Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung des Arbeitnehmers mit Bruttoentgeltdifferenzen

 

Orientierungssatz

Hinweise des Senats:

"Keine Aufrechnung mit Bruttolohnforderungen des Arbeitnehmers gegen Zahlungsansprüche des Arbeitgebers, es sei denn, die Höhe der Abzüge ist bekannt."

 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des

Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 11. März 1998 - 2

Sa 678/97 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des

Arbeitsgerichts Lübeck vom 18. November 1997 - 3 b Ca 2557/97

öD - wird zurückgewiesen.

3. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision

zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte gegenüber einem unstreitigen Rückforderungsanspruch der Klägerin in Höhe von 1.333,76 DM erfolgreich mit Vergütungsdifferenzen für die Monate Dezember 1996 bis März 1997 einschließlich aufgerechnet hat.

Der Beklagte war vom 1. März 1994 bis zum 31. März 1997 als Angestellter bei der klagenden Stadt tätig. Nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 21. Februar 1994 richtete sich das Arbeitsverhältnis nach den "Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) mit den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen in ihrer jeweils geltenden Fassung...". Nach § 4 Abs. 1 dieses Vertrages ist "der Angestellte nach § 22 BAT in die VergGr. V b BAT eingereiht".

Mit Schreiben vom 6. Februar 1997 kündigte der Beklagte sein Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 31. März 1997, um am 1. April 1997 ein Arbeitsverhältnis bei einem privaten Arbeitgeber einzugehen. In der zur Wiederbesetzung der Stelle erfolgten internen Ausschreibung ist vorgesehen, daß die Vergütung nach VergGr. IV b BAT erfolgt.

Im Jahre 1996 hatte die Klägerin dem Beklagten eine Zuwendung nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte gezahlt. Aufgrund der Kündigung behielt die Klägerin von dem Gehalt für März 1997 den den Pfändungsfreibetrag übersteigenden Teil der gezahlten Nettozuwendung ein und verlangt vom Beklagten Rückzahlung der restlichen Nettozuwendung in Höhe von 1.847,98 DM. Ferner verlangt sie den Ausgleich von vom Beklagten nicht erbrachten Arbeitsstunden ("Minusstunden") in Höhe von 434,11 DM, zuzüglich 12,00 DM Auslagen und Verzugszinsen. Diese Forderungen sind nach Grund und Höhe unstreitig. Der Beklagte rechnet mit vermeintlichen Vergütungsansprüchen gegen die Klageforderung auf. Er habe seit März 1996 einen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV b BAT. Im Hinblick auf die tarifvertraglichen Ausschlußfristen hat er sich in der Berufung auf den Zeitraum von Dezember 1996 bis März 1997 beschränkt, ein Betrag von 1.333,76 DM brutto.

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.333,76 DM

zuzüglich 4,5 % Zinsen aus 1.321,76 DM seit dem 27. Juni 1997 zu

zahlen.

Der Beklagte hat sinngemäß beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, ihm stehe für die streitige Zeit Vergütung nach VergGr. IV b BAT zu. Er sei praktisch ab März 1996 als Leiter der neu zu bildenden Fachstelle eingesetzt worden.

Die Klägerin hält den Vortrag des Beklagten für unschlüssig.

Das Arbeitsgericht hat der Klage im vollen Umfang stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Aufrechnungsforderung als begründet angesehen und die Klage insoweit abgewiesen. Mit der vom Senat mit Beschluß vom 27. Januar 1999 - 4 AZN 393/98 - zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Rückzahlungsforderungen der Klägerin sind nicht teilweise durch Aufrechnung erloschen. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft das Bestehen weiterer Vergütungsansprüche des Beklagten gegen die Klägerin angenommen. Die in der Revisionsinstanz noch anhängige Klage auf Zahlung weiterer 1.333,76 DM ist begründet, und zwar unabhängig davon, ob die von dem Beklagten zur Aufrechnung gestellten Forderungen bestehen.

I. Da der Beklagte auf eigenen Wunsch zum 31. März 1997 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, hat er gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Zuwendungs-TV die für 1996 erhaltene Zuwendung zurückzuzahlen (vgl. BAG 31. Januar 1979 - 5 AZR 551/77 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 101). Ferner hat er gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB die vorhandenen 22,53 "Minusstunden" auszugleichen.

