Entscheidungsstichwort (Thema)

Entschädigung für entgangene Privatliquidationseinnahmen. Arztvertrag. Liquidationsrecht. Naturalvergütung. Nebentätigkeit. Gegenseitigkeitsverhältnis. positive Vertragsverletzung. Rechtsirrtum. Vorsatz. entgangener Gewinn. Vorteilsausgleichung. Auskunftsanspruch. Schadenersatz. Annahmeverzug

 

Orientierungssatz

  • Ein einzelvertraglich vereinbartes Liquidationsrecht bezüglich einer Nebentätigkeit kann einen Teil der Vergütung für die geschuldete Hauptleistung darstellen.
  • Liegt keine entsprechende Vergütungsabrede vor, wird die Gestattung der Nebentätigkeit und der damit verbundenen Liquidation als Nebenpflicht geschuldet.
  • Je nach Vertragsgestaltung richtet sich der Anspruch des Arbeitnehmers bei einer ungerechtfertigten Entziehung der Ausübung der Nebentätigkeit nach den §§ 611, 615 BGB oder nach den Grundsätzen einer positiven Vertragsverletzung.
  • Die Überlassung eines Labors zur selbständigen Nebentätigkeit des Arbeitnehmers ist regelmäßig an die Dauer der Vergütungspflicht für die Haupttätigkeit geknüpft.
  • Vorsatz setzt das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit voraus. Hält der Arbeitgeber eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen behördlicher Beanstandungen bestimmter vom Arbeitnehmer mit zu verantwortender Zustände für gerechtfertigt, kommt ein schuldausschließender Rechtsirrtum in Betracht.
  • Eine sog. Vorteilsausgleichung beim Schadensersatz scheidet aus, wenn es am Kausalzusammenhang zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und den angeblichen Vorteilen fehlt.
 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 242, 249 ff., §§ 252, 276, 280, 282, 325, 611, 615; KSchG § 11; ZPO § 286

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 13.07.2000; Aktenzeichen 4 Sa 625/98)

ArbG München (Teilurteil vom 21.04.1998; Aktenzeichen 6a Ca 15368/97)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 13. Juli 2000 – 4 Sa 625/98 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt eine Entschädigung für entgangene Privatliquidation.

Die Beklagte betreibt einen Blutspendedienst und veräußert die daraus gewonnenen Blutkonserven an Krankenhäuser. Die Klägerin leitet seit dem 1. Oktober 1987 das Institut der Beklagten in R… als Chefärztin. In dem Arbeitsvertrag vom 11. Dezember 1987 haben die Parteien ua. folgendes vereinbart:

“…

II.

Das Beschäftigungsverhältnis richtet sich nach dem Manteltarifvertrag für Beschäftigte des Blutspendedienstes zur Anwendung des BAT und den diesen ergänzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung.

III.

Die Vergütung berechnet sich nach Vgr. Ia des Vergütungstarifvertrages zum BAT.

VII.

Sondervereinbarungen:

2. Es wird Frau Dr. H… gestattet, gegen eigene Rechnung ärztliche Nebentätigkeit auszuüben.

2.1 Ärztliche Nebentätigkeit, die in direkter Verbindung mit Blutkonserven und Blutderivaten durchgeführt wird (serologische Verträglichkeitsuntersuchungen, Vorbereitungsmaßnahmen im Hinblick auf die Blut- und Austauschtransfusion, ambulante Bluttransfusion, Aderlässe, Eigenblutspenden und Ambulanz zur Abklärung und Behandlung von Gerinnungsstörungen etc.) sowie die Kassenabrechnung für die vorgenannten Nebentätigkeiten muß grundsätzlich in dem jeweiligen Institut abgewickelt werden.

Für die Benutzung von Räumen, Personal, Material und/oder Geräten sind dem BSD/BRK 22 % der Bruttoeinnahmen (nach Abzug der Vorsteuer und ärztlicher Fremdleistungen) monatlich abzuführen.

Für die Erledigung von Schreibarbeiten (z.B. Rechnungsstellung) hat Frau Dr. H… selbst zu sorgen. Der BSD/BRK ist bereit, hierfür geeigneten Mitarbeitern eine Nebentätigkeitsgenehmigung zu erteilen. Die Kosten werden von Frau Dr. Hauswald getragen.

2.2 Die übrige ärztliche Nebentätigkeit (z.B. Gutachten, sonstige Kassenabrechnungen innerhalb des Fachgebietes etc.) müssen grundsätzlich außerhalb des Institutes oder in gemieteten Räumen des BSD/BRK abgewickelt werden.

Der Geschäftsführung des Blutspendedienstes ist bekannt, daß Frau Dr. H… eine Kassenzulassung erwerben will. Gegen eine Kassenzulassung von Frau Dr. H… bestehen seitens des BSD/BRK keine Einwendungen. Eine Abführung hierfür entfällt.

2.3 Während des Bestehens dieses Vertragsverhältnisses ist die Ausübung einer ärztlichen Praxis nicht gestattet.

Freiberufliche Mitarbeit bei Firmen oder Zusammenarbeit mit außenstehenden Ärzten muß von der Geschäftsführung genehmigt werden.

Bei Abwicklung ärztlicher Nebentätigkeit darf Frau Dr. H… ihre Dienstobliegenheiten nicht vernachlässigen.”

Die Abführungsquote für die institutsgebundene Nebentätigkeit wurde ab April 1990 einvernehmlich auf 30 % erhöht.

Die Parteien bezeichnen diese Nebentätigkeit als Auswertung von “Kreuzproben”, die Labortätigkeit als “Kreuzlabor”. Es handelt sich um ein immunologischhämatologisches Speziallabor, in welchem Verträglichkeitsprüfungen durchgeführt werden, zu denen die anfordernden Krankenhäuser selbst nicht in der Lage sind. Insoweit hat die Beklagte eine Art Monopolstellung zur Bereitstellung passender Transfusionen für spezielle Fälle. Die Klägerin muß nicht ständig und höchstpersönlich die Untersuchungen durchführen und die Ergebnisse der Laborauswertungen ablesen. Sie ist nur zu entsprechender Organisation und Kontrolle der Arbeiten verpflichtet. Die medizinisch-technischen Assistenten werden von Assistenzärzten überprüft. Während des Urlaubs oder sonstiger Verhinderungen der Chefärzte läuft das “Kreuzlabor” weiter.

