Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitszeit-Änderung der Lage durch Ganztagsschulbetrieb

 

Orientierungssatz

Parallelsache zu BAG Urteil vom 25.05.1987 5 AZR 691/85.

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 13.09.1985; Aktenzeichen 16 Sa 895/85)

ArbG Hamm (Entscheidung vom 05.03.1985; Aktenzeichen 1 Ca 1607/84)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte nach Umstellung auf den Ganztagsschulbetrieb einseitig anordnen durfte, daß der Kläger anstelle von zwei Pflichtunterrichtsstunden vier Betreuungsstunden am Nachmittag zu erteilen hat.

Die Beklagte unterhält in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft eine private Ersatzschule mit Internat, und zwar mit den Schulformen Hauptschule, Realschule, Gymnasium und kaufmännische Schule. Grundschüler werden internatsmäßig betreut und besuchen eine benachbarte Grundschule.

Der am 15. Juli 1947 geborene Kläger ist in der privaten Realschule der Beklagten als Lehrer für die Fächer Deutsch und Geschichte tätig. Grundlage hierfür ist der Arbeitsvertrag vom 28. Februar 1978. Danach wird der Kläger auf Lebenszeit angestellt und in eine Planstelle eingewiesen. Außerdem erhält er Dienstbezüge nach Maßgabe der besoldungsrechtlichen Bestimmungen, die für vergleichbare Landesbeamte gelten. Weiter heißt es in dem Vertrag:

"§ 2

Herr/Frau/Fräulein M Sp

hat alle die den entsprechenden Lehrern an vergleichbaren

öffentlichen Schulen obliegenden Pflichten

zu übernehmen und wird seine (ihre) Tätigkeit nach

den Weisungen der Schulleitung in kollegialer Zusammenarbeit

mit den anderen Lehrern der Schule

ausüben.

Im übrigen gelten für die Rechte und Pflichten

des (der) Herrn/Frau/Fräulein M Sp

sinngemäß die Grundsätze, die allgemein für entsprechende

hauptamtliche Lehrer an vergleichbaren

öffentlichen Schulen maßgebend sind, soweit diese

Grundsätze nicht auf der Eigenart des öffentlichen

Dienstes beruhen.

§ 6

Der Umfang der Beschäftigung wird nach den für entsprechende

hauptamtliche Lehrer an vergleichbaren

öffentlichen Schulen geltenden Bestimmungen festgesetzt.

Dasselbe gilt für den Urlaub.

..."

Der Kläger hat 27 Pflichtunterrichtsstunden zu leisten.

Im Verlauf des Schuljahres 1983/84 stellte die Beklagte den bisherigen Halbtags- auf einen Ganztagsschulbetrieb um. Nach dem Vortrag der Beklagten war die Umstellung Gegenstand der Direktorenkonferenz vom 18. August 1983, der Lehrerkonferenz der Hauptschule vom 22. August 1983 und der Schloßkonferenz vom 16. September 1983. Die Schulkonferenz der Realschule wurde hiermit nicht befaßt.

Der Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen entschied unter dem 3. Juli 1984, daß die in § 2 Abs. 3 SchpflG NW genannten personellen, sächlichen und schulorganisatorischen Voraussetzungen für die Führung als Ganztagsschule bei der Beklagten vorliegen. Der bei der oberen Schulaufsichtsbehörde gestellte Antrag auf Genehmigung wurde jedoch abgelehnt. Hiergegen hat die Beklagte nach eigenen Angaben Klage vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg erhoben.

Zu Beginn des Schuljahres 1984/85 ordnete die Beklagte im Stundenplan für die Lehrer an der Realschule, gültig ab 29. August 1984, an, daß der Kläger in der langen Woche 26 Unterrichtsstunden und sechs Betreuungsstunden und in der kurzen Woche 22 Unterrichtsstunden und drei Betreuungsstunden abzuleisten habe.

Der Runderlaß des Kultusministers vom 26. März 1982 (vgl. Bereinigte Amtliche Sammlung der Schulvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen, 1. Ausgabe vom 1. März 1984 - 12-63 Nr. 2) bestimmt für Ganztagsschulen im Bereich der Sekundarstufe 1 folgendes:

"...

6. Die Unterrichtsverpflichtung der Lehrer an Ganztagsschulen

entspricht der Pflichtstundenregelung

für Halbtagsschulen entsprechender Schulformen.

Tätigkeiten im Rahmen des Ganztagsbetriebes, die

nicht Unterricht sind bzw. nicht regelmäßiger

Planung, Vorbereitung oder Nachbereitung bedürfen,

gelten als Betreuung oder Aufsicht. Betreuungs- oder

Aufsichtsstunden werden zur Hälfte auf die Pflichtstunden

des Lehrers angerechnet."

