Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsrentenanpassung – Eigenkapitalauszehrung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verdiensteinbußen, die sich am Anpassungsstichtag nicht mehr auswirken, spielen für die reallohnbezogene Obergrenze nach § 16 BetrAVG keine Rolle.

2. Die Höhe der Eigenkapitalverzinsung richtet sich zwar nach dem vorhandenen Eigenkapital. Eine unzureichende Eigenkapitalverzinsung ist aber nicht der einzige Grund, der nach § 16 BetrAVG eine Nichterhöhung der Betriebsrente rechtfertigen kann. Die fehlende Belastbarkeit des Unternehmens kann sich auch aus einer Eigenkapitalauszehrung ergeben. Verlustvorträge sind dabei zu berücksichtigen.

 

Normenkette

BetrAVG §§ 1, 16

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 06.11.1998; Aktenzeichen 12 Sa 511/98)

ArbG Bonn (Urteil vom 11.02.1998; Aktenzeichen 4 Ca 2013/97)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 6. November 1998 – 12 Sa 511/98 – aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 11. Februar 1998 – 4 Ca 2013/97 – abgeändert.

3. Die Klage wird abgewiesen.

4. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch darüber, ob die Beklagte die Betriebsrente des Klägers zum 1. Juli 1996 erhöhen muß.

Die Beklagte ist eine Unterstützungskasse. Sie hat die dem Kläger zugesagte Altersversorgung durchzuführen. Der Kläger war bis zum 31. Dezember 1989 bei dem Trägerunternehmen der Beklagten beschäftigt. Seit 1. Januar 1990 bezieht er aus der gesetzlichen Rentenversicherung Altersrente und von der Beklagten eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 564,64 DM.

Nach Eintritt des Klägers in den Ruhestand erwirtschaftete das Trägerunternehmen der Beklagten Verluste. Dessen Gewinn- und Verlustrechnungen wiesen zum 30. Juni 1993 einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 4.462.834,48 DM und zum 30. Juni 1994 einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 4.923.750,96 DM aus. Im Juni 1994 vereinbarten die Geschäftsleitung und der Betriebsrat des Trägerunternehmens, die wöchentliche Arbeitszeit ohne Entgeltausgleich von 37,5 Stunden auf 35 Stunden zu verkürzen. Die Vergütung der außertariflichen Angestellten wurde um 10 % herabgesetzt. Diese Maßnahmen endeten im Jahre 1995. Ab dem Geschäftsjahr 1994/1995 erzielte das Trägerunternehmen Gewinne. Die Jahresüberschüsse beliefen sich nach den Gewinn- und Verlustrechnungen zum 30. Juni 1995 auf 1.239.271,11 DM, zum 30. Juni 1996 auf 1.285.569,84 DM und zum 30. Juni 1997 auf 1.528.613,00 DM.

Die Beklagte lehnte es ab, die Betriebsrente des Klägers anzupassen, und zwar wegen der „bekannten überaus schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens in den letzten drei Jahren, die auch in den nächsten Jahren kaum zu einer wesentlichen Verbesserung der Ertragssituation führen werden”.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Betriebsrente sei entsprechend der zwischenzeitlichen Steigerung der Lebenshaltungskosten zum 1. Januar 1993 um 11,48 % = 64,82 DM und zum 1. Januar 1996 um weitere 6,85 % = 43,12 DM auf insgesamt 672,58 DM zu erhöhen. Die Beklagte habe nicht substantiiert vorgetragen, daß die wirtschaftliche Lage des Trägerunternehmens diese Anpassung nicht zulasse. Für die Zumutbarkeit der Rentenanpassung käme es nicht auf die früheren Verhältnisse, sondern auf die durch eine Prognose festzustellende künftige Entwicklung an. Das Trägerunternehmen habe seit dem Geschäftsjahr 1994/1995 Gewinne in Millionenhöhe erzielt. Die Verlustvorträge seien betriebsrentenrechtlich unerheblich. Auf deren steuerliche Behandlung komme es nicht an. Entscheidend sei, ob in Zukunft mit Verlusten zu rechnen sei. Der von der Beklagten vorgebrachte Investitionsbedarf spiele keine Rolle. Maßgeblich seien die Verhältnisse am Anpassungsstichtag 1. Juli 1996. Die Gesellschafterversammlung habe den Investitionsplan erst Anfang 1997 gebilligt. Die Anpassungshöhe richte sich nicht allein nach der Nettolohnentwicklung. Der Anstieg der Lebenshaltungskosten eines Vier-Personen-Arbeitnehmer-Haushalts mit mittlerem Einkommen sei zu berücksichtigen. Auf den Anpassungsbedarf wirke es sich nicht aus, daß die Arbeitnehmer des Trägerunternehmens vorübergehend Arbeitszeitverkürzungen und Verdienstminderungen hätten hinnehmen müssen.

