Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristeter Arbeitsvertrag zur Vertretung - Schultypübergreifender Gesamtvertretungsbedarf bei Lehrkräften

 

Orientierungssatz

Von den Fällen einer unmittelbaren/mittelbaren Einzelvertretung unterscheidet sich eine Gesamtvertretung bei Lehrkräften im Schulbereich dadurch, daß innerhalb einer durch Organisationsentscheidung festgelegten Verwaltungseinheit der Vertretungsbedarf für das Lehrpersonal eines Schulbereichs bezogen auf ein Schuljahr rechnerisch ermittelt und durch befristet eingestellte Vertretungskräfte abgedeckt wird, die - von Ausnahmen abgesehen - nicht an den Schulen der zu vertretenden Lehrkräfte eingesetzt werden oder deren Fachkombinationen unterrichten. Eine darauf gestützte Befristung ist nach der Senatsrechtsprechung wirksam, wenn sich für ein Schuljahr aufgrund der zu erwartenden Schülerzahlen und der unterrichtsorganisatorischen Vorgaben ein Unterrichtsbedarf ergibt, der mit den planmäßigen Lehrkräften in diesem Zeitraum aufgrund feststehender Beurlaubung für die Unterrichtsversorgung vorübergehend nicht zur Verfügung steht.

 

Tenor

Das Versäumnisurteil vom 20. Oktober 1999 - 7 AZR 555/98 -

wird aufgehoben.

Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des

Landesarbeitsgerichts Berlin vom 15. Mai 1998 - 8 Sa 38/97 -

aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,

auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das

Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses und über dessen Inhalt.

Der Kläger ist beim beklagten Land seit 26. Februar 1993 aufgrund mehrfach befristeter Arbeitsverträge als Lehrkraft in der Tätigkeit eines Studienrates an berufsbildenden Schulen beschäftigt. Seit Beginn seiner Beschäftigung unterrichtet er am 1. Oberstufenzentrum (OSZ) S. Sport und Sozialkunde.

Mit Vertrag vom 11. August 1995 vereinbarten die Parteien über den 12. August 1995 hinaus für die Dauer der Beurlaubung des Herrn St. eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses mit 23 Wochenunterrichtsstunden bis zum 3. August 1996. Herr St. war vom 29. Juni 1995 bis zum 19. Juni 1996 vom Dienst freigestellt und hatte zuvor am 2. OSZ die Fächer Datenverarbeitung und Sozialkunde unterrichtet. Der Kläger vertrat Herrn St. weder unmittelbar noch mittelbar. Die befristete Vertragsverlängerung erfolgte zur Deckung eines Gesamtvertretungsbedarfs an Lehrkräften, von dem das seit dem 1. Februar 1995 für den Einsatz und die Einstellung der Lehrkräfte an allen Berliner Schulen zuständige Landesschulamt schultypenübergreifend ausging.

Am 7. August 1996 schlossen die Parteien einen weiteren bis zum 2. August 1997 befristeten Arbeitsvertrag, der nur eine Teilzeitbeschäftigung von 15 Wochenunterrichtsstunden vorsah. Der Kläger unterzeichnete diesen Vertrag mit folgender Vorbehaltserklärung vom 5. August 1996: "Ich stimme der Befristung des neuen Arbeitsvertrags nicht zu. Nach meiner Auffassung sind auch die bisherigen Befristungen unwirksam."

Der Kläger wurde in der Folgezeit weiterhin am 1. OSZ S. eingesetzt.

Mit der am 27. Juni 1996 erhobenen Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Befristung vom 11. August 1995 sei unwirksam, da ein sachlicher Grund hierfür nicht vorgelegen habe. Die Einstellung sei nicht erfolgt, um einen vorübergehenden Vertretungsbedarf zu decken. Ein Gesamtvertretungsbedarf sei vor dem Abschluß dieses Arbeitsvertrags für das Schuljahr 1995/1996 noch gar nicht berechnet gewesen. Vielmehr sei die Lehrerbedarfsberechnung für das Schuljahr 1995/1996 erst im Februar 1996 fertiggestellt worden. Der am 7. August 1996 unter Vorbehalt geschlossene befristete Verlängerungsvertrag habe nicht zu einer wirksamen Reduzierung der Wochenunterrichtsstundenzahl von 23 auf 15 geführt.

Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß zwischen den Parteien

ein über den 3. August 1996 hinaus dauerndes unbefristetes

Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen der Vereinbarung vom 11.

August 1995 besteht,

hilfsweise

festzustellen, daß zwischen den Parteien ein über den 2. August

1997 hinaus dauerndes Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des

Arbeitsvertrags vom 7. August 1996 besteht.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die befristete Einstellung des Klägers habe sich im Rahmen eines für 1995/1996 festgestellten Gesamtvertretungsbedarfs an Lehrkräften gehalten. Dieser werde ermittelt anhand der zu erwartenden Schülerzahlen, der aktuellen Unterrichtsvorgaben und des dazu erforderlichen Lehrerbedarfs nach Durchführung eines regionalen und überregionalen Personalausgleichs bei Lehrkräften. Wegen eines ständigen Vertretungsbedarfs aufgrund temporärer Beurlaubungen werde eine größere Anzahl von Lehrkräften in einem unbefristeten Anstellungsverhältnis beschäftigt. Zur Deckung des verbleibenden Gesamtvertretungsbedarfs könnten dann befristete Einstellungen zur Vertretung vorgenommen werden. Die Prognose über den Vertretungsbedarf sei vor Beginn des Schuljahres erstellt worden. Im Schuljahr 1995/1996 seien 1.260 befristet tätige Vertretungskräfte mit ca. 1.030 Stellenäquivalenten für insgesamt 2.917 freie Stellenäquivalente von planmäßigen Lehrkräften eingestellt worden, die aus unterschiedlichen Gründen für eine Lehrertätigkeit in diesem Schuljahr nicht oder nur zum Teil zur Verfügung gestanden hätten. Im übrigen habe es der Kläger versäumt, die letzte Befristung innerhalb der Frist des § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG anzugreifen. Der Vorbehalt vom 5. August 1996 betreffe ausschließlich die Vertragsdauer und nicht den Vertragsinhalt. Infolgedessen könne im Fall der Unwirksamkeit der Befristung aufgrund des Vertrags vom 7. August 1996 allenfalls ein Teilzeitarbeitsverhältnis bestehen.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt das beklagte Land weiterhin die Klageabweisung. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision. Durch Versäumnisurteil vom 20. Oktober 1999 wurde die Revision des beklagten Landes zurückgewiesen. Hiergegen hat das beklagte Land Einspruch eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

Auf den form- und fristgerechten Einspruch des beklagten Landes ist das die Revision zurückweisende Versäumnisurteil aufzuheben. Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Der von diesem festgestellte Sachverhalt läßt keine abschließende Beurteilung zu, ob die Befristung des Arbeitsverhältnisses aus dem Sachgrund der Gesamtvertretung sachlich gerechtfertigt und damit wirksam ist.

A. I. Das Landesarbeitsgericht hat für die Befristungskontrolle zu Recht auf den Arbeitsvertrag vom 11. August 1995 abgestellt. Die Parteien haben den letzten Vertrag vom 7. August 1996 unter einem zugunsten des Klägers beigefügten Vorbehalt geschlossen. Diese Vereinbarung eröffnet die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle auch des vorangegangenen Vertrags (BAG 4. April 1990 - 7 AZR 259/89 - BAGE 65, 86).

II. Die im Vertrag vom 11. August 1995 vereinbarte Befristung zum 3. August 1996 gilt nicht gem. § 7 KSchG in Verbindung mit § 1 Abs. 5 Satz 2 BeschFG als von Anfang an rechtswirksam. Der Kläger hat zwar nicht innerhalb von drei Wochen ab dem Inkrafttreten des § 1 Abs. 5 BeschFG in der Fassung vom 25. September 1996, also in der Zeit vom 1. Oktober 1996 bis 21. Oktober 1996 Klage nach § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG erhoben. Nach Sinn und Zweck dieser Norm und der an ihre Versäumung anknüpfenden Fiktionswirkung wurde die Frist aber durch die bereits vor Inkrafttreten des § 1 Abs. 5 BeschFG erhobene und hernach fortgeführte Feststellungsklage gewahrt. Ob der Kläger auch die Befristungsabrede in dem vorbehaltlich geschlossenen Vertrag vom 7. August 1996 rechtzeitig angegriffen hat, ist für die Prüfung der Wirksamkeit der im Vertrag vom 11. August 1995 vereinbarten Befristung ohne Bedeutung.

