Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigungsfrist bei Aushilfsverhältnis mit Höchstdauer

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 622 Abs 4 BGB können die Parteien eines Aushilfsarbeitsverhältnisses nicht nur kürzere als die in den Absätzen 1 und 2 genannten Kündigungsfristen, sondern auch von Absatz 1 abweichende Kündigungstermine vereinbaren.

2. Der Vorrang der Tarifautonomie nach § 622 Abs 3 BGB bezieht sich nicht nur auf die ausdrücklich genannten Kündigungsfristen, sondern auch auf die in Abs 1 festgelegten Kündigungstermine.

3. Wird für ein Aushilfsarbeitsverhältnis tariflich neben einer Höchstfrist auch eine vorherige ordentliche Kündigung vereinbart, so gilt im Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel Nordrhein-Westfalen vom 13. Dezember 1980 im Falle der Kündigung die für ein unbefristetes Arbeitsverhältnis einzuhaltende Frist von fünf Kalendertagen (§ 12 MTV).

 

Normenkette

TVG § 1; BGB § 622

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 13.05.1985; Aktenzeichen 10 Sa 408/85)

ArbG Essen (Entscheidung vom 20.12.1984; Aktenzeichen 1 Ca 2457/84)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer einvernehmlichen Herabsetzung der Kündigungsfrist. Die Klägerin war aufgrund eines als Aushilfenvertrag bezeichneten Arbeitsvertrages vom 30. Mai 1984 seit diesem Tag bei der Beklagten beschäftigt. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag heißt es:

"§ 1 E i n s t e l l u n g

1. Fräulein P wird mit Wirkung vom 30.05.1984

als Verkäuferin zur vorübergehenden Aushilfe ein-

gestellt bei einer Arbeitszeit von ca. 173 Std.

monatlich und zwar

a) für die Dauer des Sommer- oder Winterschluß-

verkaufs - des Weihnachtsgeschäftes - der

Ferienbeurlaubung - Erkrankung des Personals -

oder

längstens bis zum 30.06.1984

b) ...

c) ...

2. In den Fällen zu a) und b): Es wird eine beiderseitige

tägliche Kündigung vereinbart.

In den Fällen zu c): Die beabsichtigte Beendigung

des Aushilfenvertrages ist 5 Tage vorher bekanntzu-

geben. Nach Ablauf von 3 Monaten geht das Aushilfen-

verhältnis in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte

Zeit über mit einer beiderseitigen Kündigungsfrist

von 1 Monat zum Schluß eines Kalendermonats für

Angestellte bzw. 2 Wochen für gewerbliche Mitarbeiter."

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der für allgemeinverbindlich erklärte Manteltarifvertrag für den Einzelhandel-Geltungsbereich Nordrhein-Westfalen vom 13. Dezember 1980 Anwendung (im folgenden: MTV). Den vorliegenden Rechtsstreit berührende Tarifnormen lauten:

"§ 9

Einstellung und Entlassung

1. Bei Einstellungen und Entlassungen gelten die ge-

setzlichen Vorschriften, z.B. die des Betriebsver-

fassungsgesetzes, der Kündigungsschutzgesetze, des

Schwerbehindertengesetzes, des Arbeitsplatzschutz-

gesetzes und des Berufsbildungsgesetzes. Besteht

ein Betriebsrat, so sind ihm auf Verlangen vor je-

der Einstellung die Bewerbungsunterlagen aller Be-

werber vorzulegen. Betriebsvereinbarungen über in-

nerbetriebliche Ausschreibungen werden hiervon

nicht berührt.

...

5. Unbefristete Arbeitsverhältnisse enden, sofern nicht

etwas anderes vereinbart ist, mit dem Ende des Ka-

lendermonats, in dem der Arbeitnehmer das 65. Lebens-

jahr vollendet hat, oder in welchem dem Arbeitneh-

mer der Rentenbescheid über die Gewährung einer Rente

wegen Erwerbsunfähigkeit oder vorgezogenem Alters-

ruhegeld zugegangen ist.

