Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückzahlung von Urlaubsentgelt wegen ungerechtfertigter Bereicherung

 

Normenkette

BGB § 812 Abs. 1 S. 1, § 387 ff.; ZPO § 278 Abs. 3-4

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 12.11.1990; Aktenzeichen 6 Sa 110/90)

ArbG Köln (Urteil vom 07.12.1989; Aktenzeichen 14 Ca 7397/89)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 12. November 1990 – 6 Sa 110/90 – wird zurückgewiesen.

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln insoweit aufgehoben, als die Widerklage in Höhe von 275,15 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11. September 1989 abgewiesen worden ist.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 7. Dezember 1989 – 14 Ca 7397/89 – im selben Umfang abgeändert.

Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte weitere 275,15 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 11. September 1989 zu zahlen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld.

Der Kläger war von Februar 1986 bis zum 4. August 1989 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte der Steinzeugindustrie in Nordrhein vom 6. April 1978 i.d.F. vom 13. April 1987 (MTV) Anwendung. In § 10 MTV ist u.a. bestimmt:

„I. Urlaubsanspruch

2. Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr, …

3. Der volle Urlaubsanspruch für Arbeitnehmer über 18 Jahre entsteht erstmalig nach einer sechsmonatigen ununterbrochenen Dauer des Arbeitsverhältnisses (Wartezeit).

4. Im Eintritts- bzw. Austrittsjahr steht dem Arbeitnehmer für jeden vollen Kalendermonat seiner Betriebszugehörigkeit 1/12 des Jahresurlaubs zu.

5. Bei Einstellungen oder Entlassungen wird der erste bzw. der letzte Monat voll angerechnet, wenn in ihm mindestens zwölf Tage gearbeitet wurde.

II. Urlaubsdauer

1. …

Bei der Festlegung von anteiligem Urlaub werden Bruchteile von 0,5 an auf volle Urlaubstage aufgerundet, darunter abgerundet.

IV. Sonstige Urlaubsbestimmungen

4. Ein einmal auf Verlangen des Arbeitnehmers vor Entstehung des vollen Urlaubsanspruchs über den bereits erworbenen anteiligen Urlaubsanspruch hinaus gewährtes Urlaubsentgelt gilt als Vorschußzahlung (wie alle Vorschüsse). Sie kann nur dann zurückgefordert werden, wenn der Arbeitnehmer von sich aus das Arbeitsverhältnis vorzeitig kündigt oder wenn der Arbeitnehmer aus disziplinarischen Gründen entlassen wird. In diesen Fällen geht auch der Anspruch auf Abgeltung aus dem laufenden Jahr verloren.

…”

Im ebenfalls auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Lohn- und Gehaltstarifvertrag für die Steinzeugindustrie vom 5. Mai 989, in Kraft seit dem 1. April 1989, ist unter Nr. 6 bestimmt:

„Urlaubsgeld

Die Arbeitnehmer erhalten zu ihrem Entgelt für den Urlaub gemäß § 10, Abschn. II, Ziff. 1 des Manteltarifvertrages ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 20 %.”

Die Beklagte gewährte dem Kläger im Jahr 1989 25 Arbeitstage Urlaub, zuletzt in der Zeit vom 3. bis 28. Juli 1989. Während dieser Zeit kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17. Juli 1989 zum 4. August 1989. Die Beklagte, die dem Kläger für 25 Tage Urlaubsentgelt und zusätzliches Urlaubsgeld gezahlt hatte, forderte den Kläger mit Schreiben vom 10. August 1989 zur Rückzahlung von 1.375,74 DM Urlaubsentgelt und mit Schreiben vom 7. September 1989 zur Rückzahlung von 275,15 DM Urlaubsgeld für jeweils neun Tage auf. Zugleich behielt sie den Restlohn des Klägers aus August 1989 in Höhe von 420,78 DM ein.

Der Kläger hat gemeint, die Beklagte habe keinen Anspruch auf Rückzahlung des Urlaubsentgelts und Urlaubsgeldes.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 420,78 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen und den Kläger zu verurteilen, an sie 1.230,11 DM nebst 4 % Zinsen seit, dem 11. September 1989 zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe des Pfändungsfreibetrages von 224,22 DM und der Widerklage in Höhe von 954,96 DM stattgegeben, im übrigen Klage und Widerklage abgewiesen. Der Kläger hat gegen die teilweise Abweisung seiner Klage und gegen seine Verurteilung Berufung eingelegt. Die Beklagte hat Anschlußberufung eingelegt, soweit ihre Widerklage abgewiesen wurde, und ihre Widerklage um den vom Arbeitsgericht nicht zur Aufrechnung zugelassenen Betrag von 224,22 DM erweitert. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat es das Urteil teilweise abgeändert und den Kläger zur Zahlung weiterer 224,22 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11. September 1989 verurteilt. Im übrigen hat es die Anschlußberufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner Revision verlangt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 196,56 DM und die Abweisung der Widerklage in vollem Umfang. Die Beklagte beantragt mit ihrer Revision, den Kläger zur Rückzahlung des Urlaubsgeldes in Höhe von 275,15 DM zu verurteilen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet, die Revision der Beklagten hingegen begründet. Die Beklagte hat gegen den Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung des Urlaubsentgelts und zusätzlichen Urlaubsgelds aus ungerechtfertigter Bereicherung, § 812 Abs. 1 BGB. Der Anspruch des Klägers auf den pfändbaren Teil seines Arbeitsentgelts für August 1989 ist durch Aufrechnung mit dem Rückzahlungsanspruch erloschen, §§ 387, 389 BGB.

Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Altern. BGB ist derjenige, der durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat, zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Nach dieser Bestimmung hat der Kläger 1.375,74 DM Urlaubsentgelt (abzüglich durch Aufrechnung erloschenen Forderung in Höhe von 25,56 DM) und 275,15 DM zusätzliches Urlaubsgeld zurückzugewähren. Denn die Beklagte hat an den Kläger Urlaubsentgelt und zusätzliches Urlaubsgeld für neun Arbeitstage ohne rechtlichen Grund geleistet.

Der Kläger hat zwar mit Beginn des Urlaubsjahres 1989 den vollen Urlaubsanspruch in Höhe von 28 Arbeitstagen erworben, § 10 Abschn. I Nr. 2 Abs. 1 und Nr. 3 Abs. 1 MTV. Der Anspruch ist jedoch nachträglich auf 16 Arbeitstage gekürzt worden, nachdem der Kläger mit Ablauf des 4. August 1989 nach eigener Kündigung ausgeschieden ist, § 10 Abschn. I Nr. 4 MTV in Verb. mit § 10 Abschn. I Nr. 5 und § 10 Abschn. II Nr. 1 Abs. 5 MTV. Entgegen Auffassung des Klägers findet § 10 Abschn. I Nr. 4 MTV nicht nur für den Fall Anwendung, in dem ein Arbeitnehmer im selben Jahr eintritt und ausscheidet. Die Norm ist stets in den Jahren des Beginns und Ende eines Arbeitsverhältnisses anzuwenden.

2. Die tarifvertraglich bestimmte nachträgliche Kürzung des zu Beginn des Urlaubsjahres entstandenen Vollurlaubs weicht von der gesetzlich in § 5 Abs. 1 c BUrlG vorgesehenen Kürzung ab. Das Gesetz sieht eine Kürzung des entstandenen Vollurlaubs beim Ausscheiden des Arbeitnehmers in der zweiten Jahreshälfte nicht vor. Die tarifvertragliche Regelung ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG wirksam, weil der unabdingbare gesetzliche Mindesturlaub des Klägers von 15 Arbeitstagen (= 18 Werktage) nicht berührt wird (BAGE 45, 199 = AP Nr. 15 zu § 13 BUrlG). Dem Kläger verbleiben nach § 10 Abschn. I Nr. 5 MTV in Verb. mit § 10 Abschn. II Nr. 1 Abs. 5 MTV 16 Arbeitstage Urlaub.

3. Entsprechend der Dauer des Urlaubs hatte der Kläger lediglich für 16 Arbeitstage Anspruch auf Fortzahlung seines Arbeitsentgelts und des in Nr. 6 des Lohn- und Gehaltstarifvertrages vom 5. Mai 1989 geregelten zusätzlichen Urlaubsgeldes. Das darüber hinaus von der Beklagten erst Ende Juli 1989 geleistete Entgelt und zusätzliche Urlaubsgeld erhielt er ohne Rechtsgrund.

4. Bereicherungsrechtliche Einwendungen hat der Kläger gegen den gesetzlichen Anspruch der Beklagten ebensowenig wie Verfahrensrügen erhoben. Der Kläger hat auch keinen Antrag nach § 278 Abs. 3 und Abs. 4 ZPO gestellt, nachdem der Senat ihn in der mündlichen Verhandlung gemäß § 278 Abs. 3 ZPO auf die gesetzliche Anspruchsgrundlage hingewiesen hat.

II. So kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte auch einen tarifvertraglichen Anspruch auf Rückzahlung zuviel gezahlten Urlaubsentgelts und zusätzlichen Urlaubsgeldes hat oder ob sich die Rückzahlungsbestimmungen des § 10 Abschn. IV Nr. 4 MTV lediglich auf das Urlaubsentgelt bezieht, das ein Arbeitgeber vor Entstehung des vollen Urlaubsanspruchs in Kenntnis der Nichtschuld geleistet hat.

III. Dem Kläger steht nach der Aufrechnungserklärung der Beklagten lediglich der pfändungsfreie Betrag seines Arbeitentgelts für August 1989 zu, den das Arbeitsgericht mit 224,22 DM berechnet hat. Der Anspruch auf den verbleibenden Betrag von 196,56 DM ist erloschen. Seine auf Zahlung dieses Betrages gerichtete Revision war daher erfolglos.

Der Beklagten steht der in der Höhe unstreitige Gesamtbetrag abzüglich des durch Aufrechnung verbrauchten Teilbetrages zu. Soweit die Vorinstanzen die davon nicht berührte Widerklage in Höhe von 275,15 DM abgewiesen haben, waren deren Urteile entsprechend aufzuheben und abzuändern.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Leinemann, Dr. Lipke, Dörner, Timpe, Wisskirchen

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073424

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