Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachteilsausgleich. Tarifliche Ausschlußfrist

 

Normenkette

BetrVG § 50 Abs. 1, §§ 111, 113 Abs. 3

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 02.02.1995; Aktenzeichen 5 Sa 1615/94)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 05.07.1994; Aktenzeichen 4 Ca 5714/93)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 2. Februar 1995 – 5 Sa 1615/94 – aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 5. Juli 1994 – 4 Ca 5714/93 – wird zurückgewiesen, soweit das Arbeitsgericht die auf Abfindung gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG gerichtete Klage abgewiesen hat.

Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Hauptsache über einen Anspruch auf Nachteilsausgleich gem. § 113 Abs. 3 BetrVG, hilfsweise über die Unwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung sowie einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung und Vergütungszahlung aus Annahmeverzug.

Die ursprünglich verklagte F. GmbH (im folgenden: Beklagte) ist nach Erlaß des angefochtenen Urteils aufgrund Verschmelzungsvertrages vom 30. Mai 1995 mit der B GmbH durch Aufnahme verschmolzen worden; die Eintragung in das Handelsregister der jetzigen Beklagten als übernehmender Gesellschaft erfolgte am 9. August 1995.

Die Klägerin war seit 1985 bei der Beklagten als Einkaufssachbearbeiterin angestellt. Ihr Bruttogehalt betrug zuletzt 4.313,– DM. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Rahmentarifvertrag für kaufmännische und technische Angestellte sowie Meister in der Industrie der Steine und Erden im Lande Hessen vom 23. März 1990 (RTV) Anwendung. Dieser regelt in § 9 folgende Ausschlußfrist:

1. Ansprüche aus Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, auf Zahlung von Zuschlägen und Zulagen jeder Art verfallen, wenn sie nicht innerhalb von einem Monat nach Fälligkeit bei dem Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden.

2. Alle sonstigen Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit dem Arbeitgeber gegenüber schriftlich erhoben werden. Lehnt der Arbeitgeber die Ansprüche ab, so verfallen sie, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung, spätestens aber innerhalb von fünf Wochen nach dem Ausscheiden, gerichtlich geltend gemacht werden.

Die Beklagte produziert und vertreibt feuerfeste Massen. Die Produktionsstätte befindet sich in O. bei W., wo die Beklagte im Jahre 1993 76 Arbeitnehmer beschäftigte. Die Verwaltung mit 25 Arbeitnehmern – unter ihnen die Klägerin – befand sich bis 1993 in Frankfurt am Main. Sowohl in O. wie in Frankfurt bestand ein Betriebsrat; die Betriebsräte hatten einen Gesamtbetriebsrat gebildet. Die Klägerin war die Vorsitzende des Betriebsrats in Frankfurt.

Am 2. April 1993 fand bei der Beklagten eine Gesellschafterversammlung statt. In dem hierüber errichteten Protokoll heißt es u.a.:

Einziger Punkt der Tagesordnung war die Verlegung der Verwaltung zum Werk nach O.

Der Beschluß wurde einstimmig gefaßt. Es wurde empfohlen, den Umzug schnellstmöglich, auf jeden Fall aber im Laufe des Jahres 1993, durchzuführen. Voraussetzung ist eine detaillierte Planung sowie die Benennung eines für die Durchführung Verantwortlichen.

Der Betriebsrat in Frankfurt wurde über diesen Plan erstmals am 17. Mai 1993 unterrichtet. Ihm wurde zugleich der Entwurf eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans vorgelegt. Am 28. Mai und 4. Juni 1993 fanden zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat Frankfurt Verhandlungen statt, die jedoch ohne Ergebnis blieben. Bei dem Gespräch am 28. Mai waren ein oder zwei Mitglieder des Gesamtbetriebsrats zugegen. Sie verhandelten jedoch nicht zur Sache, sondern verließen die Gesprächsrunde, nachdem die Vertreter der Arbeitgeberin die Unzuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gerügt hatten.

