Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifvertragliche Ausschlußfrist. Anwendbarkeit des § 270 Abs. 3 ZPO

 

Leitsatz (redaktionell)

Die tarifliche Ausschlußfrist des § 31 VTV beginnt für Beitragsansprüche der ZVK nicht erst mit Erteilung der Auskünfte gemäß § 27 VTV durch den Arbeitgeber zu laufen.

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Bau; VTV §§ 24, 27, 29, 31; BGB §§ 197, 201, 209; ZPO §§ 254, 270

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 22.05.1995; Aktenzeichen 16 Sa 2002/94)

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 20.09.1994; Aktenzeichen 8 Ca 1735/92)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob Beitragsansprüche der Klägerin nach § 31 Abs. 1 des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über

Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Mit ihrer am 21. Dezember 1992 bei Gericht eingegangenen Klage, die den Beklagten am 7. Januar 1993 zugestellt worden ist, hat sie die Beklagte zu 1) und deren persönlich haftende Gesellschafterin, die Beklagte zu 2), auf Beitragszahlung für gewerbliche Arbeitnehmer für die Monate Dezember 1987 bis Dezember 1988 in Anspruch genommen.

Die Beklagten berufen sich u.a. darauf, daß die Beitragsansprüche der ZVK nach § 31 VTV verfallen seien.

§ 31 Abs. 1 VTV in der ab dem 1. Januar 1992 gültigen Fassung hat folgenden Wortlaut:

§ 31 Abs. 1 VTV in der ab dem 1. Januar 1992 gültigen Fassung hat folgenden Wortlaut:

„"Die Ansprüche der ZVK-Bau, der ULAK und der UKB gegen den Arbeitgeber verfallen unabhängig davon, wann sie entstanden sind, wenn sie nicht inner- halb von vier Jahren seit Fälligkeit geltend ge- macht worden sind. Für den Beginn der Frist gilt § 201 BGB entsprechend.”

Die ZVK ist der Auffassung, sie habe gemäß § 270 Abs. 3 ZPO ihre Ansprüche mit Einreichung der Klageschrift am 21. Dezember 1992 fristwahrend geltend gemacht.

Nach teilweiser Klagerücknahme bezüglich der Beitragsansprüche für den Zeitraum August bis November 1988 hat die ZVK zuletzt beantragt,

die Beklagten wie Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 216.763,93 DM zu zahlen.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der Beiträge für den Monat Dezember 1988 in Höhe von 28.420,49 DM stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die von dem Landesarbeitsgericht zugelassene Revision der ZVK.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der ZVK ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht erkannt, daß deren Beitragsansprüche für die Monate Dezember 1987 bis Juli 1988 gemäß § 31 Abs. 1 VTV verfallen sind.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, § 31 Abs. 1 VTV erfasse auch Beitragsansprüche der Sozialkassen, die bereits vor Inkrafttreten der tarifvertraglichen Verfallklausel des § 31 VTV am 1. Januar 1992 entstanden seien. Die Beitragsansprüche der ZVK seien verfallen, weil ihre Klage erst am 7. Januar 1993 und damit verspätet den Beklagten zugestellt worden sei. Die Einreichung der Klageschrift beim Arbeitsgericht am 21. Dezember 1992 habe die tarifliche Verfallfrist nicht gewahrt. § 270 Abs. 3 ZPO sei auf tarifvertragliche Ausschlußfristen nicht anwendbar, sofern diese auch anders als durch Klageerhebung gewahrt werden könnten.

II. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis und weitgehend in der Begründung zu folgen.

1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht im Wege der Auslegung anhand des Wortlauts sowie des Sinns und des Zwecks der Tarifvorschrift (BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) festgestellt, daß die tarifvertragliche Verfallfrist des § 31 Abs. 1 VTV auch solche Ansprüche erfaßt, die bereits vor dem Inkrafttreten dieser Tarifnorm am 1. Januar 1992 entstanden waren. Durch die Formulierung „… verfallen unabhängig davon, wann sie entstanden sind …” haben die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck gebracht, daß sämtliche Beitragsansprüche der Sozialkassen, soweit sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tarifvertrages noch nicht erledigt waren, nunmehr von der Ausschlußfrist des § 31 VTV erfaßt werden sollten.

