Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusatzversorgung Teilzeitbeschäftigter. Gleichbehandlung

 

Leitsatz (redaktionell)

vgl. auch Urteil vom 21. Januar 1997 – 3 AZR 89/96 –.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3; BAT § 3 Buchst.q, §§ 46, 70; Versorgungs-TV § 2; BGB §§ 198, 222, 242; EGVtr Art. 119; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 30.10.1995; Aktenzeichen 9 Sa 1063/95)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 02.06.1995; Aktenzeichen 3 Ca 8257/94)

 

Tenor

1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 30. Oktober 1995 – 9 Sa 1063/95 – wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin für die gesamte Zeit ihrer bisherigen Beschäftigung einen Anspruch auf Zusatzversorgung erworben hat.

Die am 12. April 1930 geborene Klägerin war vom 1. Dezember 1969 bis zum 31. Juli 1994 beim beklagten Land als Lehrkraft teilzeitbeschäftigt. Sie unterrichtete zunächst acht Stunden wöchentlich und ab 1. Januar 1988 zehn Stunden wöchentlich. Das beklagte Land versicherte sie ab 1. Januar 1988 bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder.

Auf das Arbeitsverhältnis fanden die für den öffentlichen Dienst geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen Anwendung. Der Versorgungstarifvertrag (Versorgungs-TV) ist nach § 2 auf die Angestellten der Verwaltungen und Betriebe der Länder grundsätzlich nur dann anwendbar, wenn sie unter den Geltungsbereich des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) fallen. Bis zum 31. Dezember 1987 galt der BAT nach § 3 Buchst. q nicht für Angestellte, deren arbeitsvertraglich vereinbarte durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit weniger als die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollzeitbeschäftigten Angestellten betrug. Vom 1. Januar 1988 bis zum 31. März 1991 waren Angestellte mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 18 Stunden aus dem Geltungsbereich des BAT ausgenommen. § 5 Versorgungs-TV und die Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) sahen bis dahin für Arbeitnehmer mit einer geringeren wöchentlichen Arbeitszeit keine Versicherung vor. Seit dem 1. April 1991 besteht eine Versicherungspflicht bereits dann, wenn der Arbeitnehmer mehr als geringfügig im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB IV beschäftigt ist. Die Beklagte hielt sich an diese Vorschriften.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der tarifvertragliche Ausschluß von Teilzeitkräften mit kürzerer Arbeitszeit sei unwirksam gewesen. Deshalb stehe ihr für die gesamte Beschäftigungszeit die tarifliche Zusatzversorgung zu.

Die Klägerin hat in den Vorinstanzen beantragt

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin ab 1. August 1994 eine monatliche Rente in der Höhe zu zahlen, die zu zahlen wäre, wenn die Klägerin in der Zeit vom 1. Dezember 1969 bis zum 31. Juli 1994 bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versichert gewesen wäre.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die bis zum 31. März 1991 geltende Einschränkung der Zusatzversorgung sei wirksam gewesen. Sie habe nicht gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Zumindest sei eine rückwirkende Einbeziehung der bisher ausgeschlossenen Teilzeitkräfte in die Zusatzversorgung unzulässig. Keinesfalls habe die Klägerin einen Verschaffungsanspruch, der dem Arbeitgeber eine Wahlmöglichkeit bei der Durchführung der Zusatzversorgung eröffne. In Betracht komme allenfalls ein Anspruch auf Anmeldung bei der VBL und Abführung der Umlagen. Ein derartiger Anspruch sei jedoch nach § 70 BAT verfallen und außerdem nach § 196 Abs. 1 BGB verjährt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Das beklagte Land möchte mit seiner Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Die Feststellungsklage ist zulässig. Der Klägerin steht der geltend gemachte Verschaffungsanspruch zu.

