Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsvereinbarung über fliegenden Schichtwechsel

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Eingangssatz, Abs. 1 Nr. 3, § 77; BGB § 242

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 09.01.1991; Aktenzeichen 14 Sa 1261/90)

ArbG Bochum (Urteil vom 17.07.1990; Aktenzeichen 2 Ca 147/90)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 9. Januar 1991 – 14 Sa 1261/90 – aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 17. Juli 1990 – 2 Ca 147/90 – wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob der Kläger zur Leistung von Mehrarbeit zur Aufrechterhaltung eines sog. „fliegenden Schichtwechsels” verpflichtet ist.

Der Kläger arbeitet seit Februar 1989 in der Lackiererei der Beklagten. Für ihn gilt eine wöchentliche Arbeitszeit von 37 Stunden entsprechend der Regelung in § 3 Nr. 1 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 29. Februar 1988. Dieser Tarifvertrag gilt zwischen den Parteien kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit.

Der Kläger arbeitet wechselnd in Früh- und Spätschicht. Die Frühschicht dauert von 6.00 Uhr bis 14.00 Uhr, die Spätschicht von 14.00 Uhr bis 22.00 Uhr. In der Arbeitszeit enthalten war für die Frühschicht eine Abrüstzeit von drei Minuten und für die Spätschicht eine Aufrüstzeit von zwei Minuten. Zur optimalen Anlagennutzung wurde für die Lackiererei zwischen Geschäftssleitung und Betriebsrat am 30. März 1988 eine Betriebsvereinbarung geschlossen, durch die die Einführung eines sog. fliegenden Schichtwechsels geregelt wurde. Dieser fliegende Schichtwechsel bedingt, daß für die Mitarbeiter der Frühschicht deren Abrüstzeit auf die Zeit nach dem bisherigen Schichtende von 14.00 Uhr bis 14.03 Uhr gelegt wird und für die Arbeitnehmer der Spätschicht die Aufrüstzeit vor den offiziellen Schichtbeginn auf die Zeit zwischen 13.58 Uhr und 14.00 Uhr. Die nach der Betriebsvereinbarung nach Schichtende liegend Abrüstzeit bzw. vor Schichtbeginn zu leistende Aufrüstzeit wird als Mehrarbeit vergütet. Nach der Betriebsvereinbarung vom 30. März 1988 wird im Bereich der Lackiererei auch verfahren.

Der Kläger und weitere Mitarbeiter der Beklagten sind der Meinung, daß die Betriebsvereinbarung über den fliegenden Schichtwechsel rechtsunwirksam ist, weil hiermit regelmäßig die tarifliche Arbeitszeit überschritten werde. Mit seiner am 23. Januar 1990 vor dem Arbeitsgericht Bochum erhobenen Klage hat der Kläger, wie auch 22 weitere Arbeitnehmer, erreichen wollen, daß die Aufrüst- und Abrüstzeiten wieder in die geltende Normalarbeitszeit von 37 Wochenstunden gelegt werden. Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß er aufgrund der Betriebsvereinbarung Nr. 2/88 vom 30. März 1988 nicht verpflichtet sei, regelmäßige arbeitstägliche Mehrarbeit in der Frühschicht von drei Minuten und in der Spätschicht von zwei Minuten zu leisten.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Klagebefugnis des Klägers sei verwirkt, die Ausschlußfrist des § 19 Nr. 2 b MTV, wonach alle Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit geltend zu machen seien, sei verstrichen. Im übrigen sei der Kläger zur Mehrarbeit verpflichtet, weil die Betriebsvereinbarung von den Gerichten für Arbeitssachen nur auf Billigkeit zu überprüfen sei, die Betriebsvereinbarung über den fliegenden Schichtwechsel aber gerade nicht unbillig sei, denn einerseits würden durch den fliegenden Schichtwechsel unnötige Produktionsunterbrechungen vermieden und werde ein besseres betriebswirtschaftliches Ergebnis erreicht, auf der anderen Seite erreiche die Mehrarbeit nur ein sehr geringes Maß, das weit unter dem Höchstmaß von Mehrarbeit bleibe, das der MTV in § 5 I Nr. 6 zulasse.

