Entscheidungsstichwort (Thema)

Verweisung auf Beamtenrecht in Tarifvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

  • In Tarifverträgen für die Bundesbahn kann wegen der Eingruppierung der Arbeitnehmer auf die für Beamte geltenden Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften verwiesen werden.
  • Grundsätze der Gleichbehandlung stehen einer derartigen Verweisung nicht entgegen.
 

Normenkette

TVG Tarifverträge: Bundesbahn § 1; Lohntarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn (LTV) vom 12. September 1960 i.d.F. vom 29. Dezember 1983 § 7 Anlage 1 Abschn. A – C

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 10.12.1992; Aktenzeichen 18 Sa 935/92)

ArbG Essen (Urteil vom 14.05.1992; Aktenzeichen 1 Ca 554/92)

 

Tenor

  • Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Dezember 1992 – 18 Sa 935/92 – aufgehoben.
  • Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 14. Mai 1992 – 1 Ca 554/92 – abgeändert:

    Die Klage wird abgewiesen.

  • Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen !

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der auf einem Beamtendienstposten beschäftigte Kläger in der Zeit vom 1. April 1991 bis 31. Juli 1992 einen Anspruch auf Vergütung nach Lohngruppe II des Lohntarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn (LTV) aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes hat.

Der Kläger ist seit dem 1. Dezember 1980 bei der Beklagten in deren Dienststelle Bahnhof D… als Rangierarbeiter beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 1. Dezember 1980 finden auf das Arbeitsverhältnis die “Bestimmungen der Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn in ihrer jeweils gültigen Fassung” Anwendung und damit auch der LTV.

Mit Verfügung vom 30. Oktober 1990 – Ps 2307 – wurde der Kläger beauftragt, die Aufgaben eines Beamtendienstpostens – 041 04 – (Baufs (Rg)-Dp) wahrzunehmen. Der zuständige Bezirkspersonalrat hat dieser Übertragung zugestimmt. Bei den übertragenen Aufgaben handelt es sich um die eines Betriebsaufsehers, der Kläger hat dabei die Tätigkeiten eines sog. Vorhemmers zu erledigen.

Der Kläger war aufgrund Bewährungsaufstiegs in die Lohngruppe III LTV eingruppiert. Nach einer Neubewertung seines Dienstpostens seit dem 1. August 1992 wird er nach der Lohngruppe II LTV vergütet.

Die Beamtendienstposten 04101, 04102 und 04103, ebenfalls sogenannte Vorhemmer, sind nach dem für die Dienststelle des Klägers geltenden Personalbedarfsplan vom 18. März 1992 mit der Bewertung Baufs (Rg) 4 ausgestattet, was der Tarifstelle eines Betriebshauptaufsehers nach Lohngruppe II entspricht. Der Dienstposten 04104 des Klägers ist nach einer Abwertung im Jahre 1986 nur mit Baufs (Rg) eingestuft, was der Tarifstelle eines Betriebsaufsehers nach Lohngruppe IV entspricht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe die Vergütung nach Lohngruppe II bereits ab 1. April 1991 zu, da die drei anderen “Vorhemmer” die gleiche Arbeit wie er verrichteten und deshalb die Bewertung seines Beamtendienstpostens 04104 nach Lohngrupe IV gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Vergütung nach der Lohngruppe II des Lohntarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn auch für die Zeit vom 1. April 1991 bis zum 31. Juli 1992 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Eingruppierung des Klägers entspreche den tariflichen Regelungen. Die unterschiedliche Bewertung der vier Beamtendienstposten gehe auf besoldungs- und haushaltsrechtliche Vorgaben durch den Dienstherrn zurück. Der Kläger habe deshalb keinen Anspruch auf eine bestimmte Bewertung des ihm übertragenen Dienstpostens, zumal das Arbeitsgericht nicht befugt sei, diese beamtenrechtliche Bewertung zu überprüfen.

Das Arbeitsgericht hat der Klageforderung entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt diese weiterhin die Klageabweisung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Der Kläger hat in der Zeit vom 1. April 1991 bis zum 31. Juli 1992 keinen Anspruch auf Vergütung nach der Lohngruppe II des Lohntarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn (LTV).