A. Ebenso wie in den früheren Rechtsstreitigkeiten hat der Senat davon abgesehen, das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerden gegen die Urteile des Senats vom 7. März 1995 (– 3 AZR 321 und 625/94 –, n.v.) auszusetzen. Die Klägerin hat ein Recht darauf, daß die Fachgerichte ihren Anspruch abschließend beurteilen. Dieses Interesse überwiegt gegenüber den Interessen der Beklagten, weitere Prozeßkosten zu ersparen (vgl. BAG Urteil vom 16. Januar 1996 – 3 AZR 767/94 – AP Nr. 222 zu Art. 3 GG, zu A der Gründe; Urteile vom 12. März 1996 – 3 AZR 988, 989 und 990/94 –, n.v., zu A der Gründe). Dasselbe gilt auch, soweit eine Aussetzung des Rechtsstreits im Hinblick auf Vorabentscheidungsersuchen mehrerer Landesarbeitsgerichte an den Europäischen Gerichtshof in Betracht kommt (BAG Urteile vom 30. Juli 1996 – 3 AZR 399 und 400/95 –, n.v., zu A der Gründe; Urteile vom 24. September 1996 – 3 AZR 652, 676 und 788/95 und 72/96 –, n.v.).

B. Die Feststellungsklage ist zulässig.

I. Gegenstand des Feststellungsantrags war ein Verschaffungsanspruch. Das Landesarbeitsgericht hat den Klageantrag anhand des Klagevorbringens zutreffend ausgelegt, die Rechtsprechung des Senats zum Verschaffungsanspruch beachtet und dementsprechend die Urteilsformel gefaßt.

II. Der auf Feststellung eines Verschaffungsanspruchs gerichtete Antrag ist hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Verschaffungsanspruch soll dem Grunde nach geklärt werden. Der Zeitraum, für den eine Zusatzversorgung verlangt wird, ist genau bezeichnet. Angaben zur Höhe des Versorgungsanspruchs waren nicht nötig. Die Berechnung und Bezifferung der zu erwartenden Versorgungsrente ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits (vgl. BAG Urteil vom 17. April 1996 – 3 AZR 774/94 –, n.v., zu I 2 a der Gründe).

III. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt.

1. Bei dem von der Klägerin geltend gemachten Verschaffungsanspruch handelt es sich um ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin ist Rentnerin. Der Versorgungsfall ist eingetreten.

2. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Inhalts ihres Verschaffungsanspruchs, obwohl eine Leistungsklage an sich möglich ist. Auch nach Eintritt des Versorgungsfalles ist eine Feststellungsklage aus prozeßwirtschaftlichen Gründen zulässig (ständige Rechtsprechung des Senats seit dem Urteil vom 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 – AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu A III 2 b der Gründe; vgl. Urteil vom 16. Januar 1996 – 3 AZR 767/94 – AP Nr. 222 zu Art. 3 GG, zu B II 2 der Gründe; Urteil vom 17. April 1996 – 3 AZR 774/44 –, n.v., zu I 2 b bb der Gründe und Urteil vom 24. September 1996 – 3 AZR 652/95 –, n.v., zu B II 2 der Gründe).

C. Die Klage ist begründet. Das beklagte Land hat der Klägerin die Versorgungsleistungen zu verschaffen, die ihr zustünden, wenn sie während ihrer gesamten Beschäftigungszeit vom 1. Dezember 1969 bis zum 31. Juli 1994 bei der VBL versichert gewesen wäre.

I. Der Verschaffungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus der Grundregel des § 46 BAT. Entgegen der Ansicht des beklagten Landes handelt es sich dabei nicht lediglich um eine Programmvorschrift. Dies widerspricht dem Wortlaut der Bestimmung „Der Angestellte hat Anspruch”). Sie räumt dem Angestellten ein Forderungsrecht ein, ohne allerdings die näheren Voraussetzungen und den Umfang der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung selbst festzulegen „nach Maßgabe eines besonderen Tarifvertrages”). Die Einzelheiten sind im Versorgungstarifvertrag geregelt.