Der Kläger hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm 1.403,22 DM für die Zeit vom 1. Juli 1996 bis zum 31. Juli 1997 nebst 4 % Zinsen seit dem 25. September 1997 sowie ab dem 1. August 1997 eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 672,58 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die verlangte Anpassung sei weder ihr noch dem Trägerunternehmen wirtschaftlich zumutbar gewesen. Ihr Vermögen bestehe ausschließlich aus einer Darlehnsforderung gegen das Trägerunternehmen. Da die Ausgaben für laufende Betriebsrenten seit Jahren die Zinseinnahmen überstiegen, schrumpfe ihr Vermögen kontinuierlich. Die wirtschaftliche Lage des Trägerunternehmens sei vergangenheits- und zukunftsbezogen zu betrachten. Bei der erforderlichen Gesamtschau seien die Verluste aus den Vorjahren zu berücksichtigen. Die angemessene Eigenkapitalverzinsung richte sich nach der Höhe des Eigenkapitals vor dem Beginn der Verlustjahre. Zumindest müsse auf die Eigenkapitalausstattung zu Beginn eines repräsentativen Zeitraums vor dem maßgeblichen Anpassungsstichtag abgestellt werden. Daran gemessen habe das Trägerunternehmen in den Geschäftsjahren 1994/1995 und 1995/1996 noch keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erreicht. Auf die wirtschaftliche Lage des Trägerunternehmens hätten sich auch die bevorstehenden Investitionen in Höhe von 8,8 Millionen DM ausgewirkt. Ebensowenig dürfe außer acht gelassen werden, daß die Pensionslasten der Beklagten, für die das Trägerunternehmen hafte, dessen Eigenkapital am Anpassungsstichtag 1. Juli 1996 um mehrere Millionen DM überstiegen hätten. Unabhängig von der wirtschaftlichen Lage der Beklagten und ihres Trägerunternehmens führe die reallohnbezogene Obergrenze dazu, daß dem Kläger allenfalls eine Anpassung in Höhe von insgesamt 14,92 % zustehe. Die von den Arbeitnehmern des Trägerunternehmens in den Jahren 1994 und 1995 hinzunehmenden Entgeltkürzungen seien Bestandteil der Lohnentwicklung und deshalb in die Berechnung einzubeziehen.

Das Arbeitsgericht hat dem im Revisionsverfahren noch anhängigen Klageantrag stattgegeben und die Klage auf Anpassung der Betriebsrente für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 30. Juni 1996 abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision möchte die Beklagte erreichen, daß die Klage in vollem Umfang abgewiesen wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Betriebsrente des Klägers zum 1. Juli 1996 zu erhöhen. Die Klageforderung kann nicht auf § 16 BetrAVG gestützt werden. Die wirtschaftliche Lage des Trägerunternehmens stand der verlangten Anpassung entgegen.

I. Eine Verpflichtung zur Anpassungsprüfung und -entscheidung besteht auch dann, wenn eine Unterstützungskasse die betriebliche Altersversorgung durchführt. Bei allen Durchführungswegen treffen den Arbeitgeber die Pflichten des § 16 BetrAVG(vgl. Andresen/Förster/Rößler/Rühmann Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung Teil 11 B Rn. 610; Blomeyer/Otto, BetrAVG 2. Aufl. § 16 Rn. 50; Griebeling Betriebliche Altersversorgung Rn. 535 ff.; Höfer BetrAVG Stand: 1999 § 16 Rn. 3405 ff.).

§ 16 BetrAVG wendet sich zwar ausschließlich an den Arbeitgeber und nicht an Lebensversicherer, Pensionskassen und Unterstützungskassen(vgl. ua. Andresen/Förster/Rößler/Rühmann aaO; Blomeyer/Otto aaO § 16 Rn. 67; Griebeling aaO Rn. 531 ff.). Der Arbeitgeber kann aber die Anpassung durch Vertrag zugunsten der Versorgungsberechtigten (§ 328 Abs. 1 BGB) auf die Unterstützungskasse übertragen. Sie kann auch in ihren Leistungsbestimmungen eine dem § 16 BetrAVG entsprechende Anpassung vorsehen. Im vorliegenden Fall gehen die Parteien davon aus, daß die beklagte Unterstützungskasse den Versorgungsberechtigten die Erfüllung der sich aus § 16 BetrAVG ergebenden Arbeitgeberpflichten schuldet.

