eingenommen.

Die der Wohngruppe angehörigen Schülerinnen werden nachmittags in der Gruppe betreut. Den Erzieherinnen obliegt es hierbei, die Behinderten je nach Bedarf zur Krankengymnastik, zum Sport oder zu sonstigen, von anderen Mitarbeitern betreuten Aktivitäten zu begleiten, mit ihnen spazieren zu gehen oder mit ihnen selbst Turnübungen im Wohnbereich durchzuführen. Bei ihrer Tätigkeit müssen die Erzieherinnen mit den anfallartigen Aggressionen einzelner Bewohnerinnen vertraut sein und durch den notwendigen Kontakt mit den Bewohnerinnen solche Anfälle möglichst zu vermeiden helfen. Die Erzieherinnen haben auch das gesundheitliche Befinden der Bewohnerinnen zu beobachten und gegebenenfalls verordnete Medikamente zu verabreichen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei in ihrer Tätigkeit richtig nicht in VergGr. 5 c, sondern in VergGr. 5 b Fallgruppe 67 k der Anlage 2 zu den AVR eingruppiert gewesen. Sie sei nämlich in einer heilpädagogischen Gruppe tätig und damit einer Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin gleichzustellen. Im Vordergrund ihrer Tätigkeit stehe die intensive Betreuung der Bewohnerinnen. Sie müsse diesen pädagogisch-kreative Angebote unterbreiten, sie zur Beschäftigung im musisch-kreativen Bereich anhalten, ihre Kommunikation fördern und ihr Ich-Bewußtsein unterstützen. Nachdem sie ihre Tätigkeit am 1. Juli 1990 schon länger als vier Jahre verrichtet habe, stehe ihr jedenfalls seit diesem Zeitpunkt aufgrund des Bewährungsaufstiegs Vergütung nach VergGr. 4 b, zumindest aber nach VergGr. 5 b zu.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß sie seit dem 1. Juli 1990 nach der VergGr. 4 b AVR in der Fassung vom 15. Juni 1990 zu entlohnen ist,

hilfsweise festzustellen, daß sie seit dem 1. Juli 1990 nach der VergGr. 5 b AVR zu entlohnen ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Klägerin in VergGr. 5 c – seit dem 1. Januar 1991 in VergGr. 5 b Fallgruppe 1 der Anlage 2 d zu den AVR – für richtig eingruppiert. Die Klägerin arbeite nämlich nicht in einer heilpädagogischen Gruppe. Heilpädagogische Arbeit werde nur in der psychologischen Station und von den anderen wohngruppenübergreifenden Diensten geleistet, nicht dagegen in den Wohngruppen. Diese seien Familienersatz und hätten lediglich die Aufgabe, die Grundbedürfnisse wie Schlafen, Essen, Geborgenheit, Selbstentwicklung und Zusammenleben mit anderen zu befriedigen.

Das Arbeitsgericht hat der ursprünglich auf Vergütung nach VergGr. 5 b Fallgruppe 67 k der Anlage 2 zu den AVR gerichteten Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren in der Berufungsinstanz auf Eingruppierung in VergGr. 4 b AVR erweiterten Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Die Klage ist zwar zulässig. Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die auch außerhalb des öffentlichen Dienstes allgemein üblich ist und nach ständiger Senatsrechtsprechung keinen prozeßrechtlichen Bedenken begegnet (vgl. Senatsurteile vom 25. September 1991 – 4 AZR 87/91 – EzA § 4 TVG Großhandel Nr. 2, zu I der Gründe, m.w.N.; vom 11. November 1992 – 4 AZR 117/92 – n.v., zu II 1 der Gründe).

II. Die Klage ist aber nicht begründet. Nach den auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren AVR war die Klägerin zutreffend bis zum 31. Dezember 1990 in VergGr. 5 c der Anlage 2 eingruppiert. Auch ihre Eingruppierung seit dem 1. Januar 1991 in VergGr. 5 b der Anlage 2 d zu den AVR ist richtig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. 4 b bzw., vor dem 1. Januar 1991, nach VergGr. 5 b.