Soweit § 2 des Versorgungstarifvertrages (Versorgungs-TV) in Verb. mit § 3 Buchst. q BAT die mehr als geringfügig beschäftigten Teilzeitkräfte von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen hat, ist diese Ausnahmevorschrift wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unwirksam. Für sie gibt es keine einleuchtenden Gründe. Dies hat der Senat mehrfach entschieden (vgl. u.a. BAGE 71, 29, 38 ff. = AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu B I 3 c der Gründe; Urteil vom 7. März 1995, aaO, zu B II 2 d der Gründe; Urteil vom 16. Januar 1996 – 3 AZR 767/94 – AP Nr. 222 zu Art. 3 GG, zu C der Gründe; Urteil vom 27. Februar 1996 – 3 AZR 886/94 – AP Nr. 28 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu B III 1 der Gründe; Urteile vom 12. März 1996 – 3 AZR 988, 989, 990/94 –, n.v., zu C II der Gründe; Urteil vom 18. Juni 1996 – 3 AZR 228/95 –, n.v., zu C II der Gründe; Urteile vom 30. Juli 1996 – 3 AZR 399 und 400/95 –, n.v., zu C I der Gründe; Urteile vom 24. September 1996 – 3 AZR 652, 676/95 und 72/96 –, n.v., zu C II der Gründe). Das beklagte Land hat keine neuen Gesichtspunkte aufgezeigt, mit denen sich der Senat nicht schon befaßt hat.

1. Die Gerichte für Arbeitssachen haben Tarifverträge daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen das Grundgesetz oder zwingendes Gesetzesrecht verstoßen (vgl. BAG Urteil vom 7. März 1995, aaO, zu B II 2 a der Gründe, mit eingehender Begründung und weiteren Nachweisen). Auch insoweit besteht kein Anlaß, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen.

2. Der Ausschluß der mehr als geringfügig beschäftigten Teilzeitkräfte wurde den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG nicht gerecht.

a) Der Senat hat bereits in seinen früheren Urteilen den Inhalt des Gleichheitssatzes näher beschrieben und darauf hingewiesen, daß es auf die objektive Sach- und Rechtslage ankommt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz setzt keinen Schuldvorwurf voraus.

Das beklagte Land rügt erneut den objektivierten Begriff der „Willkür”. Das Bundesverfassungsgericht verwendet jedoch sowohl die angegriffene Formulierung als auch den damit zum Ausdruck gebrachten Prüfungsmaßstab. So hat es im Beschluß vom 7. November 1995 (– 2 BvR 802/90 – NJW 1996, 833, zu B I 2 der Gründe) darauf abgestellt, daß eine bestimmte Auslegung und Rechtsanwendung „objektiv willkürlich” ist.

b) Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie ändert an der Anwendbarkeit des Gleichheitssatzes nichts. Art. 9 Abs. 3 GG räumt den Tarifvertragsparteien keinen unbeschränkten Regelungsspielraum ein. Auch sie müssen zwingendes übergeordnetes Recht beachten, zu dem die Wertentscheidung des Art. 3 Abs. 1 GG gehört. Wie der Senat im Urteil vom 7. März 1995 (aaO, zu B II 2 der Gründe, m.w.N.) betont hat, muß allerdings die Auslegung der Vorschriften, die den Handlungsspielraum der Tarifvertragsparteien einschränken, der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Tarifautonomie Rechnung tragen. Die Tarifvertragsparteien haben eigenverantwortlich die für ihre Regelungen maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse festzustellen und künftige Entwicklungen einzuschätzen. Jedenfalls vertretbare Analysen und Prognosen haben die staatlichen Gerichte hinzunehmen. Davon zu unterscheiden ist die rechtliche Bewertung der Verhältnisse (vgl. BAG Urteil vom 17. April 1996 – 3 AZR 774/94 –, n.v., zu II 1 a cc der Gründe).

Die Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) führt entgegen der Auffassung des beklagten Landes nicht dazu, daß die Tarifvertragsparteien auch in der rechtlichen Bewertung der von ihnen festgestellten und prognostizierten Tatsachen frei sind. Gibt es unter Zugrundelegung der tatsächlichen Annahmen der Tarifvertragsparteien keine einleuchtenden Gründe für eine getroffene Unterscheidung, so ist sie offenkundig unsachlich, ohne daß damit ein Schuldvorwurf verbunden ist.

