Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsrechtlicher Status eines Fernsehmitarbeiters

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 27.10.1993; Aktenzeichen 3 Sa 66/93)

ArbG Stuttgart (Urteil vom 03.03.1993; Aktenzeichen 18 Ca 5089/92)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 27. Oktober 1993 – 3 Sa 66/93 – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Klägerin – nach ihrem Vortrag Mitglied der IG Medien – ist nach einem Volontariat seit dem 1. Juli 1987 im Bereich der Fernsehredaktion „Innenpolitik” (Leiterin: Frau S.) für die Beklagte tätig. Überwiegend arbeitet sie als Redakteurin. Die Redaktion gehört mit sieben anderen Redaktionen zum Bereich „Politik und Gesellschaft” (Leiter: Herr A.). Aus diesem und einem weiteren Bereich besteht die Hauptabteilung „Information (Chefredaktion Fernsehen)”, die von Herrn E. geleitet wird.

Die Beklagte behandelt die Klägerin als sogenannte feste freie Mitarbeiterin den gemäß Tarifverträgen für arbeitnehmerähnliche Personen. Die Klägerin erhält Honorare, die nach Art und Anzahl der geleisteten Dienste errechnet werden. Sie hat Anspruch auf Urlaub und Zahlung im Krankheitsfall.

Die Fernsehredaktion „Innenpolitik” ist zuständig für die ARD-Sendungen „Pro und Contra” und „ARD-Brennpunkt” und für innenpolitische Sondersendungen, z.B. zu Landtagswahlen, und – in Südwest 3 – für die aktuelle Sendung „Schlaglicht” sowie die Sendung „Wortwechsel”.

Die Klägerin wird überwiegend als Redakteurin der Woche (Wochenredaktion) und als Senderedakteurin, insbesondere für die Sendungen „Pro und Contra”, „Brennpunkt” und „Schlaglicht” eingesetzt. Zeitlich etwa ein Drittel ihrer Gesamttätigkeit entfällt auf ihre Mitwirkung an der Sendung „Pro und Contra”, die vom Chefredakteur E. geleitet wird. Spätester Dienstbeginn ist 10.00 Uhr. Es finden – nach Darstellung der Beklagten wöchentlich – Redaktionssitzungen statt, an denen die Klägerin teilnimmt. Die Klägerin erstellt daneben auch eigene Fernsehbeiträge.

Die Klägerin wurde 1991 achtmal (für 7 1/2 Wochen) und 1992 zehnmal (für 11 Wochen) als Redakteurin der Woche eingesetzt. Dieser Einsatz erfolgt über Dienstpläne, die von der Redaktionsleiterin ein oder mehrere Wochen im Voraus für mehrere Wochen (bis zu drei Monaten) aufgestellt werden. Nach Behauptung der Beklagten werden Wünsche der Mitarbeiter, zu bestimmten Zeiten nicht eingesetzt zu werden, von der Redaktionsleiterin gesammelt und berücksichtigt; der Dienstplan kann auch noch später geändert werden.

1991 erzielte die Klägerin bei der Beklagten Einnahmen in Höhe von 83.279,47 DM. Nach den Honoraraufstellungen der Beklagten für 1991 und die Monate Januar bis Mai 1992 hatte die Klägerin monatlich jeweils 14 bis 24 Einsätze. Unter der Rubrik „Mitwirkung als” erscheinen ganz überwiegend die Stichworte „Redaktion” und „Redaktionelle Mi”(twirkung), daneben auch – im genannten Zeitraum zehnmal – „Produzent” und – zweimal – „Bereitschaftsdie”(nst).

Ein Schreiben des Chefredakteurs E. an die Klägerin vom 23. Oktober 1989 lautet auszugsweise:

„einige Merkposten für die nächste PRO & CONTRA-Sendung:

2. Damit die vorausproduzierten Fernseh-Seiten auch der kleinen und mittleren Zeitungen erreicht werden können, PRO & CONTRA-Pressemitteilungen schon am Montag, bzw. Dienstag früh rausgeben.

