Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Übung im öffentlichen Dienst

 

Orientierungssatz

Sofern Schulräume mit Zustimmung des Schulträgers durch außerschulische Veranstaltungen über die tarifliche Arbeitszeit hinaus belegt werden, haben Schulhausmeister aufgrund betrieblicher Übung Anspruch darauf, während dieser Zeiten Bereitschaftsdienst gegen Zahlung der tariflichen Vergütung zu leisten, (Bestätigung des Urteils vom 13.11.1986 6 AZR 567/83 = AP Nr 27 zu § 242 Betriebliche Übung).

 

Normenkette

BGB § 242; BAT § 4 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 30.06.1986; Aktenzeichen 9 Sa 673/85)

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 05.03.1985; Aktenzeichen 16/8 Ca 234/84)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten, ob die Beklagte berechtigt ist, den Umfang der von dem Kläger als Hausmeister im Rahmen der Betreuung von außerschulischen Veranstaltungen in der Vergangenheit erbrachten Leistungen zu kürzen.

Der Kläger ist seit dem 1. Oktober 1965 als Schulhausmeister der C-Schule bei der Beklagten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und die dazu ergangenen oder noch ergehenden ergänzenden Regelungen Anwendung. Nach § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 8. Oktober/9. November 1965 sind die Geschäfts- und Dienstanweisungen in der jeweils gültigen Fassung von dem Kläger zu beachten.

Der C-Schule war schon bei der Einstellung des Klägers eine Sporthalle (die sog. kleine Halle) angegliedert. Sie wurde in den Abendstunden dem Übungsbetrieb von Sportvereinen zur Verfügung gestellt. Der Kläger betreute diese außerschulischen Veranstaltungen gemäß der Geschäftsanweisung für Schulhausverwalter, zuletzt in der Fassung vom 21. Oktober 1977, die auf die "städtischen Vorschriften für die Überlassung von Schulräumen in der jeweils gültigen Fassung" verweist und auf den Regelungen der Nr. 4 des Bezirkstarifvertrages Hessen zu Nr. 1 der SR 2 r BAT (Sonderregelung für Hausmeister) beruht. Diese "Bestimmungen für die Überlassung von Schulräumen für nichtschulische Zwecke" hat die Beklagte am 26. Mai 1967 erlassen. Deren § 11 lautet: "Pflichten des Schulhausmeisters

(1) Der Schulhausmeister muß zur Aufsicht und Wartung so lange im Schulgebäude bleiben, wie Besucher anwesend sind.

(2) Er hat auf die Einhaltung der Überlassungsbestimmungen zu achten und gegen Verstöße einzuschreiten und diese über den Schulleiter dem Stadtschulamt zu melden.

(3) Der Schulhausmeister ist verpflichtet, die Räume vor und nach der Benutzung zu besichtigen. Etwaige Beschädigungen an Räumen und Einrichtungsgegenständen sowie das Abhandenkommen von Gegenständen hat er in Gegenwart des Mieters festzustellen und durch den Schulleiter dem Stadtschulamt unverzüglich zu melden.

(4) Er hat die Beleuchtung ein- und auszuschalten und für sparsamen Verbrauch von Strom Sorge zu tragen." Im Jahr 1976 wurde an der C-Schule eine weitere Sporthalle, die sog. große Halle, errichtet, die abends ebenfalls für den außerschulischen Sportbetrieb zur Verfügung steht.

Nach ihrer Fertigstellung wurde für die Schule ein weiterer Hausmeister eingestellt. Dieser und der Kläger betreuen die beiden Hallen abwechselnd, und zwar der eine in der Regel von 18.00 Uhr bis 23.00 Uhr die große Halle, der andere die regelmäßig von 18.00 Uhr bis 22.00 Uhr besetzte kleine Halle. Die Reinigung der großen Halle erfolgt durch fremde Reinigungskräfte. Die kleine Halle wird vom Schulhausmeister gereinigt. Der Kläger hat die von ihm jeweils betreute Halle bei Übungsbeginn aufzuschließen und nach Beendigung abzuschließen. Dabei hat er zu überprüfen, ob die Lichter gelöscht sind. Die erforderlichen Geräte werden von den übenden Sportvereinen selbst geholt und weggebracht. Der Kläger hat auftretende Beschädigungen festzustellen. Darüber hinaus muß er nur in Notfällen ansprechbar sein, z.B. wenn eine Sicherung ausfällt. In der großen Halle übernimmt er zusätzlich die sog. Wegeflächenreinigung (Zugangswege, Papierkörbe), wofür er ca. 15 Minuten aufwendet. Die Reinigung der kleinen Halle nimmt ca. eine Stunde in Anspruch. Während der Übungszeiten stehen für die Hausmeister jeweils gesonderte Aufenthaltsräume zur Verfügung.