II. Nach § 16 BetrAVG sind bei der Anpassungsentscheidung die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Das Landesarbeitsgericht hat die Belange der Betriebsrentner zutreffend gewürdigt. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts durfte jedoch die Beklagte wegen der wirtschaftlichen Lage ihres Trägerunternehmens eine Erhöhung der Betriebsrenten zum 1. Juli 1996 ablehnen.

1. Die verlangte Anpassung entspricht den Belangen des Versorgungsempfängers. Sie werden durch den Anpassungsbedarf und die sog. reallohnbezogene Obergrenze bestimmt.

a) Ausgangspunkt der Anpassungsentscheidung ist der Anpassungsbedarf der Betriebsrentner. Er richtet sich nach dem zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftverlust. Dabei kommt es auf die Veränderung des Preisindex an, den das statistische Bundesamt für die Lebenshaltung eines Vier-Personen-Arbeitnehmer-Haushalts mit mittlerem Einkommen ermittelt hat(ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. ua. 16. Dezember 1976 – 3 AZR 795/75 – BAGE 28, 279, 291; 17. April 1996 – 3 AZR 56/95 – BAGE 83, 1, 4 mwN). Im vorliegenden Fall kommt es auf die Preissteigerung bis zum 30. Juni 1996 an. Die Bündelung aller in einem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine zu einem einheitlichen jährlichen Termin ist zulässig(vgl. ua. BAG 28. April 1992 – 3 AZR 142/91 – BAGE 70, 137, 140 f. mwN). Sie vermeidet unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand und beeinträchtigt die Interessen der Betriebsrentner nur geringfügig. Die Teuerungsrate zum Anpassungsstichtag 30. Juni 1996 liegt höher als die verlangte Anpassung.

b) Die Belange der Versorgungsempfänger erfordern dann keinen vollen Ausgleich der Teuerungsrate, wenn die durchschnittlichen Nettoverdienste innerhalb des Unternehmens oder eines typischen Teils der Belegschaft geringer gestiegen sind(vgl. ua. BAG 11. August 1981 – 3 AZR 395/80 – BAGE 36, 39, 50 f.; 14. Februar 1989 – 3 AZR 313/87 – BAGE 61, 102, 105). Zu Recht hat es das Landesarbeitsgericht für unerheblich angesehen, daß die aktive Belegschaft vor dem Anpassungsstichtag vorübergehende Verdienstkürzungen hinnehmen mußte. Grundsätzlich richtet sich die reallohnbezogene Obergrenze ebenso wie die Teuerungsrate nach der bis zum Anpassungsstichtag zu verzeichnenden Entwicklung. Verdiensteinbußen, die sich am Anpassungsstichtag nicht mehr auswirken, bleiben jedoch unberücksichtigt. Denn die Betriebsrentenanpassungen verändern nicht die Versorgungsleistungen, die für die Zeit vor dem Anpassungsstichtag zu gewähren sind. Ausschließlich die ab dem Anpassungsstichtag zu zahlenden Betriebsrenten sind betroffen. Folgerichtig ist darauf abzustellen, wie hoch die Nettoverdienste der aktiven Arbeitnehmer am Anpassungsstichtag waren. Zu diesem Zeitpunkt lag die Nettolohnsteigerung über dem Kaufkraftverlust. Im vorliegenden Fall kommt es nicht darauf an, ob und gegebenenfalls inwieweit Verdiensteinbußen zu berücksichtigen sind, die zwar am Anpassungsstichtag zu verzeichnen sind, aber innerhalb der nächsten drei Jahre enden sollen.