Wie das Landesarbeitsgericht weiter zu Recht ausführt, ist es nicht zu beanstanden, daß die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes bereits vor dem 1. Januar 1992 entstandene Beitragsansprüche der Sozialkassen des Baugewerbes nachträglich einer Ausschlußfrist unterworfen haben. Die neue kollektiv-rechtliche – durch Tarifvertrag geschaffene – Ordnung kann vorschreiben, daß solche Ansprüche, die auf der Grundlage der bisherigen generellen Regelung entstanden sind, innerhalb einer Ausschlußfrist geltend gemacht werden müssen (BAG Urteil vom 30. Oktober 1962 – 3 AZR 405/61 – AP Nr. 1 zu § 4 TVG Ordnungsprinzip); es gilt das Ordnungsprinzip, d.h. die spätere Regelung tritt an die Stelle der früheren. Unterwerfen die Tarifvertragsparteien bei der Regelung einer gemeinsamen Einrichtung nachträglich bereits entstandene Beitragsansprüche einer Ausschlußfrist, so regeln sie die Beitragspflicht, indem sie den Beitragsanspruch durch die Voraussetzung einer rechtzeitigen Geltendmachung in zeitlicher Hinsicht beschränken. Eine solche inhaltliche Gestaltung des Beitragsanspruches liegt in der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien und ist auch nicht willkürlich. Sie entspricht dem berechtigten Interesse der Tarifunterworfenen, möglichst schnell Klarheit darüber zu erlangen, ob noch Ansprüche bestehen oder geltend gemacht werden.

2. Die Beitragsansprüche der ZVK für den hier streitigen Zeitraum von Dezember 1987 bis Juli 1988 sind nicht innerhalb der Ausschlußfrist von vier Jahren geltend gemacht worden. Die Ausschlußfrist ist am 31. Dezember 1992, 24.00 Uhr, abgelaufen.

Gemäß § 29 Abs. 1 VTV sind die Sozialkassenbeiträge für gewerbliche Arbeitnehmer für jeden Abrechnungszeitraum, spätestens bis zum 15. des folgenden Monats durch den Arbeitgeber bei der ZVK einzuzahlen. Damit waren alle streitgegenständlichen Beitragsforderungen im Laufe des Jahres 1988 fällig geworden. Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 VTV i.V.m. § 201 BGB begann die vierjährige Verfallfrist nach § 31 Abs. 1 Satz 1 VTV somit mit dem Jahresschluß 1988 und lief deshalb am 31. Dezember 1992, 24.00 Uhr, ab.

Der Senat kann der Ansicht der ZVK, die Verfallfrist für ihre Beitragsansprüche beginne erst zu laufen, wenn der Arbeitgeber die geforderten Auskünfte nach § 27 VTV erteilt habe, nicht folgen. Der von der ZVK aus den angeführten Entscheidungen des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG Urteile vom 18. Januar 1969 – 3 AZR 451/67 – AP Nr. 41 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; vom 26. Mai 1981 – 3 AZR 269/78 – AP Nr. 71 zu § 4 TVG Ausschlußfristen und vom 27. November 1984 – 3 AZR 596/82 – AP Nr. 89 zu § 4 TVG Ausschlußfristen) hergeleitete Grundsatz, daß eine tarifliche Verfallfrist erst dann zu laufen beginnt, wenn der Schuldner dem Gläubiger eine geschuldete Auskunft erteilt hat, kann im zu entscheidenden Falle nicht angewandt werden.

a) Gegen eine solche Anwendung spricht zunächst der Wortlaut des § 31 Abs. 1 VTV. Nach diesem verfallen „die Ansprüche” – also auch die Beitragsansprüche der ZVK –, wenn sie nicht innerhalb von vier Jahren nach Fälligkeit geltend gemacht worden sind.

Fällig wurden die Beitragsansprüche nach § 29 Abs. 1 VTV aber spätestens am 15. des auf den jeweiligen Lohnabrechnungszeitraum folgenden Monats. Eine Regelung, daß Beitragsansprüche erst nach Erteilung der in § 27 VTV vorgesehenen Auskünfte durch den Arbeitgeber fällig werden, enthält der VTV nicht. Auch kann aus den sonstigen Bestimmungen dieses Tarifvertrages nicht entnommen werden, daß die Tarifvertragsparteien die Fälligkeit des Beitragsanspruchs von der Erteilung der Auskünfte nach § 27 VTV abhängig machen wollten.

Außerdem handelt es sich bei dem Auskunfts- und bei dem Beitragsanspruch der ZVK um zwei unabhängig voneinander bestehende selbständige Ansprüche, so daß jeder von ihnen auch eigenständig der Verfallfrist des § 31 Abs. 1 VTV unterliegt.