Demgegenüber hat der Kläger erwidert, § 5 I Nr. 5 MTV lasse nur notwendige Mehrarbeit zu. Der fliegende Schichtwechsel sei aber nicht notwendig, sondern nur nützlich.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Betriebsvereinbarung verstoße gegen § 5 I Nr. 5 MTV, da die infolge des fliegenden Schichtwechsels anfallende Mehrarbeit nicht notwendig im Sinne der genannten Tarifvorschrift sei. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage mit der Begründung abgewiesen, § 5 I Nr. 5 MTV lasse Mehrarbeit schon zu, wenn ein betriebliches Bedürfnis hierfür vorhanden sei. Über die Qualität und die Intensität dieses Bedürfnisses sage die tarifliche Regelung nichts aus, vielmehr überlasse sie die Antwort auf die Frage, ob und in welchem Umfang Mehrarbeit notwendig sei, allein der Vereinbarung der Betriebspartner.

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet.

I. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der vom Kläger geltend gemachte Anspruch sei nicht verwirkt. Ein Anspruch kann verwirken, wenn der Gläubiger mit der Geltendmachung ungewöhnlich lange gewartet hat (Zeitmoment) und dadurch beim Schuldner einen Vertrauenstatbestand dahin hervorgerufen hat, daß er nicht mehr in Anspruch genommen werde. Schließlich muß dem Schuldner gegenwärtig die Erfüllung des Anspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten sein (BAG Beschluß vom 14. November 1978 – 6 ABR 11/77 – AP Nr. 39 zu § 242 BGB Verwirkung).

Vorliegend ist der Zeitablauf von 11 Monaten seit Eintritt in den Betrieb geeignet, das Zeitmoment im Rahmen der Verwirkung auszufüllen. Das Bundesarbeitsgericht hat aber in ständiger Rechtsprechung ebenso entschieden, daß das Vorliegen des Zeitmomentes nicht das sog. Umstandsmoment indiziert, sondern es besonderer Umstände für die berechtigte Erwartung des Schuldners bedarf, er werde nicht mehr gerichtlich in Anspruch genommen werden. Vorliegend muß berücksichtigt werden, daß der Kläger zu einer Zeit als Arbeitnehmer in den Betrieb eintrat, als bereits die Betriebsvereinbarung über den fliegenden Schichtwechsel seit längerem praktiziert wurde. Der Arbeitgeber seinerseits hat erwartet, daß der Kläger sich an die im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen halten würde. Der Kläger mußte zunächst davon ausgehen, daß die von den Betriebsparteien geschlossenen Betriebsvereinbarungen auch mit dem geltenden Recht in Einklang stünden. Schon von daher war es nur selbstverständlich, daß der Kläger längere Zeit überlegte, bevor er sich entschloß, die Betriebsvereinbarung über den fliegenden Schichtwechsel in der Lackiererei anzugreifen. Vor allem ist zu berücksichtigen, daß die Betriebsvereinbarung auf nicht absehbare Zeit die Arbeitnehmer der Lackiererei zu Mehrarbeit verpflichtete und die Beklagte deshalb auch damit rechnen mußte, daß ein Lackierer irgendwann nicht mehr bereit war, Mehrarbeit zu leisten und deshalb die Betriebsvereinbarung angriff. Schließlich ist der Senat mit dem BGH (Urteil vom 6. Dezember 1988 – XI ZR 19/88 – AP Nr. 44 zu § 242 BGB Verwirkung) der Auffassung, daß je kürzer die Verjährungsfrist ist, umso seltener die Voraussetzungen für die Annahme einer Verwirkung gegeben sind. Das Gleiche gilt für das Verhältnis von Verwirkung zu tariflicher Ausschlußfrist. Verfallen – wie im vorliegenden Falle – alle Ansprüche, wenn sie nicht drei Monate nach ihrer Fälligkeit geltend gemacht sind, bleibt für eine Verwirkung kaum Raum.

