Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftspflicht bei Nebentätigkeit

 

Orientierungssatz

1. Einen Auskunftsanspruch des Arbeitgebers zu der Frage, ob der Arbeitnehmer eine entgeltliche Nebentätigkeit ausübt, begründet § 13 MTL II nach seinem Wortlaut nicht.

2. Die Auslegung des § 13 MTL II ergibt auch keine Anhaltspunkte für die ergänzende Anwendung des § 70 Abs 4 BG NW. § 13 MTL ist eine eigenständige, vom Beamtenrecht unabhängige Regelung.

3. Hat der Arbeitgeber Anhaltspunkte dafür, daß ein Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, ist er berechtigt, den Arbeitnehmer nach den Gründen und dabei insbesondere auch danach zu fragen, ob er eine Nebentätigkeit ausübt. Fehlt es an einem durch Tatsachen begründeten Verdacht gegenüber dem Arbeitnehmer, ist der Arbeitgeber zu dieser Frage nicht berechtigt.

 

Normenkette

TVG § 1; BAT § 11; MTL § 13; BGB § 242; MTL 2 § 13; BG NW § 70 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 10.01.1990; Aktenzeichen 2 Sa 1107/89)

ArbG Aachen (Entscheidung vom 31.08.1989; Aktenzeichen 2 Ca 556/89)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Entfernung von Abmahnungen aus den Personalakten der Kläger.

Die Kläger sind als Arbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Auf die Arbeitsverhältnisse findet der Manteltarifvertrag für die Arbeiter der Länder (MTL II) Anwendung.

In einem Prüfbericht beanstandete die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule, daß für keinen der Bediensteten der Beklagten eine Genehmigung zur Ausübung einer Nebentätigkeit erteilt sei und deshalb davon auszugehen sei, daß die Mitarbeiter aus Unkenntnis genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten nicht gemeldet hätten. Daraufhin forderte die Beklagte die Kläger in einem Fragebogen auf, anzugeben, ob und in welchem Umfang sie Nebentätigkeiten gegen Entgelt ausübten. Nachdem das Verwaltungsgericht entschieden hatte, daß der Fragebogen nicht der Zustimmung des Personalrats bedürfe, wiederholte die Beklagte die Aufforderung am 1. Dezember 1988 und setzte für die Beantwortung eine Frist bis zum 9. Dezember 1988. Nach erfolglosem Fristablauf erteilte die Beklagte den Klägern Abmahnungen, die zu den Personal akten genommen wurden. In den Abmahnungsschreiben vom 9. Januar 1989 hieß es:

"Betr.: A b m a h n u n g

Sehr geehrte

in den letzten Monaten sind Sie mehrmals, zuletzt

mit Schreiben vom 1.12.1988 aufgefordert worden,

den beiliegenden Erklärungsbogen über die eventu-

elle Ausübung einer Nebentätigkeit auszufüllen

und in der Personalstelle abzugeben. Bis heute

haben Sie Ihren Erklärungsbogen nicht ausgefüllt

in der Personalstelle abgegeben.

Gemäß § 13 MTL II sind Sie verpflichtet, auf Ver-

langen des Dienstvorgesetzten Auskunft über Art

und Umfang der von Ihnen ausgeübten Nebentätig-

keiten gegen Entgelt und die Höhe der dafür emp-

fangenen Vergütung zu geben. Die Verweigerung der

Abgabe der ausgefüllten Nebentätigkeitserklärung

stellt eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung

dar.

Ich mißbillige Ihr Verhalten ausdrücklich und

fordere Sie nochmals auf, die beiliegende Erklä-

rung über die eventuelle Ausübung einer Nebentä-

tigkeit bis 20. Januar 1989 ausgefüllt in der

Personalstelle abzugeben.

Sollten Sie bis zum oben angegebenen Termin Ihrer

Verpflichtung nicht nachkommen, weise ich Sie

schon jetzt darauf hin, daß Sie mit weiteren ar-

beitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen.

Dieses Schreiben wird Bestandteil Ihrer Personal-

akte."

Aufgrund der Abmahnungen gaben die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 9) die Fragebogen ausgefüllt zurück. Die übrigen Kläger teilten mit Schreiben vom 10. Januar 1989 mit, sie übten einen Nebenerwerb nicht aus und beabsichtigten auch nicht, dies zu tun. Die Fragebogen füllten sie nicht aus.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, sie hätten keine Pflichtverletzungen begangen. Zur Beantwortung der gestellten Fragen seien sie nicht verpflichtet gewesen, weil § 13 MTL II eine entsprechende Auskunftspflicht nicht begründe. Wegen ihrer nachträglich abgegebenen Erklärungen sei für die Abmahnungen ohnehin kein Raum mehr.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnungen vom

9. Januar 1989 aus den Personalakten der Kläger

zu entfernen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat gemeint, § 13 MTL II verpflichte den Arbeiter, auf Verlangen des Arbeitgebers Auskunft auf die Frage zu erteilen, ob eine entgeltliche Nebentätigkeit ausgeübt wird. Ergänzend seien die für die Landesbeamten geltenden Regelungen anzuwenden, die eine entsprechende Verpflichtung vorsähen.

Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihre Klageansprüche weiter, während die Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils und zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klage ist begründet. Die Kläger haben einen Anspruch darauf, daß die Abmahnungen vom 9. Januar 1989 aus den Personalakten entfernt werden.

I.Das Landesarbeitsgericht hat diesen Anspruch abgelehnt, weil die Kläger durch die Verweigerung der Auskunft eine Nebenpflicht aus § 13 MTL II verletzt hätten. Zwar normiere diese Bestimmung nicht ausdrücklich eine Auskunftspflicht der Arbeiter. Die Regelungen des Landesbeamtenrechts seien jedoch sinngemäß anzuwenden. Nach § 70 Abs. 4 LBG NW habe der Beamte auf Verlangen des Dienstvorgesetzten über Nebentätigkeiten Auskunft zu erteilen. In jedem Fall aber habe sich das Recht der Beklagten aus der konkreten Situation ergeben, die durch den Prüfbericht der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule entstanden sei. Ein berechtigtes Interesse an der Auskunft bestehe für die Beklagte auch deshalb, weil der Arbeitgeber bei entgeltlicher Nebentätigkeit des Arbeitnehmers die Sozialversicherungsbeiträge in bestimmten Fällen nur anteilig zusammen mit dem weiteren Arbeitgeber schulde.

Dieser Rechtsauffassung vermag der Senat nicht zu folgen. II.Die Beklagte muß die Abmahnungen aus den Personalakten der Kläger entfernen.

Ein Arbeitnehmer hat aufgrund der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gemäß § 242 BGB in entsprechender Anwendung von § 1004 BGB einen Anspruch darauf, daß eine auf unrichtigen Tatsachen beruhende Abmahnung aus den Personalakten entfernt wird (BAGE 50, 202 = AP Nr. 93 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht). Die Abmahnungen vom 9. Januar 1989 beruhen auf unrichtigen Tatsachen. Die Kläger haben durch ihre Weigerung nicht gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen, denn sie waren zu der begehrten Auskunft gegenüber der Beklagten nicht verpflichtet.

1.Der Auskunftsanspruch der Beklagten ergab sich nicht aus § 13 MTL II. a)Nach dieser Bestimmung darf der Arbeiter Nebentätigkeiten gegen Entgelt nur ausüben, wenn der Arbeitgeber seine Zustimmung erteilt. Der Arbeiter muß also, wenn er eine entgeltliche Nebentätigkeit ausüben will, die Zustimmung des Arbeitgebers einholen. Unterläßt er dies, verletzt er seinen Arbeitsvertrag.

Einen Auskunftsanspruch des Arbeitgebers zu der Frage, ob der Arbeitnehmer eine entgeltliche Nebentätigkeit ausübt, also eine Pflicht des Arbeitnehmers, auf Aufforderung des Arbeitgebers zu erklären, daß er keine entgeltliche Nebentätigkeit ausübt, begründet § 13 MTL II nach seinem für die Auslegung in erster Linie maßgebenden Wortlaut nicht.

b)Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts liefert die Auslegung des § 13 MTL II auch keine Anhaltspunkte für die ergänzende Anwendung des § 70 Abs. 4 LBG NW, wonach der Beamte auf Verlangen des Dienstvorgesetzten verpflichtet ist, über Art und Umfang der von ihm ausgeübten Nebentätigkeit und die Höhe der dafür empfangenen Vergütung Auskunft zu geben.

Weder der Tarifwortlaut noch der sonst im Tarifvertrag zum Ausdruck gekommene Wille der Tarifvertragsparteien berechtigen zu dieser Annahme des Berufungsgerichts. Der Vergleich mit der entsprechenden Regelung des § 11 BAT, die anders als § 13 MTL II ausdrücklich auf die beamtenrechtlichen Bestimmungen verweist, spricht entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts eher dafür, in § 13 MTL II eine eigenständige, vom Beamtenrecht unabhängige Regelung zu sehen. Jedenfalls haben die Tarifpartner von der ihnen bekannten Möglichkeit, ergänzend auf die Bestimmungen des Beamtenrechts zu verweisen, keinen Gebrauch gemacht. Nicht überzeugend ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Verweisung sei in § 13 MTL II allein deshalb unterblieben, weil bei den Arbeitern, anders als bei den Angestellten, nur die entgeltliche Nebentätigkeit der Zustimmung des Arbeitgebers bedarf. Einer darauf beschränkten Bezugnahme hätte, wenn die Tarifvertragsparteien dies gewollt hätten, nichts im Wege gestanden.