3. Die Sachverständigen für die Weitergabe an die Presse nicht als PRO- oder CONTRA-Sachverständigen bezeichnen. Die Erwartung nach Eindeutigkeit der Aussagen ist sonst zu groß und kann nicht in jedem Fall eingelöst werden (siehe G. und Sch.).

4. Die Einblendung der Telefonnummern war teilweise zu verschwommen. Vielleicht nach einer anderen Möglichkeit, sie einzustanzen, suchen.”

In einem weiteren Schreiben vom 15. Juni 1990, gerichtet an die Klägerin und eine Kollegin heißt es:

„zur Vorbereitung der nächsten PRO & CONTRA-Sendung möchte ich Sie bitten, schon einmal ein Auge auf folgende Themen zu werfen:

…”

Auf einem Schreiben eines Mitarbeiters der Beklagten an den Chefredakteur E., das die „Pro und Contra”-Studiodekoration betrifft, befindet sich ein Vermerk des Chefredakteurs vom 1. Mai 1992 mit folgendem Wortlaut:

„Frau B. bitte entsprechend organisieren.”

Am 11. August 1992 richtete der Chefredakteur E. folgendes Schreiben an die Klägerin:

„das beiliegende Schreiben von Herrn Se. läßt mich etwas ratlos. Ich bitte Sie, mit dem bei der TELEKOM Zuständigen direkt Kontakt aufzunehmen, damit wir ohne den Filter der Fachsprache unserer Zentraltechnik erfahren, worum es tatsächlich geht.”

Ein weiteres Schreiben des Chefredakteurs E. an die Klägerin und einen Kollegen vom 23. September 1992 lautet:

„bei der Lektüre unserer letzten Kritiken kam mir der Gedanke, unseren Kritikern – den freundlichen wie den mißmutigen – doch in diesem Jahr einen Weihnachts- oder Neujahrsgruß in die Redaktion zu schicken.

Ich bitte Sie also, über die Kritiken dieses Jahr und die Anschriften der Rezenzenten so Buch zu führen, daß wir uns in den letzten Adventstagen dieses Jahres dem Grüßeschreiben widmen können.”

In einem Schreiben der Redaktionsleiterin. Frau S., an alle Redaktionsmitarbeiter (Festangestellte und sogenannte feste freie Redakteure) vom 13. Januar 1993 heißt es:

  1. „Urlaubszeiten werden ab sofort für das ganze Jahr generell bei Marion F. angemeldet. Sie werden dort notiert bzw. in den Kalender am schwarzen Brett eingetragen und mir zur Kenntnis gegeben. Grundsätzlich gilt, daß max. 2 Redaktionsmitglieder (und dies schließt mich ein) höchstens 2 Wochen parallel in Urlaub oder zu einer Fortbildung gehen können. Dies bedeutet: Wer rechtzeitig plant, hat gute Chancen, als Dritter nicht zu spät zu kommen! Die Feiertage um Weihnachten, Pfingsten und Ostern sollten freilich im Wechsel besetzt werden.
  2. 1993 werden zunächst die tariflich zustehenden Urlaubstage genommen und von mir genehmigt. Darüberhinausgehende, unbezahlte Urlaubszeiten müssen mit mir gesondert besprochen werden.”

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie stehe in einem Arbeitsverhältnis. Sie hat vorgetragen: Sie sei weisungsgebunden. Das ergebe sich zunächst aus der Aufstellung von Dienstplänen. Es sei ganz ausgeschlossen, hinsichtlich bestimmter Termine oder Themen Wünsche zu äußern. Insbesondere gelte das für die aktuellen „Schlaglicht”-Sendungen. Die Arbeit an den „Pro und Contra”-Sendungen beginne jeweils ca. 3 Wochen davor. Damit sei die zeitliche Lage ihrer Arbeitszeit im wesentlichen festgelegt.