III. Das Landesarbeitsgericht hat die Befristung im Vertrag vom 11. August 1995 schon deswegen für unwirksam gehalten, weil das beklagte Land keine Differenzierung zwischen den Lehrkräften mit unterschiedlicher Lehrbefähigung vorgenommen und seinen gesamten Vertretungsbedarf bei Lehrkräften schultypenübergreifend ermittelt habe. Mit dieser Begründung kann der Klage, wie der Senat bereits in den Urteilen vom 20. Januar 1999 (- 7 AZR 640/97 - AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 138 = EzA BGB § 620 Nr. 160) und vom 9. Juni 1999 (- 7 AZR 35/98 - nv.) ausgeführt hat, nicht stattgegeben werden. Vielmehr hat das Landesarbeitsgericht mit seinen Ausführungen die dem Sachgrund der Gesamtvertretung bei Lehrkräften im Schulbereich zugrunde liegenden Wertungsmaßstäbe verkannt.

1. Nach den Grundsätzen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle ist die Befristung eines Arbeitsvertrags ua. nicht funktionswidrig und damit auch nicht geeignet, den gesetzlichen Kündigungsschutz objektiv zu umgehen, wenn der Arbeitgeber bereits bei Abschluß des Zeitvertrags aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte die Prognose stellen kann, die Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer werde zu einem bestimmten Zeitpunkt mit dem Eintreten eines bestimmten Ereignisses entfallen (BAG 3. Dezember 1997 - 7 AZR 651/96 - BAGE 87, 194).

a) Deshalb ist die Vertretung für einen zeitweilig ausfallenden Mitarbeiter als sachlicher Grund für eine Befristung anerkannt, wenn der Arbeitgeber mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnen muß. Infolge der absehbaren Rückkehr des Vertretenen kann der Arbeitgeber bei Vertragsschluß mit der Vertretungskraft die hinreichend sichere Prognose stellen, daß an deren Arbeitskraft nur ein vorübergehender Bedarf besteht. Deshalb ist die Befristung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Vertreter nicht funktionswidrig. Sie erfolgt nicht zur objektiven Umgehung des Kündigungsschutzes (BAG 22. November 1995 - 7 AZR 252/95 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 178 = EzA BGB § 620 Nr. 138).

b) Der von der Rechtsprechung mit dem Begriff der Vertretung bezeichnete Sachgrund meint jedoch weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Vertretung im Rechtssinne. Der Sachgrund liegt in diesen Fällen darin, daß der Arbeitgeber den von ihm vorgegebenen Arbeitskräftebedarf für die Erledigung bestimmter Arbeitsaufgaben bereits durch einen Arbeitsvertrag bzw. ein Beamtenverhältnis mit dem zu Vertretenden abgedeckt hat. Aus diesem Grund besteht an der Arbeitskraft des Vertreters schon bei Vertragsschluß nur ein vorübergehender, zeitlich durch die Rückkehr des Vertretenen begrenzter Bedarf (BAG 24. September 1997 - 7 AZR 669/96 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 192 = EzA BGB § 620 Nr. 147 mwN).