1. Auf das Arbeitsverhältnis sind, wovon übereinstimmend auch die Parteien ausgehen, die AVR in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

a) Zwar können die AVR nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine normative Wirkung entfalten, sondern nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung finden (vgl. BAG Urteil vom 6. Dezember 1990, BAGE 66, 314, 320 = AP Nr. 12 zu § 2 BeschFG 1985, zu II 2 b der Gründe, m.w.N.). Eine solche Vereinbarung liegt hier aber vor.

b) Für die Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch kommt es auf folgende Bestimmungen der AVR in der am 1. Juli 1990 geltenden Fassung an:

Anlage 2 zu den AVR

Vergütungsgruppe 5 c

17 Erzieher (innen) oder Kindergärtnerinnen

e) in Gruppen von körperlich, seelisch oder geistig Behinderten oder von gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen

nach einjähriger Berufsausübung in einer der in den Buchstaben a) bis e) genannten Tätigkeiten jeweils nach erlangter staatlicher Anerkennung

27 Heilerziehungspfleger mit staatlicher Anerkennung nach mindestens einjähriger Vollzeitausbildung oder zweijähriger berufsbegleitender Ausbildung, in Gruppen von Behinderten, nach einjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe 6 b Ziff. 27

Vergütungsgruppe 5 b

67 Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung

k) in geschlossenen (gesicherten) Gruppen oder in Aufnahme-(Beobachtungs-)Gruppen oder in heilpädagogischen Gruppen (Anm. 105)

Vergütungsgruppe 4 b

50 Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen mit Staatlicher Anerkennung nach vierjähriger Tätigkeit in der Vergütungsgruppe 5 b Ziff. 67 (Anm. 105).

Anmerkungen zu den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppen 1–12

Die nachstehenden Anmerkungen sind bei der Einstufung der Mitarbeiter in das Vergütungsgruppenverzeichnis zu beachten.

105) Erzieher … mit staatlicher Anerkennung als Erzieher … sowie Mitarbeiter in der Tätigkeit von Erziehern … mit abgeschlossener mindestens gleichwertiger Fachausbildung werden nach diesem Tätigkeitsmerkmal eingruppiert, wenn sie am 1. April 1970 die in dem Tätigkeitsmerkmal geforderte Tätigkeit ausüben oder ihnen bis zum 31. Dezember 1990 diese Tätigkeit übertragen wird.

2. Die Klägerin hat, was zwischen den Parteien unstreitig ist, bis zum 31. Dezember 1990 jedenfalls die Voraussetzungen für die Eingruppierung in VergGr. 5 c erfüllt, seit dem 1. Januar 1991 erfüllt sie die Erfordernisse für die Eingruppierung in VergGr. 5 b.

a) Sie ist zwar keine Erzieherin mit staatlicher Anerkennung und fällt daher nicht unter VergGr. 5 c Fallguppe 17 e. Als Heilerziehungspflegerin mit staatlicher Anerkennung, die in einer Gruppe von geistig Behinderten arbeitet und bereits seit Juni 1986 die zusätzlich erforderliche einjährige Bewährungszeit in dieser Tätigkeit bei der Beklagten aufgewiesen hat, war sie aber in VergGr. 5 c Fallgruppe 27 eingruppiert.

Seit dem 1. Januar 1991 fällt die Klägerin als Heilerziehungspflegerin mit staatlicher Anerkennung unter die VergGr. 5 b Fallgruppe 1 der Anlage 2 d zu den AVR. Mit ihrer Tätigkeit in einer Gruppe von Schwerbehinderten und teilweise mehrfach Behinderten übt sie nämlich nach Anmerkung 6 b eine besonders schwierige fachliche Tätigkeit i.S. der VergGr, 5 b Fallgruppe 1 aus. Da zwischen den Parteien unstreitig ist, daß sie jedenfalls seit dem 1. Januar 1991 die Voraussetzungen für diese Eingruppierung erfüllt, kann auch davon ausgegangen werden, daß sie sich vorher in ihrer über vierjährigen entsprechenden Tätigkeit in VergGr. 5 c bewährt hat.

b) Der Eingruppierung in VergGr. 5 c und 5 b steht nicht entgegen, daß im Arbeitsvertrag der Klägerin ihre Eingruppierung in VergGr. 6 b Fallgruppe 20 e vermerkt ist, denn die Angabe der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag hat nicht rechtsbegründende (konstitutive), sondern nur erläuternde (deklaratorische) Bedeutung.

aa) Der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien kann als typischer Vertrag vom Revisionsgericht frei ausgelegt werden, denn es handelt sich um einen von der Beklagten verwandten Formularvertrag (vgl. Senatsurteil vom 12. Dezember 1990 – 4 AZR 306/90 – EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 4).

