Entscheidungsstichwort (Thema)

Ballungsraumzulage. Anrechnung einer Tariflohnerhöhung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf eine höhere Grundvergütung i.S.d. § 27 Abschn. C BAT (sog. Ballungsraumzulage) unterliegt nach den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Dezember 1991 (BAGE 69, 134 = AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung) der betrieblichen Mitbestimmung.

2. Die hälftige Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf eine nach den Grundsätzen der genannten Tarifbestimmung gemeindlichen Arbeitnehmern gewährten monatlichen Zulage von 100,– DM in der Weise, daß bei Beziehern einer monatlichen Vergütung von mehr als 3000,– DM angerechnet wird, während bei Beziehern geringerer Monatseinkommen die Anrechnung unterbleibt, ist nach hessischem Personalvertretungsrecht nur mit Zustimmung des Personalrats wirksam.

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur „Ballungsraumzulage” vgl. auch Urteil des Senats vom 26. Mai 1994 (– 6 AZR 955/93 – AP Nr. 5 zu § 27 BAT) und heutiges Urteil in der Sache – 6 AZR 774/95 – (zur Veröffentlichung bestimmt).

 

Normenkette

BAT § 27 Abschn. C, § 4; HPersVG § 74 Abs. 1 Nr. 13, § 69 Abs. 1 S. 1, § 83 Abs. 2, 4-5; BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 10-11; BPersVG § 75 Abs. 3 Nr. 4, § 104

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Teilurteil vom 15.11.1994; Aktenzeichen 9 Sa 485/94)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 01.12.1993; Aktenzeichen 17 Ca 6270/93)

 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Teilurteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. November 1994 – 9 Sa 485/94 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Weiterzahlung einer Zulage.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 14. April 1975 als Angestellter beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages richtet sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Durch § 1 Nr. 1 des 65, Änderungstarifvertrags zum BAT vom 30. Oktober 1990 wurde dem § 27 BAT ein Abschnitt C angefügt, der folgenden Wortlaut hat:

„C. Vorweggewährung von Lebensaltersstufen/Stufen

Soweit es zur Deckung des Personalbedarfs erforderlich ist, kann dem Angestellten im Rahmen der dafür verfügbaren Mittel bis zum 31. Dezember 1995 anstelle der ihm nach Abschnitt A oder B zustehenden Lebensaltersstufe/Stufe der Grundvergütung eine um bis zu höchstens vier – in der Regel nicht mehr als zwei – Lebensaltersstufen/Stufen höhere Grundvergütung vorweg gewährt werden; die Endgrundvergütung darf nicht überschritten werden. … Grundsätze für die Vorweggewährung werden durch die für das Tarifrecht zuständige Stelle des Arbeitgebers festgelegt.”

Der Magistrat der Beklagten entschied durch Beschluß vom 7. Dezember 1990, den Mitarbeitern zeitlich befristet eine „Ballungsraumzulage” zu gewähren. Die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten stimmte dem am 24. Januar 1991 zu. Der Beschluß des Magistrats wurde in den „Nachrichten für die Stadtverwaltung” Nummer 4 vom 15. Januar 1991 veröffentlicht und in die „Allgemeine. Dienst- und Geschäftsanweisung” – AGA – der Beklagten in Teil III Nr. 503 als „Richtlinien über die Gewährung einer Zulage zur Sicherung der Funktions- und Wettbewerbsfähigkeit der Stadt Frankfurt am Main auf dem Arbeitsmarkt (Ballungsraumzulage)” (fortan: Richtlinien 91) aufgenommen. In diesen Richtlinien heißt es:

„1. Allgemeines

(1) Durch Beschluß Nr. 3362 vom 07.12.1990 hat der Magistrat entschieden, grundsätzlich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Beamten-, Arbeits- und in einem Ausbildungsverhältnis ab 01.01.1991 bis 31.12.1995 einheitlich eine monatliche Zulage (Ballungsraumzulage) in Höhe von 100,00 DM brutto zu gewähren.

Hierdurch soll den besonderen finanziellen Belastungen, denen die städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ballungsraum Rhein-Main ausgesetzt sind, sowie den zunehmenden Schwierigkeiten, in hinreichendem Umfang qualifiziertes Personal zu gewinnen und zu binden, soweit möglich begegnet werden.