2. Die Anpassungspflicht des § 16 BetrAVG stellt, auch wenn sie von einer Unterstützungskasse übernommen wird, auf die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ab. Er darf eine der Kaufkraftentwicklung und der reallohnbezogenen Obergrenze entsprechende Anpassung insoweit ablehnen, als dadurch sein Unternehmen übermäßig belastet würde. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber bei seiner Anpassungsentscheidung annehmen darf, es werde ihm mit einiger Wahrscheinlichkeit künftig nicht möglich sein, den Teuerungsausgleich aus den Wertzuwächsen des Unternehmens und dessen Erträgen aufzubringen. Sind Einbußen in der Unternehmenssubstanz zu befürchten, so steht die gebotene Rücksichtnahme auf die Belange des Arbeitgebers und der aktiven Arbeitnehmer einer Anpassung entgegen(vgl. ua. BAG 17. April 1996 – 3 AZR 56/95 – BAGE 83, 1, 4; 23. Oktober 1996 – 3 AZR 514/95 –BAGE 84, 246, 250 jeweils mwN)Im vorliegenden Fall hatte sich das Trägerunternehmen noch nicht so weit erholt, daß ihm eine Anpassung der Betriebsrente zum 1. Juli 1996 zugemutet werden konnte.

a) Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ist eine zukunftsbezogene Größe. Sie umschreibt die künftige Belastbarkeit des Arbeitgebers und setzt eine Prognose voraus. Maßgeblicher Prognosezeitpunkt ist der Anpassungsstichtag. Die wirtschaftlichen Verhältnisse vor dem Anpassungsstichtag sind insoweit von Bedeutung, als daraus Schlüsse für die weitere Entwicklung des Unternehmens gezogen werden können(vgl. BAG 23. April 1985 – 3 AZR 156/83 – BAGE 48, 272, 281). Die wirtschaftlichen Daten nach dem Anpassungsstichtag bis zur letzten mündlichen Verhandlung können die frühere Prognose bestätigen oder entkräften(BAG 17. Oktober 1995 – 3 AZR 881/94 – BAGE 81, 167, 171 f.) und sich dadurch auf die Darlegungs- und Beweislast auswirken. Spätere, unerwartete Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens können jedoch erst bei der nächsten Anpassungsprüfung berücksichtigt werden(BAG 17. April 1996 – 3 AZR 56/95 – BAGE 83, 1, 10). Dem Arbeitgeber steht bei der Einschätzung der künftigen Entwicklung ein Beurteilungsspielraum zu(vgl. ua. Blomeyer/Otto aaO § 16 Rn. 198); im Urteil vom 23. April 1985(– 3 AZR 156/83 – AP BetrAVG § 16 Nr. 17, zu II 3 a der Gründe) hat der Senat eine durch Tatsachen gestützte Wahrscheinlichkeit ausreichen lassen. Das Trägerunternehmen durfte auf Grund konkreter Tatsachen davon ausgehen, daß es im Anpassungszeitraum 1. Juli 1996 bis 30. Juni 1999 trotz der zu erwartenden Überschüsse durch die verlangte Anpassung überfordert würde.

b) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß sich die wirtschaftliche Entwicklung des Trägerunternehmens, die schon vor dem 1. Juli 1996 begonnen hatte und auch im Geschäftsjahr 1996/1997 zu verzeichnen war, fortsetzen werde. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, daß die seit dem Geschäftsjahr 1994/1995 erzielten Gewinne auf nicht vorhersehbaren oder nur vorübergehenden Ereignissen beruhten.

Das Landesarbeitsgericht hat jedoch nicht ausreichend beachtet, daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens nach seiner gesamtwirtschaftlichen Situation zu beurteilen ist(vgl. BAG 14. Februar 1989 – 3 AZR 191/87 – BAGE 61, 94, 98). Die zu erwartenden Überschüsse sind nur ein Kriterium. Erwirtschaftet ein Unternehmen nach einer Verlustphase wieder Gewinne, so bedeutet dies noch nicht, daß die zurückliegenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten keine Spuren hinterlassen haben. Die Betriebsergebnisse können nicht losgelöst von der Eigenkapitalausstattung und dem Investitionsbedarf betrachtet werden. Insbesondere ist zu berücksichtigen, daß Substanzeinbußen eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens und damit auch den Fortbestand von Arbeitsplätzen gefährden können. Im vorliegenden Fall verringerten die bis Geschäftsjahr 1993/1994 entstandenen Verluste das Eigenkapital des Trägerunternehmens so sehr, daß eine Anpassung der Betriebsrenten zum 1. Juli 1996 nicht zumutbar war.