Nachdem die zuständige staatliche Aufsichtsbehörde am 8. August 1994 und 11. September 1995 eine Mängelliste hinsichtlich des Instituts in R… übermittelt hatte, entband die Beklagte die Klägerin von der Leitung des Instituts und erteilte ihr ein Hausverbot. Die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt – seit dem 20. Juli 1995 – arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom 25. September 1995 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis unter Hinweis auf die Beanstandungen vom 11. September 1995 außerordentlich und bot der Klägerin an, als Oberärztin in ihrem Institut in N… unter Wegfall der Nebentätigkeitsgenehmigung weiterzuarbeiten. Die Klägerin lehnte dieses Änderungsangebot ab. Am 17. Oktober 1995 kündigte die Beklagte vorsorglich ordentlich zum 30. Juni 1996, wiederum verbunden mit dem Angebot einer künftigen Tätigkeit als Oberärztin in N…. Dieses Änderungsangebot nahm die Klägerin unter Vorbehalt an. Nachdem das Arbeitsgericht München am 11. April 1996 festgestellt hatte, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die Kündigung vom 25. September 1995 nicht aufgelöst worden, ferner sei die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung vom 17. Oktober 1995 unwirksam, und nachdem die Berufung der Beklagten durch Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 13. Mai 1997 (– 6 Sa 713/96 –) rechtskräftig zurückgewiesen worden war, erhielt die Klägerin am 2. Januar 1998 wieder ihre Funktion als Leiterin des Instituts in R….

Die Klägerin hat geltend gemacht, auf Grund der unbegründeten Kündigungen seien ihr die Nebeneinkünfte aus dem “Kreuzlabor” entgangen. Das ärztliche Liquidationsrecht sei Teil der ihr geschuldeten Vergütung. Jedenfalls habe sie einen Schadensersatzanspruch. Spätestens nach Vorliegen des erstinstanzlichen Urteils habe die Beklagte die Unwirksamkeit ihrer Kündigungen erkennen können. Erstinstanzlich hat die Klägerin ihren Anspruch nach den durchschnittlichen Nebeneinkünften des Jahres 1995 (bis zur Suspendierung) mit 522.245,39 DM errechnet. Zweitinstanzlich hat sie unter Berücksichtigung der ihr zugeflossenen Restzahlungen und der 30 %igen Abführung für Juli bis September 1995 entgangene Nebeneinnahmen iHv. 633.527,52 DM im Zeitraum Oktober 1995 bis Dezember 1997 geltend gemacht. Dr. W… habe als kommissarischer Leiter des R… Instituts zwischen Oktober 1995 und April 1996 Einkünfte von 174.477,40 DM aus dem Privatliquidationsrecht für Leistungen des “Kreuzlabors” erzielt, Dr. A… anschließend bis zum 31. Dezember 1997 Einkünfte iHv. 504.088,55 DM. Bei vertragsgerechtem Verhalten der Beklagten wären ihr diese Einnahmen zugeflossen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 633.527,52 DM nebst 7,1 % Zinsen aus 117.042,27 DM seit 1. Juni 1996, 7,1 % Zinsen aus 405.203,12 DM seit 1. März 1998 und 7,1 % Zinsen aus 111.282,13 DM seit 1. September 1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das Liquidationsrecht sei nicht Teil der Vergütung der Klägerin. Die Tätigkeit als Leiterin des Instituts R… sei mit der Vergütung nach der VergGr. Ia des BAT abgegolten. Der Klägerin sei lediglich eine Nebentätigkeit gestattet worden. Ein Schadensersatzanspruch bestehe nicht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Teilurteil abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der erweiterten Klage im wesentlichen stattgegeben und die Berufung nur hinsichtlich des Zinsanspruchs zum Teil zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin das Ziel einer vollständigen Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts (§ 564 Abs. 1, § 565 Abs. 1 ZPO).

  • Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

    Das der Klägerin vertraglich eingeräumte Liquidationsrecht für die im “Kreuzlabor” erbrachten Leistungen sei Bestandteil ihrer Vergütung für die Leitung des Instituts. Jedoch folge der Anspruch für Zeiten, in denen die Beklagte der Klägerin die Möglichkeit der Erzielung dieser “Zusatzeinkünfte” zu Unrecht genommen habe, nicht aus § 615 Satz 1 BGB. Die Beklagte schulde nämlich nicht die Honorare als Arbeitslohn. Vielmehr habe sie deren Erzielung durch die unberechtigten Kündigungen unmöglich gemacht. Sie habe die Unmöglichkeit gemäß § 276 BGB zu vertreten, weil sie die vertraglich geschuldete Möglichkeit zur Erzielung der Liquidationshonorare vorsätzlich entzogen habe. Auf die Beweggründe hierfür komme es nicht an. Deswegen könne die Klägerin Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß den § 325 Abs. 1, § 251 Abs. 1 BGB verlangen. Ihr sei gemäß § 252 BGB der entgangene Verdienst zu ersetzen. Die seit 20. Juli 1995 eingetretene Arbeitsunfähigkeit sei für den Anspruch ohne rechtliche Bedeutung. Die Klägerin habe sich im Verhinderungsfall ohne Beeinträchtigung ihrer Liquidationsbefugnis vertreten lassen dürfen. Ihr wären die Nebeneinkünfte trotz der Erkrankung zugeflossen, wenn die Beklagte diese Aufgabe nicht vertragswidrig entzogen hätte. Allenfalls wäre eine ergänzende Vertragsauslegung für den Fall einer besonders lang dauernden, krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zu erwägen. Angesichts der Bedeutung der beruflichen Position und der Nebeneinkünfte, die den Lebenszuschnitt der Klägerin und ihre wirtschaftlichen Dispositionen wesentlich prägten, müßte bei der Abwägung der Interessen von der Aufrechterhaltung der vollen Nebeneinkünfte bei einer schicksalhaft langwierigen Erkrankung für mindestens ein Jahr ausgegangen werden. Damit wäre mindestens bis zum Sommer 1996 der volle Verdienstausfall zu ersetzen. Für die Zeit danach könne auf Grund der ärztlichen Beurteilungen nicht mehr von einer Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin für eine Tätigkeit am Institut in R… ausgegangen werden.