Der Kläger wird für diese Tätigkeit auf Stundenlohnbasis entlohnt. In der Zeit November 1982 bis Oktober 1983 erhielt er durchschnittlich monatlich 1.221,-- DM.

Im September 1983 ordnete die Beklagte an, daß ab 17. Oktober 1983 die Betreuung der außerschulischen Veranstaltungen in der kleinen Halle von den jeweils übenden Vereinen selbst übernommen werde. Seitdem betreuen der Kläger und sein Kollege nur noch die große Halle im wöchentlichen Wechsel. Dadurch fielen die Einnahmen des Klägers aus der Betreuungstätigkeit im Vergleichszeitraum November 1983 bis Oktober 1984 um durchschnittlich monatlich 398,-- DM auf 823,-- DM.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Übertragung der Betreuung außerschulischer Veranstaltungen in der kleinen Halle. Dies sei ihm bei Vertragsabschluß ausdrücklich zugesichert worden und ergebe sich auch aus der jahrzehntelangen Übung. Ein einseitiger Entzug dieser Tätigkeit sei rechtlich nicht möglich.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis

der Parteien durch die am 26. September 1983

in Verb. mit dem Beschluß der Stadtverord-

netenversammlung vom 28. Januar 1982 mitge-

teilte Änderung seiner Arbeitsbedingungen

nicht geändert worden sei,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unver-

änderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäf-

tigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Betreuung der Hallen sei eine Nebentätigkeit, die auch wieder entzogen werden könne. Irgendwelche mündlichen Zusagen seien dem Kläger nicht gemacht worden. Im übrigen sei eine Abrede mangels Schriftform nach § 4 Abs. 2 BAT nicht verbindlich. Darüber hinaus verstoße die bisherige Regelung auch gegen zwingende arbeitszeitrechtliche Bestimmungen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage entsprochen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Klageabweisung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat einen arbeitsvertraglichen Anspruch, die außerschulischen Veranstaltungen in der kleinen Halle auch weiterhin im bisherigen Umfang betreuen zu können.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe aufgrund seines Arbeitsvertrages, jedenfalls aber aufgrund betrieblicher Übung, einen Anspruch darauf, außerschulische Veranstaltungen auch in der kleinen Halle zu betreuen. Diese zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung sei nicht formnichtig. Denn die Schriftform sei durch den Arbeitsvertrag eingehalten worden. Jedenfalls könne sich die Beklagte auf die Nichteinhaltung der Schriftform nicht berufen (§ 242 BGB). Die Tätigkeit des Klägers sei als Bereitschaftsdienst einzuordnen und somit der Arbeitszeit nicht zuzurechnen. Die kurzfristigen Unterbrechungen bei Übungsende seien so geringfügig, daß eine erneute Ruhezeit von elf Stunden nach § 12 AZO nicht erforderlich sei. Die damit wirksame arbeitsrechtliche Vereinbarung habe die Beklagte nicht einseitig ändern können, sondern allenfalls durch eine, hier jedoch nicht ausgesprochene Änderungskündigung.

II. Mit diesen Ausführungen hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend den vom Kläger geltend gemachten Anspruch bejaht.

1. Der tarifgebundene Kläger kann den von ihm geltend gemachten Anspruch, die außerschulischen Veranstaltungen in dem bisherigen Umfang zu betreuen, nicht auf Nr. 4 des Bezirkstarifvertrages Hessen zu Nr. 1 der SR 2 r BAT stützen. Diese Vorschrift enthält lediglich die Befugnis, Sonderregelungen für Hausmeister betrieblich oder durch Nebenabrede zum Arbeitsvertrag zu vereinbaren. Damit werden aber in entsprechenden Regelungen möglicherweise enthaltene Ansprüche nicht zu tarifvertraglichen Ansprüchen.

