Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Verweisungsklausel. AVR Diakonie. Vertragskontrolle

 

Leitsatz (redaktionell)

Die nach Maßgabe des ARRG herbeigeführte Änderung kirchlich-diakonischer Arbeitsbedingungen durch einen Beschluss der Arbeitsrechtlichen Kommission der Evangelischen Kirche und des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau unterliegt lediglich der Kontrolle nach § 319 BGB auf grobe Unbilligkeit, weil die Kommission als „Dritter” gemäß § 317 Abs. 1 BGB anzusehen ist.

 

Normenkette

BGB §§ 305 ff, 317, 319

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 06.09.2007; Aktenzeichen 11 Sa 2000/06)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.06.2006; Aktenzeichen 15/14 Ca 747/06)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 6. September 2007 – 11 Sa 2000/06 – aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 19. Juni 2006 – 15/14 Ca 747/06 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Rz. 1

 Die Parteien streiten über die Zahlung von Urlaubsgeld für das Jahr 2005.

Rz. 2

 Der Kläger ist seit dem 27. Juni 1979 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgänger als Hausarbeiter tätig. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegt der vom Kläger am 31. Oktober 1979 mit dem “St… Krankenhaus Verein für Krankenpflege und Diakonie in F… (gegründet als B… Diakonissenverein)” abgeschlossene Formulararbeitsvertrag zugrunde. Dieser enthält ua. folgende Regelung:

“§ 2

Für das Arbeitsverhältnis gelten der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 31. Januar 1962 (BMT G II – HLT) nebst Änderungen und zusätzlichen Regelungen in der Fassung des Diakonischen Werkes Hessen und Nassau – Dienstvertragsrecht –.

§ 3

Der Mitarbeiter wird in die Lohngruppe IV (in Worten Vier) BMT G II/HLT eingestuft. Änderung: ab 1.10.1980 HLT III – Drei –”

Rz. 3

 Am 13. November 1991 vereinbarte der Kläger mit dem Rechtsvorgänger der Beklagten eine Vertragsänderung, nach der er rückwirkend zum 1. Oktober 1990 in die Lohngruppe 4 des zu diesen Zeitpunkt in Kraft getretenen Hessischen Lohntarifvertrags für Arbeiter und Arbeiterinnen gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 28. Februar 1991 (Tarifvertragliche Vereinbarung Nr. 594) eingruppiert wurde.

Rz. 4

 Die Beklagte, die das St… Krankenhaus zum 1. Januar 2004 übernahm, ist Mitglied des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau (DWHN).

Rz. 5

 Nach § 1 der von der Arbeitsrechtlichen Kommission der Evangelischen Kirche und des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau (ArbKomm/EKDWHN) mit Wirkung zum 1. Januar 1983 beschlossenen Arbeitsvertragsordnung für Arbeiter im kirchlich-diakonischen Dienst des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau (ArbAVO/DWHN) vom 15. Dezember 1982 fanden auf die Dienstverhältnisse der Arbeiter der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 31. Januar 1962 (BMT-G) sowie die für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe zusätzlich abgeschlossenen und noch abzuschließenden Tarifverträge in der für das Land Hessen jeweils geltenden Fassung Anwendung, soweit nicht in den folgenden Regelungen der ArbAVO/DWHN etwas anderes beschlossen war.

Rz. 6

 Durch Beschluss der ArbKomm/EKDWHN vom 5. Mai 2004 wurde § 1 der ArbAVO/DWHN dahingehend geändert, dass mit Wirkung ab dem 1. Juli 2004 nur noch der BMT-G und die für die Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe abgeschlossenen Tarifverträge in der für das Land Hessen am 30. Juni 2004 gültigen Fassung Anwendung fanden, soweit in den folgenden Regelungen der ArbAVO/DWHN nichts anderes bestimmt war (ABl. EKHN 2004 S. 284 f.).

Rz. 7

 Die Beklagte und ihr Rechtsvorgänger zahlten bis einschließlich 2004 den bei ihnen beschäftigten Arbeitern ein Urlaubsgeld nach dem Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Arbeiter vom 16. März 1977 (TV Urlaubsgeld). Nach diesen tariflichen Regelungen betrug seit dem Jahr 2002 das mit den Bezügen für den Monat Juli auszuzahlende Urlaubsgeld 332,34 Euro brutto. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), in der das Land Hessen damals noch Mitglied war, hatte die Tarifverträge über ein Urlaubsgeld mit Wirkung zum 31. Juli 2003 gekündigt.

