Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuschlagspflichtigkeit von Samstagsarbeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach § 4 Nr 2 Satz 4 des Manteltarifvertrages für Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel NRW ist samstags nach 13.00 Uhr geleistete Arbeit zuschlagspflichtig unabhängig davon, ob es sich bei der geleisteten Arbeit um Mehrarbeit iS dieses Tarifvertrages handelt.

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 04.12.1991; Aktenzeichen 2 Sa 1073/91)

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 30.08.1991; Aktenzeichen 8 Ca 3919/91)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob für die auf einen Samstag zur Erzielung eines arbeitsfreien Tags in der folgenden Woche vorgezogene Arbeit ab 13.00 Uhr ein Zuschlag von 50 v.H. zu zahlen ist.

Die Klägerin ist bei der Beklagten als Kundenbetreuerin beschäftigt. Ihr Arbeitsentgelt beläuft sich auf monatlich 2.841,00 DM brutto. Ihre regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 38,5 Stunden.

Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel NRW Anwendung, der für Samstagsarbeit ab 13.00 Uhr einen Zuschlag von 50 v.H. vorsieht.

In der für den Betrieb der Beklagten abgeschlossenen Betriebsvereinbarung Nr. 83 vom 20. März 1991 ist unter § 2 "Mairegelung" bestimmt:

"Die NL (Niederlassungen) bleiben einheitlich am

10.05.1991 geschlossen. Hierfür wird ebenso ein-

heitlich am 04.05.1991 vorgearbeitet."

Die Klägerin hat dementsprechend zusätzlich am Samstag, dem 4. Mai 1991, von 7.00 bis 15.00 Uhr gearbeitet.

Sie hat die Auffassung vertreten, für die am 4. Mai 1991 in der Zeit von 13.00 bis 15.00 Uhr geleistete Arbeit stehe ihr ein Zuschlag zu, dessen Höhe von 17,02 DM brutto zwischen den Parteien unstreitig ist. Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin

17,02 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich

hieraus ergebenden Nettobetrag seit Klagezustel-

lung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Meinung vertreten, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zuschlag. Die infragestehende Arbeit beruhe auf einer anderweitigen Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit und sei daher keine Mehrarbeit i.S. des Manteltarifvertrages (MTV). Der begehrte Zuschlag sei aber nur für samstags ab 13.00 Uhr geleistete Mehrarbeit zu zahlen.

Von den Parteien des Tarifvertrags haben der Arbeitgeberverband Großhandel/Außenhandel/Dienstleistungen Westfalen-Mitte e.V. als geschäftsführender Verband der Tarifgemeinschaft des Groß- und Außenhandels in Nordrhein-Westfalen und die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen im DGB, Landesbezirksleitung Nordrhein-Westfalen, zunächst übereinstimmend die Auskunft erteilt, nach ihrer Auffassung sei die Zuschlagspflicht für Samstagsarbeit ab 13.00 Uhr unabhängig davon, ob es sich hierbei um Mehrarbeit handelt. Diese Auskunft hat der genannte Arbeitgeberverband nach Erlaß des zweitinstanzlichen Urteils dahin korrigiert, daß ihm eine eindeutige Aussage zu der Frage nicht möglich sei. Von der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, die ebenfalls Partei des MTV ist, liegt keine Stellungnahme vor.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat den von ihr geltend gemachten Anspruch auf Zahlung eines Zuschlags für die von ihr geleistete Samstagsarbeit.

I.1. Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin findet nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel NRW (MTV) Anwendung.