Der Kläger wendet sich in diesem Rechtsstreit gegen die Anordnung der Beklagten zur Ableistung von Betreuungsstunden am Nachmittag. Diese Anordnung hält er für unwirksam, weil sich durch sie die Arbeitszeit verlängere und sie daher vom Direktionsrecht der Beklagten nicht gedeckt sei. Außerdem sei die Umstellung des Halbtags- auf einen Ganztagsschulbetrieb nach den gesetzlichen Vorschriften unwirksam. Es fehle hierfür die Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde. Der Runderlaß des Kultusministers vom 26. März 1982 betreffe nur Ganztagsschulen, nicht aber Ganztagsschulbetriebe. Außerdem fehle es an der gemäß § 15 Nr. 8 des Schulmitwirkungsgesetzes (SchMG NW) notwendigen Beteiligung der Schulkonferenz. Die Beklagte habe ferner den Betriebsrat vor Änderung der Arbeitszeit nicht beteiligt.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß er zur Ableistung

von Betreuungsstunden nicht verpflichtet

sei.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und hierzu die Auffassung vertreten, der Kläger sei nach § 6 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit Ziff. 6 des Runderlasses des Kultusministers vom 26. März 1982 zur Leistung der Betreuungsstunden verpflichtet. Für den Kläger gelte dasselbe wie für Lehrer an öffentlichen Schulen. Der Ganztagsschulbetrieb bedürfe nicht der Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde. Diese sei lediglich für eine finanzielle Unterstützung des Landes erforderlich. Die Schloßkonferenz habe der Einführung der Ganztagsschule zugestimmt. An den Schloßkonferenzen der Beklagten nähmen alle Mitglieder der Schulpflegschaft, alle Schulleiter, sie selbst als Schulträger und der Vertreter der Schülermitverantwortung teil. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehe nicht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Beklagte durfte im Rahmen ihres Direktionsrechts anordnen, daß der Kläger anstelle von zwei Unterrichtstunden am Vormittag vier Betreuungsstunden in der Regel am Nachmittag zu leisten hat.

I. Durch die Anordnung der Beklagten ändert sich der Umfang der Arbeitszeit des Klägers nicht. Der Kläger hat 27 Pflichtunterrichtsstunden zu leisten. Dieser zeitliche Rahmen wird durch die von ihm verlangten Betreuungsstunden nicht überschritten. Betreuungsstunden rechnen nur zur Hälfte als Unterrichtspflichtstunden. Das ergibt sich aus Ziff. 6 des Runderlasses des Kultusministers vom 26. März 1982. Hiernach sind Betreuungs- oder Aufsichtsstunden zur Hälfte auf die Pflichtstunden des Lehrers anzurechnen. Das gilt gemäß §§ 2 und 6 Satz 1 des Arbeitsvertrages auch für den Kläger. Danach hat der Kläger einmal alle die den entsprechenden Lehrern an vergleichbaren öffentlichen Schulen obliegenden Pflichten zu übernehmen und nach Weisung der Schulleitung seine Tätigkeit auszuüben. Darüber hinaus bestimmt sich der Umfang der Beschäftigung nach den für entsprechende hauptamtliche Lehrer an vergleichbaren öffentlichen Schulen geltenden Bestimmungen.

Die Auffassung des Klägers, daß er nach seinem Arbeitsvertrag nur in einer Halbtagsschule unterrichten müsse, läßt sich aus dem Vertragswortlaut nicht entnehmen. Nach dem Arbeitsvertrag ist der Kläger als Lehrer an einer privaten Realschule angestellt worden. Hierdurch ist nur die Schulform Realschule, nicht aber die Organisationsform der Schule vereinbart worden. Allein die Tatsache, daß zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Realschule als Halbtagsschule geführt wurde, begründet keinen dauernden Anspruch des Klägers auf Beschäftigung in einer Halbtagsschule. Nach § 6 des Anstellungsvertrages soll sich der Umfang der Beschäftigung vielmehr nach den jeweils geltenden arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen für öffentliche Schulen richten. Der Umfang der Beschäftigung läßt sich aber nicht von vornherein festschreiben, wenn man berücksichtigt, daß der Kläger auf Lebenszeit angestellt worden ist und die Arbeitszeit sich in diesem Zeitraum naturgemäß verändern kann.

II. Durch die Umstellung auf den Ganztagsschulbetrieb ändert sich lediglich die Lage der Arbeitszeit, denn der Kläger muß die Betreuungsstunden am Nachmittag leisten, während er vorher nur vormittags tätig gewesen ist.