bb) Die Auslegung der im Arbeitsvertrag enthaltenen Verweisung auf die AVR in der jeweils geltenden Fassung ergibt, daß für die Eingruppierung der Klägerin unabhängig von der bei Vertragsabschluß festgelegten Vergütungsgruppe jeweils die einschlägigen Bestimmungen der AVR maßgeblich sein sollen. Es ist nämlich, wie der Senat in seinem Urteil vom 12. Dezember 1990 (EzA, a.a.O.) ausführlich begründet hat, davon auszugehen, daß eine Verweisung auf die AVR in ihrer jeweils geltenden Fassung nur widerspiegeln soll, was nach den AVR rechtens ist. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte muß bei Vorliegen einer solchen Verweisung angenommen werden, daß die Arbeitsvertragsparteien zum Ausdruck bringen wollten, daß sich die Vergütung jeweils nach der Vergütungsgruppe richten soll, deren Voraussetzungen der Arbeitnehmer mit seiner Tätigkeit erfüllt.

3. Die Wertung des Landesarbeitsgerichts, wonach die Klägerin nicht die Voraussetzungen für die von ihr begehrte Höhergruppierung nach VergGr. 4 b erfüllt, weil sie keine Tätigkeit in der VergGr. 5 b Fallgruppe 67 ausübt, ist im Ergebnis zutreffend. Die Klägerin ist nämlich nicht, wie in VergGr. 5 b Fallgruppe 67 und VergGr. 4 b Fallgruppe 50 gefordert, Sozialarbeiterin oder Sozialpädagogin mit staatlicher Anerkennung. Sie gehört auch nicht zum Kreis der Erzieherinnen oder Mitarbeiterinnen in der Tätigkeit von Erzieherinnen, die nach Anmerkung 105 zu diesen Fallgruppen Sozialarbeiterinnen und Sozialpädagoginnen gleichzustellen sind. Die Klägerin übt ihre Tätigkeit nämlich nicht in einer heilpädagogischen Gruppe aus.

a) Der Begriff „heilpädagogische Gruppe” ist in den AVR nicht definiert. Zu seiner Bestimmung ist in erster Linie auf den Wortsinn zurückzugreifen. Dieser richtet sich nach dem Begriff der Heilpädagogik, wie er sich aus dem Sprachgebrauch der beteiligten Fachkreise ergibt. Danach ist, wie der Senat mit eingehender Begründung zur gleichlautenden Bestimmung der VergGr. V b Fallgruppe 1 k des Teils II Abschn. G Unterabschn. II der Anlage 1 a zum BAT ausgeführt hat, unter einer heilpädagogischen Tätigkeit eine Tätigkeit zu verstehen, die mit besonderen, spezifischen Erziehungsformen die Förderung und Betreuung behinderter Menschen umfaßt (BAG Beschluß vom 3. Dezember 1985, BAGE 50, 241; BAG Urteil vom 6. Dezember 1989 – 4 AZR 450/89 – AP Nr. 148 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 4. April 1990 – 4 AZR 20/90 – ZTR 1990, 380, 381). Dabei kann sich die heilpädagogische Förderung nicht auf einzelne Lebensbereiche des Behinderten beschränken, sondern muß in einem umfassenden Sinn seine gesamte Persönlichkeit zum Gegenstand haben (vgl. Senatsurteil vom 4. April 1990, ZTR, a.a.O.).

Daß für eine heilpädagogische Tätigkeit nicht die übliche erzieherische Tätigkeit mit Behinderten ausreicht, sondern die Anwendung spezifischer Erziehungsformen erforderlich ist, ergibt sich auch aus dem Regelungszusammenhang der AVR. Die AVR enthalten nämlich mehrere Bestimmungen, in denen ausdrücklich die Eingruppierung von Mitarbeitern, die als Erzieher in einer Gruppe von Behinderten arbeiten, in die VergGr. 5 c vorgesehen ist. Eine solche Eingruppierung enthalten neben der oben (2.) erörterten Fallgruppe 27 auch die Fallgruppe 17 e für Erzieher in Gruppen von körperlich, seelisch oder geistig Behinderten, die Fallgruppe 49 a für Erzieher am Arbeitsplatz als Leiter von Behindertengruppen in einer Werkstatt für Behinderte und die Fallgruppe 49 c für Handwerker mit Gesellenbrief und sonderpädagogischer Zusatzqualifikation als Leiter einer Behindertengruppe in einer Werkstatt für Behinderte nach vierjähriger Bewährung. Allen diesen Tätigkeiten ist gemeinsam, daß sie von pädagogisch qualifizierten Personen in der Betreuung von Behinderten ausgeübt werden und pädagogischen Charakter haben. Die in den genannten Fallgruppen zur Vergütungsgruppe 5 c enthaltenen, auf genau umschriebene Einzeltätigkeiten bezogenen Eingruppierungsbestimmungen wären gegenstandslos, wenn die von den dort angeführten Personen ausgeübte pädagogische – und damit fördernde – Betreuung Behinderter ohne weiteres zugleich als heilpädagogische Tätigkeit zu qualifizieren wäre. Wenn die Tätigkeit der Betreuer nämlich eine heilpädagogische ist, handelt es sich bei der betreuten Gruppe um eine heilpädagogische Gruppe mit der Folge, daß Betreuer mit den genannten Qualifikationen entgegen den dort enthaltenen ausdrücklichen Vorgaben nicht in VergGr. 5 c, sondern in VergGr. 5 b oder 4 b einzugruppieren sind.