6. Für die Kündigung der Angestellten gelten die ge-

setzlichen Bestimmungen, d.h. ohne Vereinbarung

gilt als gesetzliche Kündigungsfrist die sechs-

wöchige Kündigung zum Vierteljahresende. Sie kann

durch besondere Vereinbarung auf mindestens einen

Monat zum Monatsschluß verkürzt werden. Beide Par-

teien können schriftliche Bestätigung des Empfangs

der Kündigung verlangen.

...

§ 12

Aushilfen

1. Die Einstellung zur Aushilfe soll schriftlich er-

folgen. Ein unbefristetes Aushilfsarbeitsverhältnis

ist mit einer Frist von fünf Kalendertagen kündbar.

Nach Ablauf von drei Monaten geht das Aushilfsar-

beitsverhältnis in ein Arbeitsverhältnis auf unbe-

stimmte Zeit über.

2. Die Laufzeit von drei Monaten wird durch kurz-

fristige Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses

bis zur Dauer von jeweils höchstens zwei Wochen

nicht unterbrochen.

3. Geht das Aushilfsarbeitsverhältnis in ein Probear-

beitsverhältnis über, wird die Aushilfszeit auf die

Probezeit angerechnet."

Mit Schreiben vom 30. Juni 1984 und 1. August 1984 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß der Aushilfenvertrag zu den gleichen Bedingungen bis zum 30. Juli 1984, anschließend bis zum 30. August 1984 verlängert werde. Während zunächst im Juni Urlaubsvertretungen angefallen waren, fiel alsdann eine Mitarbeiterin überraschend aus, dies machte angesichts der Urlaubsabwesenheit anderer Mitarbeiterinnen eine weitere Vertretung bis August 1984 erforderlich.

Am 13. August 1984 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 14. August 1984.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Vertrag habe bis 30. August 1984 fortbestanden, die Vergütung sei entsprechend für diesen Zeitraum zu zahlen. Ausgehend von einem Bruttogehalt von zuletzt 1.427,-- DM zahlte die Beklagte für die Zeit vom 1. bis 13. August 1984 618,37 DM brutto, in Höhe eines Betrages von 53,04 DM brutto erging am 20. Dezember 1984 ein Teilanerkenntnisurteil gegen die Beklagte, in Höhe eines Betrages von 1,84 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus 54,88 DM seit 5. Dezember 1984 (Zeitpunkt der Rechtshängigkeit) wurde die Beklagte durch Schlußurteil vom 20. Dezember 1984 verurteilt. Die Höhe der angeblich ihr noch zustehenden Restforderung errechnet die Klägerin auf 806,79 DM.

Die Klägerin hat geltend gemacht, bei den drei nahtlos aneinander gereihten befristeten Arbeitsverhältnissen handele es sich um Kettenarbeitsverträge. Ein sachlicher Grund für eine Befristung sei nicht vorhanden gewesen, es habe damit seit 1. August 1984 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden. Nach § 9 Ziff. 6 MTV i.Verb.m. § 1 Ziff. 2 des Individualvertrages könne die Kündigungsfrist auf mindestens einen Monat zum Monatsende verkürzt werden. § 12 Ziff. 1 MTV treffe für unbefristete Aushilfsarbeitsverhältnisse eine Sonderregelung, komme hier aber nicht zur Anwendung, da das Aushilfsverhältnis befristet gewesen sei. Die Anwendung von § 622 Abs. 4 BGB entspreche nicht dem Willen der Tarifvertragsparteien. Für befristete Arbeitsverhältnisse gelte uneingeschränkt § 9 Ziff. 6 MTV. Nach Wortlaut und Systematik des Manteltarifvertrages werde die befristete Aushilfe besser gestellt als die unbefristete. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen bedürfe der Arbeitgeber keiner kürzeren Kündigungsfrist, da sich die Beendigung eben aus der Befristung ergebe.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien

durch die Kündigung der Beklagten vom 13. August 1984

nicht zum 14. August 1984 aufgelöst worden sei, son-

dern bis zum 30. August 1984 fortbestanden habe;

die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere

806,79 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit Zustellung des

Schriftsatzes vom 30. November 1984 (5. Dezember

1984) zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Verkürzung der Kündigungsfrist stehe § 12 MTV nicht entgegen, da dort der Fall des befristeten Aushilfsarbeitsverhältnisses gar nicht geregelt sei.

Das Arbeitsgericht hat, soweit nicht in Höhe von insgesamt 54,88 DM nebst Zinsen zugunsten der Klägerin entschieden worden ist, die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teilweise begründet. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis endete zum 18. August 1984. Auf die Revision der Klägerin war das angefochtene Urteil und auf ihre Berufung das arbeitsgerichtliche Urteil teilweise entsprechend zu ändern.

A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Parteien hätten in zulässiger Weise von der in § 622 Abs. 4 BGB vorgesehenen Möglichkeit zur Verkürzung der Kündigungsfrist Gebrauch gemacht, kollidierendes Tarifrecht bestehe nicht. Es sei ausdrücklich ein Aushilfsarbeitsverhältnis vereinbart worden, auch der Tatbestand des vorübergehenden Bedarfs sei objektiv gegeben gewesen. Die Kündigungserleichterung nach § 622 Abs. 4 BGB sei auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen anzunehmen, wenn die Parteien die Befristung als Höchstdauer und gleichzeitig eine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit vereinbart hätten. Dem stehe auch die Verlängerung des Vertrages nicht entgegen.

Die tarifvertragliche Regel des § 12 Ziff. 1 MTV greife nicht, denn diese Vorschrift befasse sich nur mit dem unbefristeten Aushilfsarbeitsverhältnis, das auch unter dem Gesichtspunkt eines Kettenarbeitsverhältnisses nicht vorliege. Es werde kein Bestandsschutz berührt, denn angesichts der nur dreimonatigen Laufzeit sei die Befristung mangels Eingriffs in den gesetzlichen Kündigungsschutz des § 1 Abs. 1 KSchG unabhängig davon rechtswirksam, ob tatsächlich jeweils ein sachlicher Befristungsgrund gegeben gewesen sei. § 9 MTV könne in Verb.m. § 12 Ziff. 1 MTV nicht so ausgelegt werden, daß § 9 MTV auch befristete Aushilfsarbeitsverhältnisse bis zu drei Monate einbeziehe. § 12 Ziff. 1 MTV erleichtere die Kündigung, selbst wenn eine einzelvertragliche Verkürzungsvereinbarung fehle. Es sei daher kein Grund ersichtlich, wieso umgekehrt in einem bis zu drei Monaten befristeten Aushilfsarbeitsverhältnis abweichend von § 622 Abs. 4 BGB eine Kündigung nur binnen Monatsfrist zum Monatsende möglich sein solle.

B. Das Urteil hält hinsichtlich der Auslegung des Tarifvertrages einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