Rz. 8

 Am 17. Mai 2005 beschloss die ArbKomm/EKDWHN eine “Arbeitsrechtsregelung zum Wegfall des Urlaubsgeldes 2005” (ABl. EKHN 2005 S. 195). Durch diese wurde für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis 31. Mai 2006 ua. § 11c mit folgendem Wortlaut in die ArbAVO/DWHN eingefügt:

“§ 11c

Zum Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Arbeiter

Der Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Arbeiter vom 16. März 1977 findet keine Anwendung. Urlaubsgeld wird nicht gezahlt.”

Rz. 9

 Hintergrund der von der ArbKomm/EKDWHN getroffenen Beschlüsse zum Wegfall des Urlaubsgeldes 2005 und weiterer, hier nicht streitiger Vergütungsbestandteile ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichtes die wirtschaftliche Lage der Beklagten, die sie ohne die durchgeführten Reduzierungen gezwungen hätte, die Tätigkeiten der beiden unteren Entgeltgruppen E 1 und E 2 an andere Unternehmen zu vergeben.

Rz. 10

 Mit Schreiben vom 20. Juni 2005 machte der Kläger gegenüber der Beklagten erfolglos ein Urlaubsgeld für das Jahr 2005 in Höhe von 332,34 Euro geltend.

Rz. 11

 Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass es – jedenfalls soweit die Urlaubsgeldregelung betroffen sei – in seinem Arbeitsvertrag bereits an einer Bezugnahme auf die ArbAVO/DWHN vom 15. Dezember 1982 in der Fassung vom 24. November 2004 und der Änderung vom 17. Mai 2005 fehle. § 2 seines Arbeitsvertrages erlaube keinen “Systemwechsel” zur kirchlich-diakonischen Sonderregelung in § 11c ArbAVO/DWHN, sondern nur “Modifizierungen” des BMT-G. Zudem sei mangels eines Verweises auf die “jeweils” geltende Fassung nicht ersichtlich, dass der Kläger sich dem Bestimmungsrecht der ArbKomm/EKDWHN habe unterwerfen wollen. Auch könne die Klausel in § 2 des Arbeitsvertrages als statische Bezugnahme verstanden werden, so dass die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten zur Anwendung komme. Bei dem Beschluss der ArbKomm/EKDWHN vom 17. Mai 2005 handele es sich ferner um eine in der Höhe unangemessene und wegen fehlender Vorhersehbarkeit überraschende Änderung iSv. § 305c Abs. 1 BGB, die jedenfalls nach § 319 Abs. 1 BGB offenbar unbillig und damit für den Kläger unverbindlich sei.

Rz. 12

 Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 332,34 Euro zu zahlen, verzinst mit 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2005.

Rz. 13

 Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass § 2 des Arbeitsvertrags eine dynamische Bezugnahme auf das geltende Dienstvertragsrecht der Beklagten beinhalte. Damit seien die jeweils von der ArbKomm/EKDWHN beschlossenen arbeitsrechtlichen Regelungen, zu denen auch die ArbAVO/DWHN gehöre, Vertragsbestandteil geworden. Der Wegfall des Urlaubsgeldes stelle weder einen System- noch einen Tarifwechsel dar und sei im Übrigen auch nicht unbillig. Die Zuwendungen, die die Beklagte bislang von Dritter Seite erhalten habe, seien erheblich gekürzt worden.

Rz. 14

 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die arbeitsgerichtliche Entscheidung abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 15

 Die Revision der Beklagten ist erfolgreich und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Urlaubsgeld für das Jahr 2005. Die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel enthält eine dynamische Verweisung auf das bei der Beklagten jeweils geltende Dienstvertragsrecht, zu dem auch die ArbAVO/DWHN in ihrer jeweils geltenden Fassung gehört. Daher gilt auch die am 17. Mai 2005 von der ArbKomm/EKDWHN beschlossene Arbeitsrechtsregelung zum Wegfall des Urlaubsgeldes 2005. Weder gegen die Verweisungsklausel noch gegen die Änderung der ArbAVO/DWHN bestehen unter dem Gesichtspunkt der Vertragskontrolle Bedenken. Der Wegfall des Urlaubsgeldes für das Jahr 2005 ist auch nicht wegen offenbarer Unbilligkeit iSv. § 319 Abs. 1 BGB für den Kläger unverbindlich.