2. Im Gegensatz zur Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann der Kläger seinen Anspruch auch nicht auf eine ausdrückliche einzelvertragliche Vereinbarung bei Abschluß des Arbeitsvertrages stützen. Der Kläger hat zwar vorgetragen, ihm sei bei Vertragsbeginn zugesichert worden, er könne außerschulische Veranstaltungen betreuen. Darin liegt aber nicht die Vereinbarung ganz bestimmter Leistungen in einem konkret bestimmten Umfang. Nachdem der Kläger aber, auch nach Änderung der Benutzungsordnung für die kleine Halle, weiterhin die große Halle betreuen kann - die bei Vertragsbeginn nicht vorhanden war -, läßt sich der Anspruch des Klägers, gerade und neben der großen Halle auch die kleine Halle weiterhin zu betreuen, auf diese allgemein gehaltene Zusage nicht stützen. Auch aus der Verweisung im Arbeitsvertrag, daß die jeweils gültigen Geschäfts- und Dienstanweisungen Anwendung finden, läßt sich ein ausdrücklicher vertraglicher Anspruch nicht herleiten. Diese enthalten nur allgemeine Anweisungen, aber keinerlei Vereinbarung über die Entlohnung, Arbeitszeit sowie Rechte und Pflichten des Schulhausmeisters.

3.a) Der Anspruch des Klägers ist aufgrund betrieblicher Übung begründet.

Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, daß ihnen eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden soll. Aufgrund einer Willenserklärung, die von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen dann vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Vergünstigungen (BAGE 40, 126, 133 = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost; BAGE 49, 299 = AP Nr. 1 zu § 1 BUrlG Treueurlaub; BAG Urteil vom 13. November 1986 - 6 AZR 567/83 - AP Nr. 27 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Dabei kommt es für die Begründung eines Anspruchs durch betriebliche Übung nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit Verpflichtungswillen handelt. Denn die Wirkung einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr nicht deshalb ein, weil der Erklärende einen bestimmten Willen hegt, sondern weil er seinen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen dem Erklärungsempfänger gegenüber äußert. Ob sich der Arbeitgeber binden wollte, beurteilt sich danach, ob der Arbeitnehmer aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers auf diesen Willen schließen durfte. Für die Bindungswirkung der betrieblichen Übung entscheidend ist daher die Frage, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durfte (§§ 133, 157 BGB; ständige Rechtsprechung, BAG, aaO).

Hinsichtlich des öffentlichen Dienstes sind allerdings insofern Einschränkungen zu machen, als dort regelmäßig Normenvollzug vorliegt. Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes wird daher selbst bei langjährigen Leistungen nicht ohne weiteres annehmen dürfen, die Gewährung von Vergünstigungen sei Vertragsbestandteil geworden (vgl. zuletzt BAGE 52, 340, 345 = AP Nr. 1 zu § 13 TV Ang Bundespost).

b) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist entgegen der Ansicht der Revision vorliegend eine betriebliche Übung dahingehend entstanden, daß der Kläger entsprechend der Handhabung in der Vergangenheit zwar keinen Anspruch auf die Betreuung bestimmter Hallen hat, wohl aber darauf, daß er bei außerschulischen Veranstaltungen in diesen Hallen deren Betreuung gegen Zahlung der festgelegten Vergütung zu leisten hat, sofern die Hallen in dieser Zeit mit Zustimmung des Schulträgers belegt sind. Der Kläger durfte darauf vertrauen, daß er diese Dienste in dem entsprechenden Umfang so lange leisten konnte, wie der Schulträger die Räumlichkeiten zur Benutzung durch Dritte freigibt. Nur wenn der Schulträger die Schulräume nicht für Dritte freigibt, entfällt nach der Geschäftsanweisung die Verpflichtung, die Hallen zu betreuen. Dies ergibt sich aus dem jahrelangen Verhalten der Beklagten in der Vergangenheit. Die Beklagte hat in der Vergangenheit entsprechend den arbeitsvertraglichen Regelungen die Leistungen des Klägers über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus verlangt, und zwar in dem Umfang, in dem die Schulräume mit ihrer Zustimmung durch außerschulische Veranstaltungen belegt waren. Dabei wurde die Tätigkeit des Klägers nicht an eine konkrete Erklärung der Beklagten ihm gegenüber geknüpft, sondern lediglich an die Tatsache der Belegung der Schulräume. Diese einheitliche, gleichmäßige Handhabung mußte bei den Schulhausmeistern und damit auch bei dem Kläger den berechtigten Eindruck erwecken, daß es sich um ein auf Dauer angelegtes Verhalten handelt. Dies gilt um so mehr, als die Beklagte auch ohne weitere Anordnungen von dem Kläger seit dem Jahre 1965 erwartet hat, daß er seinerseits diesen Verpflichtungen nachkommt und die Planung seiner Freizeit auf Dauer darauf einstellte. Auch die Besonderheiten des öffentlichen Dienstes führen zu keiner anderen Wertung. Die Beklagte hat keine Leistungen über die tarifvertraglich vorgesehenen hinaus erbracht, sondern sich im Rahmen der Tarifregelungen gehalten und diese - auch in ihrem eigenen Interesse - genutzt.