Das Landesarbeitsgericht hat zwar keine Feststellungen dazu getroffen, ob beiderseitige Organisationszugehörigkeit vorliegt oder ob die Parteien die Anwendbarkeit des Tarifvertrags vereinbart haben. Letztlich kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits hierauf jedoch nicht an. Bei Anwendbarkeit des Tarifvertrags aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme hat der Arbeitnehmer nämlich Anspruch darauf, in derselben Weise wie ein aufgrund Organisationszugehörigkeit tarifgebundener Arbeitnehmer nach den Bestimmungen des Tarifvertrags behandelt zu werden. Die Vereinbarung der Anwendbarkeit eines Tarifvertrags soll stets die tarifliche Lage widerspiegeln (Senatsurteil vom 23. April 1986 - 4 AZR 90/85 - AP Nr. 118 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Zur Entscheidung des Rechtsstreits kommt es auf folgende Bestimmungen des MTV in der seit dem 1. Januar 1990 geltenden Fassung an:

§ 2

Arbeitszeit

1. Die regelmäßige Wochenarbeitszeit beträgt aus-

schließlich der Pausen 38,5 Std. Sie vermin-

dert sich um die an gesetzlichen Wochenfeier-

tagen ausfallenden Arbeitsstunden. Die regel-

mäßige tägliche Arbeitszeit ist festzulegen.

Die regelmäßige Arbeitszeit ist auf 5 Tage in

der Woche zu verteilen. Aus dringenden be-

trieblichen Erfordernissen kann die Arbeits-

zeit auf 6 Tage verteilt werden. Wird an Sams-

tagen gearbeitet, soll die Arbeitszeit um

13.00 Uhr enden. Soweit ein Betriebsrat vor-

handen ist, ist hierüber eine Betriebsverein-

barung abzuschließen.

...

2. Eine von Nr. 1 abweichende Verteilung der re-

gelmäßigen Arbeitszeit ist aus betrieblichen

Gründen unter Beachtung der Höchstarbeitszeit

des § 7 AZO bis zu 50 Std. in der Woche zuläs-

sig, wenn innerhalb von Regelungszeiträumen

von bis zu jeweils 26 Wochen die durchschnitt-

liche Arbeitszeit von 38,5 Std. nicht über-

schritten wird.

...

§ 4

Mehr-, Nacht-, Schicht-, Sonn- und Feiertagsar-

beit

1. Mehr-, Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit sind

nach Möglichkeit zu vermeiden. Sie sind aber

im Rahmen der Bestimmungen der AZO und des

BetrVG zulässig und können bei dringenden be-

trieblichen Erfordernissen bis zu einer Ge-

samtarbeitszeit von höchstens 10 Std. täglich

angeordnet oder vereinbart werden. Die berech-

tigten Interessen der betroffenen Arbeitnehmer

sind nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Die

Mehrarbeit ist möglichst am Vortag anzukündi-

gen. Weitergehende Mehrarbeit kann im Rahmen

der gesetzlichen Bestimmungen nur im Einver-

nehmen mit dem Betriebsrat - soweit vorhan-

den - und in außergewöhnlichen Notfällen (§ 14

AZO) sowie nach Genehmigung des Gewerbeauf-

sichtsamtes aus dringenden Gründen des Gemein-

wohls (§ 8 AZO) verlangt werden.

Mehrarbeit ist jede über 38,5 Std. in der Wo-

che hinausgehende angeordnete oder mit dem Be-

triebsrat vereinbarte Arbeit.

Bei anderweitiger Verteilung der Arbeitszeit

(§ 2 Nr. 2) liegt zuschlagspflichtige Mehrar-

beit vor, wenn die festgelegte Wochenarbeits-

zeit überschritten wird; dies gilt auch bei

Abweichung von einer einmal festgelegten Pla-

nung.

Teilzeitbeschäftigte leisten zuschlagspflich-

tige Mehrarbeit, wenn für Vollzeitbeschäftigte

zuschlagspflichtige Mehrarbeit vorliegt, und

die Arbeit der Teilzeitbeschäftigten außerhalb

deren regelmäßiger Arbeitszeit geleistet wird.

Die in diesem Rahmen angeordnete Mehr-, Sonn-,

Feiertags- und Nachtarbeit ist zu leisten.