Das Auskunfts- und das Beitragsverfahren sind nämlich im VTV unabhängig voneinander geregelt. So entsteht insbesondere die Beitragspflicht des Arbeitgebers nach den §§ 24 und 29 VTV gleichgültig, ob er die nach § 27 VTV geschuldeten Auskünfte erteilt oder nicht. Auch die Auskunftspflicht nach § 27 VTV besteht ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitgeber des Baugewerbes Beiträge an die ZVK abführen muß. Dies zeigt sich u.a. an der Regelung des § 27 Abs. 3 VTV, nach welcher ein Arbeitgeber, der keine Arbeitnehmer im Abrechnungszeitraum beschäftigt hat, fristgemäß eine „Fehlanzeige zu erstatten” hat.

Hinzu kommt, daß sowohl für den Auskunftsanspruch in § 27 Abs. 1 Satz 1 VTV als auch für den Beitragsanspruch in § 29 Abs. 1 VTV ausdrücklich bestimmte – nicht identische – Abrechnungszeiträume normiert werden.

b) Der ZVK ist es auch nicht unmöglich, ihre Beitragsansprüche gegen einen Arbeitgeber des Baugewerbes innerhalb der Verfallfrist des § 31 Abs. 1 VTV durchzusetzen, wenn dieser Arbeitgeber innerhalb der Verfallfrist seiner Auskunftspflicht nicht nachgekommen ist.

Wenn die ZVK nicht – wie sie es regelmäßig bei ihren Entschädigungsanträgen nach § 61 Abs. 2 ArbGG im Rahmen von Auskunftsklagen tut – die Höhe der vom Arbeitgeber geschuldeten Beiträge schätzen und dann mittels einer Leistungsklage geltend machen will, bleibt ihr die Möglichkeit, während des Laufes der Verfallfrist des § 31 Abs. 1 VTV gegen den Arbeitgeber im Wege einer Stufenklage nach § 254 ZPO auf Auskunftserteilung und auf Zahlung der sich auf Grund der Auskunft zu errechnenden Beiträge vorzugehen.

Eine solche Stufenklage würde die Verfallfrist sowohl für den Auskunfts- als auch für den Beitragsanspruch wahren.

Dem steht die Entscheidung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Januar 1969 (a.a.O.) nicht entgegen. Dort hat der Dritte Senat die Möglichkeit einer Stufenklage zur Einhaltung einer tariflichen Ausschlußfrist nur deshalb nicht in Betracht gezogen, weil im konkreten Fall eine solche Klage wegen Fehlens der Fälligkeit des Auskunftsanspruches keinen Erfolg gehabt und deshalb die Frist für die Geltendmachung des Zahlungsanspruches nicht gewahrt hätte. Wenn die ZVK aber innerhalb der Verfallfrist eine Stufenklage erhebt, ist sowohl der Auskunfts- als auch der Beitragsanspruch fällig.

c) Auch Sinn und Zweck des § 31 VTV sprechen dafür, daß die Ausschlußfrist für den Beitragsanspruch unabhängig vom Zeitpunkt der Auskunftserteilung durch den Arbeitgeber zu laufen beginnt.

Durch die am 1. Januar 1992 in Kraft getretene Neufassung des § 31 VTV wollten die Tarifvertragsparteien die tarifliche Verfallfrist erkennbar der entsprechenden Verjährungsfrist des BGB anpassen. So beträgt die Verjährungsfrist der Beitragsansprüche nach § 197 BGB ebenfalls vier Jahre (BAG Urteile vom 18. Mai 1994 10 AZR 646/93 – AP Nr. 180 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; vom 20. Oktober 1982 – 4 AZR 1211/79 – BAGE 40, 262 = AP Nr. 45 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau? vom 26. Mai 1971– 4 AZR 249/70BAGE 23, 356 = AP Nr. 3 zu § 197 BGB).

Auch die Regelung des § 201 BGB über den Beginn der kurzen Verjährungsfristen wird durch § 31 Abs. 1 Satz 2 VTV ausdrücklich auch für den Beginn der tariflichen Verfallfrist für entsprechend anwendbar erklärt.

Damit will § 31 Abs. 1 VTV erreichen, daß für die Beitragsansprüche der ZVK Verfallfristen gelten, welche den gesetzlichen Verjährungsfristen entsprechen.

Die Verjährungsfrist beginnt zu laufen, sobald der Anspruch erstmals geltend gemacht und notfalls mittels einer Klage durchgesetzt werden kann. Nicht erforderlich ist dafür, daß eine bezifferte Leistungsklage erhoben werden kann; vielmehr genügt die Möglichkeit einer Stufenklage nach § 254 ZPO oder einer die Verjährung unterbrechenden Feststellungsklage (BGHZ 79, 176).