II. Der Hinweis der Beklagten auf die Ausschlußfrist in § 19 Nr. 2 b MTV ist verfehlt. Nach dieser Vorschrift sind Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit geltend zu machen. Die Verpflichtung zur Mehrarbeit entsteht aber aufgrund der Betriebsvereinbarung für jeden Tag neu, so daß von der Ausschlußfrist nicht die Zeiten innerhalb von drei Monaten vor der Geltendmachung und danach erfaßt werden. Hier gilt das gleiche wie für Zahlungsansprüche bei behaupteter fehlerhafter Eingruppierung. Auch hier läuft die Verfallfrist ab Fälligkeit der jeweiligen Vergütungsansprüche, so daß es sein kann, daß ein Teil der Vergütungsansprüche aufgrund einer tariflichen Ausschlußfrist verfallen ist, ein anderer Teil nicht (vgl. BAG Urteil vom 16. Januar 1991 – 4 AZR 320/90 – AP Nr. 29 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel).

III. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Betriebsrat oder der einzelne Arbeitnehmer eine Betriebsvereinbarung nicht nur daraufhin überprüfen lassen, ob diese der Billigkeit entspricht, sondern auch, ob sie gegen zwingendes Recht verstößt (Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 77 Rz 250; Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 3. Aufl., § 77 Rz 69 und ebenso Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 77 Rz 96, auf die die Beklagte sich für die Gegenmeinung zu Unrecht beruft; aus der Rechtsprechung vgl. BAG Urteil vom 8. November 1988, BAGE 60, 94, 100 = AP Nr. 48 zu § 112 BetrVG 1972, zu II 2 d der Gründe). Die Gültigkeit einer Betriebsvereinbarung kann auch als Vortrage in einem Urteilsverfahren durch die Gerichte für Arbeitssachen geprüft werden.

IV.1. Der Kläger ist nicht zur Mehrarbeit verpflichtet, da die Betriebsvereinbarung gegen eine tarifliche Regelung verstößt.

Vorliegend enthält der einschlägige MTV in § 5 eine ausführliche Regelung der Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit. Die Regelung des § 5 MTV enthält zwar keine vollständige Regelung der Mehrarbeit, jedoch sind wesentliche Voraussetzungen für die Anordnung von Mehrarbeit in § 5 I Nr. 5 und 6 MTV geregelt. Insoweit handelt es sich bei § 5 I Nr. 5 und 6 MTV um eine inhaltliche Regelung der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit, die abschließenden Charakter hat.

a) Nach § 5 I Nr. 5 Abs. 1 MTV ist notwendige Mehrarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu vereinbaren und zu leisten, wobei berechtigte Wünsche der Arbeitnehmer nach Möglichkeit berücksichtigt werden.

Bis auf die unvorhergesehenen Bedarfsfälle ist die notwendige Mehrarbeit stets zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu vereinbaren. Aus Wortlaut, grammatikalischem Zusammenhang und Tarifsystematik ergibt sich, daß der Arbeitgeber auch auf Dauer Mehrarbeit anordnen kann, daß aber in allen Fällen Arbeitgeber und Betriebsrat sich über die Mehrarbeit einigen müssen, insoweit haben die Tarifvertragsparteien das Mitbestimmungsrecht bei Einführung von Mehrarbeit erweitert (Kommt eine Einigung zwischen den Betriebsparteien nicht zustande, entscheidet die Einigungsstelle nach § 24 MTV verbindlich.).