(2) Mit der Regelung wird von den Gestaltungsmöglichkeiten des § 72 BBesG i.V.m. der Sonderzuschlagsverordnung (SZsV) sowie der zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Regelungen über Zulagen zur Deckung des Personalbedarfs abschließend Gebrauch gemacht.

Die Ballungsraumzulage wird zusätzlich zu bestehenden über- oder außertariflichen Leistungen (z.B. übertarifliche Eingruppierung und Prämiensystem der Schreibkräfte) gewährt.

(3) Der gesetzlichen bzw. tarifvertraglichen Ausgangslage entsprechend soll die Ballungsraumzulage bis zum 31.12.1995 gezahlt werden.

2. Ausgestaltung der Regelung

2.1. Begünstigter Personenkreis

(1) Die Zulage erhalten

1. alle Angestellten in den VergGr. IX bis III BAT und Kr. I bis Kr. XII BAT einschließlich derjenigen, die gem. § 3 Buchst. n BAT dem Geltungsbereich des BAT nicht unterliegen,

2.2. Zulagenhöhe

1. Die Zulage beträgt für Vollbeschäftigte 100,00 DM/Monat.

4. Die Zulage nimmt an allgemeinen Besoldungs- und Tariferhöhungen nicht teil.

2.3. Rechtsnatur der Zulage

(1) Die Zulage zählt zum Steuer- und sozialversicherungspflichtigen Entgelt. Sie ist umlagepflichtig nach dem Zusatzversorgungsrecht.

Sie gehört nicht zu den ruhegehaltsfähigen Dienstbezügen. Versorgungsempfängerinnen und – empfängern wird sie nicht gewährt.

(2) Die Zulage fließt in Krankenbezüge, Urlaubsvergütungen/-lohn, die Zuwendung oder Sonderzuwendung und das Übergangsgeld ein.

Sie wird auf Besitzstände und Ausgleichszulagen nicht angerechnet und neben über- oder außertariflichen Leistungen gewährt.

(3) Beginnt oder endet ein Arbeits-, Beamten- oder Ausbildungsverhältnis im Laufe eines Kalendermonats oder kommt es dann zum Ruhen oder enden dann Krankenbezugsfristen, wird die Zulage anteilig gewährt …

…”

Der Kläger erhielt die Zulage in Höhe von 100,– DM ab dem 1. Januar 1991.

Nachdem das Hessische Ministerium des Innern und für Europaangelegenheiten als Aufsichtsbehörde das Defizit im Haushalt der Beklagten beanstandet hatte, beschloß die Stadtverordnetenversammlung auf Antrag des Magistrats am 24. Juni 1993, die Gewährung der Ballungsraumzulage neu zu regeln. Die in den „Nachrichten für die Stadtverwaltung” Nummer 19 vom 21. Juni 1993 veröffentlichten „Richtlinien über die Weitergewährung der Ballungsraumzulage ab 01.07.1993” (fortan: Richtlinien 93) lauten:

„1 Allgemeines

Ab 01.07.1993 wird die Ballungsraumzulage (AGA III, 503) einkommensabhängig und unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs gewährt.

2 Einkommensgrenze

(1) Bedienstete, deren regelmäßiges monatliches Einkommen am Tag des Inkrafttretens der jeweils geltenden Lohn-, Vergütungs-, Ausbildungsvergütungs- und Entgelttarifverträge, vergleichbarer allgemeiner Regelungen sowie des jeweiligen Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes (Stichtag) 3.000,00 DM brutto nicht übersteigt, erhalten die Ballungsraumzulage nach den zur Zeit geltenden Regelungen längstens bis zum 31.12.1995 weiter.

Erster Stichtag für Arbeitnehmer/innen ist damit der 01.01.1993.

Übersteigt das regelmäßige monatliche Einkommen 3.000,00 DM, wird die Ballungsraumzulage gemindert.

3 Zu berücksichtigendes Einkommen

(1) Als regelmäßiges monatliches Einkommen sind anzusetzen

2. bei Angestellten die Grundvergütung, der Ortszuschlag sowie alle ständig zu gewährenden Zulagen,

4 Ermittlung des weiterzuzahlenden Betrages

(1) Übersteigt das regelmäßige monatliche Einkommen i.S.d. Abschn. 3 am Stichtag die Einkommensgrenze, wird die Ballungsraumzulage um die Hälfte des Unterschiedsbetrages zwischen dem regelmäßigen monatlichen Einkommen, das am Stichtag ohne Berücksichtigung der allgemeinen Bezügeerhöhung zustehen würde, einerseits und demjenigen, das am Stichtag zusteht, andererseits gemindert.