Die Redaktionsleiterin habe ihr u.a. im Dezember 1992 erklärt, spätester Dienstbeginn sei 10.00 Uhr. Sie sei in den betrieblichen Ablauf eingegliedert und werde nach den Weisungen der Beklagten tätig. Diese bestimme den Inhalt der Tätigkeiten, korrigiere die Leistungen, verändere sie inhaltlich und nehme sie ab. Sie sei auch verpflichtet, an den Redaktionssitzungen teilzunehmen. Werde sie nicht als Redakteurin der Woche eingesetzt, arbeite sie als Senderedakteurin. Nur ganz selten sei sie als Beitragsproduzentin tätig.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß sie sich bei der Beklagten in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befindet.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen: Die Klägerin sei freie Mitarbeiterin. Die Dienstpläne für die Wochenredaktion enthielten keine Anordnung, die vorgesehenen Dienste auch zu leisten. Die Festlegung für die ARD-Sendungen „Pro und Contra” sei kein Dienstplan. Eine „Automatik” gebe es auch außerhalb der durch den Dienstplan für den Redakteur übertragenen Aufgabe nicht. Es hänge von der Entscheidung der Redaktionsleiterin ab, ob der Klägerin die Aufgabe, eine Sondersendung der Innenpolitik redaktionell zu betreuen, angeboten werde. Sie habe keine Befugnis, über die Arbeitskraft der Klägerin zu verfügen. Diese arbeite lediglich entsprechend den jeweiligen Vereinbarungen an bestimmten einzelnen Produktionen mit. Mit der Klägerin würden für jeden Tag und für jeden Funktionsdienst gesonderte Honorarverträge geschlossen. Am Ende eines jeden Abrechnungszeitraums erhalte sie Ausdrucke über sämtliche Honorarverträge dieses Zeitabschnittes. Die Teilnahme an Redaktionssitzungen sei nur verbindlich, wenn die zugrunde liegende Tätigkeit mit der Klägerin vereinbart worden sei.

Im übrigen schließe sie mit den Arbeitnehmern – wie die Klägerin wisse – schriftliche Arbeitsverträge ab. Das sei aber bei ihr nicht geschehen.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß die Klägerin sich bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis befindet. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz.

A I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, das Arbeitsgericht habe darüber, daß ein etwaiges Arbeitsverhältnis unbefristet sei, nicht entschieden. Daher sei die Rechtshängigkeit dieses „Teils” des Streitgegenstandes erloschen.

Dem kann nicht gefolgt werden. Nach dem Sitzungsprotokoll lautet der von der Klägerin in I. Instanz gestellte Antrag wie folgt:

„Es wird festgestellt, daß die Klägerin sich bei dem Beklagten in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befindet.”

Das Arbeitsgericht hat tenoriert:

„Es wird festgestellt, daß die Klägerin sich bei dem Beklagten in einem Arbeitsverhältnis befindet.”

Gleichwohl hat es auch entschieden, daß es sich dabei um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis handelt. Denn in den Entscheidungsgründen heißt es, unstreitig bestehe zwischen den Parteien ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit. Streitig sei lediglich die Qualifizierung des zwischen den Parteien bestehenden Dauerschuldverhältnisses. Die Parteien streiten also auch in dritter Instanz darüber, ob sich die Klägerin in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befindet.

II. Das Landesarbeitsgericht hat den Feststellungsantrag der Klägerin dahin ausgelegt, daß er die Zeit ab 1. April 1992 betrifft. Dieser Auslegung, die in der Revisionsinstanz nicht angegriffen worden ist, schließt sich der Senat an.

Der Feststellungsantrag ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zulässig. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, ihr Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald feststellen zu lassen (§ 256 Abs. 1 ZPO). Wird ein Arbeitsverhältnis festgestellt, sind die zwingenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden, die ein Arbeitsverhältnis gestalten (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Urteil vom 20. Juli 1994 – 5 AZR 169/93 – AP Nr. 26 zu § 256 ZPO 1977 = EzA § 256 ZPO Nr. 43).

B. Ob zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht, läßt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilen.

I. Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils befindet. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats, der das Landesarbeitsgericht gefolgt ist, sind die dazu entwickelten Grundsätze auch im Bereich Funk und Fernsehen maßgebend (Urteil vom 20. Juli 1994 – 5 AZR 627/93 – AP Nr. 73 zu § 611 BGB Abhängigkeit = EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 54, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Urteil vom 30. November 1994 – 5 AZR 704/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).

1. Nicht programmgestaltende, aber rundfunk- und fernsehtypische Mitarbeit an Sendungen läßt sich in der Regel nur im Rahmen von Arbeitsverhältnissen durchführen. Dagegen kann programmgestaltende Mitarbeit sowohl im Rahmen von Arbeitsverhältnissen, als auch im Rahmen von freien Mitarbeiterverhältnissen erbracht werden.

2. a) Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist auch bei programmgestaltenden Mitarbeitern ein Arbeitsverhältnis zu bejahen, wenn der Sender innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens über die Arbeitsleistung verfügen kann (BAG Urteil vom 9. Juni 1993 – 5 AZR 123/92 – AP Nr. 66 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu III 1 der Gründe; Urteil vom 20. Juli 1994 – 5 AZR 627/93 –, a.a.O. und vom 30. November 1994 – 5 AZR 704/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B II der Gründe). Das ist dann der Fall wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird (BAG Urteil vom 7. Mai 1980 – 5 AZR 293/78 – AP Nr. 35 zu § 611 BGB Abhängigkeit) oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne gesonderte Vereinbarungen herangezogen wird, ihm also die Arbeiten letztlich „zugewiesen” werden. Die ständige Dienstbereitschaft kann sich sowohl aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen der Parteien als auch aus der praktischen Durchführung der Vertragsbeziehungen ergeben.

Ein Arbeitsverhältnis kann auch dann vorliegen, wenn der Mitarbeiter zwar an dem Programm gestalterisch mitwirkt, dabei jedoch weitgehenden inhaltlichen Weisungen unterliegt, ihm also nur ein geringes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und Selbständigkeit bleibt.

Äußere Umstände wie ein „eigener” Schreibtisch, ein „eigenes” Arbeitszimmer oder die Aufnahme in ein internes Telefonverzeichnis sind für sich genommen nicht entscheidend. Wird der Mitarbeiter dagegen in Dienstplänen aufgeführt, ohne daß die einzelnen Einsätze im voraus abgesprochen werden, so ist dies ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft.

b) Die einseitige Aufstellung von Dienstplänen ist regelmäßig nur dann sinnvoll, wenn Dienstbereitschaft der darin aufgenommenen Beschäftigten erwartet werden kann (BAG Urteile vom 16. Februar 1994 – 5 AZR 402/93 – AP Nr. 15 zu § 611 BGB Rundfunk = EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 52, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, 20. Juli 1994 – 5 AZR 627/93 –, a.a.O. und vom 30. November 1994 – 5 AZR 704/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Vielfach wird den Mitarbeitern mitgeteilt, sie seien nicht verpflichtet, die vorgesehenen Einsätze wahrzunehmen, die Dienstpläne seien also unverbindlich, oder träten erst dann in Kraft, wenn ihnen die eingesetzten Mitarbeiter nicht widersprächen. Diese Auffassung läuft darauf hinaus, vertragliche Vereinbarungen über die im Dienstplan vorgesehenen Einsätze kämen erst zustande, wenn die Mitarbeiter nicht widersprächen. Das ist lebensfremd. Die Mitarbeiter leisten die vorgesehenen Einsätze, weil sie im Dienstplan vorgesehen sind und nicht, weil sie in jedem Einzelfall vertragliche Vereinbarungen abschließen. Bereits in seinem Urteil vom 3. Oktober 1975 (– 5 AZR 427/74 – AP Nr. 11 zu § 611 BGB Abhängigkeit) hat der Senat ausgeführt, daß die Aufstellung von Dienstplänen auch dann ein Indiz für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ist, wenn die Betreffenden ihr Erscheinen zu den vorgesehen Terminen jeweils durch ein Kreuz hinter ihrem Namen zu bestätigen haben.