I. Der Kläger hat beantragt festzustellen, die Beklagte sei verpflichtet, ihm für die Zeit vom 1. April 1991 bis 31. Juli 1992 Vergütung nach der Lohngruppe II LTV zu zahlen. Gegen die Zulässigkeit dieses Klageantrags bestehen keine prozeßrechtlichen Bedenken (§§ 253, 256 ZPO). Die Klage stellt sich als eine der im öffentlichen Dienst allgemein üblichen Eingruppierungsfeststellungsklagen dar, die zur Geltendmachung ihrer entsprechenden Rechte auch den Arbeitnehmern der Deutschen Bundesbahn zur Verfügung steht (BAG Urteile vom 19. April 1972 – 4 AZR 257/71 – und vom 22. Mai 1985 – 4 AZR 88/84 – AP Nr. 1 und 6 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bundesbahn, jeweils m.w.N.).

II. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht entschieden, der Kläger habe keinen tarifvertraglichen Anspruch auf die von ihm geltend gemachte Vergütung.

1. Nach § 7 LTV ergibt sich die Einstufung der Tätigkeiten in die einzelnen Lohngruppen aus der Anlage 1 Abschn. A – C. Nach den Vorbemerkungen zur Lohngruppeneinteilung in Abschnitt A Abs. 1 Ziff. 3 der Anlage 1 zum LTV erfolgt die Einstufung in die Lohngruppen für die Beamtentätigkeiten des einfachen und mittleren Dienstes nach Abschnitt C Unterabschnitt B der Anlage 1. Nach Ziff. 1 dieser Regelung sind für die Bewertung der Beamtentätigkeiten wiederum die Richtlinien für die einheitliche Bewertung der Beamtendienstposten (Tätigkeitsverzeichnis) und die dazu ergangenen Verfügungen maßgebend.

2.a) Gegen die Rechtswirksamkeit dieser Verweisung auf die auf Beamtendienstverhältnisse zugeschnittenen Tätigkeitsverzeichnisse, die zudem einseitig vom Arbeitgeber erlassen worden sind, bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats im öffentlichen Dienst grundsätzlich keine Bedenken. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Verweisung, wie vorliegend, eindeutig ist und das in Bezug genommene Beamtenrecht in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der tariflichen Regelung steht. Die Verweisung auf das Beamtenrecht und in dessen Rahmen ergangene Verfügungen der Dienstbehörden stellt insbesondere auch keine unzulässige Delegation der Normsetzungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien dar. Diesen bleibt es nämlich unbenommen, die Verweisung jederzeit aufzuheben. Ebensowenig spricht gegen die rechtliche Zulässigkeit der Verweisung, daß Erlasse und Verfügungen einseitig, wenn auch unter Berücksichtigung des § 68 BPersVG und des § 94 BBG, vom Arbeitgeber geschaffene Verwaltungsvorschriften sind. Auch insoweit hängt nämlich ihre Rechtsgeltung als Tarifnorm ebenfalls allein von dem Willen der Tarifvertragsparteien ab (vgl. BAG Urteil vom 19. April 1972 – 4 AZR 257/71 – AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bundesbahn; BAGE 41, 47, 51 = AP Nr. 7 zu § 44 BAT, zu II 1b der Gründe; BAGE 59, 177, 182 f. = AP Nr. 1 zu § 5 TV Arb Bundespost, zu II 1a der Gründe). Schließlich steht der Wirksamkeit der Verweisung nicht das Erfordernis des schriftlichen Abschlusses (§ 1 Abs. 2 TVG) von Tarifverträgen entgegen. Diese gesetzlich angeordnete Schriftform dient nur der Klarstellung des Tarifinhalts. Letztere wird aber erreicht, unabhängig davon, ob in einem Tarifvertrag ein anderer Tarifvertrag oder Vorschriften des Beamtenrechts in Bezug genommen werden (BAGE 34, 42, 45 ff. = AP Nr. 7 zu § 1 TVG Form; BAGE 41, 47, 51 = AP, aaO). Verweist nämlich ein Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes auf die für die Beamten des Arbeitgebers geltenden Bestimmungen, so soll dem Arbeitnehmer insoweit dieselbe Rechtsstellung wie den Beamten eingeräumt werden. Der Arbeitgeber soll in den Stand versetzt werden, seine in den verschiedenen Behörden und Dienststellen zusammenarbeitenden Beamten und Arbeitnehmer nach denselben Grundsätzen und Rechtsnormen zu behandeln. Hinsichtlich der Voraussetzungen des Umfangs und der Dauer der zu gewährenden Leistungen soll der Arbeitnehmer nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden als der vergleichbare Beamte. Dabei müssen Beamte und Angestellte oder Arbeiter nach den Grundsätzen des Verwaltungsermessens gleichbehandelt werden.