2. Die nach § 4 Nr. 1 angeordnete Mehrarbeit ist

mit 1/167 des Monatsgehaltes bzw. Monatslohns

(Grundvergütung), zuzüglich eines Zuschlags

von 25 % (Mehrarbeitszuschlag) zu vergüten.

Bei abweichender Verteilung der Arbeitszeit

(§ 2 Nr. 2) ist für die die festgelegte Wo-

chenarbeitszeit überschreitende Arbeitszeit

zusätzlich der Mehrarbeitszuschlag zu zahlen.

Überschreitet die Arbeitszeit an einem Ar-

beitstag 10 Std. (siehe § 4 Nr. 1), so ist ab

der 11. Stunde ein Zuschlag von 50 % zu vergü-

ten. Samstagsarbeit ist nach 13.00 Uhr mit ei-

nem Zuschlag von 50 % zu vergüten.

3. Mehrarbeit kann auch in beiderseitigem Ein-

vernehmen durch Freistellung an anderen Ar-

beitstagen ausgeglichen werden, wobei die Zu-

schläge in Zeit mitzuberücksichtigen sind. Ist

ein Ausgleich nicht möglich, wird die Mehrar-

beit einschließlich Zuschlag vergütet.

4. a) Nachtarbeit ist die in der Zeit zwischen

20.00 und 6.00 Uhr bzw. Marktbeginn gelei-

stete Arbeit. Für Nachtarbeit ist ein

Nachtarbeitszuschlag von 50 % zu vergüten.

Für die in Betrieben und Betriebsstätten

branchen- (Obst und Gemüse, Blumen, Milch

und Milchprodukte, Brot und Backwaren,

Fleisch und Fleischerzeugnisse) oder be-

rufsübliche Nachtarbeit (z.B. Nachtwächter)

entfällt der Zuschlag, es sei denn, er wird

betriebsüblich gewährt.

b) In mehrschichtigen Betrieben oder Be-

triebsabteilungen ist für die Nachtarbeit

ein Zuschlag von 15 % zu vergüten.

5. a) Sonn- und Feiertagsarbeit ist die in der

Zeit am Sonntag bzw. an einem gesetzlichen

Feiertag von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr gelei-

stete Arbeit.

b) Für Sonntagsarbeit ist ein Zuschlag von

100 %, für Feiertagsarbeit ein Zuschlag von

200 % zu vergüten.

c) Die hiernach zuschlagspflichtigen Stunden

sind mit je einem 1/167 der Monatsvergütung

gemäß § 4 Nr. 7 zuzüglich des Zuschlags zu

vergüten.

Für Teilzeitbeschäftigte ergibt sich der

Berechnungsfaktor aus der im Einzelfall zu-

grundezulegenden Monatsarbeitszeit.

d) Für die in Betrieben und Betriebsabtei-

lungen branchen- (Obst und Gemüse, Blumen,

Milch und Milchprodukte, Brot und Backwa-

ren, Fleisch und Fleischerzeugnisse) oder

berufsübliche Sonn- und Feiertagsarbeit

entfällt der Zuschlag, es sei denn, er wird

betriebsüblich gewährt.

6. Treffen mehrere Zuschläge für dieselbe Ar-

beitszeit zusammen, so wird nur der jeweils

höhere vergütet.

7. Als Monatsvergütung gelten die Bezüge für den

Monat, in den die zuschlagspflichtigen Arbei-

ten fallen, ausschließlich der einmaligen Zu-

wendungen sowie der Zuschläge für Mehr-,

Sonn-, Feiertags-, gelegentliche Nacht- und

Schichtarbeit.

2. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung des begehrten Zuschlags für Samstagsarbeit, da sie samstags nach 13.00 Uhr gearbeitet hat. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem Wortlaut des § 4 Nr. 2 Satz 4 MTV, der als einzige Voraussetzung für die Zuschlagspflichtigkeit von Samstagsarbeit deren zeitliche Lage nach 13.00 Uhr nennt. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Anspruch auf Zuschlag nicht, wie die Beklagte meint, zusätzlich erfordert, daß die nach 13.00 Uhr geleistete Samstagsarbeit zugleich Mehrarbeit i.S. von § 4 Nr. 1 Abs. 2 und 3 MTV ist. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte insoweit auf den Gesamtzusammenhang des MTV.