aa) Der Verlustvortrag ist entsprechend seinen unterschiedlichen Zwecken differenziert zu behandeln. Er führt unter anderem dazu, daß ein Teil der späteren Gewinne nicht versteuert werden muß. Die dafür maßgeblichen steuersystematischen und wirtschaftspolitischen Gründe sind auf § 16 BetrAVG nicht übertragbar. Diese Vorschrift verlangt eine Abwägung der wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens mit den Versorgungsinteressen der Betriebsrentner. Soweit es jedoch bei der Anpassungsentscheidung auf die Höhe des Eigenkapitals ankommt, gewinnt der Verlustvortrag auch betriebsrentenrechtlich Bedeutung. § 266 Abs. 3 Buchst. A HGB definiert für Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung den handelsrechtlichen Begriff des Eigenkapitals. Er trägt betriebswirtschaftlichen Überlegungen Rechnung. Danach gehören zum Eigenkapital das gezeichnete Kapital (Stammkapital), Kapitalrücklagen, Gewinnrücklagen, Gewinnvortrag/Verlustvortrag, Jahresüberschuß/Jahresfehlbetrag.

Beim Trägerunternehmen handelte es sich zwar um eine GmbH & Co. OHG. Auch wenn in der Bilanz des Trägerunternehmens der Verlustvortrag nicht gesondert ausgewiesen werden mußte, ändert dies nichts daran, daß Verluste der vergangenen Jahre das Eigenkapital mindern.

bb) Bei der Ermittlung des Eigenkapitals bilden die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse lediglich den geeigneten Einstieg. Sie dürfen nicht unbesehen übernommen werden. Betriebswirtschaftlich gebotene Korrekturen sind vorzunehmen(vgl. BAG 23. April 1985 – 3 AZR 548/82 – BAGE 48, 284, 293; 17. April 1996 – 3 AZR 56/95 – BAGE 83, 1, 10).

Auch die bereits begründeten, aber nicht bilanzierten Versorgungspflichten verringern das Eigenkapital. Die Jauch & Hübner Beratungs GmbH errechnete für die Pensionsverpflichtungen zum 30. Juni 1996 einen Barwert in Höhe von 14.200.030,00 DM. Der Kläger hat dieses Ergebnis nicht bestritten. Das Kassenvermögen der Beklagten betrug nach dem Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young GmbH 4.866.970,00 DM. Das bilanzierte Eigenkapital des Trägerunternehmens belief sich am 30. Juni 1996 auf 6.194.000,00 DM und unterschritt damit deutlich den Kapitalbedarf für die betriebliche Altersversorgung. Ob der Arbeitgeber die Versorgungsleistungen selbst erbringt oder eine Unterstützungskasse einschaltet, spielt für seine Versorgungspflicht keine entscheidende Rolle. Eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers ist nur insoweit ausgeschlossen, als die Unterstützungskasse über ausreichende eigene Mittel verfügt. Bei einer unzureichenden Ausstattung der Unterstützungskasse hat der Arbeitgeber selbst einzustehen.

Besteht das Vermögen der Unterstützungskasse aus einer Darlehnsforderung gegen das Trägerunternehmen, so zählt das Darlehn in der Bilanz des Trägerunternehmens zu den Verbindlichkeiten. Im vorliegenden Fall ist es als „Verbindlichkeit gegenüber verbundenen Unternehmen” aufgeführt. Die an die Unterstützungskasse zu zahlenden künftigen Zinsen werden jedoch nicht passiviert. Folgerichtig hat das Trägerunternehmen die Differenz zwischen dem von der Jauch & Hübner Beratungs GmbH errechneten Barwert der Versorgungsverpflichtungen und dem Kassenvermögen der Unterstützungskasse als Unterdeckung angesehen. Entsprechend wurde die Einstandspflicht des Trägerunternehmens bewertet. Der Differenzbetrag wurde in den Jahresabschlußberichten im Abschnitt „Haftungsverhältnisse” erwähnt.

cc) Für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens spielt es keine Rolle, ob Rückstellungen nach den Vorschriften des Handels – und Steuerbilanzrechts unterbleiben dürfen, zB wegen des Passivierungswahlrechts nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGHGB bei den vor dem 1. Januar 1987 eingegangenen Versorgungsverpflichtungen. Einem verständigen Kaufmann kann nicht angesonnen werden, später benötigtes Kapital zusätzlich auszugeben. Das gesamte Eigenkapital des Trägerunternehmens reichte zur Deckung seiner Versorgungslasten nicht aus. Die vom Kläger verlangte Rentenanpassung würde dazu führen, daß Eigenkapital und Versorgungslasten noch weiter auseinanderklaffen. Unzureichendes Eigenkapital beeinflußt nicht nur das Unternehmensergebnis (Zinsen für zusätzlich erforderliche Fremdmittel) und die Liquidität, sondern auch die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und Verluste zu verkraften (Risikovorsorge).

