Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt des Betriebsübergangs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Haftungsbeschränkung eines Betriebserwerbers im Konkurs (BAG Urteil vom 17.1.1980, 3 AZR 160/79 = BAGE 32, 326 = AP Nr 18 zu § 613a BGB) tritt nur dann ein, wenn der Übernehmer den Betrieb nach Eröffnung des Konkursverfahrens erworben hat.

2. Maßgeblich für den Betriebsübergang ist der Zeitpunkt, in dem der Erwerber die Leitungsmacht im Betrieb im Einvernehmen mit dem Betriebsveräußerer ausüben kann. Es ist unerheblich, ob der Erwerber die Leitungsmacht erst später ausüben will (im Anschluß an BAG Urteil vom 16. Oktober 1987 - 7 AZR 519/86 - AP Nr 69 zu § 613a BGB).

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 29.06.1990; Aktenzeichen 2 Sa 35/90)

ArbG Köln (Entscheidung vom 05.10.1989; Aktenzeichen 13 Ca 4393/89)

ArbG Köln (Entscheidung vom 03.10.1989; Aktenzeichen 16 Ca 4391/89)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Streithelferin als Betriebserwerberin oder der Beklagte als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung für die nach Grund und Höhe unstreitigen Versorgungsansprüche der Kläger einzustehen hat. In der Revisionsinstanz betrifft der Streit der Parteien nur noch die Frage, ob ein Betriebsübergang vor oder nach Eröffnung des Konkursverfahrens stattgefunden hat.

Der Kläger B und der verstorbene Ehemann der Klägerin G waren bei der B GmbH & Co. KG in B beschäftigt. Das Unternehmen stellte Kunststoffverpackungen her. Es gewährte seinen Arbeitnehmern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine Unterstützungskasse. Über das Vermögen der Trägergesellschaft wurde am 27. Februar 1987 das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger B war seither arbeitslos. Mit Vollendung des 63. Lebensjahres (1. Februar 1988) verlangt er vom beklagten Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) die Zahlung seeeer betrieblichen Altersrente. Der Ehemann der Klägerin G war nach Konkurseröffnung ebenfalls arbeitslos. Er verstarb am 23. März 1988. Die Klägerin verlangt die betriebliche Witwenrente. Die Kläger haben aufgrund entsprechender Hinweise des Arbeitsgerichts Feststellungsanträge gestellt; die Klägerin G hat hilfsweise Zahlung ab 1. März 1988 begehrt. Die Kläger haben der W GmbH den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit auf seiten der Kläger beigetreten.

Die B GmbH & Co. KG geriet Ende des Jahres 1986 in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Nachdem die bevorstehende Insolvenz absehbar geworden war, führte die Gesellschaft mit der niederländischen Unternehmensgruppe W Gespräche über eine Übernahme. Die W gründete daraufhin die Streithelferin, die W GmbH. Ziel der Gründung war es, die B GmbH & Co. KG zu übernehmen.

Im Februar 1987 wurde der Rechtsanwalt und Notar S zunächst zum Sequester bestellt und anschließend zum Konkursverwalter. Am 11. Februar 1987 wurde Konkursantrag gestellt.

Der Sequester begann seine Tätigkeit am 2. Februar 1987. In seinem Bericht als Konkursverwalter an die Gläubigerversammlung vom 30. April 1987 schreibt er:

"...

Als sich zur Jahreswende 1986/87 die Liquidi-täts-

enge herausstellte, konnten die erforderli-chen

Mittel nicht mehr beschafft werden. Der Ge-

schäfts-führer sah sich veranlaßt, Konkursantrag

zu stellen. Zur Klärung der Masse-zulänglichkeit

hat mich das Amtsgericht Bielefeld unter Verhän-

gung eines allgemeinen Veräußerungs-verbotes am

11.02.1987 zum Sequester bei der jetzigen Gemein-

schuldnerin und bei der Firma Beteiligungs

GmbH bestellt. Aufgrund meiner Feststellungen und

Berichte wurde das Konkurs-verfahren bei der Ge-

meinschuldnerin am 27.02.1986 eröffnet, während

der für die Firma Beteiligungs GmbH gestellte

Konkursantrag mangels Masse abgewiesen wurde.

Meine Bemühungen als Sequester galten sogleich

der Aufnahme von Verhandlungen mit Beteiligungs-

interessenten, die die Gemeinschuldnerin schon

vor der Antragstellung aufgenommen hatte. ...

Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß der

Betrieb in vollem Umfang erhalten blieb und so

nach Eröffnung des Konkurses am 02.03.1987 von

der Firma W GmbH als Nachfolgegesell-

schaft unter Aufrechterhaltung der Arbeitsplätze

- wenn auch 100 Arbeitnehmer lediglich Zeitver-

träge haben - fortgeführt werden konnte.

..."

Über seine Maßnahmen und Verhandlungen fertigte der Sequester ein detailliertes Tätigkeits- und Verhandlungsprotokoll für die Zeit vom 2. bis zum 26. Februar 1987. Er nahm an Betriebsversammlungen, Verhandlungen mit Gläubigern und Übernahmeinteressenten teil. Im Einvernehmen mit allen Beteiligten wurde folgendes Konzept für eine Übernahme durch die Streithelferin erarbeitet:

"- Eigenkündigung der Arbeitnehmer,

- Neueinstellung von 160 - 180 Arbeitnehmern

zzgl. 60 - 80 für 6 bis 18 Monate zeitlich be-

fristete Einstellungen,

- je zwei Zusagen der Volksbank B eG

(für Werk B ) und der Sparkasse D

(für Werk K ) bezügl. Miet- und

Kaufoption für die Immobilien einerseits und

die Zubehörteile (unter Eigentumsvorbehalt ge-

lieferte Maschinen ausgenommen) andererseits

unter der Annahme, daß Zwangsverwaltung ange-

ordnet wird,

- Übertragung des gesamten Warenlagers durch

mich als Konkursverwalter unter Freistellung

von Rechten Dritter (insoweit erscheint die

Bildung eines Lieferantenpools hilfreich)."

Zwischenzeitlich fanden auch Gespräche mit einer Reihe von anderen Übernahmeinteressenten statt. Der Sequester verwies auf die laufenden und bereits fortgeschrittenen Verhandlungen mit der Streithelferin; er machte geltend, die Entscheidung sei eilig und die Verhandlungen könnten nicht unterbrochen werden, weil sonst die Arbeitnehmer und die Gläubiger verunsichert würden.

Am Morgen des 25. Februar 1987 fand eine Betriebsversammlung statt "mit dem Ziel, Eigenkündigungen als Voraussetzung für die Übertragung auf die (inzwischen gegründete) Firma W durchzusetzen". Gewerkschaftsvertreter und Vertreter des Arbeitsamtes waren anwesend. Im Protokoll des Sequesters heißt es:

"Nach ca. 2 1/2 Stunden konnte dieses Ziel er-

reicht werden: Bis auf durch Krankheit oder

sonstwie Abwesende haben alle Arbeitnehmer die

ihnen auf der Grundlage des Übernahmekonzepts of-

ferierte Eigenkündigung ausgesprochen."

Am 26. Februar 1987 fanden weitere Gespräche mit der Streithelferin statt. Auf der Gläubigerseite hatte sich inzwischen ein Lieferantenpool gebildet, für den die H AG die Verhandlungen führte. Diese Verhandlungen drohten zu scheitern, weil man über den Kaufpreis für das Warenlager nicht einig wurde. Schließlich wurde doch noch ein Einvernehmen erzielt. Der Sequester schließt seinen Bericht:

"Mit dem Abschluß dieser Besprechung können die

Voraussetzungen einer Betriebsübernahme durch die

Fa. W GmbH als erfüllt angesehen wer-

den."

Ebenfalls am 26. Februar 1987 schlossen die Streithelferin und die Sparkasse D eine Vereinbarung über Betriebsgrundstücke und Zubehör. Es heißt dort:

"...

Die Firma B GmbH & Co. KG hat Antrag

auf Konkurseröffnung gestellt. Vorbehaltlich der

Eröffnung des Konkursverfahrens und der Zustim-

mung des Konkursverwalters einschl. der Zu-

stimmung der Gläubigerversammlung bzw. des Gläu-

bigerausschusses erklärt die Sparkasse D

ihre Bereitschaft, dem Verkauf des im Grundbuch

von ... verzeichneten Grundbesitzes und der darin

aufgestellten Maschinen und Betriebsvorrichtun-

gen, soweit sie im Verfügungsrecht der Sparkasse

D stehen, zu einem Festpreis von .... zu-

zustimmen.

....

Diese Vereinbarung ist aufschiebend bedingt. Wei-

tere Bedingung ist, daß der beabsichtigte Zusam-

menschluß B GmbH & Co. KG/W vom Bundes-

kartellamt nicht untersagt wird."