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Dabei ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat (BAGE 42, 86, 89 = AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 60, 219, 223, 224 = AP Nr. 127 zu § 611 BGB Gratifikation; BGHZ 105, 222, 223). Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages, gegebenenfalls auch eine praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAGE 42, 86, 89 = AP, aaO; BAGE 42, 244, 254 = AP Nr. 2 zu § 21 TVAL II; BAGE 46, 308, 316 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).

b) Die Beklagte stützt ihre Auffassung, daß nur Mehrarbeit zuschlagspflichtige Samstagsarbeit sein könne, auf den Regelungszusammenhang des § 4 MTV. Ihr ist zuzugeben, daß die Samstagsarbeit weder in der Überschrift von § 4 noch in dessen einleitender Grundsatzbestimmung (Nr. 1 Abs. 1 Satz 1) ausdrücklich neben den dort aufgezählten verschiedenen Arbeitszeitformen genannt ist. Hieraus folgert die Beklagte, daß sie von den Tarifvertragsparteien als Unterfall der Mehrarbeit verstanden worden ist. Auch ist die Zuschlagspflicht für Samstagsarbeit nicht, wie jeweils diejenige der Nachtarbeit sowie der Sonn- und Feiertagsarbeit, einer eigenen Nummer des § 4 vorbehalten. Sie ist vielmehr in Nr. 2 nach Bestimmungen über Mehrarbeitszuschläge und vor der in Nr. 3 getroffenen Regelung über Freizeitausgleich für Mehrarbeit enthalten.

c) Hieraus läßt sich aber nicht zwingend auf einen im Wortlaut des § 4 Nr. 2 Satz 4 MTV nicht zum Ausdruck gekommenen Willen der Tarifvertragsparteien schließen. Die Vorschrift weist keine so strenge Systematik auf, daß sich darauf eine vom Wortlaut abweichende Auslegung des § 4 Nr. 2 Satz 4 MTV stützen ließe.

aa) So läßt die Nichterwähnung der Samstagsarbeit in der Überschrift des § 4 nicht den Schluß zu, daß sie in § 4 nur als Unterfall der in der Überschrift genannten Mehrarbeit geregelt werden sollte. Überschrift und Regelungsgegenstand des § 4 sind nämlich nicht deckungsgleich. In der Überschrift von § 4 MTV ist neben der Mehr-, Nacht- sowie Sonn- und Feiertagsarbeit auch die Schichtarbeit aufgeführt. Diese wird aber im Gegensatz zu den anderen genannten Arbeitszeitformen in § 4 weder wegen ihrer Zulässigkeit noch hinsichtlich ihrer Vergütung geregelt. Nur am Rande wird Schichtarbeit in § 4 Nr. 4 Buchstabe b in Zusammenhang mit der Höhe des Nachtarbeitszuschlags und in § 4 Nr. 7 hinsichtlich der Berechnung des als Monatsvergütung i.S. von § 4 anzusehenden Betrages erwähnt.

bb) § 4 enthält auch kein in sich geschlossenes System zur Regelung von Arbeitszeitformen, die als unerwünscht bezeichnet und zum Zweck der Vermeidung mit Zuschlägen belegt werden. So bestimmt § 4 für Mehr-, Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit, daß sie nach Möglichkeit zu vermeiden seien, definiert diese Arbeitszeitformen und regelt ihre Zuschlagspflichtigkeit. Dagegen ist zwar die Zuschlagspflichtigkeit von Samstagsarbeit nach 13.00 Uhr in § 4 Nr. 2 vorgeschrieben; die Regelung, wonach solche Arbeit vermieden werden soll, befindet sich aber in § 2 Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 MTV außerhalb der entsprechenden für andere Arbeitszeitformen geltenden Vorschriften.