I. 1. a) Das Landesarbeitsgericht hat zunächst zu Recht angenommen, zwischen den Parteien habe ein Aushilfsarbeitsverhältnis bestanden. Es ist ferner zutreffend davon ausgegangen, die Klägerin sei während der gesamten Dauer des Vertragsverhältnisses zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt gewesen. Die Besonderheit eines Aushilfsarbeitsverhältnisses besteht darin, daß der Arbeitgeber es von vornherein nicht auf Dauer eingehen will, sondern nur, um einen vorübergehenden Bedarf an Arbeitskräften zu decken, der nicht durch den normalen Betriebsablauf, sondern durch den Ausfall von Stammkräften oder durch einen zeitlich begrenzten zusätzlichen Arbeitsanfall begründet ist. Dabei muß der Inhalt des Arbeitsvertrages die nur vorübergehend beabsichtigte Beschäftigung deutlich ausweisen und darüber hinaus der Tatbestand des nur vorübergehenden Bedarfs auch objektiv vorliegen (vgl. KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 622 BGB Rz 167 bis 169 m.w.N.; § 620 BGB Rz 37 bis 39). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen. Der zweimal verlängerte Vertrag ist ausdrücklich als "Aushilfenvertrag" bezeichnet und unter § 1 Ziff. 1 ist festgelegt worden, daß die Klägerin als Verkäuferin zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt werde und zwar für die Dauer des Sommer- oder Winterschlußverkaufs - des Weihnachtsgeschäfts - der Ferienbeurlaubung - Erkrankung des Personals längstens bis 30. Juni 1984. Die Klägerin hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts den Vortrag der Beklagten zum tatsächlichen Bedarf nicht bestritten. Danach waren bei der Beklagten nach der Urlaubsplanung im Juni 1984 stets zwei Arbeitnehmerinnen in Urlaub, darüber hinaus erkrankte am 30. Mai 1984 eine Arbeitnehmerin. Damit war der Zeitraum bis Ende Juni abgedeckt. Am 29. Juni 1984 erkrankte wiederum eine Arbeitnehmerin und für Juli 1984 fielen zeitweise drei Verkäuferinnen aus. Da durch weitere Erkrankungen in der Folgezeit die Notwendigkeit der Aushilfe für die Monate Juli und August objektiv begründet war, lagen betriebliche Gründe für eine vorübergehende Arbeitsleistung vor (vgl. KR-Hillebrecht, aa0, § 620 BGB Rz 178, 179).

b) Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht angenommen, daß die gesetzlichen und tariflichen Kündigungsbestimmungen für Aushilfsarbeitsverhältnisse nicht deswegen unanwendbar sind, weil der Aushilfenvertrag, auch in seinen beiden Verlängerungen, jeweils neben der Möglichkeit der Kündigung einen Endtermin bestimmte. § 622 Abs. 4 BGB geht von der Notwendigkeit einer Kündigung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus und regelt ersichtlich nicht die Fälle, in denen Arbeitsverhältnisse bereits kraft wirksamer Vereinbarung mit Ablauf der vorgesehenen Zeit enden. § 622 Abs. 4 BGB schränkt die Vertragsfreiheit aber nicht dergestalt ein, daß Arbeitsverhältnisse überhaupt nur unbefristet begründet werden könnten und daß im Falle der Setzung eines Endtermins eine ordentliche Kündigung generell ausscheide. Es hängt vielmehr vom Inhalt des jeweiligen Vertrages ab, ob ausschließlich ein befristetes Arbeitsverhältnis gewollt ist oder ob - wie im Streitfall - bei einem Arbeitsverhältnis die Befristung nur die Höchstdauer darstellen soll und gleichzeitig den Parteien die Möglichkeit eingeräumt wird, vorzeitig zu kündigen. Auch eine solche Vertragsgestaltung ist zulässig und wird hinsichtlich der Kündigungsmöglichkeit von § 622 Abs. 4 BGB erfaßt (vgl. KR--Hillebrecht, aa0, § 622 BGB Rz 170; Dieterich, AR-Blattei, Aushilfsarbeitsverhältnis B IV 2). Dabei können nach § 622 Abs. 4 BGB nicht nur die Fristen unterschritten, sondern auch die im Gesetz vorgesehenen Endtermine (Monatsende, Quartalsschluß) von den Parteien anders festgelegt werden (vgl. Dieterich, aa0, C I 2; MünchKomm-Schwerdtner, § 622 BGB Rz 45; KR-Hillebrecht, aa0, § 622 BGB Rz 175 m.w.N.).

