Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahmeverzug des Arbeitgebers nach unwirksamer Eigenkündigung des Arbeitnehmers

 

Normenkette

BGB §§ 296, 615; LFZG § 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 14.06.1995; Aktenzeichen 1 Sa 989/94)

ArbG Fulda (Urteil vom 17.02.1994; Aktenzeichen 1 Ca 867/93)

 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 14. Juni 1995 – 1 Sa 989/94 – wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Urteilsformel wie folgt neu gefaßt wird:

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Fulda vom 17. Februar 1994 – 1 Ca 867/93 – dahingehend abgeändert, daß die Beklagte unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Fulda vom 9. Dezember 1993 verurteilt wird, an die Klägerin 11.612,90 DM brutto abzüglich 936,55 DM netto zu bezahlen.
  2. Im übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten ihrer Säumnis im Termin vom 9. Dezember 1993. Die übrigen Kosten der ersten Instanz hat die Beklagte zu 4/5 und die Klägerin zu 1/5 zu tragen. Die Kosten der zweiten Instanz trägt die Beklagte zu 5/6 und die Klägerin zu 1/6.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin der Gaststätte „B.” in F.. Bei ihr war die Klägerin seit 17. Juni 1993 als Küchenhilfe beschäftigt. Die Höhe der von den Parteien vereinbarten Vergütung ist streitig.

Vom 19. Juli bis zum 20. August 1993 war die Klägerin infolge Krankheit arbeitsunfähig. Sie hat der Beklagten ihre Arbeitsunfähigkeit durch Vorlage ärztlicher Atteste nachgewiesen.

Am 6. August 1993 unterschrieb die Klägerin eine Erklärung folgenden Wortlauts:

„Hiermit bestätige ich, daß ich mein Arbeitsverhältnis im B. F. mit sofortiger Wirkung gekündigt habe”.

Mit Klage vom 9. August 1993, der Beklagten zugestellt am 13. August 1993, hat die Klägerin die Feststellung begehrt, daß ihr Arbeitsverhältnis über den 6. August 1993 hinaus fortbestehe. Mit Urteil vom 14. Oktober 1993 hat das Arbeitsgericht Fulda der Klage stattgegeben. Dieses Urteil ist rechtskräftig.

Am 15. Juni 1994 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 15. August 1994 gekündigt.

Für den Monat Juli 1993 zahlte die Beklagte der Klägerin Lohn in Höhe von 2.000,– DM brutto und für die Zeit vom 1. bis zum 6. August 1993 zahlte die Beklagte ihr 387,10 DM brutto. Für die Zeit vom 20. September bis zum 21. Oktober 1993 erhielt die Klägerin vom Arbeitsamt Arbeitslosengeld in Höhe von 767,20 DM netto. Für diesen Arbeitslosengeldbetrag entrichtete das Arbeitsamt als Arbeitnehmeranteil zur Krankenversicherung und zur Rentenversicherung 169,35 DM.

Mit der Klage vom 28. Oktober 1993 hat die Klägerin zunächst Restlohn für den Monat Juli 1993 in Höhe von 300,– DM sowie Lohn für die Monate August und September 1993 in Höhe von 4.600,– DM, zusammen 4.900,– DM brutto verlangt. Durch Versäumnisurteil vom 9. Dezember 1993 hat das Arbeitsgericht Fulda die Klage abgewiesen. Gegen dieses ihr am 30. Dezember 1993 zugestellte Versäumnisurteil hat die Klägerin am 3. Januar 1994 Einspruch eingelegt.

Im Termin vom 17. Februar 1994 hat die Klägerin ihre Klage auf die Lohnzahlung für die Monate Oktober 1993 bis Januar 1994 erweitert und nunmehr die Zahlung von insgesamt 14.100,– DM brutto verlangt; hierauf ließ sie sich das Arbeitslosengeld für die Zeit vom 20. September bis zum 21. Oktober 1993 in Höhe von 767,20 DM netto anrechnen.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe mit der Beklagten einen Monatslohn von 2.300,– DM brutto vereinbart. Die Beklagte schulde ihr den Lohn über den 6. August 1993 hinaus, zunächst als Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, ab 20. August 1993 aus Annahmeverzug.

Die Klägerin hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 9. Dezember 1993 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 14.100,– DM brutto abzüglich erhaltener 767,20 DM netto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, das Versäumnisurteil vom 9. Dezember 1993 aufrecht zu erhalten.

Sie hat behauptet, sie habe mit der Klägerin nur einen Monatslohn von 2.000,– DM brutto vereinbart, und im übrigen die Auffassung vertreten, für die Zeit nach dem 6. August 1993 schulde sie der Klägerin keinen Lohn mehr, weil diese auch nach Beendigung ihrer Arbeitsunfähigkeit ihre Arbeitsleistung nicht angeboten habe.