cc) Auch die in § 4 enthaltenen Bestimmungen über die Zuschlagspflichtigkeit von Mehrarbeit folgen keiner strengen Systematik. So enthalten § 4 Nr. 1 Abs. 3 und § 4 Nr. 2 Satz 2 MTV mit unterschiedlichem Wortlaut inhaltsgleiche Regelungen über denselben Gegenstand, die Mehrarbeit bei anderweitiger Verteilung der Arbeitszeit nach § 2 Nr. 2 MTV.

dd) In § 4 Nr. 2 sind zwar in Satz 1 und Satz 2 Bestimmungen über Mehrarbeit enthalten. Dies läßt aber nicht den Schluß zu, daß die Mehrarbeit Gegenstand aller Regelungen in § 4 Nr. 2 und damit auch der Vorschrift über die Zuschlagspflichtigkeit von Samstagsarbeit wäre. Nach den in § 4 Nr. 1 Abs. 2 bis 4 enthaltenen Definitionen muß nämlich weder eine zehn Stunden am Tag überschreitende Arbeitszeit (§ 4 Nr. 2 Satz 3) noch die Samstagsarbeit nach 13.00 Uhr (§ 4 Nr. 2 Satz 4) Mehrarbeit i.S. des MTV sein.

d) Der Gesamtzusammenhang der tarifvertraglichen Bestimmungen ist nicht nur keine Grundlage für eine vom Wortlaut abweichende Auslegung des § 4 Nr. 2 Satz 4 MTV. Im Gegenteil ist aus dem in § 2 Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 MTV ausgedrückten Willen der Tarifvertragsparteien, daß samstags nach 13.00 Uhr nicht mehr gearbeitet werden soll, zu schließen, daß Samstagsarbeit nach 13.00 Uhr ebenso wie die in § 4 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 MTV angeführten unerwünschten Formen der Arbeitszeit als solche mit einem Zuschlag zu vergüten ist. Mit dem Zuschlag wird zum einen die für den Arbeitnehmer mit der besonderen Lage dieser Samstagsarbeit verbundene Erschwernis abgegolten. Zum anderen wirkt die Verteuerung dieser Arbeit durch den Zuschlag i.S. ihrer von den Tarifvertragsparteien gewünschten Vermeidung. Damit enthält der Tarifvertrag gerade dann ein in sich stimmiges System der Zuschlagspflichtigkeit, wenn entsprechend seinem Wortlaut Samstagsarbeit ab 13.00 Uhr immer mit einem Zuschlag zu vergüten ist und damit von den in § 4 Nr. 4 a und Nr. 5 d enthaltenen, auf Branchen- oder Berufsüblichkeit beruhenden Ausnahmen abgesehen, alle Arbeitsformen zuschlagspflichtig sind, die nach dem Willen der Tarifvertragsparteien möglichst vermieden werden sollen.

e) Soweit das Landesarbeitsgericht diese Auslegung auch auf die Auskünfte der Tarifvertragsparteien gestützt hat, kann dahinstehen, wie die nachträgliche Korrektur der Auskunft des Arbeitgeberverbandes Großhandel/Außenhandel/Dienstleistungen Westfalen-Mitte e.V. zu bewerten ist. Auch wenn aufgrund dieser Korrektur die ursprüngliche Auskunft, wonach Samstagsarbeit immer zuschlagspflichtig sein solle, nicht mehr zu berücksichtigen sein sollte, stehen die Auskünfte der Tarifvertragsparteien der vom Landesarbeitsgericht vorgenommenen Auslegung zumindest nicht entgegen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Schaub Schneider Dr. Wißmann

Fieberg Kamm

 

Fundstellen

DB 1993, 540-541 (LT1)

AiB 1993, 243-244 (LT1)

NZA 1993, 469

AP § 1 TVG, Nr 8

EzA § 4 TVG Großhandel, Nr 3 (LT1)

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