c) Eine befristete Beschäftigung zur Vertretung läßt die Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers unberührt (BAG 13. April 1983 - 7 AZR 51/81 - BAGE 42, 203). Die der Befristungskontrolle zugrunde liegenden Wertungsmaßstäbe verlangen daher nicht, daß die befristet eingestellte Vertretungskraft mit den Arbeitsaufgaben betraut wird, deren Erbringung von dem Vertretenen geschuldet wird. Bei einem vorübergehenden Ausfall eines Stammarbeitnehmers kann der Arbeitgeber darüber bestimmen, ob er den Arbeitsausfall überhaupt überbrücken will (BAG 11. November 1998 - 7 AZR 328/97 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 204 = EzA BGB § 620 Nr. 155) oder ob er im Wege der Umverteilung die von dem zeitweilig verhinderten Arbeitnehmer zu erledigenden Arbeitsaufgaben anderen Mitarbeitern zuweist oder dessen Aufgaben ganz oder teilweise von einer Vertretungskraft erledigen läßt. Der zeitweilige Ausfall eines Mitarbeiters und die dadurch bedingte Einstellung einer Ersatzkraft können auch eine Umorganisation erfordern, die einen neuen Arbeitsplatz entstehen läßt (BAG 21. März 1990 - 7 AZR 286/89 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 135 = EzA BGB § 620 Nr. 106). Die Kongruenz von Einsatzort und Aufgabengebiet einer Vertretungskraft und einem vorübergehend nicht zur Verfügung stehenden Mitarbeiter erleichtert zwar den Nachweis, daß der Zeitvertrag mit der Vertretungskraft auf dem Sachgrund der Vertretung beruht. Unabdingbare Voraussetzung ist sie aber nicht. Das ist allein die auf einer konkreten Prognose des Arbeitgebers beruhende Erwartung eines vorübergehenden Arbeitskräftebedarfs infolge einer zeitweiligen Verhinderung eines Stammarbeitnehmers (BAG 8. Mai 1985 - 7 AZR 191/84 - BAGE 49, 73).

2. Diese anhand einer Einzelvertretung entwickelten Grundsätze gelten regelmäßig auch bei einer sog. Gesamtvertretung von Lehrkräften.

a) Von den Fällen einer unmittelbaren/mittelbaren Einzelvertretung unterscheidet sich eine Gesamtvertretung bei Lehrkräften im Schulbereich dadurch, daß innerhalb einer durch Organisationsentscheidung festgelegten Verwaltungseinheit der Vertretungsbedarf für das Lehrpersonal eines Schulbereichs bezogen auf ein Schuljahr rechnerisch ermittelt und durch befristet eingestellte Vertretungskräfte abgedeckt wird, die - von Ausnahmen abgesehen - nicht an den Schulen der zu vertretenden Lehrkräfte eingesetzt werden oder deren Fächerkombinationen unterrichten. Eine darauf gestützte Befristung ist nach der Senatsrechtsprechung wirksam, wenn sich für ein Schuljahr aufgrund der zu erwartenden Schülerzahlen und der unterrichtsorganisatorischen Vorgaben ein Unterrichtsbedarf ergibt, der mit den planmäßigen Lehrkräften nur deshalb nicht abgedeckt werden kann, weil ein Teil dieser Lehrkräfte in diesem Zeitraum aufgrund einer feststehenden Beurlaubung für die Unterrichtsversorgung vorübergehend nicht zur Verfügung steht (BAG 13. April 1983 - 7 AZR 51/81 - BAGE 42, 203 und 3. Dezember 1986 - 7 AZR 354/85 - BAGE 54, 10). In diesem Fall besteht für die befristet eingestellten Vertretungskräfte bereits bei Vertragsschluß nur ein vorübergehender, durch die zu erwartende Rückkehr der planmäßigen Lehrkräfte begrenzter Beschäftigungsbedarf. Das schließt eine objektive Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes der Vertretungskräfte aus, wenn sich ihre Zahl im Rahmen des tatsächlichen Vertretungsbedarfs hält.

b) Danach liegt dem Sachgrund der Gesamtvertretung von Lehrkräften ein konkreter Aushilfsbedarf für die Erledigung bestimmter Arbeitsaufgaben zugrunde. Diesen Aushilfsbedarf könnte der Arbeitgeber auch im Wege einer Einzelvertretung abdecken. Dazu würde es genügen, im einzelnen Fall eine vorübergehend nicht zur Verfügung stehende planmäßige Lehrkraft für die Dauer ihrer Abwesenheit förmlich an diejenige Schule zu versetzen, an der die Vertretungskraft eingesetzt und mit Aufgaben beschäftigt wird, die auch die planmäßige Lehrkraft erbringen könnte. Will der Arbeitgeber diese umständliche und letztlich sinnentleerte Maßnahme nicht durchführen, bleibt er doch an die dem Sachgrund der Vertretung immanente Vorgabe gebunden, daß diese Umsetzungs- oder Versetzungsmaßnahme tatsächlich möglich ist. Der Sachgrund der Gesamtvertretung im Schulbereich setzt demnach umfassende Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers hinsichtlich der beamteten und angestellten planmäßigen Lehrkräfte sowie der befristet angestellten Vertretungskräfte voraus. Verzichtet wird lediglich auf die förmliche Durchführung von Versetzungs- und Umsetzungsmaßnahmen allein zum Nachweis des Aushilfsbedarfs.