c) Bei rein wörtlicher Auslegung läßt § 622 Abs. 4 BGB zwar nur eine Verkürzung der Kündigungsfristen zu. Anders als bei einer Vereinbarung über die Frist des § 622 Abs. 1 BGB, bei der die Mindestfrist von einem Monat nicht unterschritten werden darf und Kündigungen zudem nur für den Schluß eines Kalendermonats zugelassen werden, können im Rahmen eines Aushilfsverhältnisses nach überwiegender Ansicht (insoweit auch Staudinger/Neumann, BGB, 12. Aufl., § 622 Rz 28) aber auch entfristete ordentliche Kündigungen vereinbart werden. Dann widerspricht es aber dem Sinn und Zweck der den Parteien eingeräumten Regelungsbefugnis, eine Kündigung ohne oder mit verkürzter Frist gleichwohl bei Aushilfsangestellten nur zum Schluß eines Kalendermonats zuzulassen. Die Möglichkeit der entfristeten Kündigung entwertet den sonst durch die Kündigungstermine in Verbindung mit den Mindestfristen gewährten zeitlichen Bestandsschutz (vgl. dazu im Rahmen des § 622 Abs. 1 BGB das Urteil des Senats vom 18. April 1985 - 2 AZR 197/84 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) derart, daß die Kündigungstermine im Rahmen des § 622 Abs. 4 BGB keine eigenständige Schutzfunktion haben.

d) Durch die Setzung von Höchstfristen und die zweimalige Verlängerung des Arbeitsvertrages wurde entgegen der Auffassung der Revision kein kündigungsrechtlicher Bestandsschutz umgangen. Ein besonderer Kündigungsschutz der Klägerin, der auch bei einem Arbeitsverhältnis von weniger als sechs Monaten einen sachlichen Grund für die Befristung erfordern würde (vgl. BAG 41, 381 = AP Nr. 74 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) greift unstreitig nicht ein. Auch eine Umgehung der Mindestfrist des § 622 Abs. 1 BGB (vgl. dazu KR-Hillebrecht, aa0, § 620 BGB Rz 118 ff.) scheidet vorliegend schon deswegen aus, weil diese Frist bei einem Aushilfsarbeitsverhältnis abdingbar ist. Im übrigen geht es auch nicht darum, ob das Arbeitsverhältnis durch eine Befristung beendet worden ist, sondern darum, zu welchem Zeitpunkt die von der Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung wirkt.

2. Das Landesarbeitsgericht hat allerdings verkannt, daß der Individualvertrag im Hinblick auf die eintägige Kündigungsfrist zu § 12 Ziff. 1 MTV in Widerspruch steht, da diese Tarifnorm auch für Arbeitsverhältnisse der vorliegenden Art eine günstigere Regelung enthält. Insoweit verdrängt der Tarifvertrag die ungünstigere Einzelabsprache (vgl. Dieterich, aa0, C IV; Wiedemann/-Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 201; BAG Urteil vom 3. November 1967 - 2 AZR 446/66 - AP Nr. 9 zu § 620 BGB Probearbeitsverhältnis).

a) Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, § 12 Ziff. 1 MTV regele das befristete Aushilfsarbeitsverhältnis nicht, ist in dieser Absolutheit unrichtig. § 12 MTV regelt nach seiner Überschrift "Aushilfen", wobei § 12 Ziff. 1 MTV in Satz 1 und 3 nicht differenziert zwischen befristeten und unbefristeten Aushilfsarbeitsverhältnissen. Die Auslegung des Tarifvertrags ergibt weiter, daß die Tarifvertragsparteien kündigungsrechtlich auch das Aushilfsarbeitsverhältnis mit Endtermin, jedoch vorheriger Kündigungsmöglichkeit erfaßt haben.