c) Entgegen der Ansicht der Revision stehen die Bestimmungen der AZO einem Anspruch aus betrieblicher Übung nicht entgegen.

Ein Verstoß gegen die Schutzvorschriften der Arbeitszeitordnung bei der vorliegenden Handhabung liegt deshalb nicht vor, weil der Kläger in der Zeit von 18.00 Uhr bis 22.00 Uhr lediglich Bereitschaftsdienst leistet, der als Ruhezeit zu bewerten ist und somit bei der Ermittlung der Höchstgrenzen der AZO nicht mitgezählt wird. Bereitschaftsdienst liegt vor, wenn der Arbeitnehmer sich für Zwecke des Betriebs an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebes aufzuhalten hat, damit er seine Arbeitstätigkeit unverzüglich aufnehmen kann. Daraus ergibt sich, daß Bereitschaftsdienst keine volle Arbeitsleistung darstellt (BAG Urteil vom 13. November 1986 - 6 AZR 567/83 - AP Nr. 27 zu § 242 BGB Betriebliche Übung).

Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß der Kläger lediglich die Türen aufzuschließen, die Beleuchtung ein- und auszuschalten und um 22.00 Uhr die Räume wieder zu verschließen hat. Im übrigen kann er sich in dem Aufenthaltsraum aufhalten. Nur in Notfällen, z.B. bei technischen Störungen, muß er tätig werden. Diese Feststellungen, an die das Revisionsgericht mangels durchgreifender Revisionsrügen gebunden ist, ergeben, daß der Kläger nur im Notfall eine Arbeitstätigkeit aufnehmen muß und somit Bereitschaftsdienst vorliegt.

Zu Unrecht rügt die Revision, das Landesarbeitsgericht habe nicht alle Wesensmerkmale der Tätigkeit des Klägers berücksichtigt. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr die Tätigkeit des Klägers bei der Betreuung der Hallen vollständig und im einzelnen gewürdigt.

Entgegen der Auffassung der Revision stellt auch das regelmäßige Abschließen nach Beendigung der Veranstaltungen keine Unterbrechung der Ruhezeit mit der Folge dar, daß sich eine neue Ruhezeit von elf Stunden anschließen müßte (§ 12 AZO). Abschließen und Lichtausschalten sind keine nennenswerten Arbeitsleistungen. Diese Tätigkeiten gehen nicht über das hinaus, was jeder Bereitschaftsdienstleistende zu tun hat, wenn er den Bereitschaftsdienst nicht in seiner Wohnung, sondern an einem anderen von dem Arbeitgeber bestimmten Ort leistet. Auch dieser hat nach Beendigung des Bereitschaftsdienstes den Ort zu verlassen und das Licht auszuschalten und abzuschließen, ohne daß diese Tätigkeit als Arbeitsleistung zu werten ist (BAG Urteil vom 13. November 1986 - 6 AZR 567/83 - AP Nr. 27 zu § 242 BGB Betriebliche Übung = ArbuR 1987, 213). Daran ändert auch nichts die Verpflichtung des Klägers, die kleine Halle nach der Benutzung durch die Sportvereine und vor Schulbeginn zu reinigen. Die Beklagte hat nicht behauptet, der Kläger sei verpflichtet, diese etwa eine Stunde dauernde Reinigung in unmittelbarem Anschluß an den Übungsbetrieb, also gerade zwischen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr vorzunehmen. Nur unter dieser Voraussetzung würde ein Verstoß gegen § 12 AZO in Betracht kommen, weil die Reinigung einer Sporthalle eine Arbeitsleistung darstellt, die eine erneute Ruhepause von elf Stunden auslöst. Wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, verbleibt dem Kläger im Anschluß an die elfstündige Ruhepause nach Dienstschluß um 18.00 Uhr des Vortages genügend Zeit, um die Halle vor Beginn des Schulbetriebes zu reinigen. Sollte die Beklagte dagegen die Reinigung in unmittelbarem Anschluß an die Benutzung der Halle durch einen Sportverein verlangen, wäre dieses Verlangen wegen Verstoßes gegen § 12 AZO unwirksam, nicht die Betreuungstätigkeit.