IV. 1. Nach diesen Grundsätzen kann der Sachgrund der Gesamtvertretung im Schulbereich nicht schon deswegen verneint werden, weil das Landesschulamt für das beklagte Land einen Bedarf an Vertretungskräften für alle Berliner Schulen gemeinsam und ohne Rücksicht auf den jeweiligen Schultyp ermittelt hat. Das Landesschulamt war seit dem 1. Februar 1995 aufgrund einer gerichtlich nicht nachprüfbaren Organisationsentscheidung für die Organisation des Lehrereinsatzes für die Berliner Schulen zuständig. Das läßt grundsätzlich eine schultypenunabhängige Ermittlung und einen Ausgleich des Vertretungsbedarfs bei Lehrkräften zu, soweit das Landesschulamt über uneingeschränkte Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse verfügt und imstande ist, Personalüberhänge und Personalbedarfslagen im Schulbereich unabhängig vom jeweiligen Schultyp auszugleichen und dazu die angestellten oder verbeamteten planmäßigen Lehrer ohne Rücksicht auf deren Lehrbefähigung und Status zur Abdeckung eines vorübergehenden Personalbedarfs an allen Berliner Schulen einzusetzen. Dazu hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen, weil es von der grundsätzlichen Unwirksamkeit schultypenübergreifender befristeter Vertretungen ausgegangen ist. Es hat folgerichtig nicht geprüft, ob das beklagte Land zum schultypenübergreifenden Einsatz und der fachfremden Verwendung seiner Lehrkräfte zur Abdeckung vorübergehender Bedarfslagen berechtigt ist. Diese Prüfung ist jedoch Voraussetzung für das Eingreifen des Sachgrunds der Gesamtvertretung bei Lehrkräften.

2. Das angefochtene Urteil mußte deshalb aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden. Das Landesarbeitsgericht hat die fehlende Prüfung nachzuholen. Kommt es unter Berücksichtigung des weiteren Sachvortrags zu dem Ergebnis, daß ein schultypenübergreifender Ausgleich von Personalüberhängen und Personalbedarfslagen nicht statthaft war, sind die Voraussetzungen für den Sachgrund einer schultypenübergreifenden Gesamtvertretung bei Lehrkräften nicht erfüllt. Eine darauf gestützte Befristung ist sachlich nicht gerechtfertigt und damit unwirksam.

3. Der Senat konnte nicht etwa nach § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Insbesondere vermag das Vorbringen des beklagten Landes, im Streitfall habe deutlich eine Kongruenz zwischen Vertreter und Vertretenem mit nahezu gleicher Lehrbefähigung und vom Einsatz her schultypgleich vorgelegen, die Befristung nicht zu rechtfertigen. Ein Fall der unmittelbaren oder mittelbaren Einzelvertretung lag nach der vom beklagten Land vorgetragenen Konzeption gerade nicht vor. Es fehlt insoweit an jeglicher Darlegung, daß und inwiefern der zeitweilige Ausfall des Lehrers St. für die befristete Einstellung gerade des Klägers ursächlich gewesen sein soll.

V. Kommt das Landesarbeitsgericht in dem erneuten Berufungsverfahren aufgrund entsprechenden Sachvortrags des beklagten Landes zu dem Ergebnis, daß ein schultypenübergreifender Ausgleich von Personalüberhängen und Personalbedarfslagen statthaft war, so wird es bei der sodann erforderlichen weiteren Prüfung folgendes zu beachten haben:

1. Eine auf den Sachgrund der Gesamtvertretung im Schulbereich gestützte Befristung ist nicht deswegen unwirksam, weil das beklagte Land die Vertretungskräfte nicht nur zur Abdeckung eines Spitzenbedarfs eingesetzt hat.