Das den Mitarbeitern eingeräumte Recht, einzelne Einsätze abzulehnen oder zu tauschen, ändert daran nichts. In vielen Bereichen ist es üblich, daß der Arbeitgeber auf derartige Wünsche seiner Arbeitnehmer eingeht. Darf der Mitarbeiter Einsätze nur dann ablehnen, wenn er für einen Vertreter sorgt, so ergibt sich daraus besonders deutlich, daß die Dienstpläne keine unverbindlichen Vorschläge sind. Wer einseitig Dienstpläne aufstellt, die tatsächlich im wesentlichen eingehalten werden, und gleichzeitig erklärt, diese seien unverbindlich, verhält sich im Regelfall widersprüchlich. Entscheidend ist dann das tatsächliche Verhalten, also die Verfügung über die Arbeitskraft der Mitarbeiter nach Maßgabe der Dienstpläne.

II. Das Landesarbeitsgericht hat zur Tätigkeit der Klägerin keine hinreichenden Feststellungen getroffen.

1. Die Klägerin ist nicht schon deshalb als Arbeitnehmerin anzusehen, weil sie nach dem Vortrag beider Parteien überwiegend als „Redakteurin” tätig ist. Denn es ist nicht erkennbar, was die Parteien darunter verstehen. Der Sprachgebrauch ist nicht mehr einheitlich.

a) Die charakteristische Tätigkeit eines Redakteurs besteht im „Redigieren”, d.h. in der Zusammenstellung einer Zeitungs- oder Zeitschriftenausgabe oder einer Hörfunk- oder Fernsehsendung aus Einzelmeldungen und -beiträgen oder in der Überarbeitung von Manuskripten oder Beiträgen für den Druck oder die Sendung (Rehm, Lexikon, Buch, Bibliothek, Neue Medien, 1991, S. 229; ähnlich Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 3. Aufl., S. 77 Rz 20). Das Bundesarbeitsgericht hat sich diese Auffassung zu eigen gemacht (Urteil vom 21. Januar 1981 – 4 AZR 871/78 – AP Nr. 10 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk; Urteil vom 13. Mai 1981 – BAGE 35, 251 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Presse). Danach ist Redakteur, wer den zu publizierenden Stoff sammelt, sichtet, ordnet und bearbeitet. Ein Fernsehredakteur hätte demnach die Aufgabe, Fernsehsendungen aus Einzelbeiträgen zusammenzustellen oder Beiträge sendefertig zu überarbeiten. Der Redakteur in diesem Sinne gestaltet zwar die Zeitung oder das Programm mit. Seine Funktion ist aber geprägt durch koordinierende und organisatorische Tätigkeiten. Er erbringt also seine Leistungen im Rahmen der vom Sender bestimmten Arbeitsorganisation; er ist damit erheblich stärker persönlich abhängig als ein Beitragsproduzent, der zwar auf Apparat und Team des Senders angewiesen ist, im übrigen aber ein größeres Maß an gestalterischer Freiheit hat. Der Redakteur in diesem Sinne ist daher nach allgemeiner Auffassung typischerweise Arbeitnehmer (BAG Urteil vom 21. Januar 1981, a.a.O.; Rehm, a.a.O.; Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 1981, Band 19; Brockhaus, Enzyklopädie, 19. Aufl., Band 18, bezeichnen den „Redakteur” übereinstimmend als „angestellten” bzw. „festangestellten” Journalisten; ebenso Blätter zur Berufskunde, Band 2-X P 30 Journalist/Journalistin, 8. Aufl., 1989, S. 9, 17). Daher ist es nur konsequent, daß einige Sender die Beschäftigung „freier Mitarbeiter” als Redakteur untersagen.

b) Von diesem allgemeinen Begriff des Redakteurs sind ursprünglich auch die Tarifvertragsparteien für Presse und Rundfunk ausgegangen (BAG Urteile vom 13. Mai 1981, a.a.O. und vom 13. Februar 1985 – 4 AZR 295/83 – AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Presse, jeweils zum MTV für Redakteure an Tageszeitungen i.d.F. vom 10. September 1968, 1. Oktober 1976 und 23. November 1980 – MTV-Redakteure).