Ergibt sich eine Ballungsraumzulage von weniger als 5,00 DM, wird diese nicht ausgezahlt.

(2) Der sich ergebende Betrag der Ballungsraumzulage wird im Zuge der nächstfolgenden allgemeinen Bezügeerhöhung in derselben Weise vermindert. Die Zahlung dann noch verbleibender Restbeträge wird spätestens zum 31.12.1994 eingestellt.

(5) Eine Anrechnung allgemeiner Tariferhöhungen unterbleibt insoweit, als bereits anderweitig eine Anrechnung erfolgt.

…”

Die Beklagte hatte zuvor mit Schreiben ihres Dezernenten für Personal, Organisation und Öffentliche Ordnung vom 19. April 1993 dem Gesamtpersonalrat „im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit” von der beabsichtigten Änderung Kenntnis gegeben. Der Gesamtpersonalrat äußerte sich in der Folgezeit nicht.

Auf Grund der geänderten Richtlinien erhielt der Kläger seit dem 1. Juli 1993 eine monatliche Ballungsraumzulage von nur noch 7,71 DM brutto. Durch Beschluß des Magistrats vom 29. April 1994 strich die Beklagte mit Wirkung zum 1. Juli 1994 allen Bediensteten, auch dem Kläger, die verbliebene Ballungsraumzulage. Die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten hatte dem zugestimmt.

Der Kläger hat Weitergewährung der Zulage für die Zeit vom 1. Juli 1993 bis zum 31. Dezember 1995 verlangt und die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Ballungsraumzulage ab dem 1. Juli 1993 zu kürzen und ab dem 1. Juli 1994 ganz zu streichen. Die Richtlinien 91 seien durch ihre Veröffentlichung Bestandteil seines Arbeitsvertrages geworden. Bei der Einführung der Ballungsraumzulage habe sich die Beklagte einen Widerruf nicht vorbehalten. Außerdem sei der Widerruf der Ballungsraumzulage schon wegen fehlender Zustimmung des Personalrats rechtsunwirksam.

Der Kläger hat unter Zusammenrechnung der unstreitigen Beträge von 1.107,48 DM brutto (für die Zeit vom 1. Juli 1993 bis zum 30. Juni 1994) und von 1.800,00 DM brutto (für die Zeit vom 1. Juli 1994 bis zum 31. Dezember 1995) beantragt,

die beklagte Stadt zu verurteilen, an ihn 2.907,48 DM brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Ballungsraumzulage sei nicht unwiderruflich. In Ziff. 1 Abs. 3 der Richtlinien 91 sei darauf hingewiesen worden, daß die Ballungsraumzulage entsprechend „der gesetzlichen bzw. tariflichen Ausgangslage” gewährt werde. § 27 Abschnitt C BAT mache ausdrücklich zur Voraussetzung, daß Mittel verfügbar seien. Daraus habe sich für die Beklagte die Möglichkeit ergeben, die Zulage unter den Vorbehalt des Widerrufs zu stellen. Hiervon habe sie durch die Richtlinien 93 Gebrauch gemacht. Außerdem sei die Geschäftsgrundlage für die Gewährung der Zulage weggefallen. Die Beklagte habe die Grenze ihrer wirtschaftlichen Belastbarkeit überschritten. Als Arbeitgeberin des öffentlichen Dienstes sei sie an die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel gebunden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht durch Teilurteil das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und der Klage in Höhe des den Zeitraum vom 1. Juli 1993 bis zum 30. Juni 1994 betreffenden Betrags von 1.107,48 DM brutto stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegen das Teilurteil zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht der Klage im Umfang des angefochtenen Teilurteils stattgegeben.

I. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen vertraglichen Anspruch auf Weitergewährung der ungekürzten Ballungsraumzulage für die Monate Juli 1993 bis einschließlich Juni 1994. Außer dem Betrag von 7,71 DM monatlich, den die Beklagte gezahlt hat, stehen dem Kläger weitere 92,29 DM monatlich zu.

Die Kürzung der Ballungsraumzulage zum 1. Januar 1993 war dem Kläger gegenüber unwirksam, weil es an der ordnungsgemäßen Beteiligung des Gesamtpersonalrats fehlte.

1. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Ballungsraumzulage auf einer Gesamtzusage der Beklagten beruhte.

a) Die Bekanntmachung des Beschlusses des Magistrats vom 7. Dezember 1990 in den „Nachrichten für die Stadtverwaltung” vom 15. Januar 1991 stellte ein bindendes Angebot der Beklagten auf Gewährung der Ballungsraumzulage dar.

Einer besonderen Annahmeerklärung des Klägers bedurfte es nicht. Im Dienstverkehr öffentlicher Verwaltungen und Betriebe ist es nicht üblich, daß ein Angestellter eine ihn begünstigende Erklärung des Dienstherrn eigens annimmt (BAG Urteil vom 12. Juni 1957 – 4 AZR 5/55 – AP Nr. 24 zu § 242 BGB Ruhegehalt).

b) Die Zusage bedurfte nicht als Nebenabrede nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BAT der Schriftform.

Während die in § 4 Abs. 1 BAT geregelte Schriftform nur deklaratorischen Charakter hat, kommt der Schriftform im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 BAT konstitutive Bedeutung zu (z.B. BAGE 52, 33, 39 ff. = AP Nr. 12 zu § 4 BAT, zu 2 der Gründe). Nach der ständigen Rechtsprechung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts bezieht sich der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 BAT auf die Hauptrechte und Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag, insbesondere Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt. § 4 Abs. 2 BAT betrifft demgegenüber sonstige Gegenstände, die entweder Sekundärcharakter oder jedenfalls nicht unmittelbar etwas mit den Hauptrechten und Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag zu tun haben (vgl. BAGE 52, 33, 39 ff. = AP, a.a.O.).

Die Zusage eines höheren als des nach der Anlage 1 a zum BAT vorgesehenen Entgelts betrifft ein Hauptrecht aus dem Arbeitsvertrag (vgl. BAG Urteil vom 6. September 1972 – 4 AZR 422/71 – AP Nr. 2 zu § 4 BAT). Die Ballungsraumzulage hat Entgeltcharakter. In einem die rückwirkende Vorweggewährung von Lebensaltersstufen nach § 27 Abschn. C BAT betreffenden Fall hat der erkennende Senat dies bereits im Urteil vom 26. Mai 1994 (– 6 AZR 955/93 – AP Nr. 5 zu § 27 BAT, zu II 1 c der Gründe) entschieden. Es gilt gleichermaßen für die streitgegenständliche Zulage. Zwar bemerkt das Berufungsgericht zutreffend, daß die Richtlinien 91 nicht, wie in § 27 Abschn. C BAT vorgesehen, die Vorweggewährung von Lebensaltersstufen regelt. Die Beklagte hat jedoch dadurch, daß sie in den Richtlinien 91 auf die tarifliche Regelung Bezug genommen hat, zum Ausdruck gebracht, daß die einheitliche monatliche Zulage von 100,– DM brutto die gleiche Rechtsnatur haben soll wie die Ballungsraumzulage nach § 27 Abschn. C BAT. In beiden Fällen geht es daher um eine Erhöhung der Grundvergütung, die dem Regelungsbereich des § 4 Abs. 1 BAT unterfällt.

Die Formbedürftigkeit der Zusage wäre übrigens auch dann zu verneinen, wenn der abweichenden Auffassung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts zu folgen wäre, daß durch § 4 Abs. 2 BAT die Einheitlichkeit der Arbeitsbedingungen des öffentlichen Dienstes gesichert und verhindert werden soll, daß irreguläre, vom Normensystem abweichende Absprachen einer dienstaufsichtlichen Prüfung verborgen bleiben (BAGE 40, 126, 131 ff. = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost, zu II u. III der Gründe). Die in den Richtlinien 91 in Bezug genommene Tarifregelung trägt dadurch, daß sie die Zulage der Höhe nach und zeitlich begrenzt und sie außerdem an Tatbestandsvoraussetzungen knüpft, ihrerseits bereits der Befürchtung Rechnung, daß ungewöhnliche Absprachen in unkontrollierter Weise getroffen werden. Der Schutzzweck, den der Dritte Senat dem § 4 Abs. 2 BAT beimißt, wird somit bereits durch die speziellere Regelung des § 27 Abschn. C BAT erreicht.

