Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Arbeitslosengeld auf Karenzentschädigung

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 128a Satz 3 AFG gestattet nur die Anrechnung des von der Bundesanstalt für Arbeit an den Arbeitnehmer gezahlten Arbeitslosengeldes auf die Karenzentschädigung in der Weise, wie auch anderweitig erzieltes Arbeitseinkommen bei der Berechnung der Karenzentschädigung berücksichtigt wird (vgl § 74c HGB). Die Bestimmung gestattet nicht die Kürzung der Karenzentschädigung um das vom Arbeitgeber der Bundesanstalt für Arbeit nach § 128a Satz 1 und 2 AFG erstattete Arbeitslosengeld.

 

Normenkette

HGB § 74c; AFG § 128a

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 17.05.1988; Aktenzeichen 13 Sa 206/88)

ArbG Osnabrück (Entscheidung vom 04.12.1987; Aktenzeichen 3 Ca 784/87)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung.

Der beklagte Arbeitnehmer war bei der Klägerin vom 1. Mai 1984 bis zum 30. September 1985 als Angestellter beschäftigt. Er verdiente zuletzt 5.400,-- DM brutto monatlich. In § 12 des Arbeitsvertrags war für die Dauer eines Jahres ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart. Die Karenzentschädigung sollte die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen betragen.

Nach seinem Ausscheiden war der beklagte Arbeitnehmer zunächst vom 1. Oktober 1985 bis zum 31. März 1986 in einem anderen Arbeitsverhältnis tätig. Anschließend war er fünf Monate arbeitslos. Ab 1. September 1986 nahm er eine neue Beschäftigung an.

Der Beklagte erhielt während seiner Arbeitslosigkeit von der Bundesanstalt für Arbeit Arbeitslosengeld in Höhe von insgesamt 7.627,90 DM. An Sozialversicherungsbeiträgen führte die Bundesanstalt in dieser Zeit für den Beklagten insgesamt 3.886,21 DM ab. Die Summe von 11.514,11 DM erstattete die Klägerin der Arbeitsverwaltung. An den Beklagten zahlte die Klägerin für die Zeit vom 1. April bis zum 30. September 1986 insgesamt 7.338,-- DM als Karenzentschädigung.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie habe dem Beklagten für April bis einschließlich September 1986 zuviel Karenzentschädigung gezahlt. Der Beklagte habe einen Entschädigungsanspruch von 14.569,48 DM. Davon seien die Zahlungen an die Bundesanstalt für Arbeit in Höhe von 11.514,11 DM abzuziehen, so daß der beklagte Arbeitnehmer nur 3.055,37 DM beanspruchen könne; er habe daher 4.282,63 DM zuviel erhalten. Diese müsse er zurückzahlen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 4.282,63 DM

nebst 8 % Zinsen seit 1. Mai 1987 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, die Karenzentschädigung dürfe nicht um das der Bundesanstalt erstattete Arbeitslosengeld vermindert werden. Nach § 128 a Satz 3 AFG i.V. mit § 74 c Abs. 1 HGB dürfe lediglich die Summe aus Karenzentschädigung und Arbeitslosengeld den Betrag von 110 % der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen nicht übersteigen. Da dies nicht der Fall sei, könne er den Entschädigungsbetrag von 14.569,48 DM abzüglich gezahlter 7.338,-- DM, mithin weitere 7.231,48 DM von der Klägerin verlangen. Diesen Betrag nebst Zinsen hat der Beklagte im Wege der Widerklage geltend gemacht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision will die Klägerin erreichen, daß der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung. Der Beklagte kann von der Klägerin weitere 7.231,48 DM Karenzentschädigung verlangen.

I. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Beklagte aufgrund des vereinbarten Wettbewerbsverbots nach § 74 HGB für die Zeit vom 1. April bis zum 30. September 1986 eine Entschädigung von 14.569,48 DM verlangen kann. Dies ist unstreitig und wird auch von der Revision nicht angegriffen.

II. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß diese Wettbewerbsentschädigung nicht um das von der Klägerin an die Arbeitsverwaltung erstattete Arbeitslosengeld zu kürzen ist.