Rz. 16

 I. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht normativ von der ArbAVO/DWHN erfasst wird. § 4 Abs. 1 TVG gilt nur für Tarifverträge. Als solche sind die Arbeitsvertragsordnungen der Diakonischen Werke nicht anzusehen. Bei ihnen handelt es sich nicht um Tarifverträge im Sinne des Tarifvertragsgesetzes, weil sie nicht nach dessen Maßgaben, insbesondere nicht unter Beteiligung von Gewerkschaften (§ 2 Abs. 1 TVG) zustande gekommen sind (st. Rspr., vgl. zB BAG 8. Juni 2005 – 4 AZR 412/04 – Rn. 54 mwN, AP MitarbeitervertretungsG-EK Rheinland-Westfalen § 42 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 6; 10. Dezember 2008 – 4 AZR 801/07 – Rn. 12, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 10).

Rz. 17

 II. Die Anwendbarkeit der ArbAVO/DWHN in ihrer jeweiligen Fassung ergibt sich jedoch aus der im Arbeitsvertrag der Parteien vereinbarten Inbezugnahme.

Rz. 18

 1. Die Auslegung eines Formulararbeitsvertrages durch das Landesarbeitsgericht kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden (st. Rspr., vgl. nur BAG 30. August 2000 – 4 AZR 581/99 – Rn. 17 mwN, BAGE 95, 296). Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, wobei der allgemeine Sprachgebrauch und der vertragliche Regelungszusammenhang zu berücksichtigen sind. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind schließlich auch der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die Interessenlage der Beteiligten (BAG 20. April 2005 – 4 AZR 292/04 – Rn. 18, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 35 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 40; 15. September 2004 – 4 AZR 9/04 – Rn. 22, BAGE 112, 50). Ferner sind zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (BAG 26. September 2001 – 4 AZR 544/00 – zu II 1a der Gründe, BAGE 99, 120). Dies gilt nicht nur für Vertragsklauseln, die dynamisch auf Tarifverträge verweisen (BAG 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 24, BAGE 122, 74), sondern auch für Verweisungsklauseln auf kirchlich-diakonische Arbeitsbedingungen (BAG 10. Dezember 2008 – 4 AZR 801/07 – Rn. 14, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 10).

Rz. 19

 2. Das Landesarbeitsgericht hat die Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag der Parteien dahin ausgelegt, dass Gegenstand der Bezugnahme zwar die Regelungen der Arbeitsvertragsordnung seien; jedoch werde nicht jede von der ArbKomm/EKDWHN beschlossene Änderung uneingeschränkt in das Arbeitsverhältnis transformiert. Vielmehr müsse es sich um eine Arbeitsvertragsordnung handeln, die auf dem BMT-G und den ihn ergänzenden Tarifverträgen aufbaue. Der Beschluss der ArbKomm/EKDWHN vom 17. Mai 2005 werde von der Verweisungsklausel nicht erfasst, da sich sein Regelungsgehalt darin erschöpfe, die Anwendung des TV Urlaubsgeld zu beenden. Nach ihrem Wortlaut erlaube die Bezugnahmeklausel aber keine Außerkraftsetzung der in das Arbeitsverhältnis einbezogenen Tarifverträge, sondern lediglich deren Modifikation. Daher sei lediglich eine Kürzung des Urlaubsgeldes, nicht jedoch dessen ersatzlose Streichung möglich. Zwar verliere die Urlaubsgeldregelung dadurch ihre arbeitsvertraglich an sich vorgesehene Dynamik; hierbei handele es sich aber um eine im Zusammenhang mit Bezugnahmeklauseln der Rechtsordnung nicht unbekannte Rechtsfolge.

Rz. 20

 3. Diese Auslegung ist nicht rechtsfehlerfrei. Die zutreffende Auslegung von § 2 des Arbeitsvertrags ergibt die uneingeschränkte dynamische Verweisung auf das bei der Beklagten jeweils geltende Dienstvertragsrecht für Arbeiter. Dieses besteht seit dem 1. Januar 1983 maßgeblich aus der zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen ArbAVO/DWHN vom 15. Dezember 1982 (ABl. EKHN 1983, 109 f.). Wegen der Dynamik der Verweisungsklausel ist daher auch der mit Wirkung zum 1. Juni 2005 eingeführte § 11c ArbAVO/DWHN, der die Zahlung eines Urlaubsgeldes nach dem TV Urlaubsgeld ausschließt, von der Verweisungsklausel erfasst.

Rz. 21

 a) Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei dem durch § 2 des Arbeitsvertrags in Bezug genommenen Regelwerk nicht um den BMT-G handelt, sondern die Regelungen der kirchlichdiakonischen Arbeitsvertragsordnung in ihrer jeweils gültigen Fassung.