c) Entgegen der Ansicht des beklagten Landes hat sich der Inhalt des Art. 3 Abs. 1 GG im Laufe der Zeit nicht geändert. Auch weitverbreitete Rechtsansichten müssen dem objektiven Prüfungsmaßstab des Art. 3 Abs. 1 GG standhalten. Neue Rechtserkenntnisse sind – abgesehen von dem auf Ausnahmefälle beschränkten Vertrauensschutz – uneingeschränkt bei der Rechtsanwendung zu berücksichtigen. Von einem Wandel der Rechtserkenntnisse ist ein Wandel der tatsächlichen Verhältnisse zu unterscheiden. Die tatsächlichen Verhältnisse haben sich jedoch nicht entscheidend geändert (BAG Urteil vom 16. Januar 1996 – 3 AZR 767/94 –, aaO). Entgegen der Ansicht des beklagten Landes ist es unerheblich, daß die Zahl der Teilzeitbeschäftigten gestiegen ist und sich die Gründe für die Teilzeitarbeit verschoben haben. Die Rechtsfrage, wie die Teilzeitarbeit rechtlich zu ordnen ist, blieb die gleiche.

d) Das beklagte Land kann sich nicht auf Schaub (NZA 1994, 597, 598 ff.) berufen. Die zitierte Stelle (vgl. Revisionsbegründung S. 26) befaßt sich mit der Auslegung von Tarifverträgen. Im vorliegenden Fall ist jedoch die Auslegung des Tarifvertrages unproblematisch. Das beklagte Land wendet sich gegen die Auslegung und Anwendung übergeordneten Rechts (Art. 3 Abs. 1 GG), an dem sich die tarifvertraglichen Bestimmungen messen lassen müssen.

II. Der Verstoß der tariflichen Regelung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG führt nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Versorgungsregelung, sondern nur zur Unwirksamkeit des Ausnahmetatbestandes, der die Klägerin ausgrenzte. Damit ist die Grundregel des § 46 BAT anzuwenden. Sie begründet den geltend gemachten Verschaffungsanspruch.

Der Verschaffungsanspruch beruht auf der betriebsrentenrechtlich erforderlichen Unterscheidung zwischen arbeitsrechtlichem Grundverhältnis und versicherungsrechtlicher Durchführung.

Die Zusatzversorgung dient dazu, dem Arbeitnehmer bei Eintritt eines Versorgungsfalles einen gewissen Lebensstandard zu sichern und Versorgungslücken zu schließen oder zumindest zu verkleinern. Die Durchführungsform ist für dieses Anliegen nur Mittel zum Zweck. Art und Weise der Zusatzversorgung sind zwar für die Arbeitgeber von nicht zu unterschätzender wirtschaftlicher Bedeutung. Im Vordergrund steht jedoch das Versorgungsbedürfnis der Arbeitnehmer. Die Tarifvertragsparteien haben die versorgungsrechtlichen Verpflichtungen nicht auf die bloße Durchführungsform verkürzt (vgl. BAGE 71, 29, 42 f. = AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu B II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 – AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu B III 2 b cc der Gründe). Das beklagte Land hat keine neuen Argumente vorgebracht, die gegen diese Rechtsprechung sprechen könnten. Auch sonst wird in der Rechtsordnung zwischen Deckungs- und Valutaverhältnis unterschieden. Die arbeitsrechtlichen und versicherungsrechtlichen Ansprüche stimmen zwar in der Regel überein, müssen es aber nicht.

III. Der Verschaffungsanspruch läßt sich entgegen der Ansicht des beklagten Landes nicht mit der Begründung verneinen, die Klägerin könne von der VBL trotz gegenteiliger Satzungsvorschriften die geltend gemachten Versorgungsleistungen verlangen. Bei der Frage, ob ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliegt, ist zwischen dem arbeitsrechtlichen Grundverhältnis und dem Versicherungsverhältnis zu unterscheiden. Nicht jeder Rechtsfehler im arbeitsrechtlichen Grundverhältnis schlägt unmittelbar auf das versicherungsrechtliche Durchführungs(Deckungs-)verhältnis durch. Allenfalls die Arbeitgeber als Versicherungsnehmer und Mitglieder der VBL können die versicherungsvertragliche Einräumung oder Erweiterung von Bezugsrechten an die bisher ausgeschlossenen Personen verlangen. Die Arbeitnehmer stehen ohne Abschluß eines Versicherungsvertrages in keiner Rechtsbeziehung zur VBL und werden auch danach nicht Versicherungsnehmer, sondern nur Bezugsberechtigte (vgl. BGH Urteil vom 16. März 1988 – IV a ZR 142/87 – AP Nr. 25 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, zu I 2 d der Gründe). Sie dürfen dem Arbeitgeber die Klärung der versicherungsvertraglichen Fragen überlassen und sich darauf beschränken, lediglich die Verschaffung einer Zusatzversorgung in der tarifvertraglichen Höhe zu fordern (vgl. BAG Urteil vom 17. April 1996 – 3 AZR 774/94 –, n.v., zu II 2 c der Gründe). Dies bedeutet, daß nicht abschließend entschieden werden muß, ob der Grundrechtsverstoß in der arbeitsrechtlichen Beziehung sich auch im Versicherungsverhältnis auswirkt.