Schon § 5 I Nr. 1 MTV definiert Mehrarbeit als die über die nach den §§ 3 und 4 festgelegte individuelle regelmäßige tägliche Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeitszeit. Nach § 5 I Nr. 5 MTV ist notwendige Mehrarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu vereinbaren, ohne daß hierbei die Einschränkung erwähnt wäre, nur vorübergehende Mehrarbeit sei zu vereinbaren. In § 5 I Nr. 6 MTV wird geregelt, daß die werktägliche Arbeitszeit auf bis zu 10 Stunden, die wöchentliche Arbeitszeit um bis zu 10 Stunden ausgedehnt werden kann. Nach Nr. 6 Abs. 2 MTV kann ausnahmsweise für einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern sogar ein weiteres Mehrarbeitsvolumen betrieblich vereinbart werden, jedoch von nicht mehr als 20 Stunden im Monat. Nach Abs. 2 Satz 2 darf dieses aber nicht zu dauerhafter Mehrarbeit führen. Aus diesem Zusammenhang der Tarifvorschriften ergibt sich, daß in bestimmten Grenzen, nämlich bis zu zehn Stunden pro Woche, Mehrarbeit auch auf Dauer vereinbart werden kann. Nur die Vereinbarung eines weiteren Mehrarbeitsvolumens von bis zu 20 Stunden im Monat darf nicht zur dauerhaften Mehrarbeit führen.

Dementsprechend verstößt die. Einführung eines „fliegenden Schichtwechsels” durch Betriebsvereinbarung nicht schon deshalb gegen den Tarifvertrag, weil mit dem fliegender Schichtwechsel Mehrarbeit auf Dauer verbunden ist. § 5 I Nr. 5 MTV enthält keine Regelung, daß nur vorübergehende Mehrarbeit vereinbart werden darf.

b) § 5 I Nr. 5 MTV enthält aber eine tarifliche Vorgabe, die in ähnlicher Weise in allen Tarifverträgen der metallverarbeitenden Industrie wiederkehrt. Arbeitgeber und Betriebsrat dürfen nur notwendige Mehrarbeit vereinbaren.

Die Tarifvertragsparteien haben nicht definiert, welchen Inhalt der Begriff der Notwendigkeit hat. Das rechtfertigt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch unter Berücksichtigung von § 5 I Nr. 5 Abs. 2 MTV, nach dem dann, wenn Arbeitnehmer in unvorhergesehenen Bedarfsfällen zu Mehrarbeit herangezogen werden müssen, der Betriebsrat nachträglich unverzüglich zu verständigen ist, nicht den Schluß, daß die vom Arbeitgeber und Betriebsrat zu vereinbarende Mehrarbeit sich nur an betrieblichen Bedarfsfällen orientiert und die Regelung des § 5 I Nr. 5 MTV eine sachliche Voraussetzung gar nicht enthält. § 5 I Nr. 5 Abs. 2 MTV enthält eine Sonderregelung für unvorhergesehene Bedarfsfälle. Der Formulierung von § 5 I Nr. 5 Abs. 2 MTV kann nicht ohne weiteres entnommen werden, welche Voraussetzungen an einen unvorhergesehenen Bedarf zu stellen sind. Nach Ziepke (Kommentar zum MTV, 3. Aufl., Anm. 33) handelt es sich hierbei um Eilfälle, die eine alsbaldige Erledigung im Interesse eines geordneten Betriebsablaufs notwendig machen und vom Arbeitgeber nicht vorhergesehen worden sind, z.B. plötzlich auftretende Reparatur-, Be- und Entladearbeiten. Es muß aus zeitlichen Gründen danach nicht möglich gewesen sein, die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen, weil die kurzfristige Anordnung der Mehrarbeit unumgänglich ist und trotz sorgfältiger Vorausplanung nicht vorhergesehen werden konnte.