Rz. 22

 aa) Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vereinbarung. Der abschließende Zusatz “Dienstvertragsrecht” ist eine Zusammenfassung der vorherigen Bezeichnung des Tarifvertrages “nebst Änderungen und zusätzlichen Regelungen in der Fassung des Diakonischen Werkes Hessen und Nassau”. Zum Verweisungsobjekt gehört neben dem BMT-G auch der mit der Abkürzung “HLT” bezeichnete Hessische Lohntarifvertrag für Arbeiter und Arbeiterinnen gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe, der ua. die nach § 20 BMT-G für die Eingruppierung der Arbeiter maßgeblichen Lohngruppen enthielt. Es handelt sich damit um die für die Arbeiter des DWHN verbindlichen allgemeinen Vertragsregelungen.

Rz. 23

 Aus dem Wortlaut der Bezugnahmeklausel kann ferner entnommen werden, dass das jeweils geltende Dienstvertragsrecht des DWHN für Arbeiter in Bezug genommen wird. Zwar fehlt es in der Klausel an einem ausdrücklichen Verweis auf die jeweils “geltende” Fassung des Dienstvertragsrechts. Die in § 2 des Arbeitsvertrags enthaltene Dynamik ergibt sich aber hinreichend deutlich aus dem Umstand, dass – ohne zeitliche oder inhaltliche Einschränkung – auch “Änderungen” und “zusätzliche Regelungen” in Bezug genommen werden. Durch eine solche Formulierung wird regelmäßig der Wille deutlich, eine dynamische Verweisung vornehmen zu wollen (BAG 23. Mai 2007 – 10 AZR 323/06 – Rn. 16, AP TVG § 1 Tarifverträge: Seeschifffahrt Nr. 10, für die Verweisung auf Tarifverträge). Hinzu kommt, dass das in Bezug genommene Dienstvertragsrecht des DWHN für Arbeiter durch den Verweis auf den BMT-G und den HTL nach seinem damaligen Inhalt nur teilweise und in zeitlicher Hinsicht mangels Angabe eines bestimmten Stichtags nicht konkret bezeichnet ist. Bei fehlender Angabe einer konkreten Fassung eines in Bezug genommenen Tarifvertrages kann – jedenfalls regelmäßig – angenommen werden, der Tarifvertrag solle in der jeweiligen Fassung gelten (BAG 27. Februar 2002 – 9 AZR 562/00 – BAGE 100, 339, 345). Für ihrer Funktion nach ähnliche allgemeine Arbeitsbedingungen im kirchlichen Bereich gilt im Rahmen der Vertragsauslegung nichts anderes. Der vertraglichen Dynamik entspricht es, dass der Kläger durch Arbeitsvertragsänderung vom 13. November 1991 rückwirkend zum 1. Oktober 1990 in die Lohngruppe 4 des zu diesen Zeitpunkt in Kraft getretenen Hessischen Lohntarifvertrag für Arbeiter und Arbeiterinnen gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 28. Februar 1991 (Tarifvertragliche Vereinbarung Nr. 594) eingruppiert wurde.

Rz. 24

 bb) Für die vorliegende Auslegung spricht weiterhin die Vertragspraxis in der Zeit nach Abschluss des Arbeitsverhältnisses. Diese kann zwar den bei Vertragsschluss zum Ausdruck gebrachten objektiven Gehalt der wechselseitigen Vertragserklärungen nicht mehr beeinflussen; sie kann aber Anhaltspunkte für den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegenden Willen der Parteien enthalten und somit für die Auslegung von Bedeutung sein (BAG 7. Juni 2006 – 4 AZR 272/05 – Rn. 43, AP TVG § 1 Nr. 37 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 43; BAG 29. Juli 2003 – 9 AZR 100/02 – BAGE 107, 119, 122). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erhielt der Kläger ab Beginn seines Arbeitsverhältnisses Urlaubsgeld nach dem TV Urlaubsgeld vom 16. März 1977. Dieser Tarifvertrag ist jedoch im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich in Bezug genommen. Die in § 2 aufgeführten Änderungen umfassen – unabhängig von der Frage ihres Bezugsobjektes – schon begrifflich keinen den BMT-G ergänzenden Tarifvertrag. Auch der Begriff der “zusätzlichen Regelungen” bezog sich nicht auf die den BMT-G ergänzenden Tarifverträge, sondern auf die im Dienstvertragsrecht des DWHN enthaltenen Bestimmungen, die auch auf den TV Urlaubsgeld verwiesen.

Rz. 25

 b) Aufgrund der in § 2 enthaltenen Dynamik bezog sich die Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag des Klägers seit dem 1. Januar 1983 auf die zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretene ArbAVO/DWHN vom 15. Dezember 1982 in ihrer jeweiligen Fassung.