    Die Höhe des entgangenen Gewinns richte sich nach den Honorareinnahmen, die den kommissarischen Institutsleitern aus der genannten Tätigkeit abzüglich des 30 %igen Anteils der Beklagten zugeflossen seien; denn es sei am ehesten wahrscheinlich, daß die Honorare in gleicher Höhe der Klägerin zugeflossen wären, wenn sie weiter selbst die Nebentätigkeit wahrgenommen hätte. Die Leistungen des “Kreuzlabors” seien, anders als eine ärztliche Gutachtertätigkeit, erkennbar weniger an die Person des Institutsleiters und seine spezielle persönliche Qualifikation gebunden als vielmehr an die fachliche und technische Ausstattung des Instituts. Die Einkünfte aus ihrem Privatlabor müßte sich die Klägerin im Wege der Vorteilsausgleichung nur dann anrechnen lassen, wenn sie den Durchschnitt der Zeit vor September 1995 überschritten hätten. Auf Grund der schriftlichen Bestätigung ihres Steuerberaters vom 22. Dezember 1997 sei es aber als erwiesen anzusehen, daß die Klägerin aus dem Privatlabor in den Jahren 1996 und 1997 keine höheren Einnahmen erzielt habe als zuvor.

  • Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung in entscheidungserheblichen Punkten nicht stand.

    • Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Einräumung der Nebentätigkeit und das damit im Zusammenhang stehende Liquidationsrecht der Klägerin seien Teil der nach § 611 Abs. 1 BGB vereinbarten Vergütung, ist von den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht gedeckt. Der Senat kann deshalb nicht abschließend entscheiden, ob sich der Anspruch auf die §§ 611, 615 BGB stützen läßt.

      • § 615 BGB gewährt keinen eigenständigen Anspruch, sondern erhält den Vergütungsanspruch aus § 611 BGB. Es handelt sich um einen Erfüllungs-, nicht um einen Schadensersatzanspruch (vgl. Senat 19. Oktober 2000 – 8 AZR 20/00 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 1a der Gründe; BAG 23. August 1990 – 2 AZR 156/90 – DB 1991, 445, B I 2c der Gründe; BGH 14. November 1966 – VII ZR 112/64 – NJW 1967, 248, 250; Erman/Belling BGB 10. Aufl. § 615 Rn. 34; MünchKomm/Schaub BGB 3. Aufl. § 615 Rn. 45). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß der Anspruchsinhalt von § 615 BGB in der Weise umschrieben wird, der Arbeitnehmer müsse so gestellt werden, als wenn der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug geraten wäre. Dadurch soll nur der Inhalt des Anspruchs als Erfüllungsanspruch charakterisiert werden (BAG 23. August 1990 aaO, B I 2c der Gründe).
      • Zwar wird bei Krankenhaus-Chefärzten die Auffassung vertreten, daß es sich bei dem einzelvertraglich vereinbarten Liquidationsrecht um einen Teil der Vergütung handelt (vgl. BAG 11. Januar 1978 – 5 AZR 797/76 – BAGE 30, 1, 6; 9. Januar 1980 – 5 AZR 71/78 – BAGE 32, 249, 263 f.; 4. Mai 1983 – 5 AZR 389/80 – BAGE 42, 336, 344 f.; zweifelnd aber 30. Mai 1980 – 7 AZR 215/78 – BAGE 33, 119, 134). Das ist jedoch nicht ein allgemeingültiger Rechtssatz hinsichtlich der Vergütung von “Chefärzten”. Vielmehr ist es stets eine Frage der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung, welche Vergütung der Arbeitgeber schuldet. Die Parteien haben es in der Hand, den Umfang von Leistung und Gegenleistung zu bestimmen (vgl. BAG 9. Januar 1980 aaO, zu B II der Gründe). Dementsprechend betont das Bundesarbeitsgericht, daß die Liquidationsbefugnis “bei entsprechender Vertragsgestaltung” Teil der Vergütung sei (BAG 4. Mai 1983 aaO, zu I 2b der Gründe). In den sog. Krankenhaus-Chefarztverträgen werden im Regelfall die tarifliche Vergütung und das Liquidationsrecht im Vertrag ausdrücklich als Vergütung für die geschuldete hauptamtliche Tätigkeit als Chefarzt bezeichnet (vgl. BAG 9. Januar 1980 aaO, zu B II der Gründe). Das Liquidationsrecht gilt nur dann als Teil der Vergütung, “soweit die Chefarztverträge nicht etwas anderes ergeben” (BAG 9. Januar 1980 aaO, zu B II der Gründe). In der Literatur wird zu Recht darauf hingewiesen, daß auch bei leitenden Krankenhausärzten verschiedene Vergütungsvereinbarungen getroffen werden, ua. auch Festgehälter ohne Liquidationsrecht oder eine Beteiligung an den Liquidationserlösen des Krankenhauses (vgl. Genzel in: Laufs/Uhlenbruck Handbuch des Arztrechts 2. Aufl. § 90 Rn. 68). Entscheidender Gesichtspunkt ist also nicht, ob jemand als “Chefarzt” tätig wird, sondern welche Vergütungsvereinbarungen er mit seinem Vertragspartner getroffen hat. Vergütung ist jeder als Gegenleistung für die geschuldeten Dienste bestimmte geldwerte Vorteil. Inhalt der Vergütung können Leistungen aller Art sein (vgl. Erman/Hanau BGB 10. Aufl. § 611 Rn. 387 ff.). Gängig ist die Unterscheidung zwischen Geld- und Naturalvergütung. Zur Naturalvergütung gehört jede Entgeltleistung, die nicht in Geld besteht. Die Naturalvergütung kann auch in der Gewährung einer Erwerbsobliegenheit bestehen (vgl. Staudinger/Richardi BGB 13. Bearbeitung § 611 Rn. 569).
      • Das Landesarbeitsgericht hat bei der Auslegung des Arbeitsvertrags der Parteien die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt und wesentliche Umstände nicht berücksichtigt.