1. Maßgebliche Bestimmung ist § 128 a Satz 3 AFG. Nach dieser Bestimmung muß sich der Arbeitnehmer das Arbeitslosengeld, das der Arbeitgeber der Bundesanstalt für Arbeit erstattet, wie Arbeitsentgelt auf die Entschädigung für die Wettbewerbsbeschränkung anrechnen lassen. Diese Bestimmung regelt den Umfang des Entschädigungsanspruchs und damit den Inhalt des Rechtsverhältnisses zwischen dem Arbeitgeber und seinem früheren Arbeitnehmer.

§ 128 a Satz 3 AFG schließt an die vorausgehende Regelung in § 128 a Satz 1 und 2 AFG an. Nach § 128 a Satz 1 AFG ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Arbeitsverwaltung das Arbeitslosengeld zu erstatten, wenn der Arbeitslose durch eine Vereinbarung mit dem bisherigen Arbeitgeber in seiner beruflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer beschränkt ist. Diese Bestimmung regelt die Beziehungen zwischen der Bundesanstalt für Arbeit und dem Arbeitgeber. Sie betrifft damit einen sozialversicherungsrechtlichen Tatbestand.

2. § 128 a Satz 3 AFG gestattet nur die Anrechnung des von der Bundesanstalt für Arbeit an den Arbeitnehmer gezahlten Arbeitslosengeldes auf die Karenzentschädigung, und zwar in der Weise, wie anderweitig erzieltes Arbeitseinkommen bei der Berechnung der Karenzentschädigung berücksichtigt wird. § 128 a Satz 3 AFG gestattet nicht, wie die Klägerin meint, die Kürzung der Karenzentschädigung um die vom Arbeitgeber an die Bundesanstalt für Arbeit gezahlten Beträge, nämlich das erstattete Arbeitslosengeld einschließlich der Sozialversicherungsbeiträge.

a) Nach dem Wortlaut des § 128 a Satz 3 AFG muß sich der Arbeitnehmer das erstattete Arbeitslosengeld "wie Arbeitsentgelt auf die Entschädigung für die Wettbewerbsbeschränkung anrechnen lassen". Damit verweist § 128 a Satz 3 AFG auf § 74 c HGB, ohne diese Vorschrift ausdrücklich zu nennen. Denn in § 74 c HGB ist die Anrechnung eines anderweitigen Erwerbs auf die Karenzentschädigung geregelt. Das Arbeitslosengeld soll nicht anders behandelt werden als der anderweitig erzielte Erwerb.

b) Der Senat hatte bereits mit Urteil vom 25. Juni 1985 (BAGE 49, 109 = AP Nr. 11 zu § 74 c HGB) entschieden, daß ein Arbeitnehmer, der durch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gebunden und während der Karenzzeit arbeitslos ist, sich das Arbeitslosengeld in entsprechender Anwendung des § 74 c HGB auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen muß. Ein Arbeitsloser mit Wettbewerbsbeschränkung dürfe nicht besser gestellt werden als ein vergleichbarer Arbeitnehmer, der eine ihm nicht verbotene Tätigkeit ausübe. Im Anschluß an diese Entscheidung ist der hier auszulegende § 128 a Satz 3 AFG durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985 (BGBl I, 2484) hinzugefügt worden. Es liegt nahe, daß der Gesetzgeber die Auffassung des Senats bestätigen und zur Klarstellung in § 128 a AFG aufnehmen wollte (so auch BSG Urteil vom 9. November 1989 - 11 RAr 75/88 - ZIP 1990, 598, 600).

c) Die Klägerin kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg auf einen sich aus den Gesetzesmaterialien zu § 128 a Satz 3 AFG ergebenden anderen Willen des Gesetzgebers berufen. Im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 5. Dezember 1985 (BT-Drucks. 10/4483, S. 11) heißt es hierzu zwar:

"Die Regelung gewährleistet, daß der Arbeitgeber, der mit

dem Arbeitnehmer eine Wettbewerbsabrede getroffen hat

und deshalb nach § 128 a erstattungspflichtig ist, das

Arbeitslosengeld wie Arbeitsentgelt von der Wettbewerbs-

entschädigung abziehen kann. Damit wird eine "doppelte

Belastung" des Arbeitgebers vermieden."