Rz. 26

 aa) Die materiellen Arbeitsbedingungen der Arbeiter im Bereich des DWHN waren bis zum Inkrafttreten der ArbAVO/DWHN am 1. Januar 1983 durch das frühere Verfahrensrecht (sog. “Erster Weg”) gekennzeichnet. Das Dienstvertragsrecht für Arbeiter beruhte auf einseitigen Anordnungen und Erlassen der satzungsmäßigen Leitungsorgane des DWHN. Erst nach Inkrafttreten des zunächst nur für die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau geltenden Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechts-Regelungsgesetz- ARRG) vom 29. November 1979 (ABl. EKHN 1979 S. 228 ff.) entschied man sich mit dessen Übernahme durch Beschluss der Hauptversammlung des DWHN am 23. Januar 1980 (ABl. EKHN 1980 S. 68) auch im kirchlich-diakonischen Bereich für den sog. “Dritten Weg”. Dementsprechend beschloss die durch das ARRG errichtete und gemeinsam mit der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau gebildete ArbKomm/EKDWHN am 15. Dezember 1982 die für den Bereich des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau geltende ArbAVO/DWHN (ABl. EKHN 1983 S. 110), die zum 1. Januar 1983 in Kraft trat. Hierbei handelte es sich nicht um eine Neuregelung des bisher für die Arbeiter im DWHN geltenden Dienstvertragrechts, sondern lediglich um eine Zusammenfassung der schon vorher geltenden Regelungen (vgl. Schreiben der Kirchenverwaltung EKHN vom 25. Mai 1983, ABl. EKHN 1983 S. 109) in einem einheitlichen Regelwerk.

Rz. 27

 bb) Die ArbAVO/DWHN stellt seit 1983 den Kern des bei der Beklagten und ihrem Rechtsvorgänger geltenden Dienstvertragsrechts für Arbeiter dar. Dass es sich bei der ArbAVO/DWHN – anders als bei den vorher beim DWHN geltenden kirchlich-diakonischen Arbeitsrechtsregelungen – nunmehr um arbeitsrechtliche Bestimmungen handelte, die auf dem “Dritten Weg” zustande gekommen waren, ist für deren Erfassung durch den Arbeitsvertrag des Klägers unerheblich. Der Verweisungsklausel lässt sich keine Vorgabe darüber entnehmen, dass das maßgebliche Dienstvertragsrecht auf dem “Ersten Weg” zustande gekommen sein muss. Die Parteien haben mit der dynamischen Verweisungsklausel auf die jeweiligen kirchlich-diakonischen Arbeitsrechtsregelungen des DWHN auch die jeweils geltenden Regelungen für deren Zustandekommen und deren Änderung in Bezug genommen. Seit Inkrafttreten des ARRG im Jahre 1979 und dessen Übernahme durch die Hauptversammlung des DWHN im Jahr 1980 enthält die Bezugnahmeklausel daher notwendigerweise auch die Verweisung auf das im ARRG geregelte Verfahren, nach dem das im Arbeitsvertrag bezeichnete Dienstvertragsrecht des DWHN beschlossen wird und Wirksamkeit erlangt (vgl. BAG 10. Dezember 2008 – 4 AZR 801/07 – Rn. 35, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 10; 19. Februar 2003 – 4 AZR 11/02 – BAGE 105, 148, 155; 17. April 1996 – 10 AZR 558/95 – AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 24 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 140). Diesen Anforderungen des ARRG entspricht die ArbAVO/DWHN, da sie durch Beschluss der nach dem Kirchengesetz gebildeten ArbKomm/EKDWHN zustande gekommen ist. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat in der Vergangenheit auch immer an der Dynamik der Arbeitsbedingungen im kirchlich-diakonischen Werk in Hessen und Nassau teilgenommen. Auch der Kläger selbst greift die Anwendung der jeweiligen Fassung der ArbAVO/DWHN auf sein Arbeitsverhältnis aufgrund der Verweisung in § 2 seines Vertrags nur insoweit an, als “die Urlaubsgeldregelung betroffen” ist. Dies entbehrt jedoch der Grundlage.