Inzwischen haben die Tarifvertragsparteien den Redakteur zum Teil eigenständig definiert. § 1 MTV-Redakteure vom 23. November 1980 bestimmt hinsichtlich des persönlichen Geltungsbereichs: „Für alle hauptberuflich an Tageszeitungen festangestellten Redakteure und entsprechend für Redaktionsvolontäre, sofern für diese nichts anderes bestimmt ist”. Die Protokollnotiz dazu lautet:

„Als Redakteur gilt, wer – nicht nur zum Zweck der Vorbereitung auf diesen Beruf (gleichgültig in welchem Rechtsverhältnis) – kreativ an der Erstellung des redaktionellen Teils von Tageszeitungen regelmäßig in der Weise mitwirkt, daß er

  • Wort- und Bildmaterial sammelt, sichtet, ordnet dieses auswählt und veröfflichungsreif bearbeitet und/oder
  • mit eigenen Wort- und/oder Bildbeiträgen zur Berichterstattung und Kommentierung in der Zeitung beiträgt und/oder
  • die redaktionell-technische Ausgestaltung (insbesondere Anordnung und Umbruch) des Textteils besorgt und/oder
  • diese Tätigkeit koordiniert”

(vgl. Urteile vom 13. Mai 1981 und 13. Februar 1985, beide a.a.O.). Eine identische Formulierung befindet sich in dem MTV für Redakteure an Zeitschriften, gültig ab 1. Juli 1987.

Mit dieser Definition haben die Tarifvertragsparteien den Begriff des Redakteurs gegenüber dem allgemeinen pressefachlichen Begriff erheblich erweitert. Nach den neueren Tarifbestimmungen ist es nicht mehr erforderlich, daß der Journalist die Beiträge veröffentlichungsreif bearbeitet. Es reicht aus, wenn er regelmäßig mit eigenen Wort- oder Bildbeiträgen zur Berichterstattung und Kommentierung beiträgt. Damit fallen auch Tätigkeiten unter den Redakteursbegriff, die auch außerhalb des rechtlichen Rahmens eines Arbeitsverhältnisses erbracht werden können. Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seinen Beschlüssen vom 19. Mai 1981 (BAGE 35, 278; 35, 289 = AP Nr. 18, 21 zu § 118 BetrVG 1972, jeweils zu II der Gründe) diesen weiten Begriff des Redakteurs zugrunde gelegt.

Aus der Bezeichnung einer Tätigkeit als „redaktionelle Mitarbeit” oder einer Person als „Redakteur” kann nach alledem nicht mehr ohne weiteres auf die Arbeitnehmereigenschaft geschlossen werden. Das gilt auch für die Beklagte. Dort finden sich die Begriffe „Redakteur” bzw. „redaktionelle Mitarbeit” oder „redaktioneller Dienst” sowohl in den Tarifverträgen für Arbeitnehmer (Tarifvertrag zur Gehaltsstruktur beim Süddeutschen Rundfunk vom 24. August 1987, Anlage 2, ab Tarifgruppe 6) als auch in denen für arbeitnehmerähnliche Personen (Tarifvertrag über Mindestvergütungen für arbeitnehmerähnliche Personen vom 29. Juni 1989, Anlage 2, Vergütungstabelle Fernsehen, Positionen 8 f.).

Es bedarf demnach weiterer konkreter Feststellungen, um welche Tätigkeit es sich handelt und unter welchen Umständen sie erbracht wird.

2. Konkrete Feststellungen sind bislang nur hinsichtlich der Mitwirkung der Klägerin an der Sendereihe „Pro und Contra” getroffen worden. Sämtliche zitierte Schreiben außer dem vom 13. Januar 1993 beziehen sich darauf.