1. Die Anordnung der Beklagten verstößt nicht gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB).

a) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Schulkonferenz oder nur die Schloßkonferenz bei der Umstellung auf den Ganztagsschulbetrieb beteiligt werden mußte. Nach § 15 Nr. 8 des Schulmitwirkungsgesetzes (SchMG) vom 13. Dezember 1977, zuletzt geändert am 26. Juni 1984 (GV NW 1984, S. 370 f.), ist die Schule vom Schulträger bei der Umstellung auf die Ganztagsschule zu beteiligen. Hieran wirkt auch die Schulkonferenz mit (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 SchMG). Der Schulleiter ist Vorsitzender der Schulkonferenz (§ 4 Abs. 6 Satz 1 SchMG). Er hat sie einzuberufen, wenn ein Drittel der Mitglieder es verlangt (§ 18 Abs. 1 Satz 2 SchMG). Ob diese Voraussetzungen hier vorgelegen haben, kann dahingestellt bleiben. Sollte der Schulleiter die Einberufung der Schulkonferenz versäumt haben, so belastet das nicht die Beklagte, denn sie hat selbst als Schulträger kein Recht zur Einberufung der Schulkonferenz. Außerdem ist die Beklagte nicht auf die Zustimmung der Schulkonferenz bei der Umstellung auf die Ganztagsschule angewiesen, denn ihre Entscheidungsbefugnis bleibt hiervon unberührt (VVzSchMG zu § 15).

b) Ebensowenig führt die fehlende Genehmigung der Umstellung auf die Ganztagsschule seitens der oberen Schulaufsichtsbehörde zur Unwirksamkeit der angeordneten Betreuungsstunden. Die Umstellung bedarf in Ersatzschulen keiner Genehmigung, wenn die personellen, sachlichen und schulorganisatorischen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Diese sind hier aber erfüllt (Bescheid des Kultusministers vom 3. Juli 1984). Die Genehmigung hat nur Bedeutung für den Anspruch des Schulträgers gegen das Land auf Erstattung der Mehrkosten. Das ergibt sich ebenfalls aus der Auskunft des Regierungspräsidenten Arnsberg vom 18. Februar 1985. Der Anspruch des beklagten Schulträgers auf einen Zuschuß berührt jedoch nicht das Arbeitsverhältnis der Parteien, denn die Beklagte trägt die Kosten für die Umstellung auf den Ganztagsbetrieb vorläufig allein.

2. Die einseitige Anordnung der Überstunden durch die Beklagte verstößt auch nicht gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten. Zwar bestimmt § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, daß der Betriebsrat über die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Arbeitstage mitzubestimmen hat. Diese Vorschrift kommt hier aber nicht zur Anwendung, weil die Eigenart des Unternehmens dem entgegensteht (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Es ist eine tendenzbezogene Entscheidung des Schulträgers, wenn er seine Schule nicht mehr als Halbtags- sondern als Ganztagsschule betreiben will. Hierzu kann auf den zur Veröffentlichung bestimmten Beschluß des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Januar 1987 - 1 ABR 49/85 - verwiesen werden.

III. Die hiernach zulässige einseitige Anordnung der Beklagten hält sich im Rahmen ihres Direktionsrechts. Dieses erstreckt sich zwar nicht auf den Umfang der Hauptleistungspflichten (Vergütung und Dauer der Arbeitszeit, vgl. dazu unveröffentlichtes BAG Urteil vom 31. Januar 1985 - 2 AZR 393/83 -, zu II 1 a der Gründe), eine solche ist hier aber auch nicht betroffen. So wird vorliegend nicht die Arbeitszeit verlängert, sondern nur ihre Lage verändert. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers ermächtigt zur anderweiten Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochenarbeitstage, soweit nicht § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG eingreift (vgl. statt vieler BAG Urteil vom 19. Juni 1985 - 5 AZR 57/84 - AP Nr. 11 zu § 4 BAT). Da ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht besteht, konnte die Beklagte die Lage der Arbeitszeit durch einseitige Anordnung verändern. Hierbei hat sie aber - wie stets bei der Ausübung ihres Direktionsrechts - die Grundsätze billigen Ermessens zu wahren (§ 315 Abs. 1 BGB). Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn sie die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. Ob das geschehen ist, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB) und ist auch in der Revisionsinstanz nachzuprüfen (vgl. BAG Urteil vom 28. November 1984 - 5 AZR 123/83 - AP Nr. 1 zu § 4 TVG Bestimmungsrecht, zu A II 2 der Gründe, m. w. N.).

Die Beklagte hat sich an diese Grundsätze gehalten. Die zeitliche Beanspruchung des Klägers am Nachmittag ist gering; sie beschränkt sich auf vier Stunden. Andererseits wird er dafür mit zwei Unterrichtsstunden entlastet. Das ist ein billigenswertes und angemessenes Ergebnis, weil der Kläger für die Betreuungsstunden am Nachmittag keine Vorbereitung und Nachbereitung benötigt. Die Regelung der Beklagten hält sich weiter an den Maßstab im Runderlaß des Kultusministers vom 26. März 1982. Dem Kläger wird durch die Betreuungsstunden auch keine berufsfremde Tätigkeit zugemutet. Andererseits muß man der Beklagten das Recht zugestehen, den Ganztagsschulbetrieb einzuführen.

Dr. Gehring Dr. Olderog Ascheid

Dr. Krems Arntzen

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440431

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