        • Die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen ist in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob sie gegen allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt und wesentliche Umstände unberücksichtigt läßt. Im Gegensatz dazu sind typische Willenserklärungen vom Revisionsgericht voll nachprüfbar (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG 17. Oktober 2000 – 3 AZR 69/99 – NZA 2001, 203, 204, zu B I 1 der Gründe; 12. Dezember 1984 – 7 AZR 509/83 – BAGE 47, 314, 320 f.; 18. Mai 1988 – 4 AZR 765/87 – BAGE 58, 283, 292 f.; 19. Mai 1988 – 2 AZR 596/87 – BAGE 59, 12, 20; 16. März 1994 – 5 AZR 339/92 – BAGE 76, 155, 181; BGH 31. Januar 1995 – XI ZR 56/94 – ZIP 1995, 658).
        • Bei dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrag handelt es sich, wie zugunsten der Klägerin angenommen werden kann, um eine individuelle Vereinbarung und nicht um einen Mustervertrag. Gegenteiliges haben die Parteien in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen.
        • Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind widersprüchlich. Einerseits meint es, das der Klägerin eingeräumte Liquidationsrecht für die im sog. Kreuzlabor erbrachten Leistungen sei Bestandteil ihrer Vergütung; andererseits soll die Beklagte diese Honorare nicht als “Arbeitslohn” im Sinne von § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB schulden. Vielmehr habe die Beklagte “durch die unberechtigten Kündigungen der Klägerin die Erzielung dieser Einkünfte unmöglich gemacht”, weshalb ein Schadensersatzanspruch nach § 325 Abs. 1 BGB bestehe.

          Das Landesarbeitsgericht trennt damit nicht hinreichend, ob die Klägerin auf Grund der getroffenen Vereinbarung einen vertraglichen Erfüllungs- oder einen Schadensersatzanspruch hat. Handelt es sich bei dem Liquidationsrecht um die “vereinbarte Vergütung”, so ist diese unter den Voraussetzungen des § 615 Satz 1 BGB auch bei Nichtleistung der Arbeit zu zahlen. Bei einer Naturalvergütung, die für die Vergangenheit nicht nachholbar ist, tritt an deren Stelle der Geldwert, den die Naturalvergütung verkörpert (vgl. BAG 2. Dezember 1999 – 8 AZR 849/98 – nv., zu II 1a der Gründe). Auf ein Verschulden wie bei einem Schadensersatzspruch kommt es nicht an. Ist das Liquidationsrecht nicht Teil der vereinbarten Vergütung, kann ein Schadensersatzanspruch bestehen.

        • Gegen die Auslegung des Landesarbeitsgerichts spricht folgendes: Die Klägerin wurde nach dem Dienstvertrag vom 11. Dezember 1987 als Leiterin des Instituts R… beschäftigt. Hierfür erhielt sie die in Ziff. III vereinbarte Vergütung nach der VergGr. Ia BAT. Weitere Vergütungsvereinbarungen haben die Parteien nach dem Dienstvertrag nicht getroffen. Vielmehr findet sich in Ziff. VII eine Regelung über “Sondervereinbarungen”. Danach wird der Klägerin “gestattet, gegen eigene Rechnung ärztliche Nebentätigkeit auszuüben”. Es handelt sich um die Genehmigung zur Ausübung einer selbständigen Nebentätigkeit, und zwar zum einen die ärztliche Nebentätigkeit im Institut (Ziff. VII 2.1) und zum anderen eine sonstige ärztliche Nebentätigkeit (Ziff. VII 2.2). Die Nebentätigkeit unterliegt nicht dem in Ziff. V geregelten Weisungsrecht der Beklagten und soll auf eigene Rechnung erfolgen. Die Parteien haben des weiteren vereinbart, daß die ärztliche Nebentätigkeit, die in direkter Verbindung mit Blutkonserven und Blutderivaten durchgeführt wird, sowie die Kassenabrechnung hierfür grundsätzlich im Institut abgewickelt werden muß. Dabei haben die Parteien zwar nähere Regelungen über die Art und Weise der Erbringung der “Nebentätigkeit” getroffen; allein der Umstand, daß die Nebentätigkeit in den Räumen und auch mit Personal der Beklagten auszuführen war, führt aber nicht dazu, daß es sich nicht mehr um eine Nebentätigkeit, sondern um die geschuldete Hauptdienstleistung im Sinne des § 611 Abs. 1 BGB handelt. Die Parteien haben in dem Dienstvertrag vom 11. Dezember 1987 einen Zusammenhang zwischen der in Ziff. III vereinbarten Vergütung und der Abrede in Ziff. VII nicht hergestellt, so daß nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, die Vereinbarung in Ziff. VII sei Teil der Vergütungsabrede in Ziff. III. Dagegen spricht auch der systematische Zusammenhang der Vereinbarungen in dem Dienstvertrag. Nach Festlegung der Arbeitsaufgabe in Ziff. I, der Geltung des BAT in Ziff. II und IV, der Vergütung in Ziff. III, findet sich in Ziff. V die Festlegung, daß die Klägerin “die ihr übertragenen Tätigkeiten gewissenhaft und ordnungsgemäß” auszuführen habe. Erst danach finden sich in Ziff. VII die “Sondervereinbarungen”, so daß die dort vereinbarte Nebentätigkeit nach dem Vertragstext nicht zu den übertragenen Tätigkeiten (gemäß Ziff. I und V) gehört, für die die Vergütung geschuldet wird und die dem arbeitgeberseitigen Weisungsrecht unterliegt. Es liegt zwar nahe, daß die Parteien mündlich, eventuell auch konkludent, weitere Abreden hierzu getroffen haben. Doch fehlt es an einem entsprechenden Parteivortrag.

          Nicht entscheidend ist, daß die vereinbarte selbständige Nebentätigkeit auch im Interesse der Beklagten liegt, um den Vertrieb der Blutkonserven und Blutderivate sicherzustellen. Auch die Tatsache, daß die Einnahmen aus dieser Nebentätigkeit die BAT-Vergütung aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten beträchtlich übersteigt, ist kein erheblicher Umstand. Eine “Nebentätigkeit” ist nicht dadurch geprägt, daß der Betreffende hieraus geringe Einkünfte erzielt. Für die Auslegung, daß es sich bei der Ziff. VII um “Sondervereinbarungen” und nicht um einen Teil der Vergütungsvereinbarung handelt, spricht auch der Umstand, daß die Parteien ausdrücklich auch andere Nebentätigkeiten geregelt haben. Zudem wird in Ziff. VII 2.3 ausdrücklich festgelegt, daß die Klägerin bei “Abwicklung ärztlicher Nebentätigkeit” “ihre Dienstobliegenheiten nicht vernachlässigen” darf. Die Parteien haben also ausdrücklich zwischen “ärztlicher Nebentätigkeit” und den “Dienstobliegenheiten” unterschieden. Die arbeitsvertraglich geschuldete Dienstleistung wird in Ziff. I genannt (Leitung des Instituts R…) und die hierfür geschuldete Vergütung in Ziff. III vereinbart.

