Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewährungszeit für teilzeitbeschäftigte Lehrkraft. Anteilige Anrechnung der Dienstzeit einer teilzeitbeschäftigten Lehrerin auf ihre Bewährungszeit

 

Leitsatz (amtlich)

  • Vergütungsrichtlinien für Lehrkräfte, die teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte vom Bewährungsaufstieg ausschließen, soweit sie weniger als die Hälfte der für sie verbindlichen Arbeitszeit ableisten, sind insoweit wegen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des BeschFG unwirksam.
  • Auch Zeiten vor Inkrafttreten des BeschFG können als Bewährungszeiten angerechnet werden.
 

Normenkette

BeschFG 1985 Art. 1 § 2 Abs. 1; Runderlaß des Niedersächsischen Kultusministers über die “Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis nach dem BAT beschäftigten Lehrkräfte an öffentlichen Schulen” vom 11. April 1986 (Nds. MBl. 1986, 424) Nr. 6.4

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 24.10.1990; Aktenzeichen 5 Sa 1131/90 E)

ArbG Nienburg (Urteil vom 03.07.1990; Aktenzeichen 1 Ca 979/89 E)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 24. Oktober 1990 – 5 Sa 1131/90 E – in der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und Zinsen für die Zeit vor dem 27. Dezember 1989 zugesprochen hat.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 3. Juli 1990 – 1 Ca 979/89 E – abgeändert, soweit es die Klage hinsichtlich der geltend gemachten Vergütungsansprüche abgewiesen hat, und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Es wird festgestellt, daß das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit ab 1. Januar 1987 bis 31. Juli 1989 12/28 und für die Zeit ab 1. August 1989 12/27 einer Vergütung nach der VergGr. VIb BAT unter Anrechnung der bisher gewährten Vergütung nebst 4 % Zinsen auf die jeweiligen Nettodifferenzbeträge ab jeweiliger Fälligkeit, frühestens seit dem 27. Dezember 1989 zu zahlen.

Das beklagte Land hat die Kosten der Rechtsmittelinstanzen zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin, die ausgebildete Hauswirtschaftsgehilfin ist, ist seit 1962 beim beklagten Land als Lehrkraft im Unterrichtsfach Hauswirtschaft beschäftigt. Seit 1975 ist sie mit zwölf Wochenstunden durchgehend an der Grund- und Hauptschule V… eingesetzt. Nach dem Arbeitsvertrag der Klägerin richtet sich ihre Vergütung nach den Bestimmungen des Runderlasses des Niedersächsischen Kultusministers über die Vergütung der nebenamtlichen und nebenberuflichen Lehrkräfte an öffentlichen Schulen, zuletzt in der Fassung vom 4. April 1989. Danach erhielt die Klägerin auf der Grundlage einer Berechnung nach Jahreswochenstunden zuletzt eine monatliche Vergütung in Höhe von 776,52 DM brutto.

Die Klägerin hat erstmals mit Schreiben vom 2. Mai 1989 einen Anspruch auf anteilige Vergütung nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) geltend gemacht.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, eine Vergütung auf der Basis von Jahreswochenstunden verstoße gegen das Benachteiligungsverbot des § 2 Abs. 1 BeschFG und sei demzufolge gemäß § 134 BGB nichtig. An die Stelle der entfallenen Vergütungsabrede trete die nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmende übliche Vergütung. Diese bestimme sich bei vollzeitbeschäftigten Lehrkräften auf der Grundlage des Runderlasses des Niedersächsischen Kultusministers bezüglich der Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis nach dem BAT beschäftigten Lehrkräfte an den öffentlichen Schulen in der Fassung vom 11. April 1986 nach den Vergütungsgruppen des BAT. Unter Anwendung dieses Eingruppierungserlasses stehe ihr als Lehrkraft für Hauswirtschaft ohne spezielle Lehrbefähigung oder Staatsprüfung eine Vergütung nach VergGr. VII BAT sowie nach dreijähriger Bewährung eine Vergütung nach VergGr. VIb BAT zu. Der völlige Ausschluß von Teilzeitbeschäftigten, deren Beschäftigungsumfang die im Eingruppierungserlaß sowie im BAT festgelegten Grenzen unterschreite, vom Bewährungsaufstieg stelle eine Benachteiligung dar, die allein aus der Teilzeittätigkeit resultiere und gegen § 2 Abs. 1 BeschFG und Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Die Klägerin sei deshalb im Ergebnis so zu behandeln wie eine Lehrkraft mit mindestens der Hälfte der vollen Unterrichtszeit, so daß auch ein Bewährungsaufstieg möglich sei. Da sie sich den in der ihr übertragenen Tätigkeit aufgetretenen Anforderungen gewachsen gezeigt habe und die ausgeübte Tätigkeit nicht beanstandet worden sei, habe sie die Voraussetzungen für einen Bewährungsaufstieg erfüllt.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1987 bis 31. Juli 1989 12/28 und für die Zeit ab 1. August 1989 10/25,5 der Vergütung nach der VergGr. VIb BAT unter Anrechnung der bisher gewährten Vergütung nebst 4 % Zinsen auf die jeweiligen Nettodifferenzbeträge ab jeweiliger monatlicher Fälligkeit zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, die Klägerin könne zwar grundsätzlich anteilige Vergütung nach dem BAT beanspruchen, ihr stehe aber insoweit lediglich eine Vergütung nach VergGr. VII BAT zu. Eine Teilnahme der Klägerin am Bewährungsaufstieg komme nic ht in Betracht, da diese aufgrund des geringen Umfangs ihrer Beschäftigung weder die Voraussetzungen des § 23a Nr. 6 BAT noch die ebenfalls auf den BAT verweisenden Bewährungskriterien des Eingruppierungserlasses vom 11. April 1986 erfülle.

Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil festgestellt, daß das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin unter Anrechnung der bisher gezahlten Vergütung für die Zeit vom 1. Januar 1987 bis 31. Juli 1989 12/28 und ab 1. August 1989 12/27 einer Vergütung nach VergGr. VII BAT nebst Zinsen ab Fälligkeit zu zahlen. Die weitergehende Klage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag auf Zahlung einer Vergütung nach VergGr. VIb BAT – für die Zeit ab 1.August 1989 beschränkt auf 12/27 der Vergütung – weiter. Das beklagte Land beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Abänderung der vorinstanzlichen Urteile, soweit diese die Klage abgewiesen haben, und zu der von der Klägerin mit der Revision begehrten Feststellung. Das beklagte Land ist verpflichtet, der Klägerin für die Zeit ab 1. Januar 1987 bis 31. Juli 1989 12/28 und für die Zeit ab 1. August 1989 12/27 einer Vergütung nach VergGr. VIb BAT nebst Zinsen unter Anrechnung bisher gewährter Vergütung zu zahlen. Denn die Klägerin hat sich im Sinne der auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Lehrerrichtlinien drei Jahre in ihrer Tätigkeit als Lehrkraft der VergGr. VII BAT bewährt.

Auf tarifliche Vorschriften kann die Klägerin ihren Vergütungsanspruch nicht stützen, da die Vergütungsordnung des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) für Lehrkräfte nicht gilt (Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen des BAT).

Die im Arbeitsvertrag getroffene Vergütungsabrede auf der Basis von Jahreswochenstunden verstößt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gegen Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 und ist daher gemäß § 134 BGB nichtig (vgl. BAGE 61, 43, 46 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985; BAG Urteil vom 26. September 1990 – 5 AZR 112/90 –, zur Veröffentlichung vorgesehen; BAG Urteil vom 12. Dezember 1990 – 5 AZR 618/89 –, nicht veröffentlicht). An die Stelle der nichtigen Vergütungsvereinbarung tritt die übliche Vergütung (§ 612 Abs. 2 BGB), d. h. die anteilmäßige Vergütung, die das Land seinen vollzeitbeschäftigten Lehrkräften gewährt. Diese werden üblicherweise aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarungen nach dem BAT unter Anwendung des Runderlasses des Niedersächsischen Kultusministers über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis nach dem BAT beschäftigten Lehrkräfte an den öffentlichen Schulen, zuletzt in der Fassung vom 11. April 1986 (Nds. MinBl. 1986, S. 424), vergütet. Danach ist der angeführte Runderlaß auch für die Vergütung der Klägerin heranzuziehen. Davon gehen nunmehr auch die Parteien übereinstimmend aus.

Für die Vergütung der Klägerin sind folgende Merkmale des Runderlasses heranzuziehen:

Lehrkräfte an Grund- und Hauptschulen

6- Lehrkräfte für Hauswirtschaft oder textiles Gestalten

1. 

mit Lehrbefähigung für beide Fächer

 Vb

nach fünfjähriger Bewährung

 IVb

2. 

mit Lehrbefähigung für ein Fach, mit staatlicher Prüfung als Hauswirtschaftsleiterin oder mit einer für die Unterrichtstätigkeit geeigneten gleichwertigen Ausbildung und Prüfung

 VIb

nach fünfjähriger Bewährung

 Vb

3. 

mit der Staatsprüfung in der Hauswirtschaft bzw. ländlichen Hauswirtschaft oder mit einer geeigneten gleichwertigen Ausbildung oder Prüfung für beide Fächer

 VIb

nach fünfjähriger Bewährung

 Vc

4. 

ohne die unter 1. bis 3. genannte Ausbildung (z. B. mit der Staatsprüfung in der Nadelarbeit, Meisterin der Hauswirtschaft bzw. ländlichen Hauswirtschaft, Meisterin im geprüfte Wirtschafterin bzw. ländlich Wirtschafterin) …

 VII

nach dreijähriger Bewährung …

 VIb

Die Klägerin erfüllt die Merkmale der Nr. 6.4 des Runderlasses. Sei ist eine Lehrkraft für Hauswirtschaft an einer Grund- und Hauptschule und besitzt keine Ausbildung im Sinne von Nr. 6.1, 6.2 oder 6.3 des Runderlasses. Damit erhält sie zunächst Vergütung nach VergGr. VII und nach dreijähriger Bewährung Vergütung nach VergGr. VIb BAT. Die dreijährige Bewährungszeit hatte die Klägerin bereits ab Beginn des Klagezeitraums (1. Januar 1987) erfüllt.