b) Das Landesarbeitsgericht geht auch zutreffend davon aus, daß die im LTV geregelte Verweisung auf das Beamtenrecht nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

Mit Rücksicht darauf, daß Tarifverträge zwischen gleichstehenden Parteien im einzelnen ausgehandelt werden, muß es ihnen auch überlassen werden, in eigener Verantwortung unter Umständen Zugeständnisse in einer mit Vorteilen in anderer Hinsicht auszugleichen. Das Bundesarbeitsgericht hat den Tarifvertragsparteien deshalb in ständiger Rechtsprechung (vgl. statt vieler BAGE 28, 14 = AP Nr. 40 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAG Urteil vom 7. Februar 1979 – 4 AZR 562/77 – AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk, jeweils m.w.N.) einen weiten Ermessensspielraum eingeräumt und eine Verletzung des Gleichheitssatzes nur dann angenommen, wenn die tarifliche Regelung offensichtlich unsachlich und willkürlich differenziert.

Im vorliegenden Fall haben die Tarifvertragsparteien jedoch in § 7 LTV und den zitierten Bestimmungen der Abschnitte A und C der Anlage 1 zum LTV lediglich festgelegt, die auf Beamtendienstposten beschäftigten Arbeiter seien entsprechend den Beamten zu vergüten und so gerade deren Gleichbehandlung mit den Beamten sowie eine klare und durchschaubare Regelung geschaffen. Im Rahmen des Beamtenrechts darf sich aber der Dienstherr an Haushaltspläne und Personalplanungen halten. Durch die Verweisung auf die für Beamte gültigen Bestimmungen wird im übrigen für die Angestellten und Arbeiter nicht nur auf die entsprechenden Gesetze und Rechtsverordnungen für Beamte Bezug genommen, sondern auch auf die einschlägigen Verwaltungsanordnungen und Erlasse (BAGE 39, 138, 143 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Durchführungspflicht, m.w.N.).

III. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bestehen auch keine Ansprüche nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz.

Soweit das Landesarbeitsgericht die auf der Grundlage der Beamtenbestimmungen unstreitig rechtsfehlerfrei vorgenommene Eingruppierung des Klägers an dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz scheitern läßt, widerspricht es sich selbst insoweit, als es die Verweisung auf das Beamtenrecht zuvor als zulässig angesehen hat.

Die Beklagte hat lediglich auf der Grundlage der Haushaltspläne eine Bewertung der Beamtendienstposten vorgenommen und entsprechend den tarifvertraglichen Regelungen daran anschließend die Vergütung des Klägers festgesetzt. Damit würde eine Überprüfung dieser Vergütung anhand des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes aber zu einer Überprüfung der Eingruppierung durch die Tarifvertragsparteien führen und dadurch zu einem Eingriff in deren Tarifautonomie. Dies ist aber nicht möglich (vgl. auch BAG Urteil vom 7. Februar 1979 – 4 AZR 562/77 – AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk). Dem steht nicht entgegen, daß die Tarifvertragsparteien die Geltung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im Tarifvertrag nicht ausdrücklich ausgeschlossen haben, wie das Arbeitsgericht meint. Wenn die Tarifvertragsparteien hinsichtlich der Vergütung auf die beamtenrechtlichen Regelungen verweisen, dann verweisen sie damit auch auf die Stellenpläne, Haushaltspläne und den beamtenrechtlichen Stellenkegel (BAGE 39, 138 = AP, aaO). Diese tarifliche Regelung kann aber nur dann von den Gerichten als unwirksam bezeichnet werden, wenn die Regelung offensichtlich unsachlich und willkürlich differenziert. Hierfür ergeben sich aber vorliegend keine Anhaltspunkte.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Dr. Wißmann, Schneider, Müller-Tessmann, Wehner

 

Fundstellen

Haufe-Index 845956

BB 1994, 292

NZA 1994, 707

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