        • Kommt das Landesarbeitsgericht im erneuten Berufungsverfahren wiederum zu dem Ergebnis, daß das Liquidationsrecht Teil der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Vergütung ist, ist dieses im Krankheitsfall wie die Geldvergütung 26 Wochen lang fortzugewähren. Ob sich der kranke Arbeitnehmer auch darüber hinaus vertreten lassen oder sogar das Labor selbst weiterhin leiten könnte, spielt keine Rolle. Aus der Konstruktion des Landesarbeitsgerichts läßt sich keine längerfristige Verpflichtung ableiten. Die Klägerin kann nur für den Lohnfortzahlungszeitraum liquidieren; danach muß ihr das Labor nicht mehr überlassen werden, wenn die Überlassung Teil der Vergütung ist. Der Arbeitgeber, der für Ersatz des arbeitsunfähigen Arbeitnehmers sorgen muß und diesem Ersatz eine entsprechende Vergütung zu zahlen hat, soll für höchstens 26 Wochen doppelt leisten müssen. Entzieht der Arbeitgeber das Liquidationsrecht dem Arbeitnehmer vorzeitig, muß er Geldersatz leisten – aber nur bis zum Ablauf der Lohnfortzahlung.
    • War das Liquidationsrecht nicht Teil der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Vergütung, kommt nur ein Schadensersatzanspruch in Betracht. Die §§ 325, 280 BGB scheiden in diesem Falle als Anspruchsgrundlage aus.

      • Wird die aus einem gegenseitigen Vertrage dem einen Teile obliegende Leistung infolge eines Umstandes, den er zu vertreten hat, unmöglich, so kann der andere Teil nach § 325 Abs. 1 Satz 1 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch ist das Bestehen einer Leistungs-Gegenleistungs-Beziehung. Die Vermögenseinbuße der Klägerin ist dadurch entstanden, daß sie daran gehindert war, tatsächlich ihre Nebentätigkeit auszuüben und hieraus Einkünfte zu erzielen. Die Gestattung der Nebentätigkeit mit Privatliquidationsrecht stand bei dieser Vertragsauslegung jedoch nicht im Leistungs-Gegenleistungs-Verhältnis.
      • Bei der Gestattung der Nebentätigkeit mit der Möglichkeit der Erzielung von Liquidationshonoraren handelt es sich dann auch nicht um eine Hauptleistungspflicht, für die die Beklagte gemäß § 280 Abs. 1 BGB einzustehen hätte. Da es sich bei der Nebentätigkeit der Klägerin um eine selbständige Tätigkeit handelt, ist nicht davon auszugehen, daß die Beklagte für die Möglichkeit, hieraus tatsächlich Einnahmen zu erzielen, im Sinne einer vertraglichen Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis einstehen wollte. Vielmehr handelt es sich um eine vertragliche Nebenpflicht.
    • Ob der Klägerin ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung zusteht, kann auf Grund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend entschieden werden.

      • Zwar besteht keine allgemeine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer vor Vermögensnachteilen zu bewahren (vgl. MünchArbR/Blomeyer 2. Aufl. § 96 Rn. 100; ErfK/Preis 2. Aufl. § 611 BGB Rn. 902). Die Verletzung der Vermögensinteressen des Arbeitnehmers kann aber eine Schadensersatzpflicht auslösen, wenn der Arbeitgeber eine entsprechende arbeitsvertragliche Nebenpflicht eingegangen ist. Die Beklagte hat der Klägerin mit der in Ziff. VII 2.1 vereinbarten ärztlichen Nebentätigkeit nicht nur eine unverbindliche Erwerbsobliegenheit eröffnen wollen. Sie hat entgegen der Auffassung der Revision nicht lediglich die Weiterverwertung der Arbeitskraft in genehmigten Nebentätigkeiten außerhalb der vertraglichen Vergütung zugestanden. Vielmehr ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung und möglicherweise auch aus weiteren ausdrücklichen oder konkludenten Abreden, daß die Beklagte das “Kreuzlabor” der Klägerin zur weitgehend eigenverantwortlichen Nutzung zu überlassen hat. Die Beklagte hat sich verpflichtet, der Klägerin selbständigen Erwerb innerhalb des Instituts im Sinne eines Liquidationsrechts zu ermöglichen. Beide Parteien sind davon ausgegangen, daß die Klägerin auf Grund der Nebentätigkeit auch tatsächlich nicht unerhebliche Einnahmen erzielen werde. Es ging darum, diese Verdienstmöglichkeit einzuräumen bzw. zu erhalten. Die tatsächlichen Verhältnisse in der Folgezeit haben dies bestätigt. Die Beklagte war deshalb verpflichtet, der Klägerin die Möglichkeit, aus der genehmigten ärztlichen Nebentätigkeit Einnahmen zu erzielen, nicht von sich aus ohne rechtfertigenden Grund zu entziehen.
      • Das Landesarbeitsgericht hat es unterlassen, Inhalt und Tragweite der genannten Verpflichtung der Beklagten aufzuklären. Hierauf kann es für die Entscheidung des Streitfalles entscheidend ankommen. Zu prüfen ist insbesondere, in welchem Zusammenhang die Nebentätigkeit innerhalb des Instituts mit der Haupttätigkeit “Leitung des Instituts” steht und welche Gründe die Beklagte berechtigen, die Labortätigkeit anderweitig zu vergeben. Wenn der Arbeitgeber das Gehalt bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit 26 Wochen fortzahlen muß, so ist kaum vorstellbar, daß er die Möglichkeit der Nebentätigkeit im Institut länger gewährleisten muß. Eine Garantie der Nebentätigkeit im Institut unabhängig von der Haupttätigkeit und deren Vergütungspflicht wird von der Klägerin nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. Auf die Möglichkeit, sich im “Kreuzlabor” – auch längerfristig – vertreten zu lassen, kommt es jedenfalls nicht in erster Linie an. Muß der Arbeitgeber bei längerer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers die Leitung des Instituts anderweitig vergeben, so liegt es nahe, daß er dann auch “das Liquidationsrecht” anderweitig vergeben darf. Die erwogene “ergänzende Vertragsauslegung” seitens des Landesarbeitsgerichts hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand. Deshalb wäre die Dauer der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin seit Juli 1995 entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts näher festzustellen gewesen. Maßgebend ist die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bezogen auf die Arbeitstätigkeit “Leitung des Instituts”.

        Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts rechtfertigen keine abschließende Auslegung von Inhalt und Tragweite der Pflicht zur Überlassung des Kreuzlabors. Der Wortlaut von VII 2.1 des Vertrags gibt kaum etwas her, der Zusammenhang der Regelung wenig. Anderer Auslegungsstoff kommt in Betracht, liegt aber nicht vor. Das Landesarbeitsgericht muß den Parteien noch Gelegenheit geben, hierzu vorzutragen. Zu beachten ist insbesondere die Bindung der streitigen Nebentätigkeit an die Stellung und die Tätigkeit im Institut.

      • Die Beklagte ist jedenfalls nur dann zum Schadensersatz verpflichtet, wenn sie die Verletzung ihrer Nebenpflicht zu vertreten hat.

        • Die Möglichkeit für die Klägerin, aus der ärztlichen Nebentätigkeit Einnahmen zu erzielen, war an den Bestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft. Wenn die Beklagte das Arbeitsverhältnis rechtswirksam gekündigt hätte oder eine entsprechende Änderungskündigung rechtswirksam gewesen wäre, hätte auch ihre Nebenpflicht im streitgegenständlichen Zeitraum nicht fortbestanden. Zwar waren Kündigung und Versetzung der Klägerin nach N… rechtsunwirksam. Gleichwohl könnten die Entbindung der Klägerin von der Institutsleitung und/oder die Beendigung der Überlassung des “Kreuzlabors” wegen der von der Aufsichtsbehörde wiederholt beanstandeten mangelhaften Zustände im Institut rechtens gewesen sein. Das Landesarbeitsgericht hat diese Frage nicht geprüft und keine Feststellungen hierzu getroffen. Das ist nachzuholen. War das Liquidationsrecht kein Teil der Vergütung, wäre die aus Gründen, die im Verantwortungsbereich der Klägerin lagen und von der Beklagten nicht zu vertreten waren, unmöglich gewordene Liquidation auch nicht zu entschädigen.
        • Was der Schuldner zu vertreten hat, regeln die §§ 276 bis 279 BGB. Danach hat der Schuldner für eigenes Verschulden und das seiner Erfüllungsgehilfen und gesetzlichen Vertreter einzustehen. Nach § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt. Eine Nebenpflichtverletzung hat die Beklagte dann zu vertreten, wenn sie bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, daß Kündigung, angestrebte Vertragsänderung und Untersagung einer weiteren Tätigkeit unwirksam waren. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, daß die Beklagte der Klägerin die Möglichkeit zur Erzielung der Liquidationshonorare vorsätzlich entzogen habe, geht fehl. Mit diesen Erwägungen kann ein Verschulden der Beklagten nicht bejaht werden. Die Beklagte hat allenfalls fahrlässig gehandelt, weil sie bei Ausspruch der Kündigungen davon ausgegangen ist, sie sei zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber der Leiterin des Instituts in R… auf Grund der von der Regierung der Oberpfalz festgestellten Mängel in dem Institut berechtigt. Die Beklagte hat sich in einem möglicherweise entschuldbaren Rechtsirrtum befunden. Entscheidend ist, ob sie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit vertretbaren Gründen zu der Annahme gelangen durfte, daß die außerordentliche Kündigung oder zumindest die mit der ordentlichen Kündigung angestrebte Vertragsänderung sich als rechtsbeständig erweisen werde.
        • Beruht die Ungewißheit über die Schuld auf rechtlichen Zweifeln des Schuldners (sog. Rechtsirrtum), hier über die Wirksamkeit einer Kündigung, so muß dies im Grundsatz als möglicher Entschuldigungsgrund berücksichtigt werden können. Der Rechtsirrtum ist entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat (vgl. BAG 12. November 1992 – 8 AZR 503/91 – BAGE 71, 350, 353 mwN; 17. Februar 1994 – 8 AZR 275/92 – BAGE 76, 32, 34; 1. Februar 1960 – 5 AZR 20/58 – BAGE 9, 7, 18, jeweils zu § 285 BGB). Im Fall einer Kündigung ist nicht erforderlich, daß sich diese als rechtsbeständig erweist. Der Arbeitgeber darf seine Interessen mit den gesetzlich gebotenen Mitteln verfolgen, sofern er nach verständiger Würdigung des Sachverhalts zur Ansicht gelangen durfte, es liege eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vor (vgl. BAG 23. August 1990 – 2 AZR 156/90 – DB 1991, 445, zu B I 3a der Gründe). Der Ausspruch einer Kündigung erfordert eine komplexe Abwägungsentscheidung des Arbeitgebers. Es ist nicht in jedem Fall leicht abzuschätzen, inwieweit das Arbeitsgericht und die weiteren gerichtlichen Instanzen der eigenen Abwägung folgen werden. Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit vertretbaren Gründen zu der Annahme gelangen durfte, die Kündigung werde sich als rechtsbeständig erweisen. Ist die Rechtslage nicht eindeutig und beruht der Ausspruch der Kündigung auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt, handelt der kündigende Arbeitgeber so lange nicht fahrlässig, wie er auf die Wirksamkeit seiner Kündigung vertrauen darf. Dieses Vertrauen auf die Wirksamkeit der Kündigung kann im Laufe eines Kündigungsrechtsstreits seine Berechtigung verlieren, zB nach Durchführung einer Beweisaufnahme, die zum Ergebnis führt, daß keine Kündigungsgründe vorliegen (vgl. BAG 23. September 1999 – 8 AZR 791/98 – nv., zu 1 der Gründe; 23. September 1999 – 8 AZR 792/98 – nv., zu 1 der Gründe; 27. Mai 1999 – 8 AZR 322/98 – nv., zu I 1 der Gründe; 18. Februar 1999 – 8 AZR 320/97 – nv., zu II 3a der Gründe; 14. Mai 1998 – 8 AZR 158/97 –, – 8 AZR 633/96 – und – 8 AZR 634/96 – nv., alle zu II 1a der Gründe; vgl. auch BAG 23. August 1990 – 2 AZR 156/90 – DB 1991, 445 f., zu B I 3a der Gründe).