Rz. 28

 c) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts wird auch die von der ArbKomm/EKDWHN am 17. Mai 2005 beschlossene Änderung der ArbAVO/DWHN über den Wegfall des Urlaubsgeldes 2005 von der vertraglichen Verweisungsklausel erfasst. Nach § 1 Abs. 1 der ArbAVO/DWHN in der Fassung vom 5. Mai 2004 galten die in der Vorschrift in Bezug genommenen Tarifverträge nur, soweit in den folgenden Regelungen der ArbAVO/DWHN nichts anderes bestimmt war (ABl. EKHN 2004 S. 284 f.). Damit sah die ArbAVO/DWHN von vorneherein nur eine subsidiäre Geltung des Tarifrechts gegenüber den spezielleren, in der ArbAVO/DWHN getroffenen ausdrücklichen Regelungen vor. Um eine solche Regelung handelt es sich bei § 11c ArbAVO/DWHN. Soweit das Berufungsgericht der Ansicht ist, dass der Wortlaut der Bezugnahmeklausel nicht die Außerkraftsetzung der in das Arbeitsverhältnis einbezogenen Tarifverträge, sondern lediglich deren Modifikation erlaube, verkennt es den Inhalt der Verweisungsklausel. Deren Bezugsobjekt ist das bei der Beklagten geltende Dienstvertragsrecht für Arbeiter und damit insbesondere die ArbAVO/DWHN. Inhaltliche Einschränkungen einer möglichen Änderung der materiellen Arbeitsbedingungen sind weder der Verweisungsklausel noch der ArbAVO/DWHN selbst oder dem sonstigen Dienstvertragsrecht des DWHN zu entnehmen. Etwaige Zweifel an der formellen Ordnungsgemäßheit des Beschlusses der ArbKomm/EKDWHN vom 17. Mai 2005 bestehen nicht.

Rz. 29

 III. Die Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages ist wirksam. Unter dem Gesichtspunkt der Vertragskontrolle nach §§ 305 ff. BGB bestehen hiergegen keine Bedenken.

Rz. 30

 1. Die Verweisungsklausel in § 2 des Arbeitsvertrages unterliegt den Regelungen der §§ 305 ff. BGB. Bei dem vom Kläger abgeschlossenen Formulararbeitsvertrag handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen, die der Rechtsvorgänger der Beklagten gestellt hat (§ 305 Abs. 1 BGB). Dies ergibt sich bereits aus der äußeren Gestaltung des Dienstvertrages. Der Anwendung der §§ 305 ff. BGB steht auch nicht entgegen, dass der Arbeitsvertrag des Klägers schon am 31. Oktober 1979 und damit lange vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) geschlossen wurde. Seit dem 1. Januar 2003 gelten nach der Übergangsregelung in Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB die §§ 305 ff. BGB auch für vor dem 1. Januar 2002 abgeschlossene Verträge über Dauerschuldverhältnisse ohne Einschränkung (vgl. dazu auch BAG 28. November 2007 – 5 AZR 992/06 – Rn. 28, AP BGB § 307 Nr. 33 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 30).

Rz. 31

 2. Die Verweisungsklausel in § 2 des Arbeitsvertrages ist Vertragsbestandteil; sie ist keine überraschende Klausel im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB. Weder aus der äußeren Form noch aus der inhaltlichen Gestaltung der Klausel lässt sich ein Überraschungsmoment ableiten. Ein Arbeitnehmer, der einen Arbeitsvertrag mit einem diakonischen Arbeitgeber schließt, muss davon ausgehen, dass sein Vertragspartner das spezifisch kirchlich-diakonische Vertragsrecht in seiner jeweiligen Fassung zum Gegenstand des Arbeitsverhältnisses machen will und dies in einer Verweisungsklausel auf das eigene Dienstvertragsrecht auch zum Ausdruck bringt.

Rz. 32

 3. Die Bezugnahmeklausel ist auch nicht wegen fehlender Transparenz nach § 307 Abs. 3 Satz 2 iVm. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

Rz. 33

 a) Eine Verweisung auf die Vorschriften eines anderen Regelungswerkes ist grundsätzlich zulässig und führt für sich genommen nicht zur Intransparenz, wenn sich für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume eröffnen (BGH 5. November 2003 – VIII ZR 10/03 – NJW 2004, 1598). Sinn des Transparenzgebotes ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Erst in der Gefahr, dass der Arbeitnehmer wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB (BAG 14. März 2007 – 5 AZR 630/06 – Rn. 27 mwN, BAGE 122, 12).