Am Freitag, dem 27. Februar 1987 wurde das Konkursverfahren eröffnet und der bisherige Sequester zum Konkursverwalter bestellt. Am Montag, dem 2. März 1987, setzte die Streithelferin die Produktion mit ca. 170 früheren Arbeitnehmern der Gemeinschuldnerin fort, mit denen neue Arbeitsverträge geschlossen wurden.

Die förmlichen Verträge über Grundstücke und Betriebsmittel wurden im Laufe der Monate März und April geschlossen. Die Gläubigerversammlung erteilte ihre Zustimmung im Mai 1987. Ein - später genehmigter - Antrag an das Bundeskartellamt auf Zustimmung zur Übernahme durch die W-Gruppe wurde am 18. März 1987 gestellt.

Die Kläger und die Streithelferin haben die Auffassung vertreten, der beklagte PSV müsse in die bis zur Konkurseröffnung erdienten unverfallbaren Versorgungsanwartschaften der früheren Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin eintreten. Die Betriebsübertragung habe erst im Konkursverfahren stattgefunden, so daß die vom Senat entwickelten Grundsätze der Haftungsbeschränkung einträten (BAG Urteil vom 17. Januar 1980 - BAGE 32, 326 = AP Nr. 18 zu § 613a BGB). Erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens, nämlich am 2. März 1987, sei die Streithelferin in der Lage gewesen, die Produktion fortzuführen. Am 26. Februar 1987 hätten die Verhandlungen noch zu scheitern gedroht.

Der Kläger B und die Streitverkündete haben beantragt

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet sei,

ab dem 1. Februar 1988 an den Kläger DM 120,40

pro Monat nebst 4 % Zinsen auf den sich ergeben-

den Nettobetrag seit Fälligkeit als Altersruhe-

geld zu zahlen.

Die Klägerin G und die Streitverkündete haben beantragt

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet sei,

der Klägerin Witwenrente auf der Grundlage der

durch den verstorbenen Ehemann während dessen Be-

schäftigungszeit vom 1. April 1942 bis zum

27. Feb-ruar 1987 bei der Firma B erworbenen

Versorgungsansprüche zu gewähren,

hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin eine

Witwenrente in Höhe von DM 80,-- brutto an jedem

Ersten eines Monats nebst 4 % Zinsen auf den sich

ergebenden Nettobetrag seit Fälligkeit, beginnend

mit dem 1. März 1988, zu zahlen.

Der beklagte PSV hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Er hat vorgetragen, die Streithelferin habe ihr Übernahmekonzept Schritt für Schritt verwirklicht und noch vor der Konkurseröffnung endgültige Tatsachen geschaffen. Sie habe alle Mitbewerber verdrängt und, nach den Kündigungen der Arbeitnehmer und der Einigung mit dem Lieferantenpool, schon am 26. Februar 1987 die Leitungsmacht im Unternehmen ausüben können. Der Sequester sei einverstanden gewesen. Ob die Streithelferin die Leitungsmacht erst nach Konkurseröffnung habe ausüben wollen, sei unerheblich.

Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Auf die Berufungen der Kläger und der Streithelferin hat das Landesarbeitsgericht den Klagen stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision des beklagten PSV.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Der beklagte PSV ist nicht verpflichtet, die Versorgungsansprüche der Kläger zu erfüllen. Der Betriebsübergang hat entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts schon vor der Eröffnung des Konkursverfahrens stattgefunden.

I. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG hat der PSV einzustehen für die unverfallbaren Versorgungsanwartschaften von Arbeitnehmern, die zum Kreis der Begünstigten einer Unterstützungskasse gehören, wenn über das Vermögen des Trägerunternehmens das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Als über das Vermögen des Trägerunternehmens, der B GmbH & Co. KG, das Konkursverfahren eröffnet wurde, waren die Begünstigten der Unterstützungskasse nicht mehr Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin, sondern bereits Arbeitnehmer der Streithelferin, der W GmbH. Bei dieser Gesellschaft ist kein Sicherungsfall eingetreten.

II. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es darauf an, wann der Betrieb der B GmbH & Co. KG auf die Streithelferin übergegangen ist.

1. Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Zu den Rechten und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis gehören auch Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung gegen eine rechtlich selbständige Unterstützungskasse eines Arbeitgebers (BAG Beschluß vom 5. Mai 1977 - 3 ABR 34/76 - AP Nr. 7 zu § 613 a BGB; Urteil vom 15. März 1979 - 3 AZR 859/77 - AP Nr. 15 zu § 613 a BGB; BAGE 50, 62 = AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung; BAGE 60, 118 = AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung).