IV. Dem Verschaffungsanspruch der Klägerin steht kein Rückwirkungsverbot entgegen.

1. Ein europarechtlicher Rückwirkungsschutz besteht im vorliegenden Fall nicht. Insoweit wird auf die Ausführungen in den Urteilen vom 7. März 1995 (aaO, zu B IV 3 der Gründe), vom 16. Januar 1996 (aaO, zu C IV 2 der Gründe), vom 12. März 1996 (aaO, jeweils zu C IV 2 der Gründe), vom 18. Juni 1996 (aaO, zu C IV 2 der Gründe), vom 30. Juli 1996 (aaO, jeweils zu C II 1 der Gründe) und vom 24. September 1996 (– 3 AZR 652/95 –, n.v., zu C IV 2 der Gründe) Bezug genommen. Neue Gesichtspunkte, die zu einer abweichenden Beurteilung führen könnten, hat das beklagte Land nicht vorgebracht.

2. Ebensowenig führt der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG ergebende Vertrauensschutz gegenüber rückwirkenden Belastungen zu einem Wegfall oder zu einer Einschränkung des Verschaffungsanspruchs.

a) Das beklagte Land kann sich nicht auf die frühere Rechtsprechung zur Behandlung von Teilzeitkräften berufen. Eine Änderung der Rechtsprechung kann nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden mit einer Änderung der objektiven Rechtslage durch neue Gesetze. Grundsätzlich muß der Richter seiner Entscheidung die Rechtserkenntnisse zugrunde legen, die er hier und heute gewinnt (vgl. BAG Urteil vom 16. Januar 1996, aaO, zu C IV 1 der Gründe, und Urteil vom 12. März 1996 – 3 AZR 993/94 – AP Nr. 1 zu § 24 TV Arb Bundespost, zu C I 4 der Gründe). Selbst ein schuldloser Rechtsirrtum des Arbeitgebers führt nicht dazu, daß die Gerichte die objektiv rechtswidrige Benachteiligung einer Personengruppe wider besseres Wissen aufrechterhalten müssen (vgl. BAG Urteil vom 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 –, aaO, zu B IV 2 d aa der Gründe).

b) Auch im vorliegenden Fall kann offenbleiben, ob ein Vertrauen auf die bisherige gerichtliche Gesetzesanwendung überhaupt zu schützen ist. Zumindest sind die dem Arbeitgeber entstehenden Belastungen abzuwägen mit den Interessen der Arbeitnehmer an der Beachtung der zentralen Gerechtigkeitsnorm des Art. 3 Abs. 1 GG.

aa) Auf der Arbeitnehmerseite ist nicht allein die wirtschaftliche Bedeutung der zusätzlichen betrieblichen Altersversorgung zu berücksichtigen. Die verfassungsrechtliche Bedeutung der richtigen Rechtsanwendung kann entgegen der Auffassung des beklagten Landes nicht außer acht gelassen werden. Je stärker die bisher verletzte Rechtsposition geschützt ist, desto weniger kann auf die vorübergehende Beibehaltung einer objektiv unrichtigen Rechtsanwendung vertraut werden.

bb) Bei der Bewertung der finanziellen Belastungen des Arbeitgebers müssen die voraussichtlichen Mehrkosten zu den Gesamtkosten in Beziehung gesetzt werden, die für die Zusatzversorgung und für die Vergütung der Arbeitnehmer aufzuwenden sind. Danach gibt es für eine Überforderung des beklagten Landes keine ausreichenden Anhaltspunkte.