Dabei ist von der Regelung in §§ 9 u. 12 MTV insgesamt auszugehen. Normative Regelungen eines Tarifvertrages sind wie Gesetze auszulegen (BAG AP Nr. 115, 121, 124 zu § 1 TVG Auslegung; BAG AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk), wobei vom Wortlaut der Bestimmung her unter Berücksichtigung ihres systematischen tariflichen Zusammenhangs Sinn und Zweck der Regelung zu erfassen ist (KR-Hillebrecht, aa0, § 622 Rz 131; BAG vom 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 - = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).

b) Haben die Parteien für das Arbeitsverhältnis eine bestimmte Zeitdauer festgelegt, so ist die selbstverständliche Folge, daß das Arbeitsverhältnis unter den vereinbarten Voraussetzungen von selbst endet, ohne daß es einer Kündigung bedarf; bei einer echten Befristung ist eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen (KR-Hillebrecht, aa0, § 620 Rz 15 m.w.N.). Der Tarifvertrag befaßt sich kündigungsrechtlich weder in § 9 noch in § 12 MTV mit einem echt befristeten Arbeitsverhältnis. Das ergibt sich aus dem Umstand, daß denkgesetzlich gar kein Regelungsbedarf für eine ordentliche Kündigung bestehen kann. Das Landesarbeitsgericht hat seine Auslegung nur vom Wort "unbefristet" in § 12 Ziff. 1 Satz 2 MTV hergeleitet, und es hat darin einen Gegensatz zu einem "befristeten" Arbeitsverhältnis gesehen. Es hat aber nicht beachtet, daß nur bei einem echt befristeten Aushilfsarbeitsverhältnis ohne ordentliche Kündigungsmöglichkeit ein solcher Gegensatz besteht, während kündigungsrechtlich ein durch Höchstdauer befristetes Arbeitsverhältnis mit vorheriger Kündigungsmöglichkeit einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gleichsteht, soweit es um die Beendigung nicht aufgrund der Befristung, sondern durch eine Kündigung geht. Der Tarifvertrag läßt nicht erkennen, daß die Tarifvertragsparteien für die Fälle möglicher ordentlicher Kündigungen keine Regelungen treffen und damit insoweit überhaupt keinen zeitlichen Bestandsschutz begründen wollten.

Demzufolge ist § 12 Ziff. 1 Satz 2 MTV so zu verstehen, daß jedes ordentlich kündbare Aushilfsarbeitsverhältnis mit einer Frist von fünf Kalendertagen kündbar ist. Eine andere Lösung würde Sinn und Zweck der tariflichen Regelung widersprechen. Diese könnte nämlich problemlos umgangen werden, indem jeweils neben der Vereinbarung einer kürzeren als der tariflichen Kündigungsfrist eine Höchstfrist für die Dauer des Arbeitsverhältnisses festgelegt würde. Diese Auslegung verletzt auch keine berechtigten Interessen des Arbeitgebers. Sofern ein Arbeitskräftebedarf von weniger als fünf Tagen besteht, kann ein echt befristetes Aushilfsarbeitsverhältnis für den entsprechenden Zeitraum vereinbart werden. Ist der Bedarf betrieblich nicht abzusehen, was vorliegend aus der Vereinbarung einer längeren Höchstfrist zu folgen scheint, so ist es Wille der Tarifvertragsparteien, daß dieses Beschäftigungsrisiko nicht dem Arbeitnehmer durch Vereinbarung einer noch kürzeren Frist aufgebürdet wird.

c) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend gesehen hat, geht § 12 MTV als speziellere Regelung § 9 MTV hinsichtlich der Kündigungsfristen vor. Insoweit überzeugen die Ausführungen in der Revision nicht, da diese davon ausgehen, § 12 MTV erfasse nur das unbefristete Aushilfsarbeitsverhältnis ohne Vereinbarung einer Höchstfrist. Dies ist nach den vorstehenden Darlegungen jedoch unrichtig.