          Gemäß § 282 BGB trägt der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß er die Unmöglichkeit der Leistung nicht zu vertreten hat. Bei einer positiven Vertragsverletzung gilt im Arbeitsvertragsrecht in analoger Anwendung des § 282 BGB der Grundsatz, daß derjenige, von dem Schadensersatz wegen Vertragspflichtverletzung verlangt wird, die Beweislast für sein Nichtvertretenmüssen dann trägt, wenn die Schadensursache in seinem Gefahrenbereich liegt (vgl. BAG 28. Juli 1972 – 3 AZR 468/71 – AP BGB § 282 Nr. 7 = EzA BGB § 242 Ruhegeld Nr. 18 mwN, im Anschluß an BGH 13. Februar 1969 – VII ZR 14/67 – AP BGB § 282 Nr. 6). Das ist im Streitfall die Beklagte, weil diese die Kündigung ausgesprochen und der Klägerin die Ausübung der Nebentätigkeit verwehrt hat. Sie hat darzulegen und ggf. zu beweisen, daß aus ihrer Sicht Kündigungsgründe vorlagen, die einen sorgfältigen abwägenden Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen konnten, so daß er auf die Wirksamkeit der Kündigung vertrauen durfte (vgl. im Hinblick auf einen Verzögerungsschaden gemäß § 286 BGB: BAG 23. September 1999 – 8 AZR 791/98 – nv., zu 1 der Gründe; 23. September 1999 – 8 AZR 792/98 – nv., zu 1 der Gründe; 27. Mai 1999 – 8 AZR 322/98 – nv., zu I 1 der Gründe; 18. Februar 1999 – 8 AZR 320/97 – nv., zu II 3a der Gründe; 14. Mai 1998 – 8 AZR 158/97 –, – 8 AZR 633/96 – und – 8 AZR 634/96 – nv., alle zu II 1a der Gründe).

          Das Berufungsgericht wird die Beurteilung des Verschuldens der Beklagten nachzuholen haben. Zu prüfen ist, ob die Beklagte die Unwirksamkeit der Kündigung und der angestrebten Vertragsänderung bereits bei ihrem Ausspruch oder später (etwa nach dem Urteil des Arbeitsgerichts) bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt erkennen mußte oder etwa trotz der Erwägungen des Arbeitsgerichts weiterhin berechtigterweise von der Rechtswirksamkeit der Kündigung ausgehen durfte. Auf Grund des bisherigen Vorbringens der Beklagten, der Gelegenheit zum ergänzenden Vortrag zu geben ist, ist es nicht ausgeschlossen, daß sie bis zum Berufungsurteil im Kündigungsschutzprozeß auf die Rechtswirksamkeit der außerordentlichen Kündigung oder zumindest der angestrebten Vertragsänderung vertrauen durfte. Die Beklagte hatte der Klägerin vorgeworfen, als Leiterin des Instituts R… für die von der Regierung der Oberpfalz festgestellten Mängel verantwortlich zu sein. Es ist nicht auszuschließen, daß die Beklagte angesichts der “Vielzahl und Schwere der Mängel”, die die Regierung der Oberpfalz veranlaßt hat, sogar den Widerruf der arzneimittelrechtlichen Herstellungserlaubnis anzudrohen, davon ausgehen durfte, daß eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtlich zulässig sei. Das Arbeitsgericht ist jedenfalls davon ausgegangen, die Beklagte sei in vertretbarer Weise zu der Auffassung gelangt, daß der Mängelbericht der Regierung der Oberpfalz zumindest auch auf eine fehlende Eignung der Klägerin für ihre schwierige Aufgabe zurückzuführen sei. Das Landesarbeitsgericht hat eine eigenständige Bewertung nicht vorgenommen, weil es rechtsfehlerhaft von einem vorsätzlichen Verhalten der Beklagten ausgegangen ist.

      • Sofern ein Verschulden der Beklagten zu bejahen ist, kann der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der entgangenen Privatliquidationseinnahmen zustehen.

        • Auf den Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung finden die Vorschriften der §§ 249 ff. BGB Anwendung (vgl. BGH 18. Dezember 1981 – V ZR 207/80 – NJW 1982, 1145, 1146). Gemäß § 249 Satz 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatze verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger gemäß § 251 Abs. 1 BGB in Geld zu entschädigen. Der Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung erstreckt sich auf alle durch das schädigende Verhalten adäquat verursachten unmittelbaren und mittelbaren Vermögensnachteile (vgl. nur BGH 11. Mai 1989 – X ZR 108/87 – BGHZ 107, 258; Palandt/Heinrichs BGB 60. Aufl. § 276 Rn. 123). Auszunehmen sind lediglich Schadensfolgen, die jenseits des Schutzzwecks der verletzten Vertragspflicht liegen. Die Klägerin wäre damit so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn die Beklagte ihre Nebenpflicht nicht verletzt hätte. Der Schaden besteht in der Differenz zwischen der Vermögenslage, die eingetreten wäre, wenn die Beklagte ordnungsgemäß ihre Nebenpflicht erfüllt hätte, und der durch die Verletzung der Nebenpflicht tatsächlich entstandenen Vermögenslage.
        • Die Klägerin macht geltend, ihr seien dadurch, daß sie die Nebentätigkeit nicht ausüben konnte, Liquidationseinnahmen entgangen. Gemäß § 252 Satz 1 BGB umfaßt der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (§ 252 Satz 2 BGB). Die Klägerin hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, welche Einnahmen den von der Beklagten eingesetzten kommissarischen Institutsleitern für die einschlägige ärztliche Nebentätigkeit zugeflossen sind. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die Erzielung der Einnahmen aus dem sog. Kreuzlabor von einer besonderen “Kunstfertigkeit” des jeweils Tätigen nicht abhängig. Deshalb ist die vom Landesarbeitsgericht im Rahmen des § 286 ZPO vorgenommene Würdigung, daß es am ehesten wahrscheinlich sei, daß die Honorare in gleicher Höhe der Klägerin zugeflossen wären, wenn sie weiter selbst die Nebentätigkeit wahrgenommen hätte, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision wendet sich nicht gegen die Höhe der Einkünfte der kommissarischen Institutsleiter und die Berechnungsweise der Klägerin.
      • Der der Klägerin ggf. zustehende Schadensersatz ist nicht um Einnahmen aus der sonstigen ärztlichen Nebentätigkeit nach Ziff. VII 2.2 des Dienstvertrages zu mindern.