V. Der Verschaffungsanspruch der Klägerin ist weder verfallen noch verjährt.

1. Nach § 70 BAT verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn der Angestellte sie nicht innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urteil vom 12. Januar 1974 – 3 AZR 114/73 – AP Nr. 5 zu § 242 BGB Ruhegehalt-VBL, zu III 1 der Gründe; Urteil vom 15. September 1992 – 3 AZR 438/91 – AP Nr. 39 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, zu II 3 a der Gründe; Urteil vom 7. März 1995, aaO, zu B V 1 b der Gründe; Urteil vom 17. April 1996 – 3 AZR 774/94 –, n.v., zu II 3 a der Gründe) gilt die Ausschlußfrist des § 70 BAT nicht für Ansprüche der Arbeitnehmer auf Verschaffung einer Zusatzversorgung. Daran hält der Senat fest, zumal Ausschlußfristen eng auszulegen sind.

2. Ebensowenig steht dem beklagten Land ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 222 BGB zu. Die Verjährungsfrist ist noch nicht abgelaufen. Sie beginnt mit der Fälligkeit des Anspruchs (vgl. u.a. BAG Urteil vom 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 –, aaO, zu V 2 der Gründe; BGHZ 113, 188, 193). Der von der Klägerin geltend gemachte Versorgungsverschaffungsanspruch ist jedoch erst mit Eintritt des Versorgungsfalles fällig geworden. Außerdem beträgt die Verjährungsfrist für diesen Anspruch nicht zwei, sondern 30 Jahre.

a) Die Arbeitgeber sind erst dann verpflichtet, Angestellte bei der VBL zu versichern, wenn die VBL versicherungsvertragliche Beziehungen begründen muß. Ob dies der Fall ist, hängt von ihren Satzungsbestimmungen ab. Wenn dies nicht oder nicht mehr möglich ist, hat der Arbeitgeber auf anderem Weg eine entsprechende Versorgung sicherzustellen. Erst mit Eintritt des Versorgungsfalles steht fest, ob die Einstandspflicht des Arbeitgebers zum Tragen kommt. Vorher wird der darauf gestützte Verschaffungsanspruch nicht fällig (vgl. BAG Urteil vom 17. April 1996 – 3 AZR 774/94 –, n.v., zu II 3 b aa der Gründe). Das beklagte Land gelangt nur deshalb zu einem anderen Ergebnis, weil es nicht zwischen dem arbeitsrechtlichen Grundverhältnis und seiner Durchführung unterscheidet.

b) Wie der Anspruch der Arbeitnehmer auf Zahlung einer Umlage zur VBL zu werten ist, kann dahingestellt bleiben. Im vorliegenden Fall spielt es keine Rolle, ob diese Leistung als Vergütung im Sinne des § 196 Abs. 1 Nr. 8 oder 9 BGB anzusehen oder einem derartigen Entgelt gleichzustellen ist. Die Umlage ist erst zu zahlen, wenn der Arbeitnehmer zur VBL angemeldet worden ist und dadurch entsprechende versicherungsvertragliche Rechte und Pflichten mit der VBL begründet werden. Die Anmeldung zur VBL ist weder als Gehalt, Lohn oder anderer Dienstbezug noch als Auslage anzusehen. § 196 BGB beruht auf dem Gedanken, daß Leistungen aus Geschäften des täglichen Lebens in der Regel bald bezahlt, Belege oft nicht erteilt und bald vernichtet werden (vgl. u.a. Palandt/ Heinrichs, BGB, 56. Aufl., § 196 Rz 1 unter Hinweis auf die Motive zum Entwurfe eines BGB, Band 1, S. 297). Ein derartiges Geschäft ist die Anmeldung zur Zusatzversorgung nicht. Der Anspruch auf Schaffung versicherungsvertraglicher Bezugsrechte ist von den späteren laufenden Rentenzahlungen zu unterscheiden. Damit verbleibt es, wie der Senat in seinem Urteil vom 17. April 1996 (– 3 AZR 774/94 –, n.v.) ausgeführt hat, bei der regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 195 BGB).

D. Das beklagte Land hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Michels, Köhne

 

Fundstellen

Dokument-Index HI951885

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