d) Die Regelung des § 12 MTV ist auch nicht deswegen unwirksam, weil danach ein Aushilfsangestellter mit einer Frist von fünf Tagen nicht nur zum Monatsschluß, sondern zu jedem anderen Termin gekündigt werden kann. Wie beim Vorrang der Privatautonomie nach § 622 Abs. 4 BGB bezieht sich auch der Vorrang der Tarifautonomie nach § 622 Abs. 3 BGB (der nicht wie bei Individualabreden zwischen Aushilfsverhältnissen und sonstigen Arbeitsverhältnissen differenziert) nur bei zu enger formaler Auslegung ausschließlich auf kürzere Fristen und nicht auf andere als in § 622 Abs. 1 BGB genannte Termine. Das ist jedoch bereits mit einem Redaktionsversehen erklären (vgl. Richardi, ZfA 1971, 73, 89). Im übrigen sprechen die bereits im Rahmen des § 622 Abs. 4 BGB dargelegten Gründe dafür, daß auch die Kündigungstermine tarifdispositiv sind (vgl. Dieterich, aa0, C I 2; Herschel, BB 1970, 5, 7; Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 4. Aufl., Rz 288; Wiedemann/Stumpf, aa0, § 1 Rz 236; KR-Hillebrecht, aa0, § 622 BGB Rz 125; a.A.: MünchKomm-Schwerdtner, aa0, § 622 BGB Rz 40 - in Widerspruch zu Rz 45 aa0; Staudinger/-Neumann, aa0, § 622 BGB Rz 20).

3. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung endete das zwischen den Parteien bestehende Aushilfsarbeitsverhältnis mit Ablauf des 18. August 1984.

a) Die Beklagte wollte das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung ersichtlich in jedem Falle zum nächstmöglichen Termin beenden, ihr Beendigungswille war insoweit eindeutig. War die Kündigung nicht fristgerecht, so tritt in einem solchen Falle die Wirkung zum nächstmöglichen Termin ein (Urteil des Senats vom 18. April 1985, aa0).

b) Da die Beklagte am Montag, dem 13. August 1984 kündigte, endete das Arbeitsverhältnis somit am Samstag, dem 18. August 1984, da in die Fünftagefrist der Tag des Zugangs der Kündigung nicht eingerechnet wird (§ 187 Abs. 1 BGB). Nur insoweit war dem Feststellungsantrag zu entsprechen.

II. Der Klägerin steht damit noch für vier Arbeitstage anteiliges Monatsentgelt zu. Da entsprechende tarifliche Regelungen nicht festgestellt sind, hat die Klägerin unter Zugrundelegung der von den Parteien nicht angegriffenen Berechnungsweise des Arbeitsgerichts, bezogen auf 27 Arbeitstage im August 1984, noch einen Anspruch auf einen Betrag von 211,40 DM brutto.

Der Zinsanspruch ist nach §§ 288, 291 BGB begründet, jedoch nur aus dem sich ergebenden Nettobetrag. Im Falle einer verfahrensrechtlich unbedenklich zulässigen Bruttolohn- oder Bruttogehaltsklage eines Arbeitnehmers fließt ihm nur der Nettobetrag zu, demnach kann er auch nur insoweit einen Zinsanspruch geltend machen ( vgl. BAG 42, 244 = AP Nr. 2 zu § 21 TVAL II).

Hillebrecht Dr. Weller Ascheid

Thieß Binzek

 

Fundstellen

Haufe-Index 437861

DB 1986, 2548-2549 (LT1-2)

NZA 1987, 60-62 (LT1-3)

RdA 1986, 403

RzK, I 3d Nr 1 (LT1-3)

AP § 622 BGB (LT1-3), Nr 23

AR-Blattei, Aushilfsarbeitsverhältnis Entsch 7 (LT1-3)

AR-Blattei, ES 310 Nr 7 (LT1-3)

EzA § 622 nF BGB, Nr 24 (LT1-3)

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