c) Die Investitionen des Trägerunternehmens hat das Landesarbeitsgericht für unerheblich gehalten, weil die Investitionsentscheidung erst Anfang 1997 und damit nach dem Anpassungsstichtag getroffen wurde. Entgegen dieser Auffassung ist nicht darauf abzustellen, wann die Investitionen endgültig beschlossen wurden. Entscheidend ist der „absehbare Investitionsbedarf” (vgl. BAG 17. April 1996 – 3 AZR 56/95 – BAGE 83, 1, 10). Das Landesarbeitsgericht hat – im Gegensatz zu seinen sonstigen Ausführungen – außer acht gelassen, daß die wirtschaftliche Lage nicht vergangenheits–, sondern zukunftsorientiert zu beurteilen ist. Für die erforderliche Prognose kommt es auf die zu erwartenden Investitionen an.

Im Trägerunternehmen war nach dem Anpassungsstichtag mit erheblichen Investitionen zu rechnen. Nr. 1 des zwischen der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat des Trägerunternehmens geschlossenen Interessenausgleichs und Sozialplans vom 21. Juni 1994 nannte als eines der Ziele, daß „in der Perspektive auch Möglichkeiten zur Durchführung dringender Investitionen und Reparaturen eröffnet werden”. Diese Äußerung unterstreicht den von der Beklagten geltend gemachten Investitionsstau. Es war ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft, die zurückgestellten Investitionen nachzuholen. Auch Rationalisierungsmaßnahmen waren geboten. In Nr. 1 Abs. 2 des Interessenausgleichs und Sozialplans vom 21. Juni 1994 heißt es, es bestehe „Einvernehmen darüber, daß die gesamte Struktur des Unternehmens den Markterfordernissen entsprechend angepaßt und wettbewerbsfähiger ausgestaltet werden muß, um das langfristige Überleben am Standort Bonn zu sichern”.

Wie sich die anstehenden Investitionen auf das Betriebsergebnis, die Liquidität des Unternehmens und die Eigenkapitalsquote auswirken, hängt unter anderem von dem Umfang der Investitionen, der Höhe der benötigen Fremdmittel und den zu erwartenden Zinsen ab. Dazu hat sich die Beklagte nicht näher geäußert. Der Rechtsstreit muß nicht zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen werden, weil das Eigenkapital durch die nicht bilanzierten Versorgungslasten des Trägerunternehmens aufgezehrt war.

d) Ebenso kann offen blieben, ob auch eine unzureichende Eigenkapitalverzinsung die Nichtanpassung der Betreibsrenten zum 1. Juli 1996 rechtfertigte. Grundlage der Eigenkapitalverzinsung ist nicht das frühere, sondern das vorhandene Eigenkapital(vgl. ua. Andresen/Förster/Rößler/Rühmann aaO Teil 11 B Rn. 1369 ff.; Blomeyer/Otto aaO § 16 Rn. 197; Höfer aaO § 16 Rn. 3581). Dies entspricht dem handelsrechtlichen Eigenkapitalbegriff nach § 266 Abs. 3 Buchst. A HGB, der einen Verlustvortrag ausdrücklich einbezieht. Auch bei den nicht unter § 266 Abs. 3 Buchst. A HGB fallenden Personengesellschaften schmälern Verluste der Vorjahre das Eigenkapital. Außerdem wäre es mit der Zubilligung eines Risikozuschlags kaum zu vereinbaren, der angemessenen Eigenkapitalverzinsung verlorenes Eigenkapital zugrunde zu legen. Hohe Eigenkapitalverluste können zwar dazu führen, daß schon niedrige Gewinne für eine angemessene Eigenkapitalverzinsung ausreichen. Von der angemessenen Eigenkapitalverzinsung ist aber die Substanzerhaltung zu unterscheiden, die – wie der vorliegende Fall zeigt – ebenfalls eine Nichtanpassung rechtfertigen kann.

 

Unterschriften

Dr. Reinecke ist durch Urlaub an der Unterschrift gehindert Kremhelmer, Kremhelmer, Bepler, Frau Martschin ist durch Urlaub an der Unterschrift gehindert Kremhelmer, Furchtbar

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 23.05.2000 durch Kaufhold, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 637682

DB 2002, 155

NWB 2001, 3147

NZA 2002, 554

SAE 2001, 281

AP, 0

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