a) Der Sachgrund der Gesamtvertretung bei Lehrkräften setzt nicht voraus, daß das beklagte Land den in zulässiger Weise ermittelten Vertretungsbedarf durch die befristete Einstellung von Vertretungskräften völlig abdeckt. Nach den Wertungsmaßstäben dieses Sachgrunds ist es ausreichend, daß zwischen dem zeitweiligen Ausfall einer planmäßigen Lehrkraft und der befristeten Einstellung der Vertretungskraft ein Kausalzusammenhang besteht. Dieser Ursachenzusammenhang bleibt gewahrt, wenn die Zahl der befristet eingestellten Vertretungskräfte einen zutreffend ermittelten Gesamtvertretungsbedarf für planmäßige Lehrkräfte nicht übersteigt (BAG 3. Dezember 1986 - 7 AZR 354/85 - BAGE 54, 10). Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, Arbeitskräfte entsprechend dem jeweiligen Bedarf zu beschäftigen, besteht nicht und ist auch nicht zum Nachweis des Ursachenzusammenhangs zu verlangen. Diesen hat das Landesarbeitsgericht anhand der vom beklagten Land genannten Daten zur Ermittlung des tatsächlichen Gesamtvertretungsbedarfs zu überprüfen.

b) Unerheblich ist auch, ob der Arbeitgeber bei der Auswahl von Vertretungskräften fachspezifische Bedarfslagen berücksichtigt, die nicht auf dem Ausfall von Lehrern, sondern auf einer unzureichenden Ausstattung mit planmäßigen Lehrkräften beruhen. Das gilt jedenfalls dann, wenn das beklagte Land nicht daran gehindert ist, für den Unterricht in diesen Fächern vorhandene planmäßige Lehrkräfte fachfremd zu verwenden. Insoweit verbleibt dem beklagten Land als Arbeitgeber die Entscheidung, ob und welche Arbeitsaufgaben von den Vertretungskräften erledigt werden sollen.

2. Bei der Überprüfung des Gesamtvertretungsbedarfs ist auch zu würdigen, ob das beklagte Land alle von ihm angegebenen Ausfälle der planmäßigen Lehrer in die Berechnung einstellen durfte.

a) Der Sachgrund der Vertretung verlangt eine Prognose des Arbeitgebers zum Wegfall des Vertretungsbedarfs (BAG 11. Dezember 1991 - 7 AZR 431/90 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 141 = EzA BGB § 620 Nr. 110). Diese Prognose hat sich darauf zu beziehen, ob im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit den Vertretungskräften zu erwarten ist, daß die zu vertretenden Mitarbeiter ihre Arbeit wieder aufnehmen bzw. ihren Dienst wieder antreten (BAG 22. November 1995 - 7 AZR 252/95 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 178 = EzA BGB § 620 Nr. 138). Die Prognose gibt auch die Vorstellungen des Arbeitgebers zur zeitlichen Dauer des Vertretungsbedarfs wieder. Diese Vorstellung bestimmt zugleich die äußere Grenze der Laufzeit der Zeitverträge mit den Vertretungskräften. Das besagt die ständige Senatsrechtsprechung, wonach die Dauer der Vertretung nicht mit der Dauer des Sachgrundes identisch sein muß, sich jedoch am Sachgrund der Befristung zu orientieren und mit ihr derart in Einklang zu stehen hat, daß sie nicht gegen das Vorliegen des Sachgrundes spricht (BAG 31. August 1994 - 7 AZR 983/93 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 163 = EzA BGB § 620 Nr. 127 zu V 1 der Gründe mwN).

Schließt das beklagte Land mit Vertretungskräften im Rahmen eines Gesamtvertretungsbedarfs schuljahresbezogene Zeitverträge, muß dieser Vertretungsbedarf auf zeitlich entsprechenden Abwesenheitszeiten planmäßiger Lehrkräfte beruhen. Daraus folgt, daß der Arbeitgeber bei der Ermittlung des Gesamtvertretungsbedarfs im Schulbereich nicht jede Abwesenheit einer planmäßigen Lehrkraft ungeachtet ihrer voraussichtlichen Dauer zum Anlaß für eine schuljahresbezogene Einstellung von Vertretungskräften nehmen darf. Denn ansonsten wäre der Sachgrund der Gesamtvertretung nur noch der äußere Anlaß für den Abschluß von Zeitverträgen und damit vorgeschoben, weil ein auf das Schuljahr bezogener tatsächlicher Vertretungsbedarf in diesem Umfang nicht besteht.