Die Frage, ob bei sinngemäßer Anwendung des § 70 Abs. 4 LBG NW der Auskunftsanspruch begründet gewesen wäre, kann somit dahinstehen.

2.Auch individualrechtlich waren die Kläger nicht zu der begehrten Auskunft verpflichtet.

a)Wie jeder Gläubiger berechtigt ist, den Schuldner an die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Verbindlichkeit zu erinnern, war die Beklagte nicht gehindert, die Kläger auf deren Verpflichtung nach § 13 MTL II hinzuweisen. Die Frage der Beklagten, ob und in welchem Umfang die Kläger Nebentätigkeiten gegen Entgelt ausübten, ging jedoch über einen solchen Hinweis hinaus. Zur Beantwortung dieser auf Ausübung, Art und Umfang von Nebentätigkeit gerichteten Frage waren die Kläger nicht verpflichtet. Die Beantwortung einer solchen Frage kann der Arbeitgeber von Arbeitnehmern nur verlangen, wenn und soweit er an der Beantwortung ein berechtigtes Interesse hat. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Gefahr besteht, daß Höchstarbeitszeiten überschritten werden, daß Wettbewerb ausgeübt wird oder daß die arbeitsvertraglichen Pflichten insbesondere durch übermäßige Beanspruchung verletzt werden (vgl. Monjau, Nebentätigkeit des Arbeitnehmers in AR-Blattei D, Nebentätigkeit des Arbeitnehmers I D I). Für diese Anspruchsvoraussetzungen hat die Beklagte keine Tatsachen behauptet.

b)Auch die Grundsätze über den allgemeinen Auskunftsanspruch des Gläubigers führen nicht zu einer für die Beklagte günstigeren Beurteilung.

In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, daß nach § 242 BGB auch im Arbeitsverhältnis ein Auskunftsanspruch besteht, soweit der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, während der Verpflichtete unschwer Auskunft erteilen kann (BAG Urteil vom 22. April 1967 - 3 AZR 347/66 - AP Nr. 12 zu § 242 BGB Auskunftspflicht; BAG Urteil vom 21. Oktober 1970 - 3 AZR 479/69 - AP Nr. 13 zu § 242 BGB Auskunftspflicht).

Die Kläger waren auch danach nicht verpflichtet, die gestellte Frage zu beantworten.

Hat der Arbeitgeber den Verdacht, daß ein Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, so muß er diesem den Vertragsverstoß nachweisen. Gelingt ihm dies nicht, ist eine Maßnahme, die der Arbeitgeber auf das angebliche vertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers stützt (Abmahnung, Kündigung), rechtswidrig. Hat der Arbeitgeber Anhaltspunkte für die Vertrags verletzung, so ist er berechtigt, den Arbeitnehmer nach den Grün den und dabei insbesondere auch danach zu fragen, ob er eine Nebentätigkeit ausübt. Der erkennende Senat verweist auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Verletzung von Wettbewerbsverboten, nach der Auskunft über die jeweilige Tätigkeit verlangt werden kann, wenn der konkrete Verdacht einer Vertragsverletzung gegeben ist (vgl. BAG Urteil vom 22. April 1967 - 3 AZR 347/66 - AP, aaO; BAG Urteil vom 21. Oktober 1970 - 3 AZR 479/69 - AP, aaO).

Die Beklagte besaß keine Anhaltspunkte dafür, daß die Kläger entgeltliche Nebentätigkeiten ausübten (z.B. Rückgang der Arbeitsleistung, häufiges Zuspätkommen, mangelnde Bereitschaft zu Überstunden). Die Tatsache, daß keiner der Arbeitnehmer eine Nebentätigkeitsgenehmigung besaß, mochte zwar die Vermutung begründen, ein Teil der Arbeitnehmer gehe trotzdem einer Nebentätigkeit nach; es fehlte aber an einem durch Tatsachen begründeten Verdacht gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern.

Ein Interesse der Beklagten an der Beantwortung der Frage wurde nicht bereits durch den Inhalt des Prüfberichts der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule begründet. Dieser stellte nur fest, daß keine Nebentätigkeitsgenehmigungen vorlagen. Er zeigte jedoch keine konkreten Verdachtsgründe gegenüber einzelnen Arbeitnehmern auf. Diesen Bericht konnte die Beklagte somit nur zum Anlaß nehmen, die Arbeiter auf § 13 MTL II hinzuweisen, was sie zunächst auch getan hat. Auch die Furcht vor nachteiligen sozialversicherungsrechtlichen Rechtsfolgen berechtigte nicht zu der gestellten Frage, solange die Beklagte keine konkreten Anhaltspunkte dafür besaß, daß Arbeitnehmer entgeltliche Nebentätigkeiten pflichtwidrig nicht mitgeteilt hatten.

III.Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Dr. Peifer Dr. Freitag Dr. Armbrüster

Oskamp Buschmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 440608

ZTR 1993, 66-67 (ST1)

ZfPR 1992, 83 (L)

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