        • Bei der Bemessung der Höhe des Schadensersatzes kann es unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung zu einer Anspruchsminderung führen, wenn der Geschädigte durch das den Schaden auslösende Ereignis Vermögensvorteile erlangt, die in einem adäquaten Kausalzusammenhang stehen, der Zweck des Schadensersatzes eine Anrechnung gebietet und keine ungerechtfertigte Entlastung des Schädigers eintritt (vgl. BGH 15. April 1983 – V ZR 152/82 – NJW 1983, 2137 f.; 18. Dezember 1981 – V ZR 207/80 – NJW 1982, 1145, 1146; 13. Juli 1981 – II ZR 91/80 – BGHZ 81, 271, 275; 16. Mai 1980 – V ZR 91/79 – BGHZ 77, 151, 153 f.; 22. März 1979 – VII ZR 259/77 – BGHZ 74, 103, 113 f.). Bei der Vorteilsausgleichung handelt es sich nicht um eine Einrede, die der Schädiger erst geltend machen müßte, sondern um eine Inhaltsbeschränkung, die dem Schadensersatzanspruch von vornherein anhaftet (vgl. BGH 18. Dezember 1981 aaO). Es sind nur solche Vorteile anrechenbar, die gerade mit dem geltend gemachten Nachteil in einem qualifizierten Zusammenhang stehen, der beide, Vorteil und Nachteil, “gewissermaßen zu einer Rechnungseinheit verbindet” (vgl. BGH 16. Mai 1980 aaO BGHZ 77, 151, 154 mwN).
        • Der Klägerin war neben der institutsgebundenen auch eine “übrige ärztliche Nebentätigkeit” ausdrücklich genehmigt worden (Ziff. VII 2.2 des Dienstvertrages). Sie betrieb bereits seit 1991 ein eigenes Labor, das zur Erstellung von gerichtlichen Abstammungsgutachten diente. Eine Anrechnung der Einkünfte aus dieser “übrigen” Nebentätigkeit auf ihre Nebeneinkünfte nach Ziff. VII 2.1 des Dienstvertrages war vertraglich nicht vorgesehen. Eine Minderung des Schadensersatzanspruches um die Einnahmen aus der “übrigen” Nebentätigkeit scheidet bereits deshalb aus, weil diese nicht im kausalen Zusammenhang zu dem Entzug der Möglichkeit, Einkünfte aus der institutsgebundenen Nebentätigkeit zu erzielen, stehen. Ein Kausalzusammenhang wäre nur gegeben, wenn die Klägerin auf Grund der Tatsache, daß die Beklagte sie gehindert hat, die institutsgebundene Nebentätigkeit auszuüben, ihre sonstige Nebentätigkeit ausgeweitet und aus dieser höhere Einnahmen als in der Vergangenheit bezogen hätte. Das Landesarbeitsgericht ist unter Hinweis auf die schriftliche Bestätigung des Steuerberaters der Klägerin vom 22. Dezember 1997 davon ausgegangen, daß die Klägerin in den Jahren 1996 und 1997 keine höheren Einnahmen aus dem Privatlabor erzielt hat als zuvor. Abgesehen davon, daß diese Würdigung des Tatsachengerichts im Rahmen des § 286 ZPO nur der beschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (vgl. nur BAG 1. Oktober 1997 – 5 AZR 685/96 – BAGE 86, 347, 355), hätte die Beklagte als die Ersatzpflichtige dartun und beweisen müssen, daß und ggf. in welcher Höhe die Geschädigte einen auszugleichenden Vermögensvorteil erlangt hat (vgl. BGH 24. April 1985 – VIII ZR 95/84 – BGHZ 94, 195, 217; 23. Juni 1992 – XI ZR 247/91 – NJW-RR 1992, 1397; 31. Januar 1991 – IX ZR 124/90 – NJW-RR 1991, 794).
        • Ob die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Auskunftsanspruch des Arbeitgebers über anderweitig erzielte Einkünfte des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit § 615 Satz 2 BGB (vgl. BAG 24. August 1999 – 9 AZR 804/98 – AP BGB § 615 Anrechnung Nr. 1 = EzA BGB § 615 Nr. 96; 29. Juli 1993 – 2 AZR 110/93 – BAGE 74, 28, 32 ff.) auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation übertragbar ist, bedarf keiner Entscheidung. Auch wenn man von einer entsprechenden Auskunftspflicht der Klägerin ausgeht, richten sich Inhalt und Umfang der Auskunftspflicht im Einzelfall nach den Grundsätzen von Treu und Glauben. Gerade wenn es um Angaben über Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit geht, lassen sich keine schematischen Regeln für die Auskunftspflicht aufstellen (vgl. BAG 29. Juli 1993 aaO BAGE 74, 28, 36). Indizien für die Annahme eines Anstiegs der sonstigen Nebeneinkünfte der Klägerin auf Grund des Ausfalls der institutsgebundenen Nebentätigkeit hat die Beklagte nicht dargetan. Daß die Klägerin überhaupt aus der sonstigen ärztlichen Nebentätigkeit – wie bereits in den Vorjahren – Einnahmen erzielt hat, ist unerheblich und auch nicht streitig. Auf die Verfahrensrüge der Beklagten (§§ 139, 286 ZPO) kommt es deshalb nicht an.
        • Mindern die Einnahmen der Klägerin aus ihrem Privatlabor einen eventuellen Schaden nicht, sind sie auch nicht gemäß § 615 Satz 2 BGB oder § 11 KSchG anzurechnen. In Betracht kommt aber, daß die Klägerin auf Grund ihrer Arbeitsunfähigkeitszeiten für eine Vertretung im “Kreuzlabor” hätte sorgen müssen. Die hypothetischen Aufwendungen hierfür wären schadensmindernd zu berücksichtigen. Sie sind entgegen der Auffassung der Revision nicht mit dem gleichzusetzen, was die vorübergehend eingesetzten Ärzte auf Grund ihrer Tätigkeit liquidiert haben.
 

Unterschriften

Etzel, Dr. Wittek, Mikosch, E. Schmitzberger, Dr. Haible

 

Fundstellen

Haufe-Index 901924

FA 2001, 346

ArztR 2002, 122

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