b) Das bedeutet im einzelnen:

aa) Der Arbeitgeber muß für jeden Einzelfall die Gründe kennen, auf denen die Abwesenheit seiner planmäßigen Mitarbeiter beruht. Nur anhand dieses Wissens kann zuverlässig beurteilt werden, ob mit der Rückkehr der zu vertretenden Mitarbeiter zu rechnen ist und deshalb der Bedarf an der Arbeitsleistung der Vertretungskräfte zeitlich begrenzt und auch weitgehend für die Dauer des Schuljahres besteht (BAG 24. September 1997 - 7 AZR 669/96 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 192 = EzA BGB § 620 Nr. 147).

In den Fällen einer auf tariflichen oder beamtenrechtlichen Vorschriften beruhenden Beurlaubung bzw. Arbeitszeitreduzierung läßt sich ein vorübergehender und auch schuljahresbezogener Bedarf an der Arbeitsleistung der Vertretungskraft zuverlässig prognostizieren, weil der Arbeitgeber davon ausgehen muß, daß der beurlaubte Angestellte oder Beamte nach Ablauf eines schuljahresbezogenen Beurlaubungszeitraumes seinen Arbeitsaufgaben wieder in vollem Umfang nachgeht und für das kommende Schuljahr erneut zur Verfügung steht (BAG 3. Dezember 1986 - 7 AZR 354/85 - BAGE 54, 10).

bb) Für eine vorübergehende Abwesenheit, die auf der Gewährung von Erziehungsurlaub, Mutterschutz oder Erkrankung oder sonstigen Gründen beruht, gilt das nicht in gleicher Weise. Beim Erziehungsurlaub kann der Arbeitgeber eine konkrete Prognose zur Rückkehr des Arbeitnehmers nach Ablauf des jeweiligen Schuljahres nur bei einem beantragten oder bewilligten Erziehungsurlaub stellen, der zumindest die Dauer eines Schuljahres auch annähernd erreicht. Die Prognose zum vorübergehenden Arbeitsausfall aufgrund mutterschutzrechtlicher Vorschriften bezieht sich zwangsläufig auf Zeiträume, die mit dem Schuljahr regelmäßig nicht deckungsgleich sein werden. Diese Arbeitsausfälle dürfen in die Berechnung eines an der Dauer des Schuljahres orientierten Gesamtvertretungsbedarfs ebensowenig einfließen wie krankheitsbedingte Abwesenheitszeiten planmäßiger Lehrkräfte, bei denen - etwa in Fällen von Kurzzeiterkrankungen - ein schuljahresbezogener Vertretungsbedarf nicht zuverlässig prognostiziert werden kann. Für sonstige Abwesenheitsgründe gilt nichts anderes. Sie können in die rechnerische Ermittlung des Gesamtvertretungsbedarfs einfließen, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegen und mit einer Rückkehr der zu vertretenden Mitarbeiter nicht vor Ablauf des Schuljahres zu rechnen ist.

cc) Der künftige Vertretungsbedarf wird jedoch nicht nur durch die Ungewißheit bestimmt, in welchem Umfang und für welche Zeitdauer bestehende Beschäftigungsverhältnisse suspendiert sein werden, sondern auch von der Entwicklung des tatsächlichen Arbeitsanfalls (BAG 3. Dezember 1986 - 7 AZR 354/85 - BAGE 54, 10). Das erfordert eine zusätzliche Prognose zum tatsächlichen Arbeitskräftebedarf aufgrund der für das jeweilige Schuljahr zu erwartenden Schülerzahlen, der Klassenstärken und der Auswirkungen organisationsspezifischer Unterrichtsvorgaben. Denn ein Gesamtvertretungsbedarf setzt die Deckung eines tatsächlichen Lehrkräftebedarfs voraus, der ohne die Beurlaubung oder sonstige schuljahresbezogene Abwesenheit von planmäßigen Lehrkräften ansonsten nicht entstanden wäre und für den an sich planmäßig angestellte Lehrkräfte auf Dauerarbeitsplätzen vorhanden sind (BAG 3. Dezember 1986- 7 AZR 354/85 - BAGE 54, 10).