2. Bei der Frage der Notwendigkeit der Einführung von Mehrarbeit handelt es sich ebenso wie bei der Sozialwidrigkeit einer Kündigung um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Sie kann vom Revisionsgericht daher nur daraufhin überprüft werden, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt, ob es bei der Subsumtion Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (EAGE 48, 314, 319 = AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu B I 1 der Gründe, m.w.N.). Auch dieser eingeschränkten Überprüfung hält das angefochtene Urteil nicht stand.

a) Der Senat hat dem Kläger nicht in der Auffassung folgen können, die Tarifvertragsparteien hätten in dem MTV „eine Hierarchie der Begrifflichkeit” entwickelt, so daß sich die Anforderungen steigerten bis zum Begriff der Notwendigkeit als strengste Voraussetzung. Richtig ist daran nur, daß „notwendig” noch nicht jedes Interesse des Arbeitgebers und nicht jedes betriebliche Bedürfnis ist. Auf der anderen Seite kann der tarifliche Begriff der Notwendigkeit auch nicht im Sinne der Logik verstanden werden, daß nämlich notwendig etwas ist, das nicht anders sein kann wie es ist oder umgekehrt etwas, dessen Nichtsein nicht vorstellbar ist (vgl. Der große Brockhaus, 16. Aufl., Stichwort notwendig). Vielmehr ist unter Notwendigkeit nach allgemeinen Sprachgebrauch das gleiche wie Erforderlichkeit zu vorstehen. Was unter Erforderlichkeit zu verstehen ist, hat das Bundesarbeitsgericht in Zusammenhang mit Schulungsveranstaltungen für Betriebsräte nach § 37 Abs. 6 BetrVG wiederholt entschieden. Danach ist die Vermittlung von Kenntnissen nur dann für die Betriebsratsarbeit erforderlich, wenn diese Kenntnisse unter Berücksichtigung der konkreten Situation im Betrieb und im Betriebsrat benötigt werden, damit die Betriebsratsmitglieder ihre derzeitigen oder demnächst anfallenden Aufgaben wahrnehmen können (BAGE 52, 78, 81 = AP Nr. 54 zu § 37 BetrVG 1972, zu II 2 a der Gründe, und BAGE 62, 74 = AP Nr. 67 zu § 37 BetrVG 1972). Auch wenn diese Rechtsprechung nicht ohne Einschränkungen auf den Tarifvertrag angewendet werden kann, so ist ihr doch zu entnehmen, daß nicht alle Mehrarbeitsstunden erforderlich sind, sondern nur solche, ohne die ein bestimmter Zweck oder ein bestimmtes betriebliches Ziel nicht erreicht werden kann.

b) Im vorliegenden Falle dient die Vereinbarung von Mehrarbeit einem fliegenden Schichtwechsel, mit dem erreicht wird, daß die Maschinen nicht zwischen Früh- und Spätschicht für einige Minuten abgestellt werden müssen. Diese Vereinbarung ist aber nicht notwendig im Sinne des Tarifvertrages, weil davon auszugehen ist, daß dieses Ziel auch auf andere Weise erreicht werden kann. Der Arbeitgeber hat nichts dafür vorgetragen, weshalb die Einführung eines fliegenden Schichtwechsels nicht im Rahmen der individuellen regelmäßigen Wochenarbeitszeit erreicht werden kann, indem die tägliche Arbeitszeit um drei Minuten verlängert wird mit der Folge, daß der Arbeitnehmer als Ausgleich einen Freizeitanspruch von 15 Minuten in der Woche erhält. Eine solche Regelung wäre nach dem MTV ohne weiteres möglich. Nach § 3 MTV beträgt die wöchentliche Arbeitszeit 37 Stunden. Nach § 4 Nr. 2 MTV kann die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit gleichmäßig oder ungleichmäßig grundsätzlich auf fünf Werktage von Montag bis Freitag verteilt werden. Der Anordnung bzw. Vereinbarung von Mehrarbeit bedarf es bei der tariflichen Regelung, die § 4 MTV vorsieht, nicht.

Dementsprechend verstößt die Betriebsvereinbarung gegen den Tarifvertrag, so daß der Kläger nicht verpflichtet ist, regelmäßig die Mehrarbeit zu leisten, die aufgrund der Regelung über den fliegenden Schichtwechsel anfällt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Kissel, Matthes, Dr. Weller, H. Blanke, Dr. Giese

 

Fundstellen

Haufe-Index 1065169

BB 1992, 2074

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