Rz. 34

 b) Die Regelung ist auch nicht deswegen unverständlich, weil sie dynamisch ausgestaltet ist. Dynamische Bezugnahmeklauseln entsprechen einer üblichen Regelungstechnik und dienen den Interessen beider Parteien. Dies ergibt sich aus der Zukunftsgerichtetheit von Arbeitsverhältnissen. Es ist ausreichend, wenn die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung in Bezug genommenen Regelungen bestimmbar sind. Dabei ist auch eine mehrstufige Verweisung im Arbeitsrecht durchaus üblich. So kann ein Tarifvertrag, der einzelvertraglich dynamisch in Bezug genommen worden ist, seinerseits auf weitere, nicht statische Rechtsquellen verweisen, etwa auf das Beamtenrecht (vgl. BAG 24. September 2008 – 6 AZR 76/07 – Rn. 31, AP BGB § 305c Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 15; 14. März 2007 – 5 AZR 630/06 – Rn. 29, BAGE 122, 12, 19).

Rz. 35

 c) Auch das Objekt der Bezugnahme ist hinreichend deutlich bezeichnet. Seit 1983 besteht das für Arbeiter einschlägige Dienstvertragsrecht des DWHN maßgeblich aus den jeweiligen von der ArbKomm/EKDWHN beschlossenen Fassungen der ArbAVO/DWHN. Die jeweiligen Beschlüsse der ArbKomm/EKDWHN unterliegen – deutlich weitergehend als Tarifverträge – der Pflicht zur Publikation. § 12 Abs. 2 ARRG schreibt vor, dass sie im Amtsblatt der EKHN und im Mitteilungsblatt des DWHN zu veröffentlichen sind.

Rz. 36

 4. Auf die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB, wonach Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen, kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Hierauf kann nur zurückgegriffen werden, wenn nach Ausschöpfung aller anerkannten Auslegungsmethoden “erhebliche Zweifel” an der richtigen Auslegung bestehen (BAG 10. Dezember 2008 – 10 AZR 1/08 – Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40; vgl. auch BAG 9. Dezember 2008 – 3 AZR 431/07 – Rn. 24, Stbg 2009, 331; 17. Januar 2006 – 9 AZR 41/05 – Rn. 37, BAGE 116, 366, 374). Derartige Zweifel sind, wie die Auslegung der Bezugnahmeklausel zeigt, vorliegend nicht gegeben. Allein die entfernte Möglichkeit, auch zu einem anderen Auslegungsergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung von § 305c Abs. 2 BGB nicht (BAG 10. Dezember 2008 – 10 AZR 1/08 – aaO).

Rz. 37

 5. Einer weitergehenden Inhaltskontrolle unterliegt die Verweisungsklausel mangels eigenem kontrollfähigen Inhalt nicht. Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB können Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur dann nach §§ 308, 309 BGB sowie uneingeschränkt nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam sein, wenn durch sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Der Regelungsgehalt einer Bezugnahmeklausel beschränkt sich lediglich auf die (dynamische) Verweisung als solche. Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses wird nahezu ausschließlich durch die Regelungen des Bezugnahmeobjekts – vorliegend das jeweilige Dienstvertragsrecht des DWHN für Arbeiter – bestimmt. Eine Abweichung von Rechtsvorschriften kann sich daher lediglich aus den in Bezug genommenen Regelungen, nicht jedoch aus der Verweisungsklausel selbst ergeben (vgl. ausf. BAG 10. Dezember 2008 – 4 AZR 801/07 – Rn. 43 ff., AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 10).

Rz. 38

 IV. Das in Bezug genommene Regelwerk selbst, die ArbAVO/DWHN in der Fassung vom 17. Mai 2005 unterliegt, soweit ihre Regelungen hier streitig sind, nicht der Vertragskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB, da es sich weder bei dieser noch bei den sie ändernden Beschlüssen der ArbKomm/EKDWHN um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB handelt. Vielmehr liegt eine Leistungsbestimmung durch einen Dritten nach § 317 Abs. 1 BGB vor. Diese hält der Billigkeitskontrolle nach § 319 Abs. 1 BGB stand.