4. Einem Anspruch aufgrund einer betrieblichen Übung steht nicht das Schriftformerfordernis des § 4 Abs. 2 BAT entgegen. Nach dieser Vorschrift bedürfen Nebenabreden zum Arbeitsvertrag der Schriftform, um wirksam zu sein. Hiervon werden auch solche Nebenabreden erfaßt, die auf eine betriebliche Übung gestützt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BAGE 35, 7, 12 f. = AP Nr. 3 zu § 19 TV Arb Bundespost; BAGE 37, 228, 233 ff. = AP Nr. 8 zu § 4 BAT; BAGE 40, 126, 136 = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost).

Der Begriff Nebenabrede im Sinne von § 4 Abs. 2 BAT ist umstritten. Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts bestimmt dies in ständiger Rechtsprechung nach dem Gegenstand der vertraglichen Regelung. Nebenabreden sind danach Vereinbarungen der Parteien, die weder die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers noch die Gegenleistung des Arbeitgebers unmittelbar betreffen. Demgegenüber hält der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAGE 40, 126, 131 f. = AP, aaO) allein das Regelungsziel, das die Tarifvertragsparteien mit der Bestimmung verfolgt haben, für entscheidungserheblich. Der Zweck der Regelung könne ersichtlich nur darin bestehen, die Einheitlichkeit der Arbeitsbedingungen des öffentlichen Dienstes zu sichern und vom tariflichen Regelungssystem abweichende ungewöhnliche Absprachen offenzulegen, um sie damit einer dienstaufsichtlichen Überprüfung zugänglich zu machen.

Für die Entscheidung des vorliegenden Falles kann dahingestellt bleiben, ob der Auffassung des Dritten oder der des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts zu folgen ist. Nach beiden Auffassungen liegt hier keine Nebenabrede vor. Vorliegend sind Gegenstand der betrieblichen Übung Hauptrechte und Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses, nämlich Arbeitsleistung des Klägers und deren Vergütung als Gegenleistung durch die Beklagte. Es handelt sich auch nicht um eine vom tariflichen Regelungssystem abweichende Absprache, sondern um die konkrete Ausgestaltung der sich aus der Vorschrift der Nr. 4 BZTV Hessen zu Nr. 1 SR 2 r BAT ergebenden Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien.

5. Von der Beklagten kann dieser vertragliche Anspruch nicht einseitig durch Übertragung der entsprechenden Aufgaben auf die Benutzer der Räumlichkeiten beseitigt werden. Dazu hätte es vielmehr einer Änderungskündigung, eines Widerrufs oder sonstiger vorbehaltener Rechte zur Vertragsänderung bedurft. Dies ist jedoch nicht geschehen.

6. Auch der Leistungsantrag des Klägers ist begründet, da die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger nach den vereinbarten Arbeitsbedingungen zu beschäftigen (vgl. BAGE 2, 221, 224 f. = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht; BAGE 28, 168 = AP Nr. 4 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Dr. Jobs Dörner Schneider

Scheerer Ziegenhagen

 

Fundstellen

Haufe-Index 440858

ZTR 1989, 318-329 (ST1)

EzBAT § 4 BAT Betriebliche Übung, Nr 10 (ST1)

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