Das Arbeitsgericht hat unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 9. Dezember 1993 die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Nachdem die Klägerin im Berufungsverfahren ihre Forderung um weitere 169,35 DM netto (Arbeitnehmeranteile zu den Sozialversicherungsbeiträgen auf das Arbeitslosengeld) und 305,76 DM netto (Lohnzahlung für die Zeit vom 1. bis 6. August 1993) reduziert und das Landesarbeitsgericht über die vereinbarte Höhe des Monatslohns Beweis erhoben hatte, hat das Landesarbeitsgericht der Klägerin unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts lediglich 12.000,– DM brutto abzüglich 1.242,31 DM netto zugesprochen und im übrigen die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Aufrechterhaltung des klageabweisenden Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts vom 9. Dezember 1993.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist im wesentlichen unbegründet. Für die Zeit ab 7. August 1993 bis Januar 1994 hatte die Klägerin Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (§ 1 LFZG) bzw. wegen des Annahmeverzuges der Beklagten (§ 615 BGB).

I. Das Landesarbeitsgericht ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und der Beweislast der Klägerin davon ausgegangen, daß der Klägerin lediglich ein Monatslohn von 2.000,– DM zustand. Es hat angenommen, die Beklagte habe wegen der rechtskräftigen Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses durch das Urteil des Arbeitsgerichts Fulda vom 14. Oktober 1993 der Klägerin über den 6. August 1993 hinaus bis 20. August 1993 Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und danach jedenfalls bis Januar 1994 Lohn aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs geschuldet. Die Klägerin habe den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses alsbald geltend gemacht. Die Beklagte hätte die Klägerin ab 21. August 1993 zur Arbeitsaufnahme auffordern müssen, um nicht in Annahmeverzug zu geraten.

II. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist lediglich insoweit revisionsrechtlich zu beanstanden, als es den für August gezahlten Lohn nur im Nettobetrag berücksichtigt hat. Im übrigen hält es den Angriffen der Revision stand.

1. Im bestehenden Arbeitsverhältnis, wie es hier im Urteil des Arbeitsgerichts Fulda vom 14. Oktober 1993 – 1 Ca 600/93 – für die Zeit vom 7. August bis zur letzten mündlichen Verhandlung rechtskräftig festgestellt wurde, hat der Arbeitgeber nicht nur unter der Voraussetzung der damals einschlägigen §§ 1, 3, 5 LFZG Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten, sondern ist nach der Senatsrechtssprechung bei Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit des Arbeitnehmers auch gemäß § 296 BGB kalendertäglich gehalten, dem Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz zuzuweisen und sein Direktionsrecht auszuüben, wenn er nicht in Annahmeverzug geraten will (ständige Rechtsprechung, BAGE 46, 234 = AP Nr. 34 zu § 615 BGB; zuletzt Urteil vom 21. März 1996 – 2 AZR 362/95 – n.v.). Annahmeverzugslohn schuldet der Arbeitgeber allerdings solange nicht, wie der Arbeitnehmer nicht arbeitswillig ist (im Urteil vom 9. März 1995 – 2 AZR 552/94 – RzK I 13 b Nr. 25, zieht der Senat aber in Erwägung, ob vom Arbeitgeber nicht jedenfalls zu verlangen ist, daß er die Arbeitswilligkeit des Arbeitnehmers durch Zurverfügungstellung eines funktionstüchtigen Arbeitsplatzes testet).

2. Aufgrund der Feststellungsklage vom 9. August 1993 ist vorliegend die Arbeitswilligkeit der Klägerin belegt. Die Beklagte befand sich für die Zeit nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin bis Januar 1994 im Annahmeverzug, weil sie wegen der Feststellungsklage der Klägerin von deren Leistungsbereitschaft ausgehen mußte und deshalb gemäß § 296 BGB kalendertäglich gehalten war, ihr einen funktionstüchtigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen (vgl. Senatsurteil vom 24. November 1994 – 2 AZR 179/94 – AP Nr. 60 zu § 615 BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Die Besonderheit der unwirksamen Eigenkündigung eines Arbeitnehmers rechtfertigt nicht die Unanwendbarkeit von § 296 BGB im fortbestehenden Arbeitsverhältnis, wenn die Leistungswilligkeit des Arbeitnehmers später gegenüber dem Arbeitgeber ausdrücklich bekundet wird oder von ihm – wie hier – aus einer entsprechenden Feststellungsklage des Arbeitnehmers entnommen werden kann (vgl. auch Senatsurteil vom 21. März 1996 – 2 AZR 362/95 – n.v.).

3. Die Klägerin hat die unter dem 9. August 1993 abgerechnete Bruttolohnzahlung für August 1993 von 387,10 DM nicht bestritten.

Deshalb war diese Lohnzahlung brutto und nicht lediglich netto von dem Lohnanspruch der Klägerin abzusetzen.

 

Unterschriften

Etzel, Bitter, Fischermeier, Dr. Bächle, Kuemmel-Pleissner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093146

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