Rz. 39

 1. Wie der Senat schon in seinen Entscheidungen vom 10. Dezember 2008 (– 4 AZR 801/07 – Rn. 58 ff., AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 10; – 4 AZR 798/07 – Rn. 49 ff.; – 4 AZR 802/07 – Rn. 57 ff.; – 4 AZR 845/07 – Rn. 57 ff.) ausführlich begründet hat, sind die von der ArbKomm/EKDWHN beschlossenen arbeitsrechtlichen Regelungen weder vom jeweiligen diakonischen Arbeitgeber einseitig dem Arbeitnehmer gestellt (vgl. § 305 Abs. 1 BGB), noch kann die der ArbKomm/EKDWHN eingeräumte Änderungsbefugnis hinsichtlich der materiellen Arbeitsbedingungen wertend dem Arbeitgeber selbst zugerechnet werden. Die ArbKomm/EKDWHN ist vielmehr als Dritter iSv. § 317 Abs. 1 BGB anzusehen, da die Einflussmöglichkeit der diakonischen Arbeitgeber durch mehrere Stufen vermittelt und deshalb so gering ist, dass die für die Annahme einer einseitigen Leistungsbestimmung erforderliche Durchsetzungsfähigkeit nicht besteht (vgl. nur BAG 10. Dezember 2008 – 4 AZR 801/07 – Rn. 63, aaO). Hieran hält der Senat fest. Die Kommission kann nicht als Repräsentantin der Arbeitgeberseite angesehen werden, weil die paritätische Beteiligung der Arbeitnehmer an den jeweiligen Entscheidungen sowohl durch die im ARRG geregelte Zusammensetzung der ArbKomm/EKDWHN als auch durch das dort geregelte Verfahren gesichert ist und damit zumindest nahezu gleichgewichtige Durchsetzungschancen bestehen. Die mit dem ARRG institutionell abgesicherte Beteiligung der Arbeitnehmer bei den auf dem “Dritten Weg” zustande gekommenen Arbeitsrechtsregelungen steht der Annahme entgegen, dass es sich bei diesen um durch den Arbeitgeber bzw. dessen Dachverband einseitig festsetzbare Arbeitsbedingungen handelt (vgl. nur BAG 10. Dezember 2008 – 4 AZR 801/07 – Rn. 65 und 66, aaO).

Rz. 40

 2. Die danach eröffnete Ausübungskontrolle nach § 317 BGB gibt vorliegend keinen Anlass zu Beanstandungen. Die von der ArbKomm/EKDWHN am 17. Mai 2005 beschlossene Änderung der ArbAVO/DWHN, durch die das Urlaubsgeld 2005 entfällt, stellt keine offenbar unbillige Entscheidung dar und ist deshalb für den Kläger verbindlich.

Rz. 41

 a) Offenbar unbillig im Sinne des § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Leistungsbestimmung eines Dritten dann, wenn sie in grober Weise gegen Treu und Glauben verstößt und sich dies bei unbefangener sachkundiger Prüfung sofort aufdrängt (BAG 8. Juni 2005 – 4 AZR 412/04 – Rn. 39, AP MitarbeitervertretungsG-EK Rheinland-Westfalen § 42 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 6; 19. Februar 2003 – 4 AZR 11/02 – BAGE 105, 148, 157; 17. April 1996 – 10 AZR 558/95 – AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 24 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 140).

Rz. 42

 b) Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Der Wegfall des bisherigen Urlaubsgeldes betrifft mit weniger als 1,5 Prozent einen geringen Anteil des Einkommens des Klägers. Die von der ArbKomm/EKDWHN vorgesehene Streichung des Urlaubsgeldes gilt überdies nicht nur für die Arbeiter, sondern für alle Arbeitnehmer und sonstigen Mitarbeiter der EKHN und des DWHN (vgl. BAG 10. Dezember 2008 – 4 AZR 801/07 – Rn. 86, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 10). Sie ist allgemein Bestandteil zahlreicher Sanierungsvereinbarungen und -tarifverträge. Gerade im Bereich des öffentlichen Dienstes sind vom Bund und der TdL im Juni 2003 die Urlaubsgeldtarifverträge gekündigt worden. Die neuen Manteltarifverträge TVöD und TV-L sehen ein gesondertes Urlaubsgeld nicht mehr vor. Zudem ist die Kürzung von Gratifikationen in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als zweckmäßige Maßnahme anerkannt, wenn durch die damit freiwerdenden Finanzmittel ansonsten aufgrund fehlender Geldmittel erforderliche betriebsbedingte Kündigungen oder Betriebsübergänge vermieden werden (BAG 19. Februar 2003 – 4 AZR 11/02 – BAGE 105, 148, 158; 17. April 1996 – 10 AZR 558/95 – juris-Rn. 48, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 24 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 140). Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass die Zuwendungen, die sie bislang von dritter Seite erhalten habe, erheblich gekürzt worden seien. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wäre die Beklagte ohne die Streichung des Urlaubsgeldes – und weiterer vorliegend nicht streitgegenständlicher Vergütungsbestandteile – gezwungen gewesen, die Tätigkeiten der Mitarbeiter in den Gehaltsgruppen E 1 und E 2 im Wege der Fremdvergabe erledigen zu lassen. Dies schließt die offenbare Unbilligkeit der Urlaubsgeldstreichung aus.

Rz. 43

 V. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens und der Berufung zu tragen (§ 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO).

 

Unterschriften

Bepler, Treber, Creutzfeldt, Pfeil, B. Pieper

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2311700

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