dd) Die von dem beklagten Land nach diesen Vorgaben geforderte Prognose muß vor Vertragsschluß erstellt worden sein. Dafür muß das beklagte Land den Vertretungsbedarf nach den vorgenannten Grundsätzen für die vorhandenen planmäßigen Lehrer ermittelt haben. Dazu muß zu diesem Zeitpunkt auch der tatsächliche Arbeitskräftebedarf für das Schuljahr 1995/1996 bekannt gewesen sein. Entscheidend ist somit, zu welchem Zeitpunkt dem Landesschulamt die für die Ermittlung des tatsächlichen Lehrerbedarfs maßgeblichen organisatorischen Unterrichtsvorgaben bekannt waren.

3. Das beklagte Land beschäftigt wegen eines ständigen und bisher nicht näher dargelegten Vertretungsbedarfs auch eine größere Anzahl von Lehrkräften in Dauerarbeitsverhältnissen. Beschäftigt ein Arbeitgeber zur Deckung des Vertretungsbedarfs sowohl befristet als auch unbefristet eingestellte Arbeitnehmer, bedarf es zur Rechtfertigung der Befristung einer am Sachgrund der Befristung orientierten Konzeption, um ausschließen zu können, daß der Befristungsgrund nicht nur vorgeschoben und die Befristung damit sachwidrig ist (BAG 12. September 1996 - 7 AZR 64/96 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 183 = EzA BGB § 620 Nr. 144). Zwar kann das beklagte Land zur Abdeckung eines Vertretungsbedarfs eine sog. Personalreserve bilden und dafür Lehrkräfte auf Dauer beschäftigen (vgl. BAG 8. September 1983 - 2 AZR 438/82 - BAGE 44, 107). In diesem Fall dürfen jedoch die Anlässe, die der Dauervertretung zugrunde liegen, bei der Ermittlung des weiteren Gesamtvertretungsbedarfs nicht berücksichtigt werden, weil es insoweit an einem Vertretungsbedarf fehlt. Diese Zuordnung ist vom beklagten Land in einem erneuten Berufungsverfahren noch vorzutragen und vom Landesarbeitsgericht zu würdigen.

B. I. Kommt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, daß die im Vertrag vom 11. August 1995 zum 3. August 1996 vereinbarte Befristung unwirksam war, so bestand zwischen den Parteien danach ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in Vollzeit. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der am 7. August 1996 unter Vorbehalt abgeschlossene Anschlußvertrag habe keine Änderung des Vertragsinhalts des unbefristet fortbestehenden Arbeitsverhältnisses zur Folge gehabt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß nach den Grundsätzen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle die Unwirksamkeit einer Befristung zum dauerhaften Fortbestehen der durch den Zeitvertrag begründeten arbeitsvertraglichen Beziehungen zu den in diesem Vertrag vereinbarten Bedingungen führt. Dies gilt auch, wenn die Parteien einen neuen Vertrag mit Vorbehalt zu geänderten Bedingungen schließen. Ein Vorbehalt bewirkt, daß die nachfolgenden Vertragserklärungen nicht die Folgerung rechtfertigen, der vorhergehende Vertrag sei aufgehoben. Er ermöglicht die gerichtliche Befristungskontrolle trotz eines nachfolgenden Vertrags. Dagegen führt er nicht zu einer inhaltlichen Änderung des vorangegangenen Vertrags. Im Falle der Unwirksamkeit der im Vertrag vom 11. August 1995 vereinbarten Befristung gelten daher die in diesem Vertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen fort.

II. Falls sich die Befristung im Vertrag vom 11. August 1995 als wirksam erweisen sollte, wird das Landesarbeitsgericht über den Hilfsantrag befinden und prüfen müssen, ob die im Vertrag vom 7. August 1996 zum 2. August 1997 vereinbarte Befristung wirksam ist. Dörner

Schmidt LinsenmaKnapp

Jens Herbst

 

Fundstellen

Haufe-Index 611059

RiA 2001, 53

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