Mit Aushang vom 7. Juni 1993 forderte die Beklagte die Mitarbeiter in Frankfurt auf, bis zum 14. Juni 1993 mitzuteilen, ob Interesse an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in O. bestehe. Niemand meldete sich. Am 15. Juni 1993 tagte die von der Beklagten angerufene Einigungsstelle. Laut Protokoll über die Sitzung der Einigungsstelle stellte der Vorsitzende nach vergeblichen Verhandlungen über einen Interessenausgleich fest, daß diese gescheitert seien. Die Beklagte hatte zuvor unter dem 11. Juni 1993 dem Vorsitzenden der Einigungsstelle nähere Informationen zukommen lassen. Dieses Schreiben nebst Anlagen erhielt der Betriebsrat am Morgen des 15. Juni. Am 16. Juni 1993 wurde der Klägerin als Betriebsratsvorsitzenden ein Anhörungsbogen wegen der gegenüber allen Arbeitnehmern in Frankfurt beabsichtigten Änderungskündigungen zugeleitet. Auf der Liste stand auch die Klägerin. Der Betriebsrat äußerte sich innerhalb Wochenfrist nicht. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 25. Juni (zugegangen am selben Tage) zum 31. Dezember 1993. Sie bot ihr gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in O. ab dem 1. Januar 1994 an. Die Klägerin lehnte dieses Änderungsangebot ab.

Am 9. Juli 1993 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat in Frankfurt einen Sozialplan.

Die Klägerin hat sich zunächst gegen die Wirksamkeit der Änderungskündigung gewandt. Mit Schriftsatz vom 11. April 1994 hat sie erstmals einen Anspruch auf Nachteilsausgleich geltend gemacht; den entsprechenden Antrag hat sie zunächst hilfsweise zweitinstanzlich zuletzt als Hauptantrag gestellt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe keinen ordnungsgemäßen Versuch eines Interessenausgleichs unternommen. Der Betriebsrat sei nicht rechtzeitig und sachgerecht informiert worden. Der Verlegungsbeschluß habe spätestens am 2. April 1993 abschließend festgestanden, so daß über das „Ob” der Betriebsverlegung gar nicht mehr mit dem Betriebsrat habe verhandelt werden können. Ohnehin sei die Verlegung nur Teil eines bereits seit 1992 verfolgten Gesamtplans der Veräußerung der Produktion an die B. GmbH gewesen, so daß schon viel früher ein Interessenausgleich hätte versucht werden müssen. Die Unterrichtung des Betriebsrats durch das ihm erst wenige Stunden vor Beginn der Sitzung der Einigungsstelle bekanntgemachte Schreiben vom 11. Juni 1993 an den Einigungsstellenvorsitzenden sei verspätet gewesen. Im übrigen sei der entsprechende Vortrag auch unzutreffend gewesen. Einzelne Planungsschritte seien mit dem Betriebsrat nicht erörtert worden. Eine Stillegung vor dem 31. Dezember 1993 sei von Anfang an nicht beabsichtigt gewesen, weil sie technisch gar nicht möglich gewesen wäre.

Zuständig für die Verhandlungen über den Interessenausgleich sei auch nicht der Betriebsrat in Frankfurt, sondern der Gesamtbetriebsrat gewesen. Durch die Verlegung der Verwaltung nach O. seien die Interessen dieses Betriebes gleichfalls berührt worden. Die Verbindung zu einer organisatorischen Einheit habe zu einer Veränderung der Gesamtstruktur in O. geführt. Die jedenfalls nach der Planung vorgesehene Versetzung der Mitarbeiter von Frankfurt nach O. wäre für die dortige Belegschaft nicht ohne Auswirkungen geblieben. In einer solchen Situation sei der Einzelbetriebsrat des verlegten Betriebes nicht in der Lage, das Mitbestimmungsrecht allein wahrzunehmen. Die Verhandlungen mit dem falschen betriebsverfassungsrechtlichen Organ seien gleichbedeutend mit der Unterlassung eines Versuchs.

Hilfsweise (zuletzt) hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Diese sei sozialwidrig. Die von der Beklagten für die Stillegung angegebenen Gründe seien unzutreffend. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Er sei zu spät und unvollständig unterrichtet worden. Der Hinweis im Anhörungsbogen auf den Einigungsstellenschriftsatz vom 11. Juni 1993 sei nicht ausreichend, zumal sie in diesem Schriftsatz ausdrücklich zur Geheimhaltung ermahnt worden sei; dies habe einer Erörterung mit den Arbeitnehmern entgegengestanden.

Die Klägerin hat zweitinstanzlich zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Abfindung gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu zahlen,