2. Wird der Betrieb jedoch im Rahmen eines Konkursverfahrens veräußert, ist § 613 a BGB insoweit nicht anwendbar, wie diese Vorschrift die Haftung des Betriebserwerbers für schon entstandene Ansprüche vorsieht. Insoweit haben die Verteilungsgrundsätze des Konkursverfahrens Vorrang. Das bedeutet für die betriebliche Altersversorgung, daß der Erwerber zwar in die Versorgungsanwartschaften der begünstigten Arbeitnehmer eintritt, daß er aber im Versorgungsfall nur die bei ihm erdiente Versorgungsleistung schuldet; für die beim Veräußerer bis zum Insolvenzfall erdienten unverfallbaren Anwartschaften haftet der Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung (ständige Rechtsprechung des Senats seit Urteil vom 17. Januar 1980, BAGE 32, 326 = AP, aaO; zuletzt für das gerichtliche Vergleichsverfahren Urteil vom 4. Juli 1989, BAGE 62, 224 = AP Nr. 10 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung).

3. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Haftungsbegrenzung des Betriebserwerbers und die Eintrittspflicht des Trägers der Insolvenzsicherung ist die Eröffnung des Konkursverfahrens. Wird der Betrieb vorher auf einen nicht insolventen Erwerber übertragen, so treten die Rechtsfolgen des § 613 a BGB ohne eine Haftungsbegrenzung ein: Der Erwerber und nicht der PSV haftet dann auch für die beim Betriebsveräußerer erdienten Anwartschaften. Das gilt auch in den Fällen der Übernahme eines schon konkursreifen Betriebs (BAG Urteil vom 15. November 1978 - 5 AZR 199/77 - AP Nr. 14 zu § 613 a BGB) und der Ablehnung der Konkurseröffnung mangels einer ausreichenden Masse (BAGE 47, 206 = AP Nr. 38 zu § 613 a BGB).

III. Im Streitfall ist der Betrieb der Gemeinschuldnerin schon vor der Konkurseröffnung auf die Streithelferin übergegangen. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen verkannt, bei deren Vorliegen ein Betriebsübergang im Sinne des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB bereits vollendet ist.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Streithelferin habe einen funktionsfähigen, zur Fortsetzung der Produktion geeigneten Betrieb übernommen. Die Eigenkündigungen der Arbeitnehmer seien wegen Verstoßes gegen den Schutzzweck des § 613 a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 BGB nichtig. Der Betrieb sei jedoch erst am 2. März 1987, also nach Konkurseröffnung, auf die Streithelferin übergegangen, so daß für die bis dahin erdienten unverfallbaren Anwartschaften die Haftung des PSV eingreife. Maßgebend sei, wann der Erwerber die Leitungsmacht in dem Betrieb erhalte, wann er also mit den erworbenen Betriebsmitteln tätig werden könne. Am 26. Februar 1987 habe die Streithelferin diese Möglichkeit nicht gehabt. Zunächst habe die Einigung mit der Hauptlieferantin, der H AG, noch ausgestanden. Ferner sei die Zustimmung der Gläubigerbanken unerläßlich gewesen. Der am Abend des 26. Februar 1987 mit den Banken geschlossene Vertrag habe ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Konkursverwalters gestanden, also die Konkurseröffnung vorausgesetzt. Daß der Sequester selbst alle Voraussetzungen des Betriebsübergangs als erfüllt angesehen habe, sei unerheblich. Die Beteiligten hätten in rechtlich zulässiger Weise einen neuen Tatbestand, die Eröffnung des Konkursverfahrens, abwarten dürfen.

2. Die Auffassung des Berufungsgerichts hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Das Berufungsgericht hat den Zeitpunkt des Übergangs der Leitungsmacht und damit des Betriebes nicht bindend festgestellt. Der Übergang eines Betriebs entscheidet sich anhand rechtlicher Merkmale, die in tatsächlicher Hinsicht erfüllt sein müssen. Im vorliegenden Fall geht es zunächst um die rechtlichen Voraussetzungen.

b) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Betrieb gehe in dem Zeitpunkt auf den Erwerber über, in dem dieser die Leitungsmacht tatsächlich übernehme. Damit verkennt das Berufungsgericht, daß zur "Übernahme der Leitungsmacht" nicht notwendig die tatsächliche Ausübung oder auch nur der Entschluß zur tatsächlichen Ausübung gehört, sondern daß Leitungsmacht bereits derjenige hat, der sie im Einvernehmen mit dem Veräußerer ausüben könnte, wenn er nur wollte. Die Erfüllung dieses Merkmals kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob und wann der Erwerber Leitungs- und Organisationsfunktionen tatsächlich ausüben will. Wer einen Betrieb erwirbt, um ihn gar nicht erst fortzuführen, sondern sogleich stillzulegen, erwirbt gleichwohl den Betrieb mit allen Rechtsfolgen aus § 613 a Abs. 1 BGB. Wer die tatsächliche Ausübung der Leitungsmacht verschiebt, könnte den Zeitpunkt des Betriebsübergangs manipulieren und die Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals "Erwerb durch Rechtsgeschäft" beliebig bestimmen. Die Parteien können aber nicht ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal verändern. Ist das Merkmal erfüllt, dann tritt die Rechtsfolge ein. Das gilt auch dann, wenn die Beteiligten das nicht wünschen.

c) Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Nach dieser Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 16. Oktober 1987 - 7 AZR 519/86 - AP Nr. 69 zu § 613 a BGB) kommt es bei der Feststellung des Zeitpunktes, zu dem ein Betrieb übergeht, entscheidend darauf an, ob für den Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise die Möglichkeit besteht, die bisherigen arbeitsorganisatorischen eigenständigen Leistungszwecke weiter zu verfolgen, die betriebliche Leitungs- und Organisationsgewalt zu übernehmen. § 613 a Abs. 1 BGB setzt weder bei der Absicht des Erwerbers an noch bei der tatsächlichen Realisierung der bisherigen oder der neuen Leistungszwecke des Betriebs. Entschließt sich der Übernehmer erst später, die Betriebsleitung zu übernehmen, so kann er sich damit nicht den Rechtsfolgen aus § 613 a BGB entziehen oder sie auf einen späteren Zeitpunkt verlegen. Es ist lediglich darauf abzustellen, ob der Erwerber objektiv die Möglichkeit zur weiteren Verfolgung der bisherigen arbeitsorganisatorisch eigenständigen Leistungszwecke besitzt, um das Tatbestandsmerkmal des Übergangs des Betriebs im Sinne von § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB zu bejahen, ohne daß es auf die tatsächliche Ausnutzung dieser Möglichkeit ankommt.

Der vom Senat im Urteil vom 4. Juli 1989 (BAGE 62, 224 = AP, aaO) aufgestellte Rechtssatz, der Erwerber könne sich entschließen, einen Betrieb erst nach Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu erwerben, steht nicht entgegen. Er betrifft eine andere Fallgestaltung. Dort war die Leitungsmacht in Gestalt der zur Fortführung des Unternehmens erforderlichen Betriebsmittel - bewußt - erst übertragen worden, nachdem das gerichtliche Vergleichsverfahren bereits eröffnet war; vorher hatte der Betriebserwerber keine Leitungsmacht und damit auch nicht den Betrieb erworben.

3. Im vorliegenden Fall konnte die Streithelferin objektiv mit Einverständnis des Veräußerers die arbeitstechnischen Zwecke der Gemeinschuldnerin schon am 26. Februar 1987 fortsetzen und die erforderliche Leitungsmacht ausüben.

a) In seinem Bericht vom 30. April 1987 an die Gläubigerversammlung schreibt der Konkursverwalter, das Amtsgericht habe ihn am 11. Februar "zur Klärung der Massezulänglichkeit ... unter Verhängung eines allgemeinen Veräußerungsverbots" zum Sequester bestellt (§ 106 Abs. 1 KO). Damit hatte er als Sequester schon vor der Konkurseröffnung die tatsächliche Verfügungsgewalt im Unternehmen. Ersichtlich war es seine Aufgabe, vorkonkursliche Vermögensverschiebungen zum Nachteil der Gläubiger zu verhindern. Dabei war die Veräußerung des Unternehmens das Ziel der Geschäftsführung der Gesellschaft, denn diese hatte schon längere Zeit Kontakte zu der an der Übernahme interessierten W-Gruppe aufgenommen. Die Veräußerung war auch das erklärte Ziel des Sequesters. Zu den hierzu nötigen Abmachungen bedurfte es seiner Zustimmung. Der Sequester und die Geschäftsführung der B - GmbH & Co. KG erreichten in vielen Gesprächen mit Kaufinteressenten, Gläubigern und Banken, daß die Übernahme durch die Streithelferin am 26. Februar 1987 "perfekt" war. Mit dem letzten Akt, der Einigung mit der H AG, waren alle Voraussetzungen für die Übernahme geschaffen, d.h., die Streithelferin war nunmehr sofort in der Lage, die Organisations- und Leitungsfunktionen im Betrieb wahrzunehmen. Dann ist der Betrieb in diesem Augenblick übergegangen. Die Streithelferin hätte schon vor der Konkurseröffnung - sei es noch am Donnerstag oder auch am Freitag - die Produktion fortsetzen können. Die dazu nötigen Arbeitnehmer standen ihr gemäß vorheriger Absprache zur Verfügung, die Betriebseinrichtungen und Grundstücke ebenfalls.