Hier unterliegt die Klägerin dem Weisungsrecht des Chefredakteurs E.. In den Schreiben werden ihr verschiedene Aufgaben zugewiesen. Die höflichen Formulierungen („bitte”) ändern daran nichts. Die ihr übertragenen Aufgaben betreffen nur teilweise die Gestaltung des Programms. Wenn die Klägerin gebeten wird, „ein Auge auf folgende Themen zu werfen: …”, so hat sie an der Gestaltung des Programms durch den Chefredakteur E. mitzuwirken.

Teilweise erhält die Klägerin auch rein organisatorische Aufgaben zugewiesen, z.B. hinsichtlich der Herausgabe von Pressemitteilungen, der Studiodekoration und der Kontaktaufnahme zur TELEKOM. Die Aufforderung, über Kritiken und Rezensenten Buch zu führen, damit diesen Weihnachts- und Neujahrsgrüße geschickt werden können, betrifft – kontinuierlich zu erfüllende – typische Sekretariatsaufgaben.

Gleichwohl kann gegenwärtig eine gesonderte Feststellung, die Klägerin sei Arbeitnehmerin, zumindest wenn sie an der Sendereihe „Pro und Contra” mitwirkt, nicht getroffen werden. Beide Parteien wollen das Vertragsverhältnis rechtlich einheitlich beurteilt wissen. Die Klägerin hat beantragt festzustellen, daß sie sich in einem „unbefristeten” Arbeitsverhältnis befindet. Das kann nur dann der Fall sein, wenn ihre Tätigkeit für „Pro und Contra” auf derselben Rechtsgrundlage beruht wie ihre Arbeit als Redakteurin der Woche oder als Senderedakteurin.

3. Soweit die Klägerin als „Redakteurin der Woche” tätig ist, wird sie über Dienstpläne eingesetzt. Auch dies ist – unabhängig davon, wie ihre Tätigkeit im einzelnen geartet ist und welche inhaltlichen Spielräume sie dabei hat – ein Indiz für ihre Arbeitnehmerstellung. Jedoch besteht im Streitfall die Besonderheit, daß sich diese Dienstpläne – nach dem bisherigen Parteivorbringen – nur auf eine der drei Haupttätigkeiten der Klägerin und damit nur auf einen Teil ihrer Arbeitszeit beziehen. Es bedarf daher einer genauen Prüfung, wie die Dienstpläne gehandhabt werden.

Die Beklagte behauptet zwar selbst nicht, daß alle Einsätze zeitlich im Voraus mit der Klägerin abgestimmt werden. Es ist jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen, daß die Klägerin einen größeren Einfluß auf die Dienstplangestaltung hat als ihre durchgehend eingeteilten Kollegen. Für das Bestehen eines freien Mitarbeiterverhältnisses würde sprechen, wenn die Klägerin das Recht hätte, Einsätze abzulehnen, ohne für Ersatz zu sorgen und die Klägerin dieses Recht in der Praxis auch des öfteren in Anspruch nähme.

4. Was die Tätigkeit als „Senderedakteurin” angeht, so ist bislang nicht geklärt, was die Klägerin dabei zu tun hat und wie die Arbeit organisiert ist. Auch dazu wird das Landesarbeitsgericht Feststellungen zu treffen haben.

5. Sollte die Klägerin ihre Haupttätigkeiten in persönlicher Abhängigkeit erbringen, so ist, sie Arbeitnehmerin. Das schließt nicht aus, daß ihre – wenigen – Einsätze als Produzentin rechtlich anders zu beurteilen sind. Darüber ist gesondert zu befinden.

Sind die verschiedenen Haupttätigkeiten dagegen für sich allein betrachtet unterschiedlich zu beurteilen, so ist zu prüfen, ob und ggf. wie sie sich tatsächlich, d.h. im Hinblick auf die Arbeitsorganisation, voneinander abgrenzen lassen. Davon hängt ab, ob es sich um eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit oder um mehrere rechtlich unterschiedlich zu bewertende Teiltätigkeiten handelt. Ist ersteres der Fall, kommt es darauf an, welche Tätigkeit der Gesamttätigkeit das Gepräge gibt. Dafür kann der – noch festzustellende – zeitliche Anteil ein wichtiges Indiz sein. Sind die Haupttätigkeiten dagegen unterschiedlich zu bewerten, so ist ggf. zu prüfen, ob etwaige Arbeitsverträge befristet sind.

III. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).

1. Die Feststellung, daß die Klägerin Arbeitnehmer in ist, ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil kein Arbeitsvertrag von der zuständigen Stelle der Beklagten abgeschlossen wurde. Insoweit wird auf das ebenfalls einen Mitarbeiter der Beklagten betreffende Senatsurteil vom 20. Juli 1994 (– 5 AZR 627/93 – AP Nr. 73 zu § 611 BGB Abhängigkeit = EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 54, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) verwiesen.

2. Die beantragte Feststellung scheitert auch nicht an fehlender Schriftform. Ziff. 211.2 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Süddeutschen Rundfunks lautet:

„Eine schriftliche Fassung des Arbeitsvertrages wird dem Arbeitnehmer zusammen mit diesem Manteltarifvertrag spätestens bei Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgehändigt. …”

Tarifbestimmungen, nach denen Arbeitsverträge schriftlich abgeschlossen werden müssen, können einer gesetzlichen Formvorschrift im Sinne der §§ 125 Satz 1 und 126 Abs. 1 BGB gleichstehen (BAG Urteil vom 9. Februar 1972 – 4 AZR 149/71 – AP Nr. 1 zu § 4 BAT; Urteil vom 24. Juni 1981 – 7 AZR 198/79 – AP Nr. 2 zu § 4 TVG Formvorschriften). Durch Auslegung der Tarifnorm ist zu ermitteln, ob sie ein konstitutives oder lediglich ein deklaratorisches Schriftformerfordernis aufstellt, d.h. ob die Rechtsfolge seiner Nichtbeachtung in der Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes besteht oder nicht (BAG Urteil vom 6. September 1972 – 4 AZR 422/71 – AP Nr. 2 zu § 4 BAT; Urteil vom 24. Juni 1981, a.a.O.). Bei einem globalen, sich auf den ganzen Vertrag erstreckenden Formgebot liegt im Zweifel nur eine deklaratorische Formvorschrift vor, weil die Tarifverträge letztlich den Arbeitnehmer schützen sollen und diesem ein schlechter Dienst erwiesen wäre, wenn sein Arbeitsvertrag wegen Formmangels unwirksam wäre. Bezieht sich eine Formvorschrift dagegen auf einzelne gefährliche Arbeitsbedingungen oder auf Kündigungen, spricht dies für eine konstitutive Schriftform (Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 1 Rz 204; Corts, Anm. zu LAG Berlin, AP Nr. 1 zu § 4 TVG Formvorschriften).

Ziffer 211.2 MTV enthält nur eine deklaratorische Formvorschrift. Gegen eine konstitutive Schriftform spricht hier schon der Umstand, daß die Form nicht notwendig vor Arbeitsaufnahme erfüllt werden muß (Birk, Anm. II zu EzA § 397 BGB Nr. 3; offen gelassen im Urteil des BAG vom 24. Juni 1981, a.a.O.). Im übrigen handelt es sich um eine globale Formvorschrift.

3. Auch die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Rundfunkfreiheit steht der Feststellung arbeitsrechtlicher Beziehungen der Parteien nicht entgegen. Handelt es sich um befristete Arbeitsverhältnisse, ist zu berücksichtigen, daß die den Rundfunk- und Fernsehanstalten zustehende Rundfunkfreiheit die Befristung des Arbeitsvertrages mit einem programmgestaltend tätigen Arbeitnehmer rechtfertigen kann, ohne daß weitere Gründe für die Befristung erforderlich sind (BAG Urteil vom 11. Dezember 1991 – 7 AZR 128/91 – AP Nr. 144 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Auch insoweit wird auf das Senatsurteil vom 20. Juli 1994 (a.a.O.) verwiesen.

 

Unterschriften

Griebeling, Schliemann, Reinecke, Rolf Steinmann, Frey

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093292

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