hilfsweise,

  1. festzustellen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung der Beklagten vom 25. Juni 1993 zum 31. Dezember 1993, zugegangen am 25. Juni 1993, sozial ungerechtfertigt ist und das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Arbeitsbedingungen über den 31. Dezember 1993 hinaus fortbesteht,
  2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen,
  3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 12.939,– DM brutto nebst 4 % aus dem sich ergebenden Nettobetrag ab 1. April 1994 zu zahlen,
  4. die Beklagte zu verurteilen, 8.600,26 DM brutto nebst 4 % Zinsen ab 1. Juni 1994 aus dem sich ergebenden Nettobetrag zu zahlen mit der Maßgabe, daß das Arbeitslosengeld in Abzug zu bringen ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie habe einen Interessenausgleich hinreichend versucht. Zuständig gewesen sei nicht der Gesamtbetriebsrat, sondern der Einzelbetriebsrat in Frankfurt. Der Betrieb in O. sei durch die Maßnahme nicht berührt worden. Interessen der dort ausschließlich in der Produktion beschäftigten Arbeitnehmer seien durch den Aufbau der Verwaltung nicht beeinträchtigt. Wäre es zu Versetzungen von Mitarbeitern nach O. gekommen, wäre der dortige Betriebsrat beteiligt worden. Es liege auch keine Verlegung der Verwaltung nach O. vor. Vielmehr sei der Betrieb in Frankfurt stillgelegt und in O. eine neue Verwaltung aufgebaut worden. Der Betriebsrat in Frankfurt sei in allen Phasen der Planung rechtzeitig und ausreichend unterrichtet worden. Die Gesellschafterversammlung habe sich am 2. April 1993 zunächst lediglich über die künftige Zielsetzung geeinigt. Ohne eine solche wäre gar nicht klar gewesen, worüber mit dem Betriebsrat gesprochen werden sollte. Im übrigen habe die Gesellschafterversammlung nur eine Empfehlung abgegeben und den Geschäftsführer mit der Planung beauftragt.

Die Kündigung sei wirksam. Sie sei betriebsbedingt. Die Stillegung des Betriebes in Frankfurt sei als unternehmerische Entscheidung hinzunehmen. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Eines Verfahrens nach § 99 BetrVG habe es nicht bedurft, da die Klägerin das Änderungsangebot abgelehnt habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht dem Hauptantrag stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung verurteilt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der zugelassenen Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist nach dem Hauptantrag unbegründet (I). Zur Entscheidung über die Hilfsanträge ist die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (II).

I. Ein eventueller Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG ist verfallen.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden unstreitig kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die Bestimmungen des Rahmentarifvertrages für kaufmännische und technische Angestellte sowie Meister in der Industrie der Steine und Erden im Lande Hessen vom 23. März 1990 (RTV) Anwendung. Abgesehen von den in § 9 Abs. 1 RTV geregelten und hier nicht einschlägigen Ansprüchen auf Zulagen und Zuschläge verfallen gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 RTV alle Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit dem Arbeitgeber gegenüber schriftlich erhoben werden. Die Klägerin hat den Anspruch auf Nachteilsausgleich nicht fristgerecht geltend gemacht.

a) Zu „allen sonstigen Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis” gehören auch gesetzliche Ansprüche, soweit sie ihre Grundlage im Arbeitsverhältnis haben. Der Anspruch aus § 113 Abs. 3 BetrVG ist in diesem Sinne ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis (vgl. schon Senatsurteil vom 20. Juni 1978 – 1 AZR 102/76 – BAGE 30, 347 = AP Nr. 3 zu § 113 BetrVG 1972; Senatsurteil vom 18. Dezember 1984 – 1 AZR 176/82BAGE 47, 329, 341 = AP Nr. 11 zu § 113 BetrVG 1972, zu I 5 b der Gründe). Der Senat hat auch Formulierungen wie „alle übrigen Ansprüche” (Urteil vom 29. November 1983 – 1 AZR 523/82BAGE 44, 260 = AP Nr. 10 zu § 113 BetrVG 1972) und „sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis” (Urteil vom 18. Dezember 1984 – 1 AZR 176/82 – a.a.O.) so verstanden, daß sie Ansprüche auf Abfindungen nach § 113 Abs. 3 BetrVG einschließen. Hieran ist festzuhalten. Die Formulierung „alle sonstigen Ansprüche” macht deutlich, daß die Tarifvertragsparteien eine umfassende Bereinigung anstrebten und alle eventuell in Betracht kommenden Ansprüche der Ausschlußfrist unterstellen wollten. Dies entspricht dem Zweck einer solchen Frist, in angemessener Zeit Klarheit und Rechtsfrieden zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses zu schaffen.

b) Ein eventueller Anspruch auf Nachteilsausgleich war fällig am 31. Dezember 1993 als dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin aufgrund der betrieblichen Kündigung tatsächlich ausschied. Da die Klägerin den Anspruch erstmals mit Schreiben vom 11. April 1994 und damit nach der mit dem 31. März 1994 ablaufenden Ausschlußfrist des § 9 Abs. 2 RTV schriftlich geltend gemacht hat, ist er jedenfalls verfallen.

2. Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin zuvor Kündigungsschutzklage erhoben hatte. Ein Anspruch auf Nachteilsausgleich wird auch dann mit der vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig, wenn über die Kündigung, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat, noch ein Kündigungsschutzprozeß anhängig ist (Senatsurteil vom 3. August 1982 – 1 AZR 77/81 – AP Nr. 5 zu § 113 BetrVG 1972). Der Anspruch nach § 113 BetrVG setzt für seine Entstehung nicht voraus, daß die Unwirksamkeit der Kündigung vorher rechtswirksam geklärt wurde. Die Kündigungsschutzklage hat auch keine rechtsgestaltende, sondern eine feststellende Wirkung (vgl. KR-Friedrich, 4. Aufl., § 4 KSchG Rz 35). Wird sie abgewiesen, ist damit nur geklärt, daß eine anspruchsbegründende Voraussetzung – nämlich eine Entlassung zum vorgesehenen Endtermin – vorliegt. Fälligkeit tritt aber unabhängig davon ein, ob die anspruchsbegründenden Umstände im Streit sind. Die Erhebung der Kündigungsschutzklage kann also die Fälligkeit des Anspruchs auf Nachteilsausgleich nicht hinausschieben. Wird der Klage hingegen stattgegeben, liegt gar keine Entlassung vor, der Anspruch entfällt dann schon dem Grunde nach (Senatsurteil vom 31. Oktober 1995 – 1 AZR 372/95 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

Etwas anderes läßt sich auch nicht damit begründen, daß in der Erhebung einer Kündigungsschutzklage regelmäßig zugleich die Geltendmachung derjenigen Ansprüche zu sehen ist, die vom Ausgang des Verfahrens abhängig sind. Dies gilt nämlich nur für Ansprüche, die den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zur Voraussetzung haben, deren Erfüllung der Arbeitgeber daher ohne weiteres bei erfolgreicher Kündigungsschutzklage einplanen muß, da nur dies gewollt sein kann. Hier geht es aber um einen Anspruch, der gerade umgekehrt davon abhängig ist, daß die Kündigungsschutzklage erfolglos bleibt. Die Annahme, daß der Arbeitgeber ohne weiteres auch mit der Geltendmachung eines solchen Alternativanspruchs rechnen müßte, ist nicht gerechtfertigt (Senatsurteil vom 3. August 1982, a.a.O.).

II. Hinsichtlich der Hilfsanträge (Kündigungsschutz, Weiterbeschäftigung, Gehaltszahlung), die bei endgültiger Abweisung des Hauptantrages dem Revisionsgericht anfallen, ist die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Mit diesen Ansprüchen hat sich das Berufungsgericht konsequenterweise nicht auseinandergesetzt und keine näheren Feststellungen getroffen.

Die Klägerin stützt sich für die Unwirksamkeit der Kündigung u.a. auf deren Sozialwidrigkeit. Die Stillegung eines Betriebes rechtfertigt zwar regelmäßig eine Kündigung, maßgebend ist aber die Sachlage im Zeitpunkt der Kündigungserklärung. Es mag insoweit manches dafür sprechen, daß die Kündigung sozial gerechtfertigt war, aber ein abschließendes Bild läßt sich dem bisherigen Parteivortrag noch nicht entnehmen. Die Sache ist daher schon aus Gründen des rechtlichen Gehörs zur Klärung der Einzelheiten an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

Dies gilt auch für den weiter geltend gemachten Unwirksamkeitsgrund der mangelnden Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG. Zwar steht fest, daß der Klägerin als Betriebsratsvorsitzenden am 16. Juni 1993 ein Anhörungsbogen mit den Sozialdaten der zu kündigenden Arbeitnehmer (einschließlich ihrer eigenen) überreicht wurde und daß der Betriebsrat innerhalb Wochenfrist hierzu nicht Stellung genommen hat. Zur ordnungsgemäßen Anhörung gehört aber auch die ordnungsgemäße Unterrichtung über die Kündigungsgründe (vgl. nur KR-Etzel, a.a.O., § 102 BetrVG Rz 62, 62 a). Auch insoweit besteht zwischen den Beteiligten noch Streit. Die Frage, ob die Informationen im Schreiben an den Einigungsstellenvorsitzenden, auf das im Anhörungsbogen Bezug genommen wurde, insoweit ausreichten, und die weitere Frage, inwieweit der Betriebsrat von ihrer Verwertbarkeit ausgehen konnte, bedürfen gleichfalls noch der tatrichterlichen Würdigung.

 

Unterschriften

Dieterich, Wißmann, Rost, Breier, Lappe

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093134

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