Demnach erfordert die zu einer höheren Eingruppierung führende Tätigkeit in einer heilpädagogischen Gruppe mehr als die mit der Arbeit von Erziehern in Behindertengruppen zwangsläufig verbundene pädagogische Einwirkung. Es genügt hierfür nicht, daß diese pädagogische Arbeit in Formen erfolgt, die auf die besonderen Belange Behinderter zugeschnitten sind, denn dies ist schon Grundvoraussetzung jeder in VergGr. 5 c eingestuften pädagogischen Arbeit in Behindertengruppen. Hinzu kommen muß vielmehr, daß die individuelle und umfassende Förderung eines jeden Behinderten nach seiner spezifischen Behinderung und Persönlichkeit im Vordergrund der Betreuungsarbeit in der Gruppe steht.

b) Die Wohngruppe, in der die Klägerin arbeitet, ist keine heilpädagogische Gruppe, weil die dort von ihr und den Erzieherinnen geleistete Betreuungsarbeit zumindest weit überwiegend keine heilpädagogische Arbeit ist.

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wird in der Anstalt der Beklagten zwar heilpädagogisch gearbeitet. Diese auf die individuelle Förderung der Behinderten gerichtete und durch Anwendung spezifischer, ihre gesamte Persönlichkeit umfassende Erziehungsformen gekennzeichnete Tätigkeit findet aber in erster Linie außerhalb der Wohngruppen statt. So werden heilpädagogische Leistungen im Freizeitbereich, in der Schule und durch psychologische Betreuung erbracht.

Dagegen ist die Arbeit der Erzieherinnen in der Wohngruppe, wie sich aus dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tagesablauf ergibt, weit überwiegend durch pflegerische Tätigkeiten, die Schaffung eines familienähnlichen Umfeldes und die Bewältigung der im Lebensalltag regelmäßig anfallenden Aufgaben geprägt.

Zwar kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, daß die Erzieherinnen bei ihrer Tätigkeit auch Maßnahmen ergreifen, die als heilpädagogisch zu qualifizieren sind. Solche Maßnahmen können nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt aber allenfalls einen geringen Teil der in der Wohngruppe der Klägerin geleisteten Betreuungsarbeit ausmachen und ihr daher nicht das Gepräge geben.

bb) Die Revision mußte auch erfolglos bleiben, soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang das Urteil des Landesarbeitsgerichts mit Verfahrensrügen angreift.

Zu der im angefochtenen Urteil enthaltenen Beschreibung des Alltags in der Wohngruppe hat die Klägerin eine Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO nicht beantragt.

Auch die Rüge der Klägerin, das Berufungsgericht habe seine sich aus § 139 ZPO ergebende Erörterungs- und Hinweispflicht verletzt, weil es bei der Auslegung des Begriffs „heilpädagogische Gruppe” von einer zu weit gehenden Darlegungslast der Klägerin ausgegangen sei, ohne den Prozeßparteien Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben zu haben, kann nicht durchgreifen. Die Klägerin hat nämlich nicht dargetan, daß sie nach einem entsprechenden Hinweis weitere – gegebenenfalls welche – Tatsachen vorgetragen hätte. Sie hat in diesem Zusammenhang geltend gemacht, daß das Landesarbeitsgericht den Parteivortrag nicht richtig gewürdigt habe. Dies reicht für eine auf § 139 ZPO gestützte Verfahrensrüge aber nicht aus.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Schneider, Dr. Wißmann, Gotsche, Kamm

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1080751

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