Somit beginnt die Verjährungsfrist des § 197 BGB für die Beitragsansprüche der ZVK bereits mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem die Beiträge gemäß § 29 VTV durch den Arbeitgeber zu entrichten gewesen wären. Ab diesem Zeitpunkt hätte die ZVK nämlich die Möglichkeit gehabt, mittels unbezifferter Klage auf Feststellung der Beitragspflicht des Arbeitgebers oder mittels einer Stufenklage die Verjährung ihrer Beitragsforderungen zu unterbrechen.

Würde die Verfallfrist des § 31 Abs. 1 VTV nicht zum selben Zeitpunkt beginnen wie die Verjährungsfrist, sondern erst mit dem Zeitpunkt der Auskunftserteilung durch den Arbeitgeber bzw. mit dem Zeitpunkt, in dem dieser Auskunftsanspruch seinerseits nach § 31 Abs. 1 VTV verfallen wäre, so würde dies dazu führen, daß im Regelfalle die Verjährung des Beitragsanspruchs früher einträte als dessen Verfall nach § 31 Abs. 1 VTV. Daß die Tarifvertragsparteien aber eine solche Regelung treffen wollten, die letztlich zu dem sachwidrigen Ergebnis führte, daß Beitragsansprüche der ZVK in den meisten Fällen früher nach § 197 BGB verjähren als sie nach § 31 Abs. 1 VTV verfallen, muß als ausgeschlossen gelten.

3. Die am 21. Dezember 1992 beim Arbeitsgericht eingegangene und den Beklagten am 7. Januar 1993 zugestellte Klage der ZVK vom 16. Dezember 1992 hat die tarifliche Ausschlußfrist nicht gewahrt. Die Zustellung der Klageschrift an die Beklagten liegt außerhalb der tariflichen Verfallfrist, Unstreitig hat die ZVK vorgerichtlich die streitigen Beitragsansprüche bei den Beklagten auch nicht eingefordert.

Die ZVK kann sich nicht auf § 270 Abs. 3 ZPO stützen. Diese Vorschrift bestimmt zwar, daß dann, wenn durch die Klagezustellung eine Frist gewahrt werden soll, diese Wirkung bereits mit der Einreichung der Klageschrift eintritt, sofern deren Zustellung demnächst erfolgt. Nach herrschender Meinung gilt dies jedoch nicht für tarifvertragliche Ausschlußfristen, welche nicht durch die Klageerhebung, sondern auf anderem Wege gewahrt werden können (BAG Urteile vom 8. März 1976 – 5 AZR 361/75 – AP Nr. 4 zu § 496 ZPO; vom 4. November 1969 – 1 AZR 141/69 – AP Nr. 3 zu § 496 ZPO; vom 18. Januar 1974 – 3 AZR 3/73 – AP Nr. 4 zu § 345 ZPO). Dies wird aus dem Sinn und Zweck des § 270 Abs. 3 ZPO geschlossen. Nach diesem soll dem Gläubiger das Verzögerungsrisiko der außerhalb seiner Einflußsphäre liegenden Amtszustellung abgenommen werden. Ist der Gläubiger aber für die Wahrung der tariflichen Ausschlußfrist nicht auf die Klageerhebung angewiesen, sondern kann er diese Frist auch auf anderem Wege, z.B. durch einfachen Brief, wahren, soll ihm die Erleichterung des § 270 Abs. 3 ZPO nicht zugute kommen. Hat der Gläubiger die Möglichkeit, die Ausschlußfrist auch in anderer Form, z.B. durch einfaches Schreiben, einzuhalten, wählt er aber dennoch die Form der Klage, so geht es zu seinen Lasten, wenn die Klageschrift nicht innerhalb der tariflichen Ausschlußfrist dem Schuldner zugestellt wird. Dies gilt auch dann, wenn der Berechtigte die Klageschrift so rechtzeitig beim Gericht eingereicht hat, daß er damit rechnen durfte, die Klage werde noch innerhalb der Ausschlußfrist zugestellt werden (BAG Urteile vom 13. März 1996 – 10 AZR 744/95 – n.v.; vom 8. März 1976 – 5 AZR 361/75 – AP Nr. 4 zu § 496 ZPO).

Auch aus dem Umstand, daß die Tarifvertragsparteien in § 31 Abs. 1 VTV die Dauer der Verfallfrist und deren Beginn den Verjährungsvorschriften des BGB angeglichen haben, läßt sich nicht entnehmen, daß auch die für die Unterbrechung bzw. Hemmung der Verjährung anwendbaren gesetzlichen Vorschriften – und damit dann auch § 270 Abs. 3 ZPO – für die tarifliche Verfallfrist Anwendung finden sollten. Hätten die Tarifvertragsparteien dies gewollt, so hätten sie in § 31 Abs. 1 Satz 2 VTV nicht nur § 201 BGB, sondern ganz allgemein die Verjährungsvorschriften des BGB in Bezug genommen.