2. Die Anrechnung der zum 1. Januar 1993 in Kraft getretenen Tariferhöhung auf die Ballungsraumzulage ist dem Kläger gegenüber unwirksam. Es fehlte an der Zustimmung des Gesamtpersonalrats.

a) Dieser hatte bei der zum 1. Juli 1993 vorgenommenen Anrechnung mitzubestimmen.

Nach § 74 Abs. 1 Nr. 13 HPersVG hat der Personalrat bei der Änderung von Entlohnungsgrundsätzen mitzubestimmen. Soweit eine Maßnahme der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, bedarf sie nach rechtzeitiger und eingehender Erörterung seiner vorherigen Zustimmung (§ 69 Abs. 1 Satz 1 HPersVG).

b) Eine die Mitbestimmung ausschließende Regelung durch Tarifvertrag im Sinne von § 74 Abs. 1 HPersVG Eingangssatz liegt nicht vor.

Ein das Mitbestimmungsrecht ausschließender Tarifvorrang setzt eine abschließende, vollständige, das einseitige Bestimmungsrecht des Arbeitgebers ausschließende, aus sich heraus anwendbare Regelung voraus (BAGE 36, 148 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang; BAG Beschluß vom 18. April 1980 – 1 ABR 100/87 – AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang; BAGE 72, 229 = AP Nr. 19 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung). Daran fehlt es hier. § 27 Abschnitt C BAT sieht in Satz 4 vor, daß die Grundsätze für die Vorweggewährung von Lebensaltersstufen/Stufen vom Arbeitgeber festzulegen sind. Hieraus folgt, daß eine abschließende, aus sich heraus handhabbare Tarifregelung nicht besteht. Es hängt von der Entscheidung des Arbeitgebers ab, welche Arbeitnehmer er in welchem Umfang begünstigt.

c) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen des Mitbestimmungsrechts nach § 74 Abs. 1 Nr. 13 HPersVG bejaht.

Nach dieser Bestimmung muß es sich um die Aufstellung bzw. Änderung eines Entlohnungsgrundsatzes handeln. Entlohnung ist, wie in § 87 Abs. 1 Nr. 10 und Nr. 11 BetrVG und § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG, jede Vermögenswerte Gegenleistung des Arbeitsgeber aus Anlaß des Arbeitsverhältnisses, deren Gewährung nach einem bestimmten System erfolgt (vgl. BAG Urteil vom 9. Juli 1985 – 1 AZR 631/80 – AP Nr. 16 zu § 75 BPersVG, zu II 2 b der Gründe; BAG Urteil vom 15. Januar 1987 – 6 AZR 589/84 – AP Nr. 21 zu § 75 BPersVG, zu III 2 b der Gründe). So liegt der Fall hier. Die Ballungsraumzulage ist Teil der Vergütung (vgl. oben I 1 b). Die Beklagte hat mit den ab dem 1. Juli 1993 geltenden Richtlinien 93 die abstrakten Kriterien für die Gewährung der Zulage geändert. Die Änderung betrifft ein vom Einzelfall losgelöstes, gruppenbezogenes Vergütungssystem. Sie unterlag auch ihrem Inhalt nach der betrieblichen Mitbestimmung.

Nach der durch den Beschluß des Großen Senats vom 3. Dezember 1991 (BAGE 69, 134 = AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung) begründeten ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterliegen die Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf über-/außertarifliche Zulagen und der Widerruf über-/außertariflicher Zulagen aus Anlaß und bis zur Höhe einer Tariflohnerhöhung dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bzw. des Personalrats, wenn sich dadurch die Verteilungsgrundsätze ändern und darüber hinaus für eine anderweitige Anrechnung bzw. Kürzung ein Regelungsspielraum verbleibt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Anrechnung durch gestaltende Erklärung erfolgt oder sich automatisch vollzieht.

Die Anrechnung bzw. der Widerruf sind dann mitbestimmungsfrei, wenn durch sie das Zulagenvolumen völlig aufgezehrt oder die Tariflohnerhöhung vollständig und gleichmäßig auf die über-/außertariflichen Zulagen angerechnet wird. Im ersten Fall besteht kein Regelungsspielraum, da kein Zulagenvolumen mehr vorhanden ist, das verteilt werden könnte. Im zweiten Fall fehlt es aus rechtlichen Gründen an einem Regelungsspielraum, da der Arbeitgeber nicht mehr als die Tariflohnerhöhung anrechnen darf und keine rechtliche Möglichkeit einer anderen Verteilung besteht. Auch bei einer Änderung der Verteilungsgrundsätze ist die Anrechnung in diesem Fall mitbestimmungsfrei (BAG GS, BAGE 69, 134, 168 f. = AP, a.a.O. zu c III 6 der Gründe).