b) Die Streithelferin verweist darauf, daß in der von ihr mit der Sparkasse D getroffenen Vereinbarung vom 26. Februar 1987 die vorgesehenen Grundstücksgeschäfte von der Zustimmung des Konkursverwalters, der Gläubigerversammlung und des Bundeskartellamts abhängig gemacht wurden. Dieser Vorbehalt ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unerheblich. Es kommt nicht darauf an, wann die formellen Rechtsgeschäfte über die sächlichen Betriebsmittel abgeschlossen und endgültig wirksam werden. Zudem läßt sich dem Vorbehalt nicht entnehmen, daß die Übernahme der Leitungsmacht im Betrieb von der Zustimmung der Gläubigerversammlung und des Konkursverwalters abhängen sollte. So hat die Streithelferin den Vorbehalt selbst nicht verstanden, weil sie sonst nicht schon am 2. März 1987 - ohne Rücksicht auf die Bedingungen des Vertrages - die Produktion hätte aufnehmen können. Die Bedingungen des Vertrages wurden erst sehr viel später erfüllt.

c) In seinem Urteil vom 28. April 1987 (BAGE 55, 228 = AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung) hat der Senat die Auffassung vertreten, für die Frage, ob eine Veräußerung im Konkurs stattfinde, sei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten (zu III der Gründe); der vorläufige Konkursverwalter müsse vielfach schon vor Konkurseröffnung Eilmaßnahmen treffen, die dazu dienten, spätere Verwertungshandlungen vorzubereiten. Es kann dahinstehen, ob an dieser Auffassung festzuhalten ist (vgl. dazu das spätere Urteil des Senats vom 8. November 1988 - BAGE 60, 118, 123 = AP, aaO, zu I 2 c der Gründe). Denn wie schon in den mit den Urteilen vom 28. April 1987 und 8. November 1988 entschiedenen Fällen diente auch vorliegend das Konkursverfahren nur noch dazu, dem Konkursverwalter die Legitimation für die Verwertung des Restvermögens zu verschaffen. Auch hier war die Leitungsmacht schon vor der Konkurseröffnung auf die Streithelferin übertragen worden. Die Betriebsübertragung hatte bereits endgültig stattgefunden. Die Revision weist zu Recht daraufhin, daß eine andere Verwertung im Konkurs nicht mehr in Betracht kam. Alle Beteiligten hatten schon vorher ihre Zustimmung zu dem sog. Konzept des Sequesters erteilt. Das Konkursverfahren hatte deswegen nur noch den Zweck, die getroffenen Absprachen zu vollziehen und in den gesetzlich vorgeschriebenen Formen abzuwickeln. Alle für die Fortführung notwendigen Abmachungen waren schon vorher getroffen, die Erhaltung und Fortführung des Betriebs in seiner Substanz war bereits vor der Konkurseröffnung gesichert.

Dr. Heither Griebeling Dr. Wittek

Dr. Jesse Großmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 438536

BAGE 68, 160-170 (LT1-2)

BAGE, 160

BB 1992, 1718

BB 1992, 1718-1720 (LT1-2)

DB 1992, 96-97 (LT1-2)

NJW 1992, 708

NJW 1992, 708-710 (LT1-2)

EBE/BAG 1991, 182-184 (LT1-2)

EWiR 1992, 153 (L)

JR 1992, 352

JR 1992, 352 (S)

KTS 1992, 142-147 (LT1-2)

NZA 1992, 217

NZA 1992, 217-219 (LT1-2)

RdA 1992, 59

ZAP, EN-Nr 83/92 (S)

ZIP 1992, 49

ZIP 1992, 49-52 (LT1-2)

AP § 1 BetrAVG, Nr 11

Arbeitgeber 1993, 144 (L)

ArbuR 1992, 190-191 (LT1-2)

EzA § 613a BGB, Nr 94 (LT1-2)

MDR 1992, 386 (ST)

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