4. Dem steht auch nicht entgegen, daß die Beitragsansprüche der ZVK noch nicht verjährt sind. Zwar lief auch die vierjährige Verjährungsfrist – wie die Verfallfrist nach § 31 VTV – für die Beitragsansprüche der ZVK für den Zeitraum Dezember 1987 bis Juli 1988 am 31. Dezember 1992, 24.00 Uhr, ab. Die Verjährung ist jedoch nach § 209 BGB durch die gerichtliche Geltendmachung mit der am 21. Dezember 1992 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage unterbrochen. Da die Unterbrechung der Verjährung nach § 209 BGB nur durch die Klageerhebung herbeigeführt werden kann, greift insoweit § 270 Abs. 3 ZPO ein, wonach mit der demnächst erfolgten Zustellung der Klageschrift die fristwahrende Wirkung bereits mit der Einreichung der Klage eingetreten ist.

5. Die besonderen Umstände des Falles rechtfertigen keine andere Beurteilung. Aus der rechtlichen Unterschiedlichkeit der Ausschlußfristen und der Verjährungsfristen folgt, daß § 270 Abs. 3 ZPO auch im vorliegenden Fall für den Ablauf der Ausschlußfrist keine Anwendung findet, obwohl die Ausschlußfrist und die Verjährungsfrist zeitlich übereinstimmen. Während der Ablauf der Ausschlußfrist rechtsvernichtende Wirkung hat und von Amts wegen zu berücksichtigen ist, gibt die Verjährung dem Schuldner lediglich eine Einrede. Auch wenn die ZVK auf jeden Fall zur Unterbrechung der Verjährungsfrist eine Klage einreichen muß und ihr insoweit § 270 Abs. 3 ZPO zugute kommt, muß sie im Hinblick auf deren besonderen Sinn und Zweck zur Wahrung der tariflichen Ausschlußfrist eine Geltendmachung des Anspruchs fristgerecht in geeigneter Form vornehmen. Bei einer vierjährigen tarifvertraglichen Ausschlußfrist – wie in § 31 VTV – hat der Gläubiger auch ausreichend Gelegenheit, die Forderungen während dieser Zeit in der richtigen Form fristgemäß geltend zu machen. Auch wenn – wie vorliegend – Ausschlußfrist und Verjährungsfrist zeitlich übereinstimmen, kann es nicht als bloßer Formalismus angesehen werden, wenn neben der Klageerhebung zur Unterbrechung der Verjährungsfrist zur Wahrung der tarifvertraglichen Ausschlußfrist noch eine gesonderte Geltendmachung gegenüber dem Schuldner verlangt wird (BAG Urteil vom 13. März 1996, a.a.O.).

6. Danach hat die ZVK die Ausschlußfrist nicht gewahrt, weil die Geltendmachung gegenüber den Beklagten erstmals durch die Zustellung der Klageschrift am 7. Januar 1993 erfolgt ist. Da der § 31 VTV keine Form der Geltendmachung vorschreibt, geht es zu Lasten der ZVK, wenn sie die Form der Klageerhebung gewählt hat und ihre Klage erst nach Ablauf der Ausschlußfrist den Beklagten zugestellt worden ist.

7. Der Anwendung der tarifvertraglichen Ausschlußfrist in § 31 VTV steht auch nicht der Einwand der Arglist entgegen. Ein solcher Einwand würde voraussetzen, daß die Beklagten die ZVK davon abgehalten haben, ihre Beitragsforderungen rechtzeitig geltend zu machen, so daß es rechtsmißbräuchlich erschiene, diese nunmehr an der Verfallklausel scheitern zu lassen. Für eine solche Annahme bietet der Sachverhalt jedoch keine Anhaltspunkte. So ist es insbesondere nicht als rechtsmißbräuchlich anzusehen, daß die Beklagten in der Vergangenheit keine Auskünfte im Tarifsinne erteilt haben; denn schließlich stritten die Parteien darüber, ob der Betrieb der Beklagten zu 1) überhaupt vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt wird.

Demnach hat das Landesarbeitsgericht die Klage auf Zahlung der Beiträge für den streitgegenständlichen Zeitraum zu Recht abgewiesen, so daß die Revision der Klägerin zurückzuweisen war.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Hauck, Fischermeier, Böck, Weidner, Schlaefke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1102136

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