Nach diesen Grundsätzen waren die Richtlinien 93 mitbestimmungspflichtig. Vor dem 1. Juli 1993 erhielten alle Beschäftigten der Beklagten die monatliche Zulage in Höhe von 100,– DM brutto. Nach der Anrechnung der Tariflohnerhöhung erhielten die Zulage in der ursprünglichen Höhe nur noch Beschäftigte mit einem Einkommen von bis zu 3.000,– DM brutto im Monat, während Beschäftigte wie der Kläger mit einem Einkommen von mehr als 3.000,– DM brutto im Monat eine hälftige Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf ihre Zulage hinnehmen mußten (Ziff. 4 Abs. 1 der Richtlinien 93). Die Beklagte änderte somit durch die Richtlinien 93 die Verteilungsgrundsätze. Sie rechnete die Tariflohnerhöhung nicht vollständig und gleichmäßig auf die Zulagen an. Hieraus folgt, daß ein Regelungsspielraum für eine anderweitige Anrechnung verblieb, da die Beklagte das eingesparte Zulagenvolumen auch bei anderer Verteilung der Anrechnung auf die Angestellten hätte einsparen können.

d) Der Annahme des Mitbestimmungsrechts stehen die nicht tragenden Erwägungen des Vierten Senats in den Entscheidungen vom 27. Mai 1987 (– 4 AZR 548/86 –, – 4 AZR 551/86 – und – 4 AZR 558/86 –, alle n.v.) nicht entgegen.

Nach diesen Entscheidungen soll sich das Mitbestimmungsrecht nach § 74 Abs. 1 Nr. 13 HPersVG nur auf Maßnahmen und Regelungen beziehen, die für eine bestimmte Dienststelle gelten, nicht aber auf solche für den gesamten Geschäftsbereich einer Gebietskörperschaft. Als Begründung verweist der Vierte Senat auf den Wortlaut des § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG, wonach nur Fragen der Lohngestaltung „innerhalb der Dienststelle” mitbestimmungspflichtig sind.

Abgesehen davon, daß es vorliegend anders als in den vom Vierten Senat zu beurteilenden Fällen nicht um die Regelung einer Landesregierung, sondern um eine kommunale Maßnahme geht, enthält der Wortlaut des Mitbestimmungstatbestands nach § 74 Abs. 1 Nr. 13 HPersVG eine solche Einschränkung nicht. Eine „rahmenrechtskonforme” Auslegung dieses Mitbestimmungstatbestands im Sinne der entsprechenden Bundesregelung kommt nicht in Betracht. Nach § 104 BPersVG soll nur eine dem Bundespersonalvertretungsgesetz vergleichbare landesrechtliche Regelung angestrebt werden. Diese Bestimmung enthält einen unverbindlichen Programmsatz, den der Landesgesetzgeber ganz oder teilweise erfüllen kann, aber nicht muß (vgl. auch Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 8. Aufl., § 104 Rz 3; Lorenzen/Schmitt/Etzel/Gerhold/Albers/Schlatmann, BPersVG, Stand Dezember 1996, § 104 Rz 5, 6).

e) Die Beklagte hat den zuständigen Gesamtpersonalrat nicht um seine Zustimmung ersucht.

Der Gesamtpersonalrat war zuständig, da es sich um eine dienststellenübergreifende Maßnahme handelte (§ 83 Abs. 2, 4 und 5 HPersVG). Dies hat die Beklagte auch erkannt, indem sie mit Schreiben vom 19. April 1993 dem Gesamtpersonalrat im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit Kenntnis gegeben hat. Das genügte jedoch nicht. Da die Beklagte es unterlassen hat, den Gesamtpersonalrat um seine vorherige Zustimmung zu ersuchen, ist die zum

1. Juli 1993 vorgenommene Anrechnung dem Kläger gegenüber unwirksam, ohne daß es auf weitere rechtliche Erwägungen ankommt.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, Lenßen, Kapitza

 

Fundstellen

Haufe-Index 1091206

BAGE, 338

NZA 1997, 620

AP, 0

PersR 1997, 262

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