Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufungsbegründung durch Unterbevollmächtigten

 

Leitsatz (amtlich)

  • Die Berufungsbegründung kann von einem beim Rechtsmittelgericht postulationsfähigen Rechtsanwalt, der in Untervollmacht für einen anderen Rechtsanwalt handelt, unterzeichnet werden.
  • Der Unterbevollmächtigte muß sich als selbständig verantwortlicher Bevollmächtigter zu erkennen geben; er darf nicht nur als Überbringer einer fremden Erklärung auftreten.
  • Ein Rechtsanwalt, der “für” einen anderen Rechtsanwalt die Berufung begründet, handelt erkennbar als Unterbevollmächtigter.
 

Normenkette

ZPO §§ 519, 88 Abs. 2, § 130 Nr. 6; ArbGG § 11 Abs. 2, § 64 Abs. 6; BGB § 164

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 06.10.1989; Aktenzeichen 12 Sa 1757/88)

ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 12.08.1988; Aktenzeichen 4 Ca 190/88)

 

Tenor

  • Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 6. Oktober 1989 – 12 Sa 1757/88 – aufgehoben.
  • Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Senat hat über die Zulässigkeit einer Berufung zu entscheiden.

Der Kläger, der bei der Beklagten 1985 und 1986 beschäftigt war, hält eine Vereinbarung in seinem Arbeitsverhältnis für unwirksam. Diese Vereinbarung lautet:

“Für alle zukünftigen Forschungsergebnisse, die sich auf Blutegelinhaltsstoffe beziehen, bietet Prof. Dr. Dr. F… P… eine weltweit ausschließliche Option auf die Verwertung einschließlich der Anmeldung von Schutzrechten an. P… kann diese Option im Einzelfall innerhalb einer Frist von 3 Monaten durch schriftliche Erklärung ausüben. Erklärt P… die Ausübung der Option, so werden die Parteien einen Lizenzvertrag zu marktüblichen Bedingungen abschließen. Übt P… die Option nicht aus, ist Herr Prof. Dr. Dr. F… in der Verwertung frei.”

Der Kläger will festgestellt haben, daß diese Vereinbarung unwirksam ist.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Urteil wurde der Beklagten am 17. Oktober 1988 zugestellt. Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten, Rechtsanwalt H… aus O…, legte am 15. November 1988 beim Landesarbeitsgericht in Hannover Berufung ein. Am 15. Dezember 1988 übermittelte der Prozeßbevollmächtigte eine Berufungsbegründungsschrift mit seinem Briefkopf als Telekopie von einem Gerät der T… AG O…, mit der er gemeinsam einen Telefaxanschluß unterhielt, an Rechtsanwalt W… in Hannover. Rechtsanwalt W… fügte auf der letzten Seite der ihm übermittelten Telekopie hinzu:

“für Rechtsanwalt H…:”

Rechtsanwalt W… unterschrieb diese Erklärung mit seinem Namen und stempelte mit dem Zusatz “Rechtsanwalt”. Diese Telekopie warf er am gleichen Tage in einem Briefumschlag in den Nachtbriefkasten des Landesarbeitsgerichts ein. Der Briefumschlag war an das Landesarbeitsgericht Niedersachsen gerichtet.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten durch Urteil als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte die Berufung nicht als unzulässig verwerfen. Die Berufungsbegründung, die innerhalb der Berufungsbegründungsfrist am 15. Dezember 1988 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, entsprach der gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 64 Abs. 6 ArbGG in Verb. mit § 519 ZPO). Sie war von einem Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigtem unterschrieben (§ 11 Abs. 2 ArbGG in Verb. mit § 130 Nr. 6 ZPO).

1. Rechtsmittelbegründungsschriften können in Untervollmacht von jedem beim Rechtsmittelgericht postulationsfähigen Rechtsanwalt, auch von einem in Untervollmacht für einen anderen Rechtsanwalt handelnden Rechtsanwalt, unterzeichnet werden (BAGE 3, 55 = AP Nr. 10 zu § 11 ArbGG 1953; Urteil vom 26. Juli 1967 – 4 AZR 172/66 – AP Nr. 11 zu § 518 ZPO; Urteil vom 30. Mai 1978 – 1 AZR 664/75 – AP Nr. 42 zu § 518 ZPO = BB 1978, 1573; RGZ 65 a.F. (= 15 n.F.), 81 ff.; vgl. BGH Beschluß vom 19. Februar 1976 – VII ZB 1/76 – MDR 1976, 569 f.; Beschluß vom 21. April 1966 – VII ZB 2/66 – NJW 1966, 1362; vgl. auch LG Trier, Urteil vom 8. November 1952 – 1 S 322/52 – NJW 1953, 426 f. mit zust. Anm. Berg ebenda; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 48. Aufl., § 518 Anm. 1 B b).

Der Unterbevollmächtigte muß sich für das Rechtsmittelgericht als selbständig verantwortlicher Bevollmächtigter zu erkennen geben. Dadurch unterscheidet er sich von einem Boten, dem Überbringer einer fremden Erklärung. Erklärungen wirken unmittelbar für und gegen den Vertretenen nur dann, wenn der Vertreter sie im Namen des Vertretenen abgibt (§ 164 Abs. 1 und 2 BGB) (BAGE 3, 55 = AP Nr. 10 zu § 11 ArbGG 1953; Urteil vom 30. Mai 1978 – 1 AZR 664/75 – AP Nr. 42 zu § 518 ZPO; zuletzt Beschluß vom 11. August 1987 – 7 AZB 17/87 – AP Nr. 54 zu § 518 ZPO; RGZ 65, 81 ff.; BGH Beschluß vom 5. November 1987 – V ZR 139/87 – NJW 1988, 210, mit weiteren Nachweisen).

2. Das Landesarbeitsgericht mußte davon ausgehen, daß Rechtsanwalt W… Untervollmacht hatte. Tritt ein Bevollmächtigter als Rechtsanwalt auf, hat das Gericht den Mangel der Vollmacht nur zu prüfen, wenn der Gegner dies rügt (§ 88 Abs. 2 ZPO).

Rechtsanwalt W… ist auch erkennbar als Unterbevollmächtigter aufgetreten. Er hat “für Rechtsanwalt H…” unterschrieben. Wer als Rechtsanwalt für einen anderen Rechtsanwalt unterschreibt, gibt eine Erklärung für diesen ab. Die Beklagte weist mit Recht darauf hin, daß die Formulierung “für” in der Regel das Handeln eines Vertreters anzeigt. Zudem vermerkt das Landesarbeitsgericht in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung selbst, daß “für die Beklagte” Rechtsanwalt H… erschienen sei und Erklärungen abgegeben habe. Die gleiche Formulierung verwendet der Senat in seinen Niederschriften über mündliche Verhandlungen, wenn Rechtsanwälte als Unterbevollmächtigte anderer Rechtsanwälte auftreten. Mit diesem Hinweis distanziert sich der Unterbevollmächtigte nicht von den Erklärungen in der Berufungsbegründung. Er weist nur auf die Tatsache seiner Unterbevollmächtigung hin.

Zweifel daran, daß Rechtsanwalt W… als Unterbevollmächtigter des Rechtsanwalts H… die Berufung begründet hat, ergeben sich auch nicht aus den vom Berufungsgericht erörterten weiteren Umständen. Richtig ist, daß Zweifel am Auftreten als Unterbevollmächtigter nicht dadurch entstehen dürfen, daß der Rechtsanwalt sich vom Inhalt einer Rechtsmittelschrift distanziert und für diese keine Verantwortung übernehmen will (vgl. BAG Urteil vom 26. Juli 1967 – 4 AZR 172/66 – AP Nr. 11 zu § 518 ZPO, mit zust. Anm. von Wieczorek; BGH Beschluß vom 5. November 1987 – V ZR 139/87 – NJW 1988, 210 f. für den Fall, daß ein Rechtsanwalt “im Auftrag” statt “in Vertretung” unterzeichnet; RGZ 65, 81, 82, 85 für den Fall, daß ein Rechtsanwalt neben seiner Unterschrift vermerkt “Verfasser Rechtsanwalt F. München”; vgl. aus der Literatur noch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 48. Aufl., § 518 Anm. 1 B b; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 129 Rz A IIb 2; Thomas/Putzo, ZPO, 15. Aufl., § 519 Anm. 3 Nr. 2).

Die Umstände, die das Landesarbeitsgericht anführt, rechtfertigen nicht die Annahme, Rechtsanwalt W… habe sich von der Berufungsbegründung distanziert und seine Verantwortung eingeschränkt. Wenn er für Rechtsanwalt H… eine Erklärung abgeben wollte, brauchte er dessen auf dem Schriftsatz mitkopierte Unterschrift nicht zu löschen. Hinweise auf den sachbearbeitenden Verfasser sind unschädlich (BAG Beschluß vom 11. August 1987 – 7 AZB 17/87 – AP Nr. 54 zu § 518 ZPO). Mit der Einreichung einer weiteren Berufungsbegründungsschrift durch Rechtsanwalt H… kann Rechtsanwalt W… ebenfalls nicht zum Ausdruck gebracht haben, er wolle sich von der Berufungsbegründungsschrift distanzieren und seine Verantwortung einschränken.

3. Es ist unschädlich, daß Rechtsanwalt W… als Unterbevollmächtigter weder im Schriftsatz noch auf dem Briefumschlag seine ladungsfähige Anschrift dem Landesarbeitsgericht mitgeteilt hatte. Der Berufungskläger braucht nicht einmal die ladungsfähige Anschrift des Berufungsbeklagten oder dessen Prozeßbevollmächtigten anzugehen (BAGE – GS – 53, 30 = AP Nr. 53 zu § 518 ZPO; BGHZ 65, 114 = AP Nr. 32 zu § 518 ZPO). Fehlende Angaben über die Anschrift eines Unterbevollmächtigten haben auf den Ablauf des Verfahrens keinen Einfluß, Schützenswerte Interessen des Gegners werden nicht verletzt.

4. Der Senat kann in der Sache selbst nicht entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat die Behauptungen der Parteien noch nicht gewürdigt.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Griebeling, Dr. Wittek, Lichtenstein, Dr. Jesse

 

Fundstellen

Haufe-Index 841021

NJW 1990, 2706

RdA 1990, 318

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