Diese Erläuterung ist aber mißverständlich. Sie rechtfertigt nicht, § 128 a Satz 3 AFG gegenüber § 74 c HGB als eine Sonderregelung anzusehen. Die Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen sind nicht dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen. Der Wille des Gesetzgebers kann nur insoweit berücksichtigt werden, als er im Gesetz selbst hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat (BVerfGE 11, 126, 130).

d) Auch das Argument von der "Doppelbelastung des Arbeitgebers" trifft nicht zu. Die Erstattung des Arbeitslosengeldes an die Arbeitsverwaltung im Falle der Arbeitslosigkeit des im Wettbewerb beschränkten Arbeitnehmers hat sozialrechtliche Gründe. Durch das im Interesse des Arbeitgebers vereinbarte Wettbewerbsverbot ist der Arbeitnehmer schwerer zu vermitteln. Mit diesem erhöhten Risiko soll die Versichertengemeinschaft nicht belastet werden. Dagegen hat die Zahlung der Karenzentschädigung arbeitsrechtliche Gründe. Sie beruht darauf, daß der Arbeitnehmer mit der Wettbewerbsenthaltung eine Leistung für den Arbeitgeber erbringt, die zu entschädigen ist. Von einer unzumutbaren Doppelbelastung des Arbeitgebers kann daher nicht gesprochen werden.

e) Im übrigen hätte die von der Revision für richtig gehaltene Auslegung des § 128 a Satz 3 AFG zur Folge, daß der Arbeitslose mit Wettbewerbsbeschränkung im Regelfall keine Karenzentschädigung erhielte. Das Arbeitslosengeld ist nämlich regelmäßig höher als die Karenzentschädigung (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 25. Juni 1985, aaO). Das Wettbewerbsverbot würde den Arbeitnehmer benachteiligen, da er schwerer zu vermitteln ist. Eine Karenzentschädigung als Gegenleistung für die Wettbewerbsenthaltung gäbe es im Fall der Arbeitslosigkeit praktisch nicht mehr.

3. Gegen diese Auslegung des § 128 a Satz 3 AFG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. Beise, DB 1987, 1251, 1253). Für die Entscheidung in dem vorliegenden Rechtsstreit kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber einfachrechtlich zur Erstattung des Arbeitslosengeldes verpflichtet war (vgl. zu dieser Verpflichtung BSGE 65, 72; zuletzt BSG Urteil vom 9. November 1989 - 11 RAr 75/88 - ZIP 1990, 598). Über den Bestand und Umfang dieser sozialrechtlichen Verpflichtung muß im Verfahren zwischen Arbeitgeber und Bundesanstalt für Arbeit entschieden werden.

III. Danach steht dem beklagten Arbeitnehmer gegen die Klägerin noch ein Anspruch auf Karenzentschädigung in Höhe von 7.231,48 DM zu.

Der Entschädigungsanspruch von 14.569,48 DM ist nicht nach § 74 c HGB zu kürzen, da das Arbeitslosengeld zusammen mit der Entschädigung 110 % der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen nicht erreicht. Die Anrechnungsgrenze wird auch dann nicht überschritten, wenn man neben dem erstatteten Arbeitslosengeld von 7.627,90 DM auch die von der Klägerin an die Bundesanstalt für Arbeit abgeführten 3.886,21 DM Sozialversicherungsbeiträge berücksichtigt. Der Senat kann daher offen lassen, ob, wie die Klägerin meint, auch die vom Arbeitgeber nach § 128 a Satz 2 AFG i.V. mit § 128 Abs. 2 AFG zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge wie das nach § 128 a Satz 1 AFG zu erstattende Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung anzurechnen ist.

Dr. Heither Griebeling Dr. Wittek

Lichtenstein Dr. Jesse

 

Fundstellen

Haufe-Index 438539

BB 1990, 2337

BB 1990, 2337-2338 (LT1)

DB 1991, 451-452 (LT1)

EBE/BAG 1990, 172-173 (LT1)

ARST 1990, 235-237 (LT1)

EWiR 1990, 1221 (L1)

NZA 1990, 975-976 (LT1)

RdA 1990, 380

ZIP 1990, 1429

ZIP 1990, 1429-1439 (LT1)

AP § 74c HGB (demnächst), Nr 17

AR-Blattei, ES 1830 Nr 161 (LT1)

AR-Blattei, Wettbewerbsverbot Entsch 161 (LT1)

EzA § 74c HGB, Nr 28 (LT1)

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