II. Die Aufrechnung ist unzulässig. Gegen Forderungen des Arbeitgebers - hier der Sache nach Nettobeträge - kann der Arbeitnehmer nicht mit Bruttolohnansprüchen wirksam aufrechnen, es sei denn, die Höhe der Abzüge ist bekannt. Das ist hier nicht der Fall. Die Aufrechnungslage setzt gem. § 387 BGB Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen im Zeitpunkt der Abgabe der Aufrechnungserklärung voraus (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 59. Aufl. § 387 Rn. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Forderung, gegen die mit Vergütungsdifferenzen aufgerechnet wird, ist auf einen Nettobetrag gerichtet. Die Nettoforderungen, auf deren Zahlung die Klägerin Anspruch hätte oder beim Scheitern der Aufrechnung hat, ist mit dem Betrag der Vergütungsdifferenzen nicht deckungsgleich. Von dem zur Aufrechnung gestellten Betrag sind vielmehr kraft der auf öffentlichem Recht beruhenden Verpflichtungen der Klägerin Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge einzubehalten und unmittelbar an die öffentlichen Kassen abzuführen. Insoweit fehlt es an der Gegenseitigkeit von Haupt- und Gegenforderung und damit bereits an den grundlegenden Aufrechnungsvoraussetzungen (vgl. MünchArbR-Hanau Bd. 1 § 63 Rn. 12). Die Aufrechnung kann sich nur auf den Nettolohnbetrag beziehen. Die Aufrechnung ist unzulässig, wenn der Nettobetrag nicht bestimmt ist. Aufgerechnet werden kann nur mit Nettolohnforderungen des Arbeitnehmers. Andernfalls wäre nicht klar, in welcher Höhe das Gericht über die Gegenforderung entschieden hat. Nach § 322 Abs. 2 ZPO ist "die Entscheidung, daß die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig". Der Umfang der Rechtskraft darf nicht unklar bleiben. Auch wenn die Klage aufgrund einer Aufrechnung abgewiesen werden soll, muß feststehen, in welcher Höhe die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung erloschen ist. Das wäre bei der von dem Beklagten erklärten Aufrechnung nicht der Fall. Das ist in der Rechtsprechung für den Fall der Aufrechnung des Arbeitgebers gegen Bruttolohnforderungen des Arbeitnehmers anerkannt (vgl. zB BAG 16. März 1994 - 5 AZR 411/92 - nv. und vgl. BAG 16. März 1994 - 5 AZR 339/92 - BAGE 76, 155; LAG Baden-Württemberg 20. März 1995 - 16 Sa 132/94 - nv. und 4. Mai 1988 - 9 Sa 22/88 - nv.).

Für die Aufrechnung mit Bruttolohnforderungen gilt Entsprechendes. Der genaue Nettobetrag der Lohnforderung muß bei Schluß der mündlichen Verhandlung feststehen (vgl. Mikosch AR-Blattei SD Aufrechnung im Arbeitsverhältnis Rn. 69). Zwar hätte der Beklagte gegen die Nettoforderungen mit dem Nettobetrag der Vergütungsdifferenzen an sich aufrechnen können, doch hat er dies trotz vom Senat gem. § 278 Abs. 3 ZPO gegebenen Hinweis auf die Bedenklichkeit der Aufrechnung mit Bruttobeträgen gegen Nettobeträge nicht getan. Welche Vergütungsdifferenzen der Beklagte nach Abzug der Steuern und Sozialversicherungsabgaben zu beanspruchen hat, entzieht sich der Kenntnis des - ob des Beibringungsgrundsatzes zur Ermittlung des betreffenden Sachverhaltes nicht von Amts wegen verpflichteten - Revisionsgerichts. Die Unzulässigkeit der Aufrechnung verhilft der Revision zum Erfolg. Der Klage muß demnach ohne Rücksicht auf den möglichen Bestand der Gegenforderung des Beklagten entsprochen werden.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 91 ZPO.

Schliemann

Bott Friedrich Wolf

v. Dassel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI610922

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