Soweit nach Nr. 1.1 des Runderlasses dieser nur Lehrkräfte erfaßt, die gemäß § 1 in Verb. mit § 3q BAT unter den Geltungsbereich des BAT fallen, wozu die Klägerin wegen ihrer geringen Stundenzahl nicht gehört, und damit die übrigen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer vom Bewährungsaufstieg ausschließt, ist der Runderlaß unwirksam. Denn der völlige Ausschluß von Arbeitnehmern, die – wie die Klägerin – eine durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit von weniger als 18 Stunden wöchentlich aufzuweisen haben (§ 3q BAT a.F.), verstößt gegen das Benachteiligungsverbot des § 2 Abs. 1 BeschFG. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß die unterschiedliche Behandlung von Teilzeitkräften, deren Beschäftigungsumfang unterhalb der Grenze des § 3q BAT a.F. liegt, und Vollzeitbeschäftigten im Hinblick auf den Bewährungsaufstieg ausschließlich wegen der Teilzeitarbeit erfolgt. Darin liegt eine sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterstellung dieser teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, weshalb teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer sich in ihrer Tätigkeit nicht bewähren und deshalb keine höhere Vergütung erzielen könnten.

Da der Runderlaß vom 11. April 1986 nur bestimmt, daß Zeiten, in denen die Lehrkraft mindestens die Hälfte der für sie verbindlichen Unterrichtsstunden erteilt hat, voll anzurechnen sind (Nr. 3.1 des Erlasses) und insoweit auf die vergleichbare Vorschrift des § 23a Nr. 6 BAT nicht verweist, besteht für die Teilzeitbeschäftigten mit einer geringeren Stundenzahl – wie die Klägerin – eine Lücke. Selbst wenn diese dahin zu schließen ist, daß die Klägerin entsprechend dem Anteil ihrer Lehrverpflichtungen an der Pflichtstundenzahl vollbeschäftigter Lehrkräfte nach einer demgemäß verlängerten Bewährungszeit in die höhere Vergütungsgruppe aufrücken kann (vgl. BAGE 59, 306 = AP Nr. 24 zu § 23a BAT), hat sie die Bewährungsfrist erfüllt. Die Klägerin ist spätestens seit 1973 mit zwölf Wochenstunden, d. h. mit mehr als 40 % der Pflichtstundenzahl entsprechender vollbeschäftigter Lehrkräfte, an Grund- und Hauptschulen tätig. Bei einer anteiligen Anrechnung dieser Beschäftigungszeiten ist die erforderliche Bewährungszeit von drei Jahren für den Klagezeitraum ab 1. Januar 1987 erfüllt. Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot des § 2 Abs. 1 BeschFG oder des Art. 119 EWG-Vertrag die Dienstzeit der Klägerin in vollem Umfang auf ihre Bewährungszeit anzurechnen ist.

Selbst wenn man davon ausgeht, daß der Runderlaß über die Eingruppierung der Lehrkräfte erst mit Inkrafttreten des Beschäftigungsförderungsgesetzes ab 1. Mai 1985 wegen des Diskriminierungsverbots nach § 2 Abs. 1 BeschFG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand, konnte die Klägerin die Bewährungszeit bereits in der Zeit vor dem 1. Mai 1985 erfüllen, da der Runderlaß nur an die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit (Lehrkräfte für Hauswirtschaft) und die Bewährung während eines bestimmten Zeitraums (hier :drei Jahre) anknüpft. Diese Tätigkeiten können auch in Zeiten erbracht werden, die vor dem Zeitpunkt liegen, in dem der Runderlaß erstmals auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand. Darin liegt keine unzulässige Rückwirkung von Bewährungszeiten (vgl. BAG Urteil vom 25. September 1991 – 4 AZR 33/91 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

Die Klägerin hat sich auch tatsächlich bewährt. Das beklagte Land hat dies nicht in Abrede gestellt.

Das beklagte Land hat als unterlegene Partei gemäß § 91 ZPO die Kosten der Rechtsmittelinstanzen zu tragen.

 

Unterschriften

Schaub, Schneider, Dr. Etzel, Dr. Koffka, Hauk

 

Fundstellen

JR 1992, 176

JR 1992, 440

